Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit einer Haftunterbrechung
Keine zeitliche Mindestgrenze für eine Hilfebedürftigkeit
Kein Wegfall von Hilfebedürftigkeit durch Vollverpflegung in einem Krankenhaus
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), hilfsweise
nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeiten einer stationären Krankenhausbehandlung sowie
einer Anschlussheilbehandlung (26. August 2015 bis zum 15. September 2015). In dieser Zeit wurde die Vollstreckung einer gegen
den Kläger verhängten Freiheitsstrafe unterbrochen.
Der 1968 geborene Kläger befand sich unmittelbar vor dem streitbefangenen Zeitraum in Haft, nämlich seit dem 10. Juni 2013.
Er war zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) G. inhaftiert, danach in der JVA H., Abteilung I. und ab dem 2. Juni 2014
erneut in der JVA G. (Landkreis Göttingen). Von dort erfolgte am 21. August 2014 die Verlegung in den Maßregelvollzug nach
J. (Landkreis Northeim), von wo aus der Kläger am 30. April 2015 im Justizvollzugskrankenhaus K. (Landkreis Emsland) aufgenommen
wurde. Am 04./05. Juni 2015 erfolgte die Rückverlegung über die JVA L. in die JVA G. (Landkreis Göttingen). Nach Angaben des
Landkreises Northeim bezog der Kläger während der Zeit vom 10. Juni 2013 (Inhaftierung) bis zur Strafunterbrechung am 26.
August 2015 nur vom 24. Juni 2013 bis 31. Mai 2014 Leistungen nach dem SGB XII (Taschengeld nach §§ 27, 27a SGB XII, vgl.
im Einzelnen: Schreiben vom 16. Mai 2018).
Der Kläger war auch bereits vor dem 10. Juni 2013 inhaftiert gewesen, nämlich bis zum 17. Dezember 2012 in der JVA H ... Für
die Zeit nach seiner Entlassung aus der JVA H. bis zur erneuten Inhaftierung am 10. Juni 2013 gewährte der Beklagte dem Kläger
Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger hielt sich in dieser Zeit in M. (Landkreis Northeim) auf und empfing seine Post über
die Einrichtung "N." M., O., ohne dort jedoch zu wohnen. Vielmehr war der Kläger in dieser Zeit durchgängig obdachlos. Zwar
ist für die Zeit ab dem 1. April 2013 auch ein Mietvertrag für eine Wohnung in der P. 1 in M. aktenkundig. Diese Wohnung wurde
vom Kläger jedoch offensichtlich nie bewohnt.
Am 26. August 2015 wurde die Strafvollstreckung gemäß § 455 Abs 4 Satz 1 Nr 3 Strafprozessordnung (StPO) für die Dauer einer
stationären Heilbehandlung unterbrochen. Er wurde zunächst am 26. August 2015 in die Universitätsmedizin Q. überführt und
unterzog sich dort einer Herzoperation. Am 4. September 2015 wurde er zur Anschlussheilbehandlung in die R. -Klinik nach S.
verlegt (damals: Landkreis T.; seit 1. November 2016: Landkreis Q.). Am 15. September 2015 wurde er nach disziplinarisch bedingter
Entlassung aus der Reha-Klinik wiederum in die JVA G. (Landkreis Q.) eingeliefert, um dort die Strafvollstreckung fortzusetzen.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2015 bat der Kläger den Beklagten um Übersendung eines Formularantrages auf Leistungen nach dem
SGB II. Er teilte dem Beklagten mit, dass er sich Ende August 2015 einer Bypass-Operation und anschließender Rehabilitation
unterziehen müsse und hierfür Leistungen zum Lebensunterhalt beantrage. Den ausgefüllten Formularantrag sandte er zusammen
mit einem Schreiben der JVA am 29. Juli 2015 aus der JVA G. an den Beklagten, gab als Adresse jedoch die "N." M., O. an. Er
begründete seinen schriftlichen Antrag auf Leistungen damit, dass er nur über sehr wenig Bekleidung verfüge, die er außerhalb
der Haft tragen könne. Daher beantrage er eine Beihilfe für Bekleidung. Seine Haft werde für die Heilbehandlung unterbrochen.
Er werde in diesem Zeitraum kein Gefangener mehr sein.
Mit Bescheid vom 5. August 2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Es bestehe kein Anspruch auf Leistungen, da der Kläger
sich in Haft befinde und die Haft nach dem Krankenhausaufenthalt fortgesetzt werde (Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz
2 SGB II). Es handele sich lediglich um eine Haftunterbrechung, nicht um eine Entlassung.
Den mit seiner Mittellosigkeit begründeten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. September
2015 als unbegründet zurück. Der Kläger sei von einem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, da er nicht aus der JVA
entlassen worden sei. Die Inhaftierung werde durch den Krankenhausaufenthalt lediglich befristet unterbrochen. Darüber hinaus
habe der Kläger weder eine Wohnung noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Landkreis M., sodass der Beklagte örtlich nicht
zuständig sei. Insgesamt " ..., dürfte hier keine Berechtigung zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II bestehen - § 7 Abs
