Unfallversicherung
Verlust des Versicherungsschutzes
Betriebsweg
Abweg bei nicht betrieblichen Gründen wie Unachtsamkeit
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Verkehrsunfalls vom 9. Mai 2006 als Arbeitsunfall.
Die am 20. Juli 1981 geborene Klägerin zu 1) (geb. G.) ist die frühere Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des am 17. Februar
1969 geborenen Klägers zu 2). Der Kläger zu 2) betreibt ein Mietwagen- und Krankentransportunternehmen in Uslar. Am Unfalltag
begab er sich mit der Klägerin zu 1), die zu diesem Zeitpunkt im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Fahrerin in
seinem Unternehmen angestellt war, mit dem Zug nach Kerken (Kreis Kleve), um von dort aus ein evtl für das Unternehmen vorgesehenes
Fahrzeug zu besichtigen. Der Kläger zu 2) entschied sich zum Kauf des Fahrzeuges, das er noch am selben Tag nach Uslar überführen
wollte. Die Klägerin zu 1) begleitete ihn als Beifahrerin. Gegen 16.35 Uhr erlitten die Kläger auf der A 1 aus der Richtung
Dortmund kommend, Autobahnring Köln, zwischen den Anschlussstellen Bocklemünd und Lövenich einen Verkehrsunfall, bei dem die
Klägerin zu 1) ua eine HWS-Distorsion und Prellungen, der Kläger zu 2) eine Mehrfachverletzung des linken Armes mit einer
nachfolgenden subtotaler Oberarmamputation links, eine Tibiakopffissur links und multiple Schnittwunden erlitt.
In seinem Bericht über den Unfallhergang vom 28. Juni 2006 gab der Kläger zu 2) an, dass er und die Klägerin zu 1) die Rückfahrt
um ca 15.00 Uhr angetreten hätten und er sich auf dem Weg vom Autohändler in Kerken zur A 40 "hoffnungslos" verfahren habe.
In dem Bericht heißt es des Weiteren: "Dann habe (ich) ein Richtungsschild nach Köln (Köln 80 km) gesehen. Da mir die Strecke
Köln-Uslar bekannt war, bin ich in Richtung Köln gefahren. Mir war nicht bewusst, dass es sich hierbei um einen Riesenumweg
gehandelt hat. Am Kreuz Köln-Nord habe ich dann die falsche Ausfahrt genommen und bin die A 1 Richtung Hürth/Frechen anstelle
Richtung Dortmund gefahren; ich bin durch ein Gespräch mit Frau H. abgelenkt worden; außerdem herrschte dichter Verkehr. Private
Gründe für den Umweg gab es nicht."
Die Beklagte nahm Unfallermittlungen vor Ort vor. In ihrem Bericht vom 18. Juli 2006 wird angeführt: "(...) Nach Aussagen
von Herrn I. sei er zuerst zum Tanken gefahren, um dann auf die A 57 zu fahren. (...) Nach Berechnung des Navigationssystems
der Firma J. wäre die schnellste Verbindung zwischen dem Autohändler und dem Wohnort des Versicherten folgende gewesen: Auffahrt
auf die A 40, Anschlussstelle Kerken, die A 40 bis zum Autobahnkreuz Bochum, dann auf die A 43 auffahren bis zum Autobahnkreuz
Bochum-Mitte, danach auf die A 44, A 45 bis zum Westhofener Kreuz, dort auf die A 1 bis zum Autobahnkreuz Dortmund-Unna, von
da aus auf die A 44 bis zur Anschlussstelle Warburg. Dies würde bedeuten, dass Herr A. sich nicht nur nach Dortmund, sondern
auch nach Bochum beziehungsweise nach der A 44 hätte orientieren können. Als Herr A. auf die A 57 aufgefahren ist, bestand
die erste Möglichkeit, Richtung Dortmund zu fahren, beim Kreuz Kamp-Lintfort. Dort hätte er auf die A 42 auffahren können.
