Klagebefugnis einer Erbengemeinschaft gegen Beitragsbescheide des Unfallversicherungsträgers im sozialgerichtlichen Verfahren;
Zuständigkeitsbeschluss des BSG ist keine divergenzfähige Entscheidung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung und die Nachzahlung
von Beiträgen.
Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft, die aus den Brüdern F., wohnhaft in G. (Landkreis H.), und I., wohnhaft in J., besteht
und zu der ursprünglich auch deren Mutter K. zählte. Die beiden Mitglieder der Erbengemeinschaft sind gesamthänderisch Eigentümer
eines 1,78 ha großen Forstgrundstücks in L. (Landkreis M.). Die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Niedersachsen-Bremen
(als Rechtsvorgängerin der Beklagten; im Folgenden: BG) hatte ursprünglich nur die Mutter K. zu Beiträgen zur gesetzlichen
Unfallversicherung herangezogen. Nachdem diese im Jahr 2007 verstorben war, vertrat F. als Vertreter der Klägerin der BG gegenüber
die Auffassung, weder seine Mutter noch die verbliebenen Mitglieder der Erbengemeinschaft seien im Hinblick auf das Forstgrundstück
in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert. Mit zwei gleichlautenden Bescheiden vom 6. August 2010, adressiert
an: "Erbengemeinschaft N., F., O. 16, P." und an "Erbengemeinschaft N., I., Q. 10, R." teilte die BG mit, dass ab dem 1. Januar
2005 die Zuständigkeit für das Unternehmen der Forstwirtschaft in L. beginne. Mit zwei weiteren, in derselben Weise adressierten
Beitragsbescheiden vom 6. August 2010 setzte die BG außerdem für die Jahre 2005 bis 2009 auf der Basis ihres Mindestbeitrags
einen Beitrag in Höhe von insgesamt 280,00 Euro fest.
Gegen diese Bescheide legte F. "im Namen der Erbengemeinschaft N." am 3. September 2010 Widerspruch ein. Das Waldgrundstück
werde nicht forstwirtschaftlich genutzt, sodass auch keine Unfallgefahr bestehe. Die vom Bundessozialgericht (BSG) erfundene Vermutung einer forstwirtschaftlichen Betätigung finde im Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) keine Stütze. Die BG wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 - adressiert an: "Erbengemeinschaft
N., z.Hd. Herrn F., O. 16, P." - als unbegründet zurück. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien auch Waldparzellen,
aus denen jahrzehntelang keine Nutzung gezogen werde, als versicherungspflichtige forstwirtschaftliche Unternehmen iS der
Sozialversicherung anzusehen.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Mai 2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben, die dort am 18. Mai 2011 eingegangen ist. Gegen eine die Versicherungspflicht begründende Bodenbearbeitung
des Forstgrundstücks spreche ua, dass das Grundstück nahezu naturbelassen sei, die Waldfläche keinerlei Anzeichen für eine
forstwirtschaftliche Nutzung aufweise und Maßnahmen mit forstwirtschaftlichem Hintergrund in den letzten Jahrzehnten nicht
vorgenommen worden seien. Eine Bewirtschaftungsverpflichtung nach dem niedersächsischen Waldgesetz gelte für Privatwaldbesitzer
nicht. Auch wenn das Forstgrundstück gegen Schadorganismen geschützt werde, ändere dies nichts am Ergebnis, da dies aufgrund
der Lage und des Zuschnitts des Grundstücks nur gemeinsam mit dem Wald der Forstgenossenschaft L. durchgeführt werden könne,
deren Mitglied die Klägerin sei.
Das SG hat die beiden Mitglieder der Erbengemeinschaft als Kläger zu 1. und zu 2. angesehen und die Sache zunächst dem BSG zur Klärung der örtlichen Zuständigkeit vorgelegt. Das BSG hat mit Beschluss vom 18. Juli 2012 (B 12 SF 11/12 S) das SG Hildesheim zum zuständigen Gericht bestimmt. Dieses hat die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2012 abgewiesen. Die
angefochtenen Bescheide, die jeweils den einzelnen Mitgliedern der Erbengemeinschaft bekannt gegeben worden seien, seien rechtmäßig.
Die BG habe "die Kläger" zu Recht als beitragspflichtige landwirtschaftliche Unternehmer eingestuft. Ihre Heranziehung als
forstwirtschaftliche Unternehmer scheitere nicht daran, dass sie die ererbten Waldflächen seit Jahrzehnten sich selbst überließen.
