Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall
Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 19. Januar 2015 einen Unfall, als er beim Versuch, ein Zugstahlseil von einem bereits liegenden
Baumstamm zu befreien, eine Quetschung der linken Hand mit Frakturen und Abriss des Mittel- und Zeigefingers erlitt. Der Kläger
wurde mittels Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen und vom 19. bis letztlich 25. Februar 2015 zunächst stationär behandelt.
Nachdem die Beklagte zunächst Ende Januar 2015 eine Rechnung bezüglich des Krankentransportes des Klägers erhielt, setzte
der Kläger selbst die Beklagte dann mit Schreiben vom 20. Februar 2015 über das Unfallgeschehen in Kenntnis. In diesem Schreiben
hieß es, er sei durch den Zeugen Herrn C., seinen Schwiegervater, am 19. Januar 2015 zu Hilfsarbeiten im Rahmen der Fällung
eines Baumes herangezogen worden. Dieser Baum sei mittels eines Seiles fixiert worden, das Seil sei an einem Traktor festgebunden
worden. Nachdem der Baum abgeschnitten und mittels des Seiles in die richtige Fallrichtung gebracht worden sei, habe das Seil
aus der Baumkrone gelöst werden müssen. Er selbst habe versucht, dies per Hand im Bereich der Krone vorzunehmen. Der Traktorist
habe übersehen, dass er selbst in der Krone am Seil noch tätig sei und sei ruckartig mit dem Traktor angefahren. Dadurch habe
sich das Seil angespannt und habe ihm letztlich 4 Finger der linken Hand abgeschlagen. Er mache hiermit Ansprüche gegen die
Beklagte geltend.
Der Zeuge C. war zum Unfallzeitpunkt selbständiger Unternehmer und Inhaber eines Garten- und Landschaftspflegebetriebes, für
den die Beklagte zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Die Beklagte, die zunächst weitere medizinische
Unterlagen über die Verletzungen des Klägers beizog, befragte dann den Kläger bzw. den Zeugen C. zum Unfallgeschehen. Der
Zeuge C. übermittelte mittels eines Rechtsanwaltes zur Information der Beklagten eine Schadensmeldung an seine Haftpflichtversicherung,
die R. Versicherungs AG, vom 28. April 2015. Hierin hieß es zum Unfallgeschehen, am 19. Januar 2015 vormittags sei er damit
beschäftigt gewesen, in G. bei einer Familie eine Pappel mit einer Größe von 45 Meter abzunehmen. Er habe dabei Unterstützung
von der Agrargenossenschaft in C-Stadt erhalten, u. a. von Herrn S. aus C-Stadt. Dieser habe einen Radlader und Traktor gestellt.
Unter Zuhilfenahme zweier Seile habe damit die Pappel in die richtige Richtung beim Fallen gezogen werden sollen. Nachdem
der Baum bereits gefällt gewesen sei, sei der Kläger damit beschäftigt gewesen, den Schekel an einem Seil zu entfernen. Dieses
habe Herr S. nicht beachtet, sondern sei mit dem Fahrzeug angefahren, sodass die Hand des Klägers dazwischen geraten sei.
Ein Arbeits- und Dienstverhältnis habe zwischen dem Kläger und ihm nicht bestanden, eine gemeinsame Wohnung oder ein gemeinsamer
Haushalt werde ebenfalls nicht geführt. Darüber hinaus übersandte der Zeuge C. einen von ihm persönlich ausgefüllten Fragebogen
zum Umfang der Mithilfe des Klägers. Hierin gab er unter dem 13. Juni 2015 an, der Kläger habe schon früher in seinem Unternehmen
ausgeholfen. Eine solche Tätigkeit sei nicht an mehr als 21 Tagen im Jahr vor dem Unfall ausgeübt worden. Die Hilfeleistung
am Unfalltag sei nur ausnahmsweise geschehen, bis zum Eintritt des Unfalles habe der Kläger „gefilmt“. Am Unfalltag sei der
Kläger bis zum Eintritt des Unfalles ca. eine Stunde tätig gewesen, insgesamt hätte die Tätigkeit zwei Stunden gedauert. Der
Kläger gehe einer anderen hauptberuflichen Tätigkeit nach. Es sei ihm keine Entschädigung gewährt worden bzw. habe er auch
nicht die Hilfeleistung von einer Entschädigung oder Bezahlung abhängig gemacht.