1 Nr 2 SGB II - aber nach dem SGB XII".
Aufgrund dieses Hinweises des Beklagten beantragte der Kläger am 6. Oktober 2015 beim Landkreis M. Leistungen nach dem SGB
XII für die Zeit der Haftunterbrechung. Dieser Antrag wurde vom Landkreises M. mit der Begründung abgelehnt, dass der notwendige
Lebensunterhalt durch den lückenlosen Aufenthalt in der JVA, in der Universitätsmedizin Q. und in der R. -Klinik gedeckt gewesen
sei. Folglich habe keine Notlage bestanden. Darüber hinaus könnten Leistungen nach dem SGB XII nicht rückwirkend gewährt werden.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 9. März 2016 führt der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig das Klageverfahren
U., in dem noch keine Entscheidung ergangen ist.
Mit seiner am 21. September 2015 beim SG Hildesheim erhobenen Klage hat der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung
von SGB II-Leistungen ("Hilfe zum Lebensunterhalt", "Hartz IV") für die Zeit der Haftunterbrechung begehrt. Zur Begründung
hat er sich erneut auf seine damalige völlige Mittellosigkeit bezogen.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 9. September 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich pauschal den Ausführungen
im Widerspruchsbescheid vom 9. September 2015 angeschlossen und im Übrigen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe
abgesehen (§ 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Einzelfallbezogene Ausführungen enthalten die Entscheidungsgründe nicht.
Gegen den dem Kläger am 7. Oktober 2016 in der JVA G. zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Oktober 2016 "Widerspruch"
eingelegt. Er macht geltend, dass er trotz seiner rechtzeitigen Antragstellung vollkommen mittellos am 26. August 2015 aus
der JVA ins Krankenhaus gekommen sei. Er habe kein Geld und nicht einmal seinen Personalausweis ausgehändigt bekommen. Deshalb
sei er mit der ergangenen Entscheidung nicht einverstanden.
Der erkennende Senat hat den "Widerspruch" nach ergebnisloser Rückfrage beim Kläger als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt
und die Berufung zugelassen (Beschluss vom 16. Juni 2017). Mit Beschluss vom 19. Juni 2017 hat der erkennende Senat den Beigeladenen
zu 1. als das für die JVA G. örtlich zuständige Jobcenter beigeladen. Auf Anregung des Beigeladenen zu 1. hat der Senat zudem
den Beigeladenen zu 2. als Träger der überörtlichen Sozialhilfe beigeladen (Beschluss vom 22. Februar 2018).
Dem Vorbringen des Klägers entnimmt der Senat den Antrag,
1. den Gerichtsbescheid des SG Hildesheim vom 9. September 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. August 2015 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2015 aufzuheben, 2. 3. den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit
vom 26. August 2015 bis zum 15. September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie eine Bekleidungsbeihilfe
in gesetzlicher Höhe zu gewähren, 4. hilfsweise
den Beigeladenen zu 1. bzw. die Beigeladene zu 2. zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 26. August 2015 bis zum 15. September
2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie eine Bekleidungsbeihilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die gegen ihn gerichtete Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1. beantragt,
die gegen ihn gerichtete Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2. hat keinen ausformulierten Antrag gestellt.
Der Beklagte ist der Auffassung, bereits örtlich nicht zuständig zu sein. Der Kläger habe sich in dem streitbefangenen Zeitraum
weder tatsächlich noch gewöhnlich im Landkreis Northeim aufgehalten, sondern in der Stadt bzw. im Landkreis Q. (JVA G., Universitätsmedizin
Q. und R. -Klinik). Darüber hinaus sei der Kläger nicht erwerbsfähig gewesen, so dass kein Anspruch nach dem SGB II bestehe.
Der Beigeladene zu 1. ist der Auffassung, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht dem Anwendungsbereich des
SGB II zuzuordnen sei, da er aufgrund der Haft mehr als zwei Jahre nicht für Maßnahmen der Eingliederung in Arbeit zur Verfügung
gestanden habe. Aufgrund der Herzerkrankung sei der Kläger auch nicht erwerbsfähig gewesen. Für die örtliche Zuständigkeit
sei auf die Postadresse der "V." in M. abzustellen.
Die Beigeladene zu 2. hält den Kläger dagegen für erwerbsfähig i.S.d. SGB II. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit sei
fraglich, ob insoweit auf die JVA G. als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts abgestellt werden könne. Möglicherweise habe mangels
Freiwilligkeit des Aufenthaltes in der JVA im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt kein gewöhnlicher Aufenthaltsort bestanden.
Eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2. komme "nicht ernsthaft in Frage". Bereits für die erfolgte Beiladung gebe es
keinen hinreichenden Grund.