Dies wurde auf der Autobahn mehrfach durch Schilder angekündigt. (...) Danach folgte die nächste Möglichkeit beim Autobahnkreuz
Moers auf die A 40 Richtung Duisburg aufzufahren. Dies ist ebenfalls nicht geschehen. Eine weitere Möglichkeit, sich über
die mögliche Fahrroute zu informieren, bestand beim Rasthof Geismühle. (...) Eine weitere Möglichkeit für die Abfahrt Richtung
Wohnort bestand beim Autobahnkreuz Meerbusch. Hiernach ist eine Auffahrt auf die A 44 möglich gewesen. Diese Autobahn dürfte
Herr I. bekannt gewesen sein, da er diese bis Warburg, wenn auch mit Unterbrechung, hätte befahren müssen. (...) Am Kreuz
Köln-Nord verließ Herr I. die A 57 in Richtung A 1. Hierbei zeigte sich die Abfahrt Krefeld, Koblenz und richtigerweise nach
Dortmund. Hier fuhr Herr I. in die falsche Richtung auf die A 1, nutzte jedoch nicht die Abfahrt Köln-Bocklemünd zum Drehen,
sondern befuhr weiterhin die A 1. Kurz vor der nächsten Abfahrt ereignete sich der Unfall. (...) Objektiv betrachtet bestand
für Herrn I. zweimal die Möglichkeit, Richtung Dortmund zu fahren, dann noch die Möglichkeit des Autobahnkreuzes A 40 sowie
die Abfahrt über die A 44. Weiterhin hätte Herr I. zweimal die Möglichkeit gehabt, sich auf Autobahnraststätten mit Kartenmaterial
zu versorgen beziehungsweise dies einzusehen und einmal die Möglichkeit, auf einem Autobahnparkplatz eine Autobahnkarte einzusehen.
Zusätzlich hätte Herr I. an jeder Ausfahrt die Möglichkeit nutzen können, zu drehen und die verpasste Ausfahrt zu nutzen."
Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) die Anerkennung des Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall
ab. Ein Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit sei nur anzuerkennen, wenn die zum Unfall führende Tätigkeit wesentlich
dazu bestimmt sei, dem Unternehmen zu dienen. Die Klägerin zu 1) habe am Unfalltag ihren Lebensgefährten und Arbeitgeber zum
Kauf eines Pkw begleitet. Eine betriebliche Notwendigkeit zu ihrer Anwesenheit habe jedoch nicht bestanden.
Mit Bescheid vom 17. August 2006 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2) die Anerkennung des Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall
ab. Entschädigungsansprüche bestünden nicht, da sich der Unfall nicht auf einem Betriebsweg bzw mit der versicherten Tätigkeit
zusammenhängenden Weg nach oder von dem Ort der betrieblichen Tätigkeit ereignet habe und somit kein Versicherungsschutz nach
§
8 Abs
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) bestanden habe. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei vom Kläger zu 2) als selbstständigem Taxiunternehmer zu erwarten gewesen,
sich vor Antritt der Fahrt zumindest über den groben Streckenverlauf von Kerken nach Uslar zu orientieren. Auch hätte dem
Kläger zu 2) bekannt sein müssen, dass er das Autobahnkreuz Dortmund Richtung Unna hätte passieren müssen. Auch wenn er sich
schon kurz nach Kerken verfahren und auf die A 57 begeben habe, hätte er mehrfach die Möglichkeit gehabt, Richtung Dortmund
zu fahren.
Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers zu 2) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2007 zurück.
Weder die Wahl der Fahrstrecke noch das vom Kläger zu 2) behauptete versehentliche Auffahren in die verkehrte Richtung am
Autobahnkreuz Köln-Nord sei plausibel. Die Gesamtumstände sprächen für einen nach Erwerb des Fahrzeugs in Kerken aus privaten
Gründen mit einer anderen Zielsetzung als Uslar zurückgelegten Weg.
