Statthaftigkeit der Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der erstattungsfähigen Heizkosten streitig.
Der 1959 geborene Antragsteller ist alleinstehend und bewohnt in einem Ortsteil von F. eine 58 qm große 2-Zimmerwohnung in
einem alten Haus, das nicht isoliert ist und nur einfach verglaste Fenster hat. Beheizt wird die Wohnung durch einen strombetriebenen
Nachtspeicherofen, der im Wohnzimmer steht. Im Schlafzimmer und im Bad gibt es keine Heizung, in der Küche heizt der Antragsteller
durch einen Elektrolüfter. Warmwasseranschlüsse in der Küche und im Bad existieren nicht. Der Antragsteller besitzt keinen
funktionierenden Kühlschrank und keine Waschmaschine; in der Küche ist eine Elektrokochplatte vorhanden. Für diese Wohnung
muss der Antragsteller eine Kaltmiete von 200,00 EUR sowie Nebenkosten von 25,00 EUR monatlich zahlen. Der monatliche Abschlag
für den Stromlieferanten G. beträgt 106,00 EUR. Der Antragsteller konnte von der Fa. G. nicht in Erfahrung bringen, welcher
Betrag des monatlichen Abschlages auf den Betrieb des Nachtspeicherofens entfällt. Aus der letzten Jahresabrechnung ermittelte
der Antragsteller einen Anteil des Niedrigtarifes zu den Stromgesamtkosten von 78,92 %, so dass auf dieser Basis von dem Abschlag
83,66 EUR auf die Heizkosten entfallen würden.
Die Agentur für Arbeit H. gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 12. August 2009 vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar
2010 eine Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359,00 EUR monatlich. Daraufhin gewährte der Antragsgegner
dem Antragsteller mit Bescheid vom 25. August 2009 für denselben Bewilligungszeitraum Kosten für Unterkunft und Heizung in
Höhe von 275,00 EUR monatlich, bestehend aus Kaltmiete: 200,00 EUR, Nebenkosten: 25,00 EUR und Heizkosten ohne Warmwasseranteile:
50,00 EUR. Es ist nicht bekannt, wie der Antragsgegner den Betrag für die Heizung von 50,00 EUR ermittelt hat. Gegen den Bewilligungsbescheid
des Antragsgegners legte der Antragsteller am 1. September 2009 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht
entschieden wurde.
Am 1. September 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Lüneburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt zwecks Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der von
ihm errechneten Heizkosten von monatlich 83,66 EUR in voller Höhe. Er hat vorgetragen, dass er in der kalten Jahreszeit nur
sehr sparsam heize, weil nur ein Raum über die Nachtspeicherheizung erwärmt werde und in der Küche der Heizlüfter nur im Betrieb
sei, wenn er sich dort aufhalte. Der Antragsgegner hat erwidert, bezüglich eines monatlichen Differenzbetrages von 33,66 EUR
bestehe kein Anordnungsgrund, so dass der Antragsteller auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu verweisen sei. Dies gelte
schon deshalb, weil nach Auffassung anderer Gerichte eine Kürzung um 20 % grundsätzlich hinzunehmen sei. Nach anderen Beschlüssen
des SG Lüneburg sei die Grenze des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen sogar bei 70 % der Regelleistung anzusetzen. Bei Zugrundelegung
des bundesweiten Heizspiegels ergeben sich für die Wohnung des Antragstellers angemessene Heizkosten zwischen 71,76 EUR und
80,83 EUR bei Beheizung durch Erdgas bzw. durch Heizöl.
Das SG Lüneburg hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2009 die Ausführungen des Antragsgegners zum Fehlen des Anspruchsgrunds
übernommen und allein aus diesem Grund den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Denn der vom Antragsteller
geforderte Betrag stelle nicht einmal 10 % der Regelleistung dar. Eine entsprechende Einschränkung der Lebensführung sei dem
Antragsteller bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Es sei insbesondere nicht so, dass eine Minderleistung von knapp
10 % dazu führe, dass der Antragsteller an drei Tagen pro Monat nichts zu Essen oder zu Trinken hätte. Denn ihm fehlten gerade
nicht an drei Tagen sämtliche finanziellen Mittel, sondern nur an jedem Tag knapp 10 %.