Der Senat hat zur Ermittlung des damaligen Gesundheitszustands des Klägers Unterlagen bzw. einen Befundbericht von der Universitätsmedizin
Q., von der R. -Klinik und vom Anstaltsarzt der JVA G. beigezogen bzw. eingeholt. Außerdem sind Auskünfte über den Ablauf
der Strafvollstreckung und über den parallel zur Strafvollstreckung erfolgten Bezug von SGB XII-Leistungen eingeholt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakte, der Gerichtsakte W. (SG Braunschweig) sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug
genommen. Diese sind Gegenstand der der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nach erfolgter Zulassung durch den Senat statthaft. Sie ist
in dem aus dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beigeladenen
zu 1. Anspruch auf Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 26. August 2015 bis zum 15. September 2015 in Höhe von 279,30 Euro.
1.
Streitgegenstand ist zunächst der Anspruch des Klägers auf Leistungen für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach § 20 SGB II für die Zeit der Haftunterbrechung, d.h. für 21 Tage. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Vorbringens
des Klägers unter Berücksichtigung des sog. Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. hierzu: ständige Rechtsprechung des BSG, etwa:
BSG, Urteil vom 14. Juni 2018 - B 9 SB 2/16 R -, SozR 4-1500 § 92 Nr 4, Rn 12 m.w.N.). Der Kläger hat nicht weiter eingeschränkte
Anträge auf "Hartz IV", "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II" (Schreiben vom 12. Juli und 4. August
2015 Bl. 112, 116 der Veraltungsakte - VA -; ebenso: Klageschrift vom 17. September 2015) bzw. auf "Taschengeld" gestellt
(Bl. 8 der Gerichtsakte - GA -). Zur Begründung hat er wiederholt vorgetragen, "völlig mittellos" zu sein.
Ausdrücklich begehrt der Kläger darüber hinaus eine nicht näher konkretisierte "Bekleidungsbeihilfe" für die Zeit im Krankenhaus
bzw. in der Anschlussheilbehandlung.
Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.S.d. § 22 SGB II stehen dagegen nicht im Streit (vgl. zur Zulässigkeit
der diesbezüglichen prozessualen Begrenzung des Rechtsschutzbegehrens: ständige Rechtsprechung des BSG, etwa: Urteil vom 7.
Mai 2009 - B 14 AS 31/07 R - m.w.N.). Derartige Ansprüche macht der Kläger nicht geltend. Auch sind ihm insoweit keine Aufwendungen
entstanden, da er im streitbefangenen Zeitraum durchgängig im Krankenhaus bzw. in der Reha-Klinik untergebracht war, ohne
dass er hierfür Kosten zu tragen gehabt hätte. Vor und nach den stationären Heilverfahren war er in der JVA untergebracht.
2.
Der Kläger erfüllte entgegen der Auffassung des Beklagten sowie des Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 26. August 2015 bis
zum 15. September 2015 die Voraussetzungen für Regelbedarfsleistungen nach §§ 7, 19 und 20 SGB II. Der Anspruch richtet sich
gegen den Beigeladenen zu 1. als das für den Landkreis Q. örtlich zuständige Jobcenter. Der Höhe nach hat der Kläger einen
Anspruch auf Zahlung von 279,30 Euro.
Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen,
1. die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. 3. erwerbsfähig sind,
4. 5. hilfebedürftig sind und 6. 7. ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben.
a.
Der Kläger wurde 1968 geboren und hatte im streitbefangenen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 4 SGB II erfüllt sind.
Er war damals auch hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II, da er ausweislich seiner Angaben im Antragsformular über kein Einkommen
verfügte. Bei der dem Kläger vom Krankenhaus bzw. der Reha-Klinik zur Verfügung gestellten Vollverpflegung handelte es sich
nicht um eine Einnahme in Geld und somit nicht um Einkommen i.S.d. § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Mangels entsprechender Rechtsgrundlage
und angesichts des bedarfsdeckenden sowie pauschalierenden Charakters der Regelleistung (mittlerweile: Regelbedarf) nach dem
SGB II führte die im Krankenhaus bzw. in der Reha-Klinik erhaltene Verpflegung auch nicht zu einem Wegfall des Leistungsanspruchs
wegen anderweitiger Bedarfsdeckung (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 22/07 R -, BSGE 101, 70).
Vermögen oberhalb des dem Kläger zustehenden Grundfreibetrags (§ 12 Abs 2 Nr 1 SGB II) war ebenfalls nicht vorhanden. Er verfügte
bei Antragstellung lediglich über ein Barvermögen von 2,68 Euro. Bankkonten oder Kapitalanlagen waren nicht vorhanden (vgl.
die Angaben des Klägers im Vordruck VM, Bl. 123 VA).
b.
Entgegen der Auffassung des Beklagten war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum auch erwerbsfähig i.S.d. § 7 Abs 1 Satz
1 SGB II.
Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Unter "auf absehbare
Zeit" wird in Anlehnung an § 101 Abs 1 SGB VI in aller Regel ein Zeitraum von sechs Monaten verstanden (vgl. etwa: Blüggel
in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 8 Rn 31 mit umfangreichen Nachweisen).