Der Kläger persönlich gab in einem Fragebogen unter dem 22. Mai 2015 u. a. an, hinsichtlich des Unfalls liege eine Verantwortlichkeit
(Verursachung, Verschulden) des Herrn S. vor. Der Unfall sei nicht von der Polizei aufgenommen worden.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2015 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich
des Unfalles vom 19. Januar 2015 ab. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Insbesondere Gefälligkeitshandlungen unter Verwandten,
die von familiären Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt seien, unterlägen nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nach Mitteilung des Zeugen C. sei die Tätigkeit am Unfalltag ausnahmsweise erfolgt. Der Kläger sei zum Filmen des Fällvorganges
sowie zu anschließenden Aufräumarbeiten herangezogen worden. Die Gesamtdauer der Tätigkeit habe ca. zwei Stunden betragen,
eine Bezahlung für die Tätigkeit habe nicht erfolgen sollen. Die vom Kläger verrichtete Tätigkeit stelle daher eine solche
Gefälligkeitsleistung dar.
Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, die Angaben des Zeugen C. seien unvollständig und entsprächen
nicht den Tatsachen. Er sei zumindest gemäß §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB VII versichert gewesen, da er wie ein nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII Versicherter tätig geworden sei. Es verhalte sich auch nicht so, dass er lediglich ausnahmsweise tätig geworden sei. Er sei
durch den Zeugen mehrfach zu Tätigkeiten herangezogen worden, allein im Jahr 2014 sei es zumindest zu fünf Einsätzen gekommen.
Seine Tätigkeit habe in ihrer Grundstruktur einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung entsprochen. Er sei für ein fremdes
Unternehmen, nämlich das Unternehmen seines Schwiegervaters, tätig geworden und habe Tätigkeiten ausgeübt, die ebenso von
Personen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden, erbracht hätten können. Er sei auch weisungsgebunden gewesen.
Der Zeuge C. habe ihm genau vorgegeben, welche Tätigkeiten er zu erledigen gehabt habe. Nach der Fällung des Baumes habe er
die Aufräumarbeiten nach den Weisungen von Herrn C. durchführen sollen. Er hätte die zerlegten Baumabschnitte dann verladen
müssen. Je nach Größe des Baumes nähmen diese Tätigkeiten auch durchaus eine erhebliche Zeit in Anspruch, bis zur vollständigen
Räumung und Säuberung der zu beräumenden Fläche würden bis zu fünf Stunden benötigt. Zudem habe für ihn auch keine sittliche
Verpflichtung bestanden, für den Zeugen C. tätig zu werden. Er sei mit ihm nicht „blutsverwandt“.