Gegen den am 27. Oktober 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 26. November 2009.
II. 1.) Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §
172 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft. Danach findet gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden
dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
Ein die Statthaftigkeit der Beschwerde für das Begehren des Antragstellers ausschließender Grund findet sich im
SGG nicht. Der Ausschlusstatbestand des §
172 Abs
3 Nr
1 SGG ist nicht einschlägig. Nach dieser ab 1. April 2008 gültigen Regelung bleibt die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Zwar übersteigt der Wert des Streitgegenstandes
die Berufungssumme von 750,00 EUR gemäß §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG nicht (6 Monate x 33,66 EUR). Eine Berufung ist aber auch zulässig, wenn - wie hier bei der dem Streitgegenstand des einstweiligen
Rechtsschutzes entsprechenden Hauptsache - ein Berufungszulassungsgrund gemäß §
144 Abs
2 SGG vorliegt.
Die auch im Übrigen gemäß §
173 SGG zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses. Der Antragsgegner ist zur
Zahlung von höheren Kosten für Unterkunft und Heizung zu verpflichten. Der Senat hält es aus Gründen der Belange des vorläufigen
Rechtsschutzes als vorläufige Regelung geboten, in Anlehnung an den Bundesweiten Heizspiegel die monatlichen erstattungsfähigen
Heizkosten um 30,83 EUR zu erhöhen.
2.) Bei der Prüfung des Beschwerdeausschlusses gemäß §
172 Abs
3 Nr
1 SGG sind nach Gesetzeswortlaut, systematischem Normzusammenhang sowie Sinn und Zweck dieser Regelung nicht nur der Wert des Beschwerdegegenstandes
bzw. der zeitliche Umfang der streitigen Leistungen (§
144 Abs
1 SGG) maßgebend, sondern es sind auch die Zulassungsgründe des §
144 Abs
2 SGG heranzuziehen (so auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 21. Oktober 2008 - L 6 AS 458/08 ER -). Die u. a. von anderen Landessozialgerichten vertretenen Argumente für hiervon abweichende Auffassungen überzeugen
nicht.
a) Nach dem Gesetzeswortlaut des §
172 Abs
3 Nr
1 SGG ist die Beschwerde in Eilverfahren dann ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht "zulässig wäre". Es ist
also nicht zu überprüfen, ob die Berufung von sich aus in der Hauptsache zulässig ist, sondern ob bei einer bestimmten Hauptsache
das Rechtsmittel der Berufung statthaft wäre. Die Statthaftigkeit der Berufung gegen Urteile der Sozialgerichte ist in den
§§ 143ff
SGG geregelt. Die Berufung ist zulässig, wenn entweder die Schwellenwerte des §
144 Abs
1 SGG überschritten sind, oder ein Berufungszulassungsgrund gemäß §
144 Abs
2 SGG gegeben ist. Dabei wird die Zulassung der Berufung nach §
144 SGG nicht etwa als Zulässigkeitsvoraussetzung minderen Wertes in das Ermessen des SG gestellt. Liegt ein Berufungszulassungsgrund vor, dann ist die Berufung zulässig, weil dieses Rechtsmittel vom SG zwingend (ggf. ersetzt durch eine Entscheidung des LSG gemäß §
145 SGG) zugelassen werden muss. Ein an das Gebot der Rechtsmittelklarheit gebundener Gesetzgeber hätte, wollte er den Beschwerdeausschluss
im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur auf die Schwellenwerte in §
144 Abs
1 SGG begrenzen, einen entsprechenden ausdrücklichen Verweis in den Gesetzeswortlaut angenommen, zumal ihm diese Regelungstechnik
für die Statthaftigkeit der Beschwerde ausweislich der §§
127 Abs
2 Satz 2,
511 Zivilprozessordnung (
ZPO) bekannt war. Ein anderer objektivierbarer Regelungswille des Gesetzgebers ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.