Es ist zwar davon auszugehen, dass der Kläger in der Zeit ab der Aufnahme im Justizvollzugskrankenhaus am 30. April 2015 bis
ca. Ende September 2015 arbeitsunfähig und damit auch außerstande war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Schließlich erfolgte die Aufnahme des Klägers im Justizvollzugskrankenhaus
wegen seiner behandlungsbedürftigen Herzerkrankung, aufgrund derer dann im August 2015 eine operative Myokardrevaskularisierung
erfolgte. Unter Einschluss der vom Anstaltsarzt der JVA G. für den Monat September 2015 bestätigten Arbeitsunfähigkeit ergibt
sich jedoch insoweit lediglich ein Zeitraum von insgesamt ca. 4,5 Monaten.
Weitere länger andauernde Arbeitsunfähigkeitszeiten können den vom Senat beigezogenen umfangreichen medizinischen Unterlagen
nicht entnommen werden. Der ausdrücklich zur Behandlung in dem Zeitraum Januar 2015 bis Anfang 2016 befragte Anstaltsarzt
der JVA G. (Facharzt für Allgemeinmedizin F. X.) bestätigte eine Arbeitsunfähigkeit lediglich für den Monat der Entlassung
aus der R. -Klinik (d.h. September 2015), ansonsten "nur tageweise". Soweit dieser Arzt Einschränkungen der Einsetzbarkeit
des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen "Störung der Impulskontrolle, aggressiven Durchbrüchen und Polytoxikomanie"
beschrieben hat, handelt es sich um Persönlichkeitsmerkmale bzw. Suchtkrankheiten des Klägers, die einer Erwerbstätigkeit
von mindestens drei Stunden täglich erkennbar nicht entgegenstehen. Schließlich hat der Kläger während seiner Inhaftierungen
in der JVA gearbeitet (vgl. die diesbezüglichen Angaben des Klägers im Antragsformular, Bl. 119 VA, sowie auf Seite 3 des
Entlassungsberichts der Kirchberg-Klinik). Hiermit in Übereinstimmung hat auch der Beklagte selbst den Kläger sowohl vor seiner
Inhaftierung (d.h. vor dem 10. Juni 2013) als auch nach seiner Haftentlassung am 28. Juni 2018 (Bl. 180 GA) als erwerbsfähig
angesehen. Schließlich hat der Beklagte in diesen Zeiträumen dem Kläger Arbeitslosengeld II gewährt und ihn gerade nicht auf
die für Erwerbsunfähige in Betracht kommenden SGB XII-Leistungen verwiesen. Insoweit ist zudem festzuhalten, dass der Kläger
bereits vor seiner Inhaftierung im Juni 2013 unter der behandlungsbedürftigen Herzerkrankung litt (vgl. zu einer bereits damals
geplanten Coronarangiographie: Seite 2 des Ärztlichen Abschlussberichtes des Y. Justizvollzugskrankenhauses - JVA K. - vom
4. Juni 2015). Dementsprechend ist nicht begründbar, dass der Kläger nur bzw. gerade im zeitlichen Zusammenhang mit der im
vorliegenden Verfahren streitbefangenen Haftunterbrechung (26. August bis 15. September 2015) über die o.g. Arbeitsunfähigkeitszeiten
hinaus für mindestens sechs Monate nicht erwerbsfähig gewesen sein soll.
c.
Der Anspruch auf Regelbedarfsleistungen (§ 20 SGB II) besteht in Höhe von 279,30 Euro. Dieser Betrag ergibt sich aus dem monatlicher
Regelbedarf für Alleinstehende im Jahr 2015 i.H.v. 399,- Euro (= 13,30 Euro täglich) für 21 Tage. Vor dem 26. August bzw.
nach dem 15. September 2015 bestand aufgrund der Inhaftierung des Klägers kein Anspruch auf SGB II-Leistungen (vgl. zum diesbezüglichen
Leistungsausschluss: § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II).
Anlass für eine Herabsetzung des täglichen Regelbedarfs wegen der Kurzzeitigkeit des Leistungsbezugs besteht nicht. Das SGB
II kennt keine zeitliche Mindestgrenze der Hilfebedürftigkeit. Auch die Hilfebedürftigkeit für einen Zeitraum von - wie im
vorliegenden Fall - lediglich drei Wochen begründet einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Ebenso wenig führte die Gewährung
von Vollverpflegung im Krankenhaus bzw. in der Reha-Klinik zu einem vollständigen oder auch nur teilweisen Wegfall der Hilfebedürftigkeit.
Vielmehr ist durch die Rechtsprechung des BSG bereits seit mehr als zehn Jahren geklärt, dass nach dem Leistungssystem des
SGB II eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen
ist. Dies gilt sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Zur Begründung hat das BSG insoweit u.a.
ausgeführt (Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 22/07 R -, BSGE 101, 70):
Der Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung entspricht im Übrigen auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit
einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband. Die pauschalierte Regelleistung sollte gerade die Selbstverantwortung
und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern. Diese sind darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen
Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. ( ...) Im Umkehrschluss ist es dann aber auch nicht möglich, einem bedürfnislosen
oder einem geschickt oder wirtschaftlich handelnden Grundsicherungsempfänger Teile der Regelleistung wieder zu entziehen.