Die Beklagte schaltete ihren Präventionsdienst ein. Laut des Ermittlungsberichtes von Herrn Hinrichs vom Präventionsdienst
der Beklagten führte dieser am 19. August 2015 ein Gespräch mit dem Zeugen C.. Hierin hieß es, er selbst habe den Auftrag
gehabt am 19. Januar 2015 bei C-Stadt einen Baum für die Agrargenossenschaft C-Stadt zu fällen. Da sein Angestellter am Unfalltag
aufgrund einer kurzfristigen Krankschreibung nicht zur Verfügung gestanden habe, habe er seinen Schwiegersohn gebeten, für
den Moment zu helfen. Er selbst sei ausgebildeter Motorsägenführer und Betriebsunternehmer. Vor Aufnahme der Arbeiten habe
er den Kläger belehrt. Dieser sei in einem Hotel in C-Stadt als Küchenhilfe angestellt und zum Zeitpunkt des Unfalles nicht
im Dienst dort gewesen. Auf der Baustelle seien insgesamt vier Personen tätig geworden, zwei von der Agrargenossenschaft und
zwei von seiner Firma (der Kläger als spontaner Helfer). Er selbst habe bereits den Baum gefällt und sofort angewiesen, den
liegenden Baum mittels Stahlseil von der Straße zu ziehen. Da sich aber noch zwei Stahlseile am Baum befunden hätten, habe
ein Seil entfernt werden müssen, bevor der Schlepperfahrer, der Angestellte der Agrargenossenschaft Herr S., mit einem Schlepper
(300 PS) den Baum habe ziehen können. Zum Entfernen der Seilschlaufe vom Stamm sei Herr B. – Angestellter der Agrargenossenschaft
– und der Kläger zum Baum gegangen und hätten die Schlaufe gelöst. In diesem Moment sei Herr S. ohne jeglichen Sichtkontakt
zu den Kollegen mit dem Schlepper angefahren und es sei zum Unfall gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den Angaben des Zeugen C. in
seinem Fragebogen, wonach die Hilfeleistungen ausnahmsweise geschehen sei, handele es sich, wie bereits im Bescheid vom 17.
Juli 2015 ausgeführt, um eine Gefälligkeitsleistung, welche nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliege.
Mit seiner am 16. Dezember 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Stralsund erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung eines Arbeitsunfalles im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung
weiterverfolgt. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren im Wesentlichen wiederholt. Seine ausgeübte
Tätigkeit ähnele in ihrer Grundstruktur einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, es sei von ihm eine dem mutmaßlichen bzw.
wirklichen Willen des Unternehmens entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht worden, die sonst von Personen
verrichtet worden wäre, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden. Er sei auch im Übrigen nicht überwiegend
mit dem Filmen der Arbeiten befasst gewesen bzw. habe hiermit befasst werden sollen. Der Zeuge C. habe lediglich ein kurzes
Video von der Fällung des Baumes für betriebliche Zwecke fertigen lassen, zu diesem Zweck habe er sein Handy aufgestellt und
es ca. zwei Minuten laufen lassen. Ohnehin sollte seine Tätigkeit erst danach einsetzen, die Hauptarbeit bei der Auftragsdurchführung
habe insoweit darin bestanden, den Baum nach der Fällung zu zerlegen und zu verladen. Hierfür sollte er eingesetzt werden,
weil ein Mitarbeiter des Zeugen C. erkrankt gewesen sei. Dessen Tätigkeit habe er übernommen. Im Übrigen sei seine geleistete
Arbeit weit über einfache und selbstverständliche Hilfsdienste hinaus gegangen. Es habe sich um eine körperlich schwere Arbeit
gehandelt, da die zerlegten Stammteile per Hand auf den Hänger zu verladen gewesen seien. Die Arbeit sei auch als gefährlich
einzustufen. Er pflege mit dem Zeugen C. auch keine besondere freundschaftliche Beziehung bzw. sei mit diesem nicht verwandt.
Dass er die Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt habe, sei letztlich eine Gefälligkeit gegenüber seiner Ehefrau gewesen, der Tochter
des Zeugen C..
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 19. Januar 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht allein nach der unmittelbar zum Unfall
führenden Verrichtung zu beurteilen, sondern nach dem Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens. Bei Gefälligkeitsleistungen
unter Verwandten sei festzustellen, ob das Familienmitglied eine Gefälligkeit erweise, welche nach Art, Umfang, Zeitdauer
der Verrichtung sowie der Stärke der tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehung das Gepräge von der familiären Bindung erhalte
oder ob es sich um eine ernstliche Tätigkeit gehandelt habe, die über das hinausgehe, was allgemein in verwandtschaftlichen
Vorschriften gefordert werde und die normalerweise von abhängig Beschäftigten erbracht würde. Sie sei davon überzeugt, dass
die verwandtschaftlichen Bande als tragender Grund für die Tätigkeit des Klägers anzusehen sei und es sich um eine Gefälligkeitsleistung
gehandelt habe.