b) Der Haupteinwand gegen die hier vertretene Auffassung lautet, der Gesetzgeber habe mit der ab 1. April 2008 in Kraft getretenen
Neuregelung der Beschwerdemöglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der LSG beitragen wollen; dieses
Ziel würde aber verfehlt, wenn das Beschwerdegericht die Berufungszulassungsgründe überprüfen müsste (so z. B. LSG Hamburg
vom 16. Januar 2009 - L 5 B 1136/08 ER AS -). Diese Argumentation verkennt, dass die Regelung des §
172 Abs
3 Nr
1 SGG auch unabhängig von einer Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit aufgrund der Notwendigkeit des Vorliegens von Zulassungsgründen
einen erheblichen Entlastungseffekt für die zweite Instanz im Eilrechtsschutz (insbesondere im Bereich des Grundsicherungsrechts)
bewirkt. So musste der erkennende Senat nach der genannten Neuregelung eine große Zahl von Beschwerden gemäß §
172 Abs
3 Nr
1 SGG als unzulässig verwerfen, weil die Berufungssumme nicht erreicht war und keine Berufungszulassungsgründe nach §
144 Abs
2 SGG feststellbar waren. Auch der diese Auffassung teilende 6. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen musste nur in seltenen Fällen
die Zulässigkeit der Beschwerde aufgrund des Vorliegens von Berufungszulassungsgründen annehmen. Ähnliche Erfahrungen werden
die meisten der mit dem Grundsicherungsrecht befassten Senate gemacht haben, die eine einschränkende Auslegung des §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG befürworten. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastungseffekt steht also einer eher selten vorhandenen Möglichkeit einer
Beschwerde aufgrund des Vorliegens von Berufungszulassungsgründen nicht entgegen, zumal - im Grundsicherungsrecht fast immer
- über das erstinstanzlich regelmäßig gestellte und wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnte Prozesskostenhilfegesuch
gemäß §
172 Abs
3 Nr
2 SGG zu befinden ist.
c) Noch weniger überzeugend ist der aus gesetzessystematischer Sicht erhobene Einwand, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
könne über das Vorliegen von Berufungszulassungsgründe nur spekuliert werden, weil der Hauptsacheentscheidung neue tatsächliche
Feststellungen und rechtliche Erwägungen zugrunde liegen könnten (so z. B. LSG Sachsen-Anhalt vom 24. September 2009 - L 10 KR 33/09 B ER -). Diese Problematik wird aber durch den Gesetzeswortlaut "zulässig wäre" vorgegeben und gilt in gleicher Weise für
die Feststellung der Berufungssumme, insbesondere wenn noch kein Bescheid ergangen ist oder weil später ein bestimmter Betrag
anerkannt werden könnte. Es ist sicherlich richtig, dass Eil- und Hauptsacheverfahren unterschiedliche Funktionen haben und
andere Zielsetzungen verfolgen. Dies führt aber nicht dazu, dass ein Beschwerdesenat bei der Feststellung der Hauptsache im
Sinne des §
172 Abs
3 Nr
1 SGG und von dieser abhängenden Berufungszulassungsgründen überfordert ist. Es ist vor allem keine nur fiktive Überprüfung von
möglichen Berufungszulassungsgründen möglich. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung. Dass sich
im Hauptsacheverfahren die Streitsache anders entwickeln kann, ist keine Besonderheit des Beschwerdeausschlusses nach §
172 Abs
3 Nr
1 SGG. Auch nach einer zugelassenen Berufung kann die Hauptsache ein anderes rechtliches (grundsätzliche Bedeutung weggefallen)
oder ein tatsächliches Schicksal (Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld zwischenzeitlich erschöpft) nehmen. Eine unerlässliche
Bindung zwischen Berufungszulassungsgründen und Hauptsacheverfahren ist also nicht feststellbar.
Jedenfalls bestehen in dem vorliegend zu entscheidenden Beschwerdeverfahren keinerlei Schwierigkeiten, die dem Begehren im
Eilrechtsschutz entsprechende Hauptsache eines Berufungsverfahrens festzulegen und mögliche Berufungszulassungsgründe zu überprüfen.
