Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Unterbrechung einer Dienstreise durch eine eingeschobene
private Verrichtung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Unfallereignisses vom 7. Dezember 1965 als Arbeitsunfall.
Der am 30. April 1944 geborene und im Unfallzeitpunkt in E. (inzwischen Ortsteil der Stadt F., Nordrhein-Westfalen) wohnhafte
Kläger befand sich im Dezember 1965 im Rahmen seiner Tätigkeit als Innenarchitekt auf einer mehrtägigen Dienstreise für seinen
damaligen Arbeitgeber, einem Unternehmen für Büroausstattungen. Die Dienstreise war für den Zeitraum vom 6. Dezember 1965
bis zum 8. oder 9. Dezember 1965 geplant. Zu diesem Zweck bezog er ein Hotelzimmer in der Gaststätte "G." in H. im Landkreis
I. (Niedersachsen), ca 18 km von J. entfernt. Am 6. Dezember 1965 nahm der Kläger ganztägig, bis ca 20 Uhr, einen Geschäftstermin
in der Stadtverwaltung J. wahr. Anschließend traf er sich mit seiner Freundin und späteren Ehefrau, die zum damaligen Zeitpunkt
im K. -Krankenhaus J. arbeitete, in J. in einem Restaurant. Auf dem Rückweg ins Hotel wurde sein Pkw gegen 0:30 Uhr auf der
L. Landstraße von einer Windbö erfasst und prallte gegen einen Alleebaum. Ausweislich des Durchgangsarztberichts vom 24. Januar
1965 erlitt der Kläger dabei eine Zertrümmerungsfraktur des kleinen Beckens und eine Hüftgelenksluxation links.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1966 lehnte die damalige Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-BG als Rechtsvorgängerin der Beklagten
die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7. Dezember 1965 mit der Begründung ab, der Kläger habe den
Heimweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen um etwa sechseinhalb Stunden später angetreten. Infolge der langen Dauer der Unterbrechung
des Heimwegs könne die Fahrt nach H. in der Nacht zum 7. Dezember 1965 nicht mehr als Heimweg von den Dienstgeschäften angesehen
werden, sondern müsse als Rückweg von einer privaten Tätigkeit gewertet werden. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Im Mai 2010 wandten sich die Ärzte des Klägers anlässlich einer geplanten Total-Hüftendoprothese (Hüft-TEP) an die Rechtsvorgängerin
mit der Bitte um Kostenerstattung. Mit seinen Schreiben vom 28. Juni 2010 und 21. Januar 2011 teilte der Kläger mit, dass
die BG in ihrem Bescheid vom 7. Juli 1966 nicht vom korrekten Unfalldatum und von einer unzutreffenden Zeitspanne zwischen
Beendigung der dienstlichen Tätigkeit und Antritt des Heimweges ausgegangen sei.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2011 lehnte die Beklagte das als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 7. Juli 1966 nach §
44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bewertete Begehren des Klägers ab. Bei Erlass des Bescheides sei weder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden
noch sei das Recht unrichtig angewandt worden. Das versicherte Dienstgeschäft (Besprechung) sei bereits beendet gewesen. Im
Anschluss daran habe der Kläger eine eindeutig privat motivierte Fahrt angetreten. Der Unfall habe sich dann mehrere Stunden
später auf der Rückfahrt vom privaten Besuch zu seiner Unterkunft ereignet. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Zurücklegung
dieses unfallbringenden Weges und dem dienstlichen Auftrag sei insbesondere mit Rücksicht auf die Dauer der privaten unversicherten
Verrichtung nicht erkennbar.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2011 zurück. Der Kläger hat unter Weiterverfolgung
seines Begehrens am 2. August 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben. Er habe sich am 7. Dezember 1966 auf einer mehrtägigen Dienstreise befunden und sei deshalb während
der gesamten Dauer der Dienstfahrt versichert gewesen.
Das SG Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 10. Januar 2012 abgewiesen. Der Verkehrsunfall vom 7. Dezember 1965 stehe
nicht im inneren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Beschäftigter der Firma M ... Zwar sei der Kläger zunächst im Rahmen
seiner Dienstreise bei einer geschäftlichen Besprechung in J. gewesen, er habe jedoch diese grundsätzlich versicherte Tätigkeit
durch das gemeinsame Abendessen mit seiner Verlobten unterbrochen, ohne dass der Versicherungsschutz für die Rückfahrt wieder
aufgelebt sei. Für Wege vom oder zum Ort der Tätigkeit habe die Rechtsprechung im Interesse einer gleichmäßigeren und rechtssicheren
Handhabung eine feste zeitliche Grenze von zwei Stunden festgelegt, bis zu der eine Unterbrechung für den Versicherungsschutz
auf dem restlichen Weg unschädlich sei. Werde diese Grenze überschritten, sei der versicherte Weg in der Regel nicht mehr
nur unterbrochen, sondern endgültig beendet und der Versicherungsschutz lebe nicht mehr auf. Eine vergleichbare starre Zeitgrenze
könne bei Geschäftsreisen nicht gezogen werden. Ob die Dienstreise durch die private Verrichtung lediglich unterbrochen oder
aber endgültig beendet worden sei, hänge davon ab, wie sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitdauer und aller sonstigen
Umstände die Bedeutung der Reise zu der Bedeutung der unversicherten privaten Tätigkeit verhalte. Dem Kläger sei demnach zuzugestehen,
dass im Rahmen einer Dienstreise auch das Einnehmen von Mahlzeiten bzw die damit verbundenen Wege grundsätzlich versicherte
Tätigkeiten seien. Dieser Zusammenhang sei aber entfallen, als der Kläger sich in dem Restaurant, in dem er das Abendessen
zu sich nahm, mit seiner Verlobten getroffen habe. Unter Zugrundlegung der Angaben des Klägers sei er mindestens drei Stunden
mit seiner Verlobten zusammen gewesen, bevor er sich zurück in sein Hotel begeben habe. Er sei damit eindeutig einer privaten
Tätigkeit nachgegangen.
Der Kläger hat gegen das am 9. Februar 2012 zugestellte Urteil am 23. Februar 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Niedersachsen-Bremen eingelegt. Er sei darauf angewiesen gewesen, in einem anderen Restaurant als dem Übernachtungshotel zu
Abend zu essen. Das Restaurant des Übernachtungshotels "G." sei am fraglichen Tag geschlossen gewesen. Gegen 19:30 Uhr habe
er nach Beendigung des Geschäftstermins seine Freundin angerufen. Sie sei dann ins Restaurant "N." gekommen und kurz vor 22:30
Uhr ins Schwesternwohnheim zurückgekehrt. Bevor er selbst den Rückweg ins Übernachtungshotel angetreten habe, habe er noch
30 bis 45 Minuten lang geschäftliche Papiere studiert und Aufzeichnungen gemacht. Für den 7. und 8. Dezember 1966 seien noch
Geschäftstermine bei der O. Bank und bei der P. Bank geplant gewesen, zu denen es aufgrund des Unfallereignisses nicht mehr
gekommen sei.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 10. Januar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2011 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 7. Juli 1966 zurückzunehmen und
3. festzustellen, dass das Unfallereignis vom 7. Dezember 1965 ein Arbeitsunfall gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Entscheidung und das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