Denn nach der Rechtsprechung des BSG bestehe wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume die widerlegbare Vermutung, dass bei bestehenden
Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine
forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben
sei. Eine anderweitige Nutzung hätten "die Kläger" auch auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts nicht mitgeteilt und sei
auch nicht ersichtlich. Auch die Beitragsfestsetzung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Satzungsregelung über die Erhebung
eines Mindestbeitrags für das Jahr 2005 widerspreche zwar höherrangigem Recht, weil die Beitragshöhe zu Unrecht durch den
Vorstand der BG bestimmt worden sei. Nach der BSG-Entscheidung vom 4. Dezember 2007 (SozR 4-2700 § 182 Nr 3) seien die einschlägigen Vorschriften der Satzung der BG ausnahmsweise aber weiter anzuwenden gewesen.
Gegen das am 13. Dezember 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 2013 Berufung eingelegt,
die am 14. Januar 2013 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Entgegen der Auffassung des SG seien die angefochtenen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids an die klagende Erbengemeinschaft gerichtet. Dies
habe auch das BSG in seinem Beschluss vom 18. Juli 2012 so gesehen. Da die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide wegen der erzwungenen
Mitgliedschaft und Beitragspflicht beschwert sei, könne sie Klage erheben. Hilfsweise sei die Klage und Berufung dahingehend
auszulegen, dass nicht die Erbengemeinschaft Klägerin sei, sondern die Mitglieder der Erbengemeinschaft als Kläger angesehen
würden. Eine Versicherungspflicht sei nicht gegeben, weil die Klägerin das Grundstück seit dem Erbfall im Jahr 1970 nicht
bearbeitet habe. Entgegen der Rechtsprechung des BSG könne die Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer nicht durch Vermutungen, sondern nur durch den Nachweis
einer unternehmerischen Tätigkeit begründet werden. Im Übrigen habe die Klägerin greifbare Umstände mitgeteilt, die auf eine
andersartige Nutzung hinwiesen. Schließlich sei auch die Beitragsfestsetzung der BG zu beanstanden, weil der Mindestbeitrag
keinen Bezug zu den versicherten Risiken aufweise.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 11. Dezember 2012 sowie die Bescheide vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19. April 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstrandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Die klagende Erbengemeinschaft - hierzu sogleich - ist als nicht rechtsfähige Personenvereinigung
gem §
70 Nr 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beteiligtenfähig (BSG SozR 4-5868 §
1 Nr 8). Die Fähigkeit, in ihrem Namen Prozesshandlungen vorzunehmen (§
71 Abs
3 SGG), kommt - mangels eigener Organe - ihren Mitgliedern S. und I. zu (vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
71 Rn 7). Dabei wird I. in zulässiger Weise durch den insoweit als Bevollmächtigten anzusehenden (vgl §
73 Abs
2 Nr
2 SGG iVm §
15 Abs
1 Nr
4 Abgabenordnung (
AO)) F. vertreten.
Der Statthaftigkeit der Berufung gemäß §
143 SGG steht nicht der geringe Streitwert in Höhe von 280,00 Euro entgegen. Denn die ua angefochtene Feststellung der Zuständigkeit
des Unfallversicherungsträgers gem §
136 Abs
1 S 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) ist keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung, sodass die Berufung nach §
144 Abs
1 S 1
SGG unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes eröffnet ist. Schließlich betreffen auch die angefochtenen Beitragsbescheide
wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr (§
144 Abs
1 S 2
SGG).
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage vom 17. Mai 2011 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Anders als das SG geht der Senat jedoch davon aus, dass die Klage nicht von den Miterben S. und I., sondern von der aus diesen beiden Personen
bestehenden Erbengemeinschaft erhoben worden ist (dazu im Folgenden unter 1.). Dies hat zur Folge, dass deren Klage gegen
die Bescheide vom 6. August 2010 unzulässig ist (2.). Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 ist dagegen
zulässig, aber unbegründet (3.).
1. Dem Senat ist es verwehrt, die Klage in der Weise auszulegen, dass sie nicht von der Erbengemeinschaft, sondern von den
beiden Miterben S. und I. erhoben worden ist. Dies würde dem wiederholt geäußerten ausdrücklichen Willen der Klägerin widersprechen.
Bereits der Widerspruch vom 3. September 2010 ist ausdrücklich "im Namen der Erbengemeinschaft N." eingelegt und (im Schreiben
vom 15. Januar 2011) damit begründet worden, dass die Erbengemeinschaft kein Unternehmer der Forstwirtschaft sei. Auch die
Klage vom 17. Mai 2011 ist "in Sachen Erbengemeinschaft N." erhoben worden. Nachdem das SG demgegenüber die beiden Miterben als Kläger zu 1. und Kläger zu 2. angesehen und in den Entscheidungsgründen des Urteils
vom 11. Dezember 2012 ausgeführt hat, dass die Bescheide vom 6. August 2010 an die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft
ergangen seien, hat die Klägerin am 11. Januar 2013 wiederum explizit als Erbengemeinschaft Berufung eingelegt und sich ausdrücklich
gegen die Auffassung des SG gewandt, die Bescheide seien den Miterben bekannt gegeben worden. Hieran hat die Klägerin auch nach dem Hinweis des Senats
(Verfügung vom 11. Februar 2015), er teile gegenwärtig diese Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, festgehalten und nur
"hilfsweise beantragt", die Klage und Berufung dahingehend auszulegen, dass nicht die Erbengemeinschaft, sondern die Mitglieder
der Erbengemeinschaft Kläger bzw Berufungskläger sind.