Durch Urteil vom 7. Dezember 2016 hat das SG Stralsund die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die im
Einzelnen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt: Der Kläger sei beim Fällen und Abtransport des Baumes keiner versicherten
Tätigkeit nach den Vorschriften des
SGB VII nachgegangen. So sei bei Gefälligkeitsleistungen, die ihr gesamtes Gepräge durch einen verwandtschaftlichen oder ein freundschaftliches
Verhältnis zwischen den beteiligten Personen erhielten, kein Versicherungsschutz gegeben. Hierbei seien die gesamten Umstände
des jeweiligen Einzelfalles zu beachten. Nach der Rechtsprechung bestehe keine feste Stundengrenze für die Beurteilung einer
Versicherungspflicht bei Gefälligkeitsdiensten, als Kriterium kämen insbesondere in Betracht, ob eine besonders nahe verwandtschaftliche
oder freundschaftliche Beziehung bestehe, in häuslicher Gemeinschaft gelebt werde, besondere Fachkenntnisse bestünden, eine
gefährliche, anstrengende oder länger andauernde Tätigkeit verrichtet werde, bzw. ob aufgrund konkreter sozialer Beziehungen
ein geradezu selbstverständlicher Hilfedienst geleistet werde. Im vorliegenden Fall habe der Kläger, von Beruf Küchenhilfe,
die Fällung eines Baumes durch das Unternehmen seines Schwiegervaters filmen und später bei Aufräumarbeiten mithelfen sollen,
weil ein Angestellter des Unternehmers erkrankt gewesen sei. Zu diesen Hilfsdiensten sei es bereits mehrfach gekommen. Hiermit
könne festgestellt werden, dass der Kläger weder eine besondere gefährliche Tätigkeit habe verrichten sollen noch über besondere
Fachkompetenz verfügt habe. Eine Entlohnung sei nicht vorgesehen gewesen, offenbar sei man aufgrund des „Schwiegerverhältnisses“
auf derartige Hilfsarbeiten eingegangen. Es müsse kein verwandtschaftliches Verhältnis vorliegen, es genügten familienhafte
Gemeinschaftsverhältnisse, im Rahmen derer die Hilfe für Baumfällarbeiten übernommen worden sei. Hier sei der Kläger im ersten
Grad mit dem Betriebsinhaber verschwägert, was für die Begründung einer Sonderbeziehung genüge. Der Kläger habe letztlich
selbst im Klageverfahren vorgetragen, aus Gefälligkeit geholfen zu haben. Es spielt keine Rolle, das er in erster Linie seiner
Ehefrau und nicht seinem Schwiegervater einen Gefallen habe tun wollen. Aufgrund der bestehenden Sonderbeziehung sei daher
von einem Gefälligkeitsverhältnis ohne Beschäftigungscharakter auszugehen.
Gegen das ihm am 11. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Januar 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Mecklenburg-Vorpommern eingelegt. Das Gericht habe nicht erkannt, dass er Tätigkeiten ausgeübt habe, die ihrer Art nach sonst
von Personen verrichtet worden wären, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden. Es sei durch ihn die Tätigkeit
eines anderen Arbeitnehmers des Zeugen C. aufgrund dessen Erkrankung und der Eingliederung in die betrieblichen Abläufe übernommen
worden. Der einzige Unterschied zu der Tätigkeit des erkrankten Mitarbeiters habe darin bestanden, dass er für seine Aushilfstätigkeiten
keine Vergütung erhalten habe. Dies sei jedoch kein entscheidendes Kriterium für die Bewertung eines Arbeitsunfalles. Die
zum Unfall führende Verrichtung sei nicht maßgeblich durch ein verwandtschaftliches Verhältnis geprägt worden, sondern ausschließlich
durch den Ausfall und den dadurch notwendig gewordenen Ersatz einer Arbeitskraft. Es handele sich um eine Tätigkeit für einen
Gewerbebetrieb, mit der man eine gewerbliche Tätigkeit ausgeführt habe. Im Übrigen sei er mit dem Inhaber der Firma weder
verwandt noch befreundet. Es bleibe offen, woraus sich ein „familienhaftes Gemeinschaftsverhältnis“ für ihn ergeben solle.