Jedenfalls im Rahmen der durch § 20 Abs 1 SGB II genannten Grundbedürfnisse erscheint es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung
kaum vereinbar, in einem verwaltungsaufwändigen Einzelfallverfahren doch eine individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen. Dies
hätte zur Konsequenz, dass etwa regelmäßig zur Verfügung gestellte Kinderkleidung, die Nahrungsbeschaffung bei einer "Tafel",
ein Freiabonnement einer Tageszeitung oder ggf sogar die Tatsache des Nichtrauchens oder Nichtalkoholkonsums jeweils bedarfsmindernd
bei der Regelleistung zu berücksichtigen wäre. Eine solche Individualisierung des Bedarfs sieht allenfalls § 9 SGB XII iVm
§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vor. Entsprechende Regelungen fehlen hingegen im SGB II.
Dem schließt sich der erkennende Senat vollinhaltlich an.
d.
Ein Anspruch auf eine gesonderte "Bekleidungsbeihilfe" besteht dagegen nicht.
Die Regelbedarfsleistungen nach § 20 SGB II decken auch den grundsicherungsrechtlichen Bedarf an Kleidung ab (vgl. § 20 Abs
1 Satz 1 SGB II). Da der Regelbedarf als monatlicher Pauschalbetrag geleistet wird (§ 20 Abs 1 Satz 3 SGB II), setzten zusätzliche
Leistungen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung voraus (vgl. hierzu erneut: BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 22/07
R -, BSGE 101, 70, Rn 24). Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit allenfalls § 21 Abs 6 SGB II in Betracht. Nach dieser Vorschrift
wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger
besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie
unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt war und seiner Höhe nach erheblich von einem
durchschnittlichen Bedarf abwich.
Unabhängig davon, dass es sich bei der vom Kläger begehrten Bekleidungsbeihilfe um keine laufende, sondern um eine einmalige
Leistung handeln dürfte, fehlt es an jeglichem anspruchsbegründenden Vortrag des Klägers. Es ist nach wie vor unbekannt, welche
konkreten Kleidungsstücke der Kläger benötigte und welche Beträge hierfür aufzuwenden waren. Ebenso ist unbekannt, über welche
auch im Krankenhaus bzw. in der Reha-Klinik verwendbare Kleidung der Kläger im streitbefangenen Zeitraum verfügte bzw. mit
welcher Kleidung er in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Angesichts der dem Kläger während der stationären Heilbehandlung
für ihn kostenfrei zur Verfügung gestellten Vollverpflegung bedürfte es auch eines konkreten, tatsächlich jedoch nicht erfolgten
Vortrags dazu, weshalb die ggf. noch zusätzlich erforderliche Bekleidung nicht mittels der z.B. für Ernährung eingesparten
Beträge hätte angeschafft werden können. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II sind somit hinsichtlich der
vom Kläger pauschal begehrten Bekleidungsbeihilfe nicht erfüllt.
e.
Der Kläger unterfällt entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG auch nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 SGB
II.
Nach § 7 Abs 4 SGB II erhält derjenige keine SGB II-Leistungen, der in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente
wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt
in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung
gleichgestellt. Abweichend hiervon erhält SGB II-Leistungen,
1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 SGB V) untergebracht ist, oder 2. 3. wer in
einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15
Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
aa.
Bei vorausschauender Betrachtungsweise war im Juli/August 2015 nicht davon auszugehen, dass die bevorstehenden Krankenhausaufenthalte
des Klägers sich über einen mindestens sechsmonatigen Zeitraum erstrecken könnten (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt für diese
Prognose: BSG, Urteil vom 02. Dezember 2014 - B 14 AS 66/13 R -, BSGE 117, 303 - Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus). Tatsächlich
dauerte der Krankenhausaufenthalt in der Universitätsmedizin Q. unter Einschluss der Anschlussheilbehandlung in der R. -Klinik
lediglich drei Wochen. Selbst bei Einbeziehung der vor Antragstellung liegenden stationären Heilbehandlung im Justizvollzugskrankenhaus
ergeben sich insgesamt lediglich knapp acht Wochen. Insoweit lassen sich den Behandlungsunterlagen auch keine Anhaltspunkte
dafür entnehmen, dass die Dauer der stationären Heilverfahren unerwartet kurz blieb (etwa wegen eines von vornherein nicht
zu erwartenden besonders raschen Genesungsprozesses). Im Juli/August 2015 war somit von einer stationären Krankenhausbehandlung
innerhalb des für entsprechende Herzerkrankungen üblichen Zeitrahmens auszugehen, d.h. von einer deutlich unter sechs Monate
liegenden Dauer. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 Satz 1 i.V.m. Satz 3 Nr 1 SGB II
sind somit nicht erfüllt. Insoweit kann auch keine Addition der Zeiten der Inhaftierung (als Ausschlussgrund nach § 7 Abs
4 Satz 2 SGB II) mit den Zeiten der Krankenhausaufenthalte (als Ausschlussgrund nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II) begründet werden.