Den Widerspruch der Klägerin zu 1) wies die Beklagte ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2007 mit entsprechender
Begründung zurück. Ergänzend führte sie aus, dass dahingestellt bleiben könnte, ob die Klägerin zu 1) ihren Lebensgefährten
wegen eines geplanten Fahrerwechsels begleitet habe. Dessen ungeachtet habe der Kläger zu 2) keine betrieblichen Gründe bzw
betriebliche Notwendigkeit für die Teilnahme an der Fahrt mitgeteilt. Eine solche erscheine aufgrund der beruflichen Tätigkeit
des Klägers zu 2) als Inhaber eines Mietwagen- und Krankentransportunternehmens und einer dadurch anzunehmenden Fahrroutine
auch nicht plausibel.
Die Kläger haben mit ihren am 12. Februar 2007 und 23. Februar 2007 vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhobenen Klagen ihr Begehren auf Anerkennung des Verkehrsunfalls vom 9. Mai 2006 als Arbeitsunfall weiterverfolgt.
Es fehle nicht an dem inneren sachlichen Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit
und der versicherten Tätigkeit. Sie hätten sich zielgerichtet auf die Betriebsstätte in Uslar zubewegt, um diese auf direktem
Weg zu erreichen. Der Kläger zu 2) habe sich im Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem Abweg befunden und keinen rechtserheblichen
Umweg zurückgelegt. Er habe sich mehrfach verirrt. Dadurch habe sich die auf die versicherte Tätigkeit gerichtete Handlungstendenz
nicht geändert. Die Klägerin zu 1) habe im Unfallzeitpunkt eine dem Unternehmen wesentlich dienende Tätigkeit verrichtet.
Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger zu 2) bei einer Befragung angegeben haben soll, eine betriebliche Notwendigkeit
der Begleitung der Klägerin zu 1) auf der Fahrt am Unfalltag habe nicht bestanden.
Das SG hat die Klage der Klägerin zu 1) mit Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2008 (S 11 U 35/07) abgewiesen. Es spreche mehr für als dagegen, dass die Klägerin zu 1) den Kläger zu 2) wesentlich im Rahmen einer privaten
Tätigkeit begleitet habe. Zum einen sei zweifelhaft, ob sich die lediglich geringfügig als Fahrerin im Betrieb des Lebensgefährten
beschäftigte Klägerin zu 1) im Unternehmensinteresse zur Teilnahme an der zeitaufwendigen Überführungsfahrt bereit gefunden
habe. Zum anderen sei eine betriebsbedingte Notwendigkeit für den Einsatz eines Beifahrers nicht ersichtlich, wenn die zurückzulegende
Strecke nur etwas mehr als 260 km betrage und auch von einem Fahrer gut bewältigt werden könnte.
Die Klage des Klägers zu 2) hat das SG mit Urteil vom 25. März 2010 (S 11 U 21/07) zurückgewiesen. Der Kläger zu 2) habe sich während des Rückweges von Kerken nach Uslar zunächst auf einem versicherten Weg
befunden. Er habe diesen Weg auch nicht unterbrochen, um privaten Belangen nachzugehen. Das SG ging unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon aus, dass das Lösen des Versicherungsschutzes durch das aufgrund des Gesprächs mit der Beifahrerin durch Unachtsamkeit
herbeigeführte Verfahren am Kreuz Köln-Nord erfolgt sei. Die Kläger hätten sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der
mündlichen Verhandlung übereinstimmend und überzeugend ausgeführt, dass der Kläger zu 2) aufgrund eines Gesprächs mit der
Klägerin zu 1) die Ausfahrt verpasst habe. Jedenfalls das Verfahren am Kreuz Köln-Nord sei dem Kläger zuzurechnen. Zwar führe
nicht jeder Irrtum über den Weg und der damit verbundene irrtümliche Umweg sogleich zu einer Lösung des inneren Zusammenhangs
und damit zum Verlust des Versicherungsschutzes. Zum Zeitpunkt des Unfalls hätten aber keine äußeren mit der besonderen Art
des Heimwegs verbundenen Gefahren, zB Dunkelheit, Sichtbehinderung durch Nebel, schlecht beschilderte Wege oder dergleichen,
die für ein Verirren ursächlich gewesen sein könnten und bei deren Vorliegen der innere Zusammenhang erhalten bleibe, vorgelegen.