Es geht um die Frage, ob die Angemessenheit von Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) beim Antragsteller für den Bewilligungszeitraum September 2009 - Februar 2010 aus jetziger Sicht eine Rechtssache
von grundsätzlicher Bedeutung darstellt. Es kommt für die Statthaftigkeit der Beschwerde daher ausschließlich darauf an, ob
dieser Berufungszulassungsgrund gegeben ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, wie es in einem zukünftigen Hauptsacheverfahren
sein könnte. Differierende Funktionen und Zielsetzungen im Eil- und Hauptsacheverfahren spielen in diesem Zusammenhang keine
Rolle.
d) Ausschlaggebend für die hier vertretene Auffassung ist demnach, dass der Gesetzgeber zwar die Landessozialgerichte entlasten
wollte, aber kein normativer Ansatzpunkt im
SGG ausfindig gemacht werden kann, dass der Gesetzgeber das Rechtsmittel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegenüber der Berufungsmöglichkeit
im Hauptsacheverfahren deutlich einschränken wollte. Gerade im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende, in dem eine
Vielzahl von Eilverfahren anhängig gemacht werden, geht es um die Sicherung von existenziellen Leistungen über die nicht erst
in einem möglichen Hauptsacheverfahren entschieden werden kann. Wenn aber offenkundig existenzielle Fragen für einen Großteil
der Rechtsuchenden in einem Rechtsbereich im Wege der einstweiligen Rechtsschutzgewährung geklärt werden müssen, ist es kaum
vorstellbar, dass der Gesetzgeber eine Zersplitterung von erstinstanzlichen Entscheidungen ohne obergerichtliche Steuerung
und Koordinierung befürworten wollte.
Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art.
19 Abs
4 GG im Bereich des Grundsicherungsrechts ist für die Rechtsuchenden von existentieller Bedeutung. Dieser Umstand lässt im Sinne
der Gewährleistung einer möglichst "richtigen" gerichtlichen Entscheidung darauf schließen, dass eine Verkürzung des Rechtsschutzes,
die im Fall der oben dargestellten eingeschränkten Beschwerdemöglichkeit vorläge, dem Zweck eines effektiven Verfahrens nicht
entspräche.
e) Die Berufung wäre hier im Fall einer dem einstweiligen Rechtsschutz entsprechenden Hauptsache nicht unzulässig, so dass
die Beschwerde des Antragstellers nicht gemäß §
172 Abs
3 Nr
1 SGG ausgeschlossen ist. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Berufung kraft Zulassung statthaft wäre (§
144 Abs
2 Nr
1 SGG). Von diesem Berufungszulassungsgrund geht auch der erstinstanzliche Richter aus, der in einem weiteren Berufungsverfahren
der Beteiligten (S 43 AS 137/06) zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die hier streitigen Fragen der Angemessenheit von Heizkosten nicht durch das Urteil
des Bundessozialgerichts vom 2. Juli 2009 (B 14 AS 36/08 R) geklärt worden sind, weil die Versorgung nicht über Erdgas, Heizöl oder Fernwärme erfolgt. Bis zu einer ersten Entscheidung
durch das zuständige Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ist ferner die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, in
welcher Weise der Anteil für die erstattungsfähigen Heizkosten einer einheitlichen Stromrechnung zu ermitteln sind. Diese
Rechtsfrage hat über den Einzelfall hinaus einen klärungsbedürftigen Inhalt.
3.) Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet, weil der Antragsteller die an den Erlass einer einstweiligen Anordnung
zu stellenden Anforderungen gemäß §
86b Abs
2 Satz 2
SGG glaubhaft gemacht hat. Es liegen sowohl ein Anordnungsanspruch, die materiell-rechtliche Rechtsposition, deren Durchsetzung
im Hauptsacheverfahren begehrt wird, als auch ein Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung, vor.
a) Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen vom Grundsicherungsträger
zu übernehmen, soweit diese angemessen sind. Die Kosten für die Unterkunft sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Es geht
hier nur um die Heizkosten. Diese sind, soweit die Voraussetzungen gemäß § 22 Abs 3 SGB II nicht vorliegen, auch nur in angemessener
Höhe zu übernehmen. Die Kosten können außerhalb der Heizperiode anfallen, weil im Regelfall der Mieter dem Vermieter und dem
Energieversorgungsunternehmen monatliche laufende Abschlagszahlungen im Voraus schuldet. Diese Abschlagszahlungen gehören
zu den laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung (ausführlich: Krauß in Hauck/Noftz, SGB II-Kommentar, Stand: September
2009, § 22 Rdnr 80-88). Eine genaue Feststellung der Heizkosten ist vorliegend im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
jedoch nicht möglich, weil die an den Energieversorgungsunternehmer geschuldete Abschlagszahlung auch andere Aufwendungen
(Haushaltsstrom) erfassen, die nicht als Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen sind.
b) Der Antragsgegner hat in dem angegriffenen Bewilligungsbescheid vom 25. August 2009 Heizkosten mit einer Pauschale in Höhe
von 50,00 EUR zugrunde gelegt. Vermutlich ist die Pauschale nach einem bestimmten Höchstwert pro qm im Verhältnis der angemessenen
zu der tatsächlichen Wohnfläche gebildet worden. Dies ist indes ungeklärt. Dieser Ansatz führt zu einer weitgehenden Pauschalierung
der Heizkosten, die der Struktur des § 22 Abs 1 SGB II fremd ist, zumal der Größe der Wohnung in diesem Zusammenhang keine
ausschlaggebende Bedeutung zukommt. Die tatsächlichen Heizkosten richten sich nämlich nach vielen unterschiedlichen Faktoren
(klimatische Bedingungen, Versorgungsart, technischer Stand der Heizungsanlage, Gebäudestandard, Lage der Wohnung innerhalb
des Hauses). Aus diesem Grunde sind nach ständiger Rechtsprechung des Senates Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
zu übernehmen, soweit der Grundsicherungsträger ein unwirtschaftliches Heizverhalten nicht nachweist. Der Vorwurf eines unwirtschaftlichen
Heizens setzt aber zumindest voraus, dass die Behörde sich vor Ort ein Bild über die konkreten Verhältnisse gemacht hat, was
hier jedoch vom Antragsgegner nicht dargelegt worden ist.
c) Da die tatsächlichen Aufwendungen für die Erwärmung der Wohnung des Antragstellers in der Heizperiode in dem hier zu entscheidenden
vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht ermittelbar sind, hält es der Senat für gerechtfertigt, vorläufig den angemessenen
Betrag für die Heizkosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Anlehnung an den vom BSG (Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R) zur Prüfung der Angemessenheit von tatsächlichen Heizkosten herangezogenen Bundesweiten Heizspiegel zu bestimmen, auch
wenn diese Daten sich nur auf durch Öl, Erdgas und Fernwärme beheizte Wohnungen beziehen. Nach Angaben des Antragsgegners
würden sich für den Antragsteller Heizkosten zwischen 71,67 EUR und 80,83 EUR errechnen, je nachdem ob Heizöl oder Erdgas
als Mittel der Energieversorgung zugrunde gelegt wird. Bei dieser Sachlage billigt der Senat dem Antragsteller einen Heizkostenbetrag
von 80,83 EUR monatlich zu, weil nicht davon auszugehen ist, dass die Beheizung seiner schlecht isolierten Wohnung mit Strom
günstiger ist. Den Abzug einer Warmwasserpauschale hält der Senat im Rahmen dieser vorläufigen Regelung mit einem sehr hohen
Schätzungspotential nicht für geboten.
Im Hauptsacheverfahren wird das SG prüfen müssen, ob unabhängig von einer Angemessenheitsgrenze evtl. höhere tatsächliche Kosten gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu übernehmen sind (vgl. BSG vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R). Ob zeitnah Kostensenkungsaufforderungen des Antragsgegners wegen überhöhter Heizkosten ergangen sind, kann hier nicht
abschließend geprüft werden, weil nur ein kleiner Auszug aus den Verwaltungsvorgängen vorgelegt wurde. Jedenfalls enthält
der Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 19. Februar 2009 für den vorherigen Leistungszeitraum einen derartigen erforderlichen
Hinweis nicht.
d) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat der Antragsteller eine besondere Eilbedürftigkeit für die begehrte Regelung
glaubhaft gemacht. Streitgegenstand sind hier Leistungen zur existenziellen Sicherung, die begrifflich im Zeitpunkt des aktuell
auftretenden existenziellen Bedarfs benötigt werden und somit nicht beliebig einer Nachholung nach dem späteren Ausgang des
Hauptsacheverfahrens zugänglich sind. Aus diesem Grunde geht der Senat bei Grundsicherungsleistungen von seltenen Ausnahmefällen
abgesehen, in denen entweder Einkommen oder mögliche und zumutbare Hilfe durch Dritte feststellbar sind, grundsätzlich davon
aus, dass in der Regel ein Anordnungsgrund besteht, ohne dass eine ausführliche Glaubhaftmachung erforderlich ist.
Es ist verwunderlich, wenn der Antragsgegner hervorhebt, dass im Eilverfahren eine Kürzung von Grundsicherungsleistungen um
20 % bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens anerkannt sei. Denn dies entspricht nicht der Rechtsprechung des Landessozialgerichts
Niedersachsen-Bremen. Der erkennende Senat hat mehrfach hervorgehoben, dass es sich auch bei niedrigeren Beträgen, als sie
in diesem Verfahren streitig sind, nicht mehr um Bagatellbeträge handelt. Diese Bewertung gebietet bereits der Charakter von
Grundsicherungsleistungen als Sicherung des unbedingt notwendigen sozio-kulturellen Existenzminimums. Der verweigerte Rechtsschutz
wird nicht dadurch plausibler und erträglicher, wenn - wie vorliegend das SG im aufgehobenen Beschluss festgestellt hat - dem Antragsteller zugemutet wird, nicht an einer bestimmten Zahl von Tagen pro
Monat nichts zu essen oder zu trinken, sondern an jedem Tag im Monat 10 % weniger zu essen und zu trinken. Spätestens seit
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09; Pressemitteilung Nr 5/10) wird dieser Begründung endgültig der Boden entzogen, zudem das SG dem Antragsteller nicht offenbart hat, wie er nach Durchführung des Hauptsacheverfahrens die ihm täglich für sechs Monate
vorenthaltenen 10 % an Essen und Trinken existenzsichernd nachholen soll. Artikel
1 Grundgesetz gewährleistet ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das bedeutet nicht nur die Sicherung
der physischen Existenz, sondern auch ein Mindestmaß an Teilhabe an gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Leben.
Dieses Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss vom Grundsicherungsträger und notfalls durch die Rechtsschutz gewährenden
Instanzen eingelöst werden. Daran hat sich das SG nicht gehalten.
Es kommt hinzu, dass die Argumentation des SG vom Antragsteller nur als zynisch empfunden werden kann. Es geht hier ausschließlich um die das Sozialrechtsverhältnis zwischen
den Beteiligten bestimmenden Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Aufwendungen stehen nicht zur Disposition des Antragstellers,
(wie z. B. Ausgaben für Essen und Trinken), weil er entsprechende Beträge monatlich an den Vermieter bzw. an den Stromlieferanten
abführen muss. Das SG geht offenbar davon aus, dass ein über Art
1 GG als Existenzminimum gewährleistetes Wohnen nur "ein Dach über den Kopf" bedeutet, nicht aber auch das Wohnen in Räumen mit
einer angemessenen Raumtemperatur (so aber die Rechtsprechung des Senats: Beschluss vom 28. Mai 2009 - L 7 AS 546/09 ER). Das SG mutet faktisch dem Antragsteller zu, dass er im jetzigen Winter jeden Tag für ein paar Stunden in seiner Wohnung im Kalten
sitzen soll, obwohl er die Abschläge ungekürzt an den Stromlieferanten in der Höhe abführen muss, als ob er in beheizten Räumen
wohnen würde.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des §
193 SGG. Da der Antragsgegner unterliegt, muss er für die außergerichtlichen notwendigen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen
aufkommen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).