Vielmehr sind die Ausschlussgründe nach § 7 Abs 4 Satz 1 bzw. § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II jeweils getrennt zu betrachten (vgl.
BSG, Urteil vom 12. November 2015 - B 14 AS 6/15 R -, SozR 4-4200 § 7 Nr 45, Rn 17; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Juni
2016 - L 2 AS 260/15 -, Rn 34ff. - zitiert nach juris; veröffentlicht u.a. in: ZFSH/SGB 2016, 558; Breithaupt 2017, 70).
bb.
Entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG greift auch nicht der Ausschlussgrund des § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II (Aufenthalt
in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung).
Die Vollstreckung der gegen den Kläger verhängten Freiheitsstrafe war mit Wirkung ab Aufnahme in der Universitätsmedizin Göttingen
gemäß § 455 Abs 4 Satz 1 Nr 3 StPO unterbrochen. Der Kläger war somit im streitbefangenen Zeitraum entgegen der Auffassung
des SG und des Beklagten kein Strafgefangener mehr. Schließlich wird die Zeit einer Unterbrechung nach § 455 Abs 4 Satz 1
Nr 3 StPO nicht auf die Freiheitsstrafe angerechnet, sondern schiebt den Zeitpunkt der Entlassung des Gefangenen hinaus (vgl.
hierzu etwa: Walther in: Beckscher Online-Kommentar zum Strafvollzugsrecht, Stand: Februar 2018, § 455 Rn 10; Löwe-Rosenberg,
StPO, 26. Auflage 2010, § 455 Rn 21). Auch die JVA G. hat ausdrücklich bestätigt, dass beim Kläger die Zeit seiner Haftunterbrechung
nicht auf die Freiheitsstrafe angerechnet wird (vgl. Haftbescheinigung, Bl. 135 VA). Dementsprechend unterfiel der Kläger
als gemäß § 455 Abs 4 Satz 1 Nr 3 StPO zumindest vorübergehend aus der Haft Entlassener nicht mehr dem Leistungsausschluss
nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II (ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Juni 2016, a.a.O.; Leopold in: jurisPK-SGB II, 4.
Auflage, § 7 Rn 240.1).
cc. Einem Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II steht auch nicht entgegen, dass bei Beziehern von Leistungen
nach dem SGB XII (d.h. u.a. bei Strafgefangenen, die in entsprechender Anwendung des § 27b Abs 2 SGB XII einen Barbetrag zur
persönlichen Verfügung beziehen, vgl. zu diesem Anspruch: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - B 8 SO 16/16 R -, SozR 4-3500
§ 27b Nr 1) bei nur kurzzeitigen Krankenhausaufenthalten ein Wechsel zwischen den Leistungssystemen des SGB XII und des SGB
II möglichst vermieden werden soll (vgl. hierzu etwa: BSG, Urteil vom 12. November 2015 - B 14 AS 6/15 R -, SozR 4-4200 §
7 Nr 45; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Juni 2016, a.a.O.). Der Kläger hatte nämlich in der unmittelbaren Zeit vor seinen
Krankenhausaufenthalten keine SGB XII-Leistungen bezogen, sondern letztmals am 31. Mai 2014, d.h. mehr als ein Jahr vor Aufnahme
in der Universitätsmedizin Göttingen (vgl. zum Bezug von SGB XII-Leistungen: Angaben des Klägers im Antragsformular, Bl. 121R
VA, sowie Auskunft des Landkreises Northeim vom 16. Mai 2018).
3. Leistungspflichtig ist der Beigeladene zu 1. als das für den Landkreis Q. zuständige Jobcenter (vgl. zur prozessualen Möglichkeit,
den Beigeladenen zu 1. anstelle des Beklagten zur Leistungsgewährung zu verurteilen: § 75 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz - SGG
-).
Die örtliche Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB II richtet sich nach § 36 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach der gewöhnliche
Aufenthaltsort der leistungsberechtigten Person maßgeblich ist. Kann ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht festgestellt werden,
so ist der Träger nach diesem Buch örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte
tatsächlich aufhält (§ 36 Abs 1 Satz 4 SGB II).
Der Kläger hatte im streitbefangenen Zeitraum keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Er war zwar postalisch über die Ambulante Hilfe M. erreichbar, hatte dort jedoch weder im streitbefangenen Zeitraum (26. August
bis 15. September 2015) noch unmittelbar davor oder danach gewohnt oder sich auch nur aufgehalten. Die Ambulante Hilfe M.
bietet als Einrichtung der Diakonie (also der Freien Wohlfahrtspflege) Hilfestellungen für Wohnungslose an, u.a. durch die
Sicherstellung einer postalischen Erreichbarkeit von Wohnungslosen. Eine Wohnmöglichkeit existiert in den Räumen der Ambulanten
Hilfe dagegen nicht.