Es könne dahingestellt bleiben, ob das Vorbeifahren an der ersten Wendemöglichkeit nach dem Kreuz aufgrund der Verkehrslage
erfolgt sei, da sich der Kläger zu 2) zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
befunden habe. Das Verirren sei somit auf das Verhalten des Klägers zu 2) zurückzuführen und somit auf in seiner Person liegende
Umstände, die rechtlich wesentlich dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen seien. Folglich ergebe sich die Ursache des
Falschfahrens nicht mehr aus der versicherten Tätigkeit.
Die Kläger haben am 1. August 2008 bzw 28. Mai 2010 form- und fristgerecht Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen
eingelegt; der Senat hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger zu 2) habe aus Unachtsamkeit
am Kreuz Köln-Nord einen falschen Weg gewählt, diesen Irrtum jedoch gleich bemerkt und versucht, bei der nächsten sich bietenden
Gelegenheit - Anschlussstelle Bocklemünd - zu korrigieren, was aufgrund des hohen Verlehrsaufkommens nicht gelungen sei. Danach
sollte die nächste sich bietende Gelegenheit zur Fehlerkorrektur genutzt werden, wozu es durch das Unfallgeschehen nicht mehr
gekommen sei. Der Kläger zu 2) habe nicht - wie vom SG angenommen - mit der Klägerin zu 1) eine ablenkende Unterhaltung geführt. Die Unachtsamkeit des Klägers zu 2) habe zudem
nur in einem deutlich geringeren Ausmaß bestanden, mit der Folge, dass er seinen Irrtum am Kreuz Köln-Nord sogleich bemerkt
und Überlegungen zur Korrektur angestellt habe. Die Kläger seien ortsfremd in diesem Bereich des Kreuzes Köln gewesen; dagegen
habe sich der Kläger zu 2) aufgrund einer früheren beruflichen Tätigkeit in Köln im Bereich der A 1 ausgekannt. Seine Handlungstendenz
sei auch im Zeitpunkt des Irrens am Kreuz Köln-Nord auf die Weiterfahrt nach Hause gerichtet gewesen. Soweit in der Entscheidung
des SG davon ausgegangen werde, dass keine äußeren mit der besonderen Art des Heimwegs verbundenen Gefahren bestanden hätten, sei
darauf hinzuweisen, dass es zum Zeitpunkt des Unfalls im Bereich des Kreuzes Köln-Nord durch Baustellen und Stau sehr unübersichtlich
gewesen sei. Rechtsfehlerhaft käme das SG im Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2008 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zu 1) den Vollbeweis nicht führen könnte, dass es
sich bei der Fahrt vom 9. Mai 2005 für sie um eine Fahrt im Rahmen ihrer Tätigkeit für ihren Arbeitsgeber und damit um eine
versicherte Tätigkeit und nicht um eine Privatfahrt gehandelt habe.
Die Kläger beantragen,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 25. Juni 2008, das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 25.
März 2010 sowie den Bescheid vom 29. Mai 2006 und den Bescheid vom 17. August 2006 - jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 23. Januar 2007 - aufzuheben und
2. festzustellen, dass der Unfall vom 9. Mai 2006 für beide Kläger ein Arbeitsunfall gewesen ist.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass im Hinblick auf den Unfallort und den objektiv direkten Weg zwischen dem aufgesuchten
Autohändler und dem Betriebssitz des klägerischen Unternehmens das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt
nicht anzunehmen sei.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig, aber unbegründet.