Der Kläger hat eine Erklärung vom 13. Dezember 2018 zu den Akten gereicht, wonach er weder Ansprüche gegen den Zeugen C. noch
gegen die Agrargenossenschaft C-Stadt bzw. den Traktorfahrer geltend mache.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Stralsund vom 7. Dezember 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17. Juli
2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 zu verpflichten, seinen Unfall vom 19. Januar 2015 als Arbeitsunfall
anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie gehe von einer unversicherten Gefälligkeitsleistung aus. Die Tätigkeiten
des Klägers gingen hinsichtlich Art, Umfang und Dauer nicht über das Maß hinaus, was bei verwandtschaftlichen Hilfeleistungen
üblich sei. Der Kläger habe seiner Ehefrau, der Tochter des Unternehmers, einen Gefallen tun wollen.
Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch die Vernehmung von C. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Juni 2022 (Blatt 147 bis 150 der Gerichtsakten) verwiesen. Zudem hat der Senat
den Kläger persönlich befragt. Hinsichtlich seiner Angaben wird ebenfalls auf die genannte Sitzungsniederschrift (Blatt 144
bis 146 der Gerichtsakten) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten L 5 U 2/17 – S 14 U 91/15 (SG Stralsund) und die Verwaltungsakten der Beklagte) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2015 ist rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist verpflichtet, den Unfall des Klägers vom 19. Januar 2015 als Arbeitsunfall
anzuerkennen. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit, den Aufräumarbeiten nach dem Fällen des Baumes, stand der Kläger unter
dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer Versicherungsschutz nach den §
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse,
die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tode führen (Satz 2).
Der Kläger hat am 19. Januar 2015 einen Unfall erlitten und sich hierbei einen Gesundheitsschaden zugezogen, als er beim Versuch,
das Zugstahlseil von dem am Boden liegenden Baum zu lösen, sich seine linke Hand gequetscht hat, was schließlich zu Verletzungen
im Bereich seiner Hand führte. Ein Versicherungsschutz als Beschäftigter nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII lag aber nicht vor, da ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu dem Unternehmen des Zeugen C. nicht bestanden
hat.
Der Kläger stand indes nach §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB VII - wie ein Beschäftigter - unter Versicherungsschutz.
Nach dieser Vorschrift sind Person versichert, die wie ein nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII Versicherter tätig werden. Eine arbeitnehmerähnliche ist Tätigkeit ist gegeben, wenn eine ernstliche, dem anderen Unternehmen
dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art
nach auch von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis
stehen und die weder im eigenen Interesse noch im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmen erfolgt (ständige Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) – vergl. Urteil vom 27. März 2012 –B 2 U 5/11 R; Urteil vom 19. Juni 2018 – B 2 U 32/17 R).
Ob eine Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren ist, richtet sich nach dem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang,
in dem sie verrichtet wird. Entscheidend für die Beurteilung ist nicht allein die unmittelbar zum Unfall führende einzelne
Verrichtung, sondern das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens in einem größeren zeitlichen Zusammenhang
(vgl. etwa BSG SozR3 - 2200 § 539 Nr. 8). Bei einer Tätigkeit gemäß §
2 Abs.
2 SGB VII braucht eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen; weiterhin sind
die Beweggründe des Handels für den Versicherungsschutz unerheblich. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Tätigkeit
nach Abs. 2 aaO durch ihre Zielsetzung fremdbestimmt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kommt der (mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen) Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das
Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 9/01 R). Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten (sog.
eigenwirtschaftliche Tätigkeiten) erfolgen.