Für den Kläger kann auch nicht deshalb von einem gewöhnlichen Aufenthaltsort in M. (und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich
des Beklagten) ausgegangen werden, weil er sich in der Zeit vor seiner Inhaftierung dort aufgehalten hatte. Zwar hatte sich
der Kläger - soweit dies nachvollzogen werden kann - tatsächlich in der gesamten Zeit zwischen der Haftentlassung vom 17.
Dezember 2012 und dem erneuten Haftantritt am 10. Juni 2013 durchgängig in M. aufgehalten. Er verfügte dort damals jedoch
nicht über eine eigene Wohnung, sondern wurde in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht. Der in der Verwaltungsakte des
Beklagten enthaltene Mietvertrag über eine Wohnung in M. (Mietbeginn: 1. April 2013) wurde offensichtlich nicht "gelebt".
Vielmehr führte der Kläger selbst im Mai 2013 (d.h. mehre als einen Monat nach angeblichem Mietbeginn und ca. einen Monat
vor der erneuten Inhaftierung im Juni 2013) nach wie vor seine Korrespondenz unter der Anschrift der Obdachlosenunterkunft
in der Z. in M ... Auch wurde dem Kläger noch am 27. Mai 2013 durch die Stadt M. eine Obdachlosenunterkunft zugewiesen.
Bei einer Obdachlosenunterkunft handelt es sich jedoch nicht um einen Wohnsitz, der nach Antritt einer langjährigen Haftstrafe
als gewöhnlicher Wohnsitz i.S.d. § 36 SGB II beibehalten werden könnte. Eine andere Wohnung in M., die trotz der am 10. Juni
2013 erfolgten Inhaftierung zwecks Vollstreckung einer langjährigen Haftstrafe auch weiterhin als gewöhnlicher Aufenthaltsort
angesehen werden könnte, existierte nicht. Insbesondere verfügte der damals ledige und kinderlose Kläger (vgl. hierzu: Seite
2 des Entlassungsberichts der R. -Klinik) nicht über eine (ehemalige) Familienwohnung. Anderweitige familiäre Bindungen nach
M. sind nicht ersichtlich. Gegen einen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Northeim spricht auch die Austrittsmitteilung der JVA
L. vom 5. Juli 2018, die anstelle einer Austrittsadresse die Eintragung "ohne festen Wohnsitz" enthält (Bl. 180 GA). Somit
fehlt es an jeglichem Anknüpfungspunkt für die Aufrechterhaltung eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes in M. nach dem im Juni
2013 erfolgten Antritt der langjährigen Haftstrafe.
Mangels eines noch fortbestehenden anderweitigen gewöhnlichen Aufenthaltsortes in M. oder an einem anderen Ort (s.o.), ist
sowohl für den Zeitpunkt der Antragstellung als auch für den gesamten streitbefangenen Zeitraum die JVA G. als der nach §
36 SGB II maßgebliche gewöhnliche Aufenthaltsort des Klägers anzusehen (vgl. zur JVA als gewöhnlichem Aufenthaltsort von Strafgefangenen
etwa: BSG, Urteil vom 29. Mai 1991 - 4 RA 38/90 -; Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 101.
Ergänzungslieferung 2018, § 30 SGB I Rn 20 m.w.N.). Dort hatte sich der Kläger bei Eintritt der Strafunterbrechung bereits
länger als zwei Monate aufgehalten. Eine alsbaldige Haftentlassung war im Juli 2015 (Antragsmonat) bzw. August 2015 (Aufnahme
in der Universitätsmedizin Göttingen) nicht absehbar. Vielmehr war damals von einem voraussichtlichen Austritt aus der JVA
erst am 17. November 2017 auszugehen, d.h. mehr als ein Jahr nach Ablauf des im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Zeitraums
(vgl. Haftbescheinigung vom 20. Juli 2015). Tatsächlich erfolgte die Entlassung offensichtlich sogar erst am 28. Juni 2018
(vgl. Austrittsmitteilung vom 5. Juli 2018, Bl. 180 GA).
Angesichts der langjährigen Haftstrafe spricht auch die mehrfache Verlegung des Klägers in verschiedene Justizvollzugsanstalten
bzw. Einrichtungen des Maßregelvollzugs nicht gegen die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes in der jeweiligen JVA
bzw. in der jeweiligen Einrichtung des Maßregelvollzugs. Auch außerhalb des Strafvollzugs führen wiederholte Umzüge oder häufige
Wohnungswechsel nicht dazu, dass ein gewöhnlicher Aufenthaltsort i.S.d. § 36 SGB II bzw. § 30 SGB I von vornherein zu verneinen
wäre. Vielmehr sind bei wiederholten Wohnungswechseln die im entsprechenden Zeitraum bewohnte Wohnung der jeweils für den
betreffenden Zeitraum maßgebliche gewöhnliche Aufenthaltsort. Selbst mehrfache Umzüge führen nicht dazu, allein wegen des
häufigen Wechsels der Wohnung bzw. des Wohnortes einen gewöhnlichen Aufenthalt insgesamt zu verneinen und stattdessen für
die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ausnahmslos auf jeden noch so kurzzeitigen tatsächlichen Aufenthaltsort abzustellen.