Die letztgenannte, im Schriftsatz vom 5. März 2015 enthaltene Umstellung des Klageantrags ist im vorliegenden Verfahren auch
nicht als Klageänderung (§
99 SGG) zu berücksichtigen. Denn ein nur "hilfsweise" und damit unter einer Bedingung gewollter Klägerwechsel kann nicht wirksam
erklärt werden (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 209/03 - juris). Selbst wenn eine wirksame Klageänderung vorläge, wäre diese nicht sachdienlich iS von §
99 Abs
1 SGG und damit nicht zulässig. Denn es liegt noch kein an die beiden Miterben gerichteter Widerspruchsbescheid vor, sodass es
an der notwendigen Prozessvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens gem §
78 Abs
1 SGG fehlt (vgl hierzu BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 14/06 R - juris).
2. Die Klage gegen die Bescheide vom 6. August 2010 ist unzulässig. Sie ist zwar als isolierte Anfechtungsklage gem §
54 Abs
1 S 1
SGG statthaft. Die Klägerin ist jedoch nicht klagebefugt. Denn nach §
54 Abs
1 S 2
SGG ist die Klage nur zulässig, wenn der jeweilige Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung
eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
a) Diese Beschwer wäre zum einen zu bejahen, wenn die Klägerin Adressatin der Bescheide vom 6. August 2010 gewesen ist (sogenannte
Adressatentheorie (vgl BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 4 mwN)). Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, waren die Bescheide aber nicht an die Erbengemeinschaft, sondern an die Miterben S. und I. gerichtet.
aa) Wer Adressat eines Verwaltungsakts ist, ergibt sich aus der Auslegung des Bescheids (BSG SozR 1300 § 37 Nr 1). Maßgeblich hierfür ist, wie der Empfänger die insoweit im Verwaltungsakt enthaltene Erklärung bei verständiger Würdigung
nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (st Rspr zur Auslegung von Verwaltungsakten, vgl etwa BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 15; SozR 4-1500 § 77 Nr 1; SozR 3-2500 § 82 Nr 3). Abzustellen ist dabei auf den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis
der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSG SozR 3-2500 § 82 Nr 3).
Einem verständigen Empfänger musste sich bereits aufdrängen, dass die BG nicht nur je einen für die Erbengemeinschaft bestimmten
Bescheid über die Feststellung ihrer Zuständigkeit und die Beitragsfestsetzung erlassen hat, sondern jeweils zwei, nämlich
einen für jeden Miterben. Die Bescheide waren auch ausdrücklich an F. in G. und an I. in J. adressiert. Dass dem Namen im
Anschriftenfeld die Bezeichnung "Erbengemeinschaft N." vorangestellt war, kann bei verständiger Würdigung nur als Hinweis
darauf zu sehen sein, dass die beiden Adressaten in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit in einer Erbengemeinschaft (§
2032 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)) in Anspruch genommen werden. Hierfür spricht auch der Inhalt der Zuständigkeitsbescheide vom 6. August 2010. Dort ist eingangs
zwar die Rede vom "Beginn der Zuständigkeit für die Erbengemeinschaft N.". In der Begründung der Verwaltungsakte wird aber
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Unternehmer jedes einzelne Mitglied der Erbengemeinschaft ist und die Mitunternehmer
für die Beiträge gesamtschuldnerisch haften.
Dies entspricht auch der Rechtslage. Die Erbengemeinschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist nicht rechtsfähig
(Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00; Beschluss vom 16. März 2004 - VIII ZB 114/03; beide nach juris). Dementsprechend geht die sozialgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass eine Erbengemeinschaft in
der gesetzlichen Unfallversicherung nicht Unternehmerin gemäß §
136 Abs
3 SGB VII und damit auch nicht Beitragsschuldnerin iS von §
150 Abs
1 SGB VII sein kann (SG Itzehoe, Urteil vom 27. Mai 2013 - S 30 U 102/11; SG Konstanz, Urteil vom 10. Dezember 2013 - S 11 U 1518/13; beide nach juris; vgl auch Becker FamRZ 2014, 1756, 1758). Auch im sonstigen Abgabenrecht ist anerkannt, dass Beitrags- oder Steuerbescheide grundsätzlich an die Miterben,
nicht aber an die Erbengemeinschaft zu richten sind (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 17. November 2005 - III R 8/03; Sächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 11. März 2013 - 5 A 751/10, mwN, auch zu Besonderheiten bei einzelnen Steuerarten; beide nach juris).