Die statthaften und zulässigen Anfechtungs- und Feststellungsklagen (§§
54 Abs
1 iVm 55 Abs
1 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) der Kläger haben in der Sache keinen Erfolg. Die Kläger standen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
als sie am 9. Mai 2006 mit dem Pkw verunglückten. Die Bescheide der Beklagten vom 17. August 2006 bzw 29. Mai 2006 - jeweils
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2007 - sind rechtmäßig. Bei dem Unfall der Kläger vom 9. Mai 2006
handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall.
Nach §
8 Abs
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse,
die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich,
dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang),
sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität)
und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität);
das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist
keine Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalles (vgl BSG Urteil vom 4. September 2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24 Rn 9).
Unstreitig ist, dass die Klägerin zu 1) bei dem Verkehrsunfall vom 9. Mai 2006 leichtere und der Kläger zu 2) erhebliche Verletzungen
erlitten haben. Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, weil die Verrichtung der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses
nicht im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand.
Grundsätzlich war die Fahrt von Kerken nach Uslar allerdings ein Betriebsweg, der nach §
8 Abs
1 iVm Abs
2 Nr
5 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Zu den versicherten Tätigkeiten eines Versicherten zählt nach
§
8 Abs
2 Nr
5 SGB VII auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts
oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn dies auf Veranlassung des Unternehmers erfolgt. Dass es sich
bei dem für das Taxiunternehmen des Klägers zu 2) angeschafften Fahrzeug um ein Arbeitsgerät handelt, ist nicht zweifelhaft.
Die Fahrt von Uslar nach Kerken und zurück diente auch dessen Erstbeschaffung bzw war ein "Befördern" des Arbeitsgeräts. Der
Senat hat - entgegen der vom SG Hildesheim im Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2008 vertretenen Auffassung - auch keine Zweifel,
dass die Klägerin zu 1) auf diesem Weg im Grundsatz versichert war. Da sie als Beschäftigte des Klägers zu 2) auf dessen Wunsch
mit nach Kerken fuhr, stand sie gem §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII unter Versicherungsschutz, ohne dass zu prüfen wäre, ob das Ersuchen des Arbeitgebers objektiv notwendig oder zweckmäßig
gewesen ist.
Im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls war der versicherte Betriebsweg jedoch unterbrochen. Insoweit gilt für Betriebswege ebenso
wie für Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit (§
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII), dass nur der direkte Weg zu dem (aus betrieblichen Gründen gewählten) Ziel versichert ist. Weicht der gewählte Weg hiervon
jedoch ab, ist der hierin liegende Umweg nur dann weiter versichert, wenn für ihn betriebliche Gründe maßgeblich gewesen sind
(BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 6).
Ob die Unterbrechung bereits eingetreten ist, als sich der Kläger zu 2) entschied, die Autobahn in Richtung Köln zu befahren,
nachdem er sich vorher verfahren und die Autobahn Richtung Dortmund verpasst hatte, kann offen bleiben. Allerdings war eine
hierdurch notwendig gewordene Zusatzstrecke von etwa 60 km nicht mehr als eine nur geringfügige Verlängerung anzusehen, sodass
objektiv ein Umweg vorlag. Dieser mag allerdings noch betrieblichen Zwecken gedient haben, wenn man der Einlassung des Klägers
zu 2) folgt, er habe weiterhin die Handlungstendenz verfolgt, nach Uslar zu fahren, und die Strecke über Köln wegen seiner
früheren Tätigkeit in Köln gut gekannt, sodass er davon ausgegangen sei, hierdurch einfacher ans Ziel zu gelangen als bei
einer Fahrt durch das Ruhrgebiet. Allerdings könnte der Umstand, dass er Hinweisschilder nicht beachtet und sich nicht nach
dem richtigen (direkten) Weg erkundigt, sondern den Umweg über Köln billigend in Kauf genommen hat, auch als Sorglosigkeit
gewertet werden, die nicht dem betrieblichen, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen wäre (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 30. April 1997 - L 17 U 104/96 - juris).