Schließlich müsste ansonsten bei (mehr oder weniger) häufigen Umzügen bei kurzzeitigen Ortsabwesenheiten (wie z.B. bei einer
Wochenendreise oder einem kurzzeitigen Krankenhausaufenthalt) auf den Ferienort bzw. den Ort des Krankenhauses abgestellt
worden. Derartig häufige Zuständigkeitswechsel sind dem SGB II fremd und sollen gerade vermieden werden. Für den Regelfall
wird vielmehr auch im SGB II auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort und damit auf die jeweils - wenn auch nur kurzzeitig - bewohnte
Wohnung abgestellt. Dementsprechend führt auch der nur kurzzeitige und im Wege der Strafunterbrechung erfolgte Aufenthalt
des Klägers in der Universitätsmedizin Göttingen (für 10 Tage) bzw. in der R. -Klinik (für 11 Tage) nicht dazu, dass der gewöhnliche
Aufenthaltsort in der JVA G. aufgegeben worden wäre. Denn es stand von vornherein fest, dass die Strafvollstreckung unmittelbar
nach Abschluss der stationären Heilbehandlung fortgesetzt wird. Tatsächlich ist der Kläger dann auch unmittelbar nach Entlassung
aus der R. -Klinik wieder in der JVA G. inhaftiert gewesen.
4. Nach alledem hat es der Beklagte im Ergebnis zwar zu Recht abgelehnt, die streitbefangenen SGB II-Leistungen an den Kläger
zu erbringen. Anstatt den Antrag des Klägers lediglich abzulehnen hätte der Beklagte den Antrag allerdings an den örtlich
zuständigen Beigeladenen zu 1. weiterleiten müssen (§ 16 Abs 2 SGB I). Unzutreffend war auch der Hinweis des Beklagten im
Widerspruchsbescheid auf einen Anspruch des Klägers nach dem SGB XII (vgl. Seite 2 des Widerspruchsbescheides vom 9. September
2015).
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass der Beklagte auch seine Beratungspflicht nach § 14 SGB I verletzt hat. Der Hilfebedarf
des völlig mittellosen Klägers war für die Zeit seines Krankenhausaufenthaltes offensichtlich, da er insoweit keinerlei finanzielle
Unterstützung durch die JVA mehr erhielt. Es wäre Aufgabe des Beklagten gewesen, in Abstimmung mit anderen möglicherweise
in Betracht kommenden Leistungsträgern (d.h. dem örtlich zuständigen Jobcenter bzw. Sozialhilfeträger) die Zuständigkeitsfrage
zu klären und den Antrag an die zuständige Behörde weiterzuleiten (§ 16 Abs 2 SGB I). Die damalige Notsituation des Klägers
hätte dem Beklagten zudem Anlass geben müssen, die Gewährung vorläufiger Leistungen zu prüfen (§ 43 SGB I). Der Beklagte hat
damit auch seine rechtlichen Verpflichtung aus § 17 Abs 1 SGB I verletzt, nämlich darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte
- und damit auch der Kläger - die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält.
Zu beanstanden ist auch, dass das SG seine Rechtsauffassung nicht konsequent umgesetzt hat. Da der Gerichtsbescheid des SG
anstelle einer einzelfallbezogenen Begründung lediglich einen Pauschalverweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides
enthält (§ 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), hat das SG - wie auch der Beklagte - einen Anspruch des Klägers nach dem
SGB XII als gegeben angesehen (vgl. Seite 2 des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2015 - " ..., dürfte hier keine Berechtigung
zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II bestehen - § 7 Abs 1 Nr 2 SGB II - aber nach dem SGB XII"). Auf der Grundlage dieser
Rechtsauffassung hätte das SG die Klage nicht lediglich abweisen dürfen, sondern hätte - nach entsprechender Beiladung - den
zuständigen SGB XII-Leistungsträger verurteilen müssen.
Eine Leistungspflicht des auf ausdrückliche Anregung des Beigeladenen zu 1. (vgl. Schriftsatz vom 16. Februar 2018) beigeladenen
überörtlichen Sozialhilfeträgers (Beigeladener zu 2.) besteht nicht, da der Senat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II für
gegeben hält und somit gleichartige Ansprüche nach dem SGB XII ausscheiden. Ebenso wenig ergibt sich eine Leistungspflicht
des Beigeladenen zu 2. aus dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines nur kurzzeitigen Systemwechsels zwischen dem SGB XII und
dem SGB II (vgl. hierzu oben Abschnitt 2 e. cc.).
5. Die Kostenentscheidung zugunsten des Klägers beruht auf § 193 SGG. Die Aufwendungen des im Ergebnis obsiegenden Beklagten
sind von vornherein nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG). Für eine Erstattung etwaiger Kosten der Beigeladenen zu 2. besteht
kein Anlass (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2011 - B 1 KR 10/10 R -, Rn 90; ebenso: Gutzler in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 193
Rn. 61).
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.