Wenn das BSG in seinem Zuständigkeitsbeschluss vom 18. Juli 2012 (B 12 SF 11/12 S) demgegenüber angenommen hat, die streitbefangenen Bescheide seien an die Erbengemeinschaft gerichtet, kann der Senat dem
nicht folgen. Denn der Beschluss enthält insoweit keine Begründung, weder zur Auslegung der Bescheide noch in Hinblick auf
die fehlende Rechtspersönlichkeit von Erbengemeinschaften.
bb) Die Klägerin ist auch nicht - quasi rückwirkend - dadurch Adressatin der Bescheide vom 6. August 2010 geworden, dass der
Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 an die "Erbengemeinschaft N." gerichtet worden ist. §
95 SGG sieht zwar vor, dass Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid
gefunden hat. Unter der "Gestalt" des Verwaltungsakts, die durch den Widerspruchsbescheid geändert werden kann, sind aber
nur Tenor und Begründung des Verwaltungsakts zu verstehen (Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) E 62, 80, 81; Brenner in: Sodan/Ziekow,
VwGO, 4. Aufl, §
79 Rn 22), nicht jedoch die Bestimmung seines Adressaten.
b) Ist die Klägerin nach alledem nicht Adressatin der Bescheide vom 6. August 2010, steht ihr als Dritte eine Klagebefugnis
nur zu, wenn und soweit ihre Verletzung in eigenen Rechten zumindest möglich erscheint und nicht von vornherein ausgeschlossen
ist (BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 3). Dies ist jedoch zu verneinen, da eine Erbengemeinschaft - wie dargelegt - grundsätzlich keine eigenen Rechte geltend
machen kann.
3. Der Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 ist demgegenüber an die klagende Erbengemeinschaft gerichtet, sodass die Klägerin
insoweit klagebefugt iS von §
54 Abs
1 S 2
SGG ist. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere kann der Widerspruchsbescheid
- abweichend von §
95 SGG - alleiniger Klagegegenstand sein. Dies ist - in entsprechender Anwendung von §
79 Abs
2 S 1
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) - möglich, wenn der Widerspruchsbescheid eine erstmalige Beschwer enthält (zur entsprechenden Anwendbarkeit von §
79 Abs
1 Nr
2 VwGO auch im sozialgerichtlichen Verfahren: Leitherer aaO., §
95 Rn 3). Dies war iS der Adressatentheorie der Fall, weil in dem Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 erstmals die Klägerin
als Adressatin aufgeführt worden ist.
Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid ist jedoch unbegründet. Der Widerspruch der Klägerin ist im Ergebnis schon deshalb
zu Recht zurückgewiesen worden, weil er unzulässig war. Denn die Klägerin hat sich - wie dargelegt - mit ihm gegen Entscheidungen
gewandt, die nicht an sie gerichtet waren. Ihr fehlte damit die Widerspruchsbefugnis, für die dasselbe gilt wie für die Klagebefugnis
gem § 42 Abs 1 S 2
SGG. Zwar ist der Widerspruchsbescheid vom 19. April 2011 damit fehlerhaft, weil die BG in ihm eine Sachentscheidung getroffen
hat, anstatt den Widerspruch als unzulässig zu behandeln. Dies bleibt jedoch folgenlos, weil die Klägerin hierdurch rechtlich
nicht nachteilig betroffen ist (BSG SozR 4-4300 § 323 Nr 1).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere weicht das vorliegende Urteil nicht von einer Entscheidung
des BSG gem §
160 Abs
2 Nr
2 SGG ab. Das BSG hat in seinem Beschluss vom 18. Juli 2012 im Verfahren B 12 SF 11/12 S zwar abweichend vom Senat die Auffassung vertreten, es werde vorliegend eine Geldforderung gegenüber der Erbengemeinschaft
geltend gemacht. Als divergenzfähige "Entscheidung" sind jedoch nur Urteile oder Beschlüsse anzusehen, die im Hauptsacheverfahren
ergangen sind und inhaltlich eine Rechtsfrage verbindlich und instanzbeendend beantworten (Karmanski in: Roos/Wahrendorf,
SGG, § 160 Rn 37). Der angeführte BSG-Beschluss ist demgegenüber nur eine Zwischenentscheidung, mit der gem §
58 Abs
1 SGG das zuständige erstinstanzliche Gericht bestimmt worden ist. Der Beschluss ist nur insoweit verbindlich, als damit die Zuständigkeit
des SG Hildesheim festgestellt worden ist, enthält darüber hinaus keine von den Instanzgerichten zu beachtenden Vorgaben über
die prozess- oder materiellrechtliche Beantwortung der im Hauptsacheverfahren gestellten Fragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).