Dient eine Tätigkeit sowohl eigenen Belangen als auch fremden Zwecken, sind objektiv erbrachte Leistungen und subjektive Handlungstendenzen
ihrer Intensität nach jeweils gegeneinander abzuwägen (vergl. Kruschinski in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche
Unfallversicherung, § 2 Rz. Nr. 831).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Aussage des Zeugen C. steht zur Überzeugung des Senates fest, dass
der Kläger wesentlich im Interesse für das Unternehmen des Zeugen C. zum Unfallzeitpunkt gehandelt hat, nämlich hier nach
der Fällung des Baumes mit dem Ziel, diesen gefällten Baum mit „zu beseitigen“.
Die Tätigkeit des Klägers war auch objektiv arbeitnehmerähnlich. Der Kläger ist nach dem Gesamtbild der Tätigkeit „wie ein
Beschäftigter“ tätig geworden, wenngleich nicht alle Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sind, insbesondere
eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit nicht vorliegt. Seine Tätigkeit ähnelte jedoch sehr stark einer Tätigkeit
aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, da er seine Arbeitskraft dem Unternehmen des Zeugen C. für die entsprechenden
Arbeiten zur Verfügung gestellt hat. Der Zeuge C. hat den Kläger selbst um eine „Hilfeleistung“ am besagten Tag beim Fällen
bzw. bei der Beseitigung des gefällten Baumes gebeten und hierauf hin auch angesprochen. Der Zeuge C. hat auch glaubhaft schon
gegenüber der Beklagten angegeben, dass der Kläger eine auf Grund einer Erkrankung ausgefallene Arbeitskraft letztlich „ersetzt“
hat und diese Tätigkeit ohne weiteres etwa von einem Leiharbeitnehmer hätte auch ausgeführt werden können bzw. diese Arbeiten
auch von Personen ausgeführt werden, die als Arbeitnehmer in einem persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis
zu einem Unternehmen stehen. Im Übrigen war bereits im Vorfeld eine Absprache zwischen dem Kläger und dem Zeugen C. hinsichtlich
Arbeitsort, Arbeitszeit, etc. erfolgt. Auch vor Ort fand ausweislich der glaubhaften Bekundungen des Zeugen C. und den persönlichen
Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung noch eine „konkrete“ Absprache hinsichtlich der dort vom Kläger konkret
zu verrichtenden Arbeitsleistung bei der Beseitigung des gefällten Baumes statt. Darüber hinaus war auch sämtliches Arbeitsgerät
nicht von dem Kläger etwa selbst beschafft bzw. mitgebracht worden. Vielmehr stammte dies von dem Zeugen C. selbst bzw. dem
Auftraggeber, für die Fällarbeiten durch das Unternehmen des Zeugen C., der Agrargenossenschaft C-Stadt. Bei dieser Arbeit
handele es sich auch unzweifelhaft um eine Arbeit von einem wirtschaftlichen Wert, die regulär von Beschäftigten unter Zahlung
eines entsprechenden Lohnes verrichtet wird.