Der Senat lässt dies dahingestellt, weil der Versicherungsschutz jedenfalls in dem Moment unterbrochen worden ist, als die
Kläger im Autobahnkreuz Köln-Nord nicht in Richtung Dortmund, sondern in südliche Richtung (Ausfahrten Böcklemünd und Lövenich)
gefahren sind. Damit ist eine deutliche Zäsur im objektiven Geschehensablauf eingetreten, weil sie sich nunmehr nicht weiter
(über einen Umweg) in Richtung Uslar bewegt haben, sondern in die entgegengesetzte Richtung, sodass sie eine "Schleife" hätten
fahren müssen, um wieder in ihre eigentliche betriebsbezogene Fahrtrichtung zu gelangen.
Ein derartiger "Abweg" (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 8) kann zwar auch unter Versicherungsschutz stehen, wenn er noch der versicherten Tätigkeit wesentlich gedient hat (BSG SozR 2200 § 550 Nr 26). Dies ist in der Rechtsprechung bei irrtümlichem Abweichen vom richtigen Weg zB bejaht worden, wenn dieses auf äußeren
Umständen beruhte (BSG SozR Nr 13 zu § 543
RVO; Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 18/98 R - juris), also zB Dunkelheit, Nebelbildung, mangelhafte Beschilderung oä (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung,
Stand: Mai 2012, §
8 SGB VII Rn 12.34). Nach eigenen Angaben der Kläger haben diese aber die richtige Ausfahrt verpasst, weil sie sich miteinander unterhalten
haben, wodurch der Kläger zu 2) abgelenkt gewesen ist. Damit ist das Verirren und die anschließende Weiterfahrt auf dem Autobahnring
auf das Verhalten der Kläger selbst und damit in ihrer Person liegende Umstände zurückzuführen, die rechtlich wesentlich dem
eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sind (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 17). Unbeachtlich ist insoweit, dass der Kläger zu 2) seinen Irrtum schnell bemerkt hat und sich bemüht haben will, sogleich
wieder in die Gegenrichtung zu gelangen. Denn bei einem nicht betrieblich bedingten Abweg reicht es zur Unterbrechung des
Versicherungsschutzes aus, dass überhaupt ein Richtungswechsel stattgefunden hat, sodass es auf die Länge des danach zurückgelegten
Weges nicht ankommt (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 8 mwN); bereits eine Fahrt von 10 bis 40 Metern ist vom BSG als ausreichend angesehen worden (Urteil vom 31. Juli 1985 - 2 RU 63/84 - juris).
Die genannten persönlichen Umstände sind dabei nicht nur dem Kläger zu 2) als Fahrer des Pkw zuzurechnen, sondern auch der
Klägerin zu 1). Diese hat den Kläger zu 2) nicht nur passiv als dessen Beschäftigte begleitet, sondern hatte als Beifahrerin
auf Fahrtstrecke und Fahrtrichtung Einfluss (vgl zu diesem Kriterium BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 17). Hierzu hat sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, sie habe ebenfalls nach dem richtigen Weg und
den Schildern gesehen, wobei ihr Mann ihr gesagt habe, worauf sie achten solle. Daneben hat sie - wie dargelegt - durch ihre
Unterhaltung mit dem Kläger zu 2) dazu beigetragen, dass dieser in die falsche Richtung gefahren ist. Dies alles rechtfertigt
es, ihr die rechtlichen Konsequenzen - Unterbrechung des Versicherungsschutzes - ebenso zuzurechnen wie dem Kläger zu 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe, die eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs
2 SGG rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.