Die vereinbarte Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Klägers schließt im Übrigen den Versicherungsschutz nicht aus, weil es
sich eben nicht nur um eine äußerst geringfügige Tätigkeit von wenigen Augenblicken, sondern um eine ernst gemeinte Tätigkeit
für das Gartenbauunternehmen gehandelt hat. Es existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger etwa zum Unfallzeitpunkt
„unternehmerähnlich“ tätig gewesen sein sollte. Er hatte zu keinem Zeitpunkt eine Verpflichtung übernommen, etwa die Baumfällarbeiten
eigenständig und in eigener Verantwortung vorzunehmen. Auch war die Herbeiführung eines konkreten Erfolges gerade nicht vereinbart
worden. Zudem kann auch bei der hier erfolgten Fällung und anschließender Beseitigung des Baumes, insbesondere unter Berücksichtigung
von Vorbereitungshandlungen und den Entsorgungs- und Aufräumarbeiten nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger hier
nur unbedeutende und nicht ins Gewicht fallende Tätigkeiten hätte vornehmen sollen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG Stralsund ist die Tätigkeit nicht wesentlich aufgrund einer Sonderbeziehung
des Klägers zu dem Unternehmer, dem Zeugen C., erfolgt. Zwar schließt, wie das SG B-Stadt zutreffend ausgeführt hat, das Verhältnis des Klägers mit dem Unternehmer, seinem Schwiegervater, nicht von vornherein
schon die Annahme eines familienhaften Gemeinschaftsverhältnisses bzw. auch die Annahme einer „familienhaften“ Mitarbeit als
Grund der Hilfeleistung aus, d. h. eine verwandtschaftliche Beziehung im eigentlichen Sinne ist hierfür nicht erforderlich.
Sie führt aber nur dann zum Ausschluss einer versicherten „Wie-Beschäftigung“, wenn die Handlungstendenz bei Ausübung der
Tätigkeit wesentlich darauf gerichtet ist (auch, aber nicht zwingend rechtliche) Verpflichtungen oder Erwartungen aus einer
solchen Beziehung zu erfüllen. Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit nach Art, Umfang und Dauer sowie dem Grad der familiären
Beziehung üblich ist, wobei je enger eine Gemeinschaft ist, umso eher erhalten Tätigkeiten das Gepräge gerade aus der Gemeinschaft
(vgl. BSGE 17, 211; BSG in NJW 1994, Seite 676; BSG SozR 2200
§ 539 Nr. 49).
Es ist zur Überzeugung des Senates gerade nicht von einer sogenannten „Gefälligkeit“ des Klägers auszugehen. Vielmehr handelt
es sich um eine ernstliche Tätigkeit, die über das hinausgeht, was allgemein in verwandtschaftlichen Beziehungen gefordert
wird und normalerweise von abhängigen Beschäftigten erbracht wird. Dies belegen eindrucksvoll die am Schluss seiner Vernehmung
– auf entsprechenden Vorhalt des Senates – getätigten Aussagen des Zeugen C..
Hierzu ist zum einen festzustellen, dass, wovon die Beklagte und auch offensichtlich das SG ausgegangen sind, der Kläger keinesfalls erstmalig in dem Unternehmen des Zeugen C. „ausgeholfen“ hat. Entsprechende weitere
Tätigkeiten sind mindestens in den letzten zwei Jahren vor dem Unfall in einem Umfang von fünf oder sechs (an Einzelheiten
konnte sich weder der Zeuge noch der Kläger genau erinnern) Arbeitseinsätzen des Klägers erfolgt. So hat der Zeuge C. selbst
ausdrücklich eingeräumt, dass der Kläger auch vor dem Unfall „schon mal stundenweise in meinem Betrieb geholfen hat“. Darüber
hinaus hat der Zeuge C. auch bekundet, dass er die Art der Tätigkeiten des Klägers für sein Unternehmen nicht als Gegenleistung
„für die Betreuung seines Enkelkindes“ angesehen hat. Der Kläger hat demnach nicht nur am Unfalltag sondern bereits zuvor
letztlich eine Arbeitskraft aus dem Unternehmen bzw. ggf. dessen Auftraggebers mehrfach ersetzt. Diese Arbeiten umfassten
nach den Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht nur Hilfeleistungen bei Baumfällarbeiten, sondern
alle gerade anfallende Arbeiten im Unternehmen des Zeugen C., wie zum Beispiel Pflasterarbeiten etc.
Dies geht bei weitem über das hinaus, was von „Verwandten“ als Hilfeleistung erwartet werden kann bzw. bei der natürlichen
Betrachtungsweise noch als „Gefälligkeit“ im Rahmen familienhafter Mitarbeit angesehen werden kann. Vielmehr kommt die Hilfeleistung
des Klägers einem regulären Beschäftigungsverhältnis „sehr nahe“, wie auch der Zeuge dann, nachdem er entsprechenden Arbeiten
des Klägers zunächst verneint hatte, einräumen musste. Im Übrigen entsprechen diese Angaben des Zeugen auch seinen früheren
schriftlichen Angaben gegenüber der Beklagten, bei denen er angab, dass der Kläger schon bereits zuvor für sein landwirtschaftliches
Unternehmen „ausgeholfen“ habe. Letztere Angaben des Zeugen erachtet der Senat auch deshalb für glaubhaft, weil sie den persönlichen
Angaben des Klägers gegenüber dem Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung entsprechen. Denn er selbst hat insofern mehrfach
wörtlich bekundet, dass er bereits mehrmals „für den Betrieb seines Schwiegervaters“ Arbeiten geleistet habe bzw. „Hilfeleistung
für den Betrieb seines Schwiegervaters“ auf telefonische Anfrage des Zeugen C. erbracht hat.
Auch wenn der Kläger selbst demgegenüber auch angegeben hat, dass er seiner Frau einen Gefallen habe tun wollen, indem er
die „Arbeiten für den Zeugen C.“ übernommen habe, war die vom Kläger geleistete Hilfeleistung zur Überzeugung des Senates
keine Arbeitsleistung im Rahmen einer familienhaften Mitarbeit bzw. ist dieses Verhältnis nicht wesentlich (vorrangig) für
die Handlungstendenz des Klägers zum Unfallzeitpunkt gewesen. Diese quasi nebenbei geäußerte „Sichtweise“ des Klägers hat
in den Bekundungen des Zeugen C. nicht nur keine Bestätigung gefunden, sondern im Gegenteil belegen dessen Aussagen, wie bereits
dargelegt, sogar eine ganz große „Nähe“ zum Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger bzw. Arbeitnehmereigenschaft
des Klägers. Darüber hinaus mag seine Ehefrau auch ein Motiv bzw. ein Beweggrund für den Kläger gewesen sein. Dies ist jedoch
insoweit nicht relevant, sondern vielmehr ist entscheidend die mit dem Verhalten verbundene Handlungstendenz, die vom bloßen
Motiv für das Tätigwerden gerade zu unterscheiden ist. Gegen die Annahme einer Gefälligkeitsleistung des Klägers im Rahmen
der familienhaften Mithilfe spricht auch, dass eine „enge“ Gemeinschaft mit dem Zeugen C. seitens des Klägers bzw. der Ehefrau
nicht bestanden hat. So hat der Kläger auch bekundet und der Zeuge C. dies bestätigt, dass im Sommer zwar ca. zweimal im Monat
eine Betreuung des Enkelkindes bzw. der Tochter des Klägers durch seine Schwiegereltern, seine Schwiegermutter und den Zeugen
C., zwar stattgefunden hat. Einen gemeinsamen Haushalt etc. hat man jedoch nicht geführt. Auch gemeinsame Aktivitäten, wie
etwa gemeinsamer Urlaub, aber auch regelmäßige gegenseitige Hilfeleistungen, etwa bei privaten Bauvorhaben etc. konnten weder
seitens des Klägers noch vom Zeugen C. angegeben werden. Gegen eine relativ enge Beziehung spricht auch der Umstand, dass
die Entfernung zwischen den Wohnorten der beiden Familien ca. 50 km betragen hat. Die Mithilfe des Klägers ist nicht durch
ein enges Verhältnis mit dem Zeugen C. aufgrund seiner Ehe bestimmt gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind (vgl. §
160 Abs.
2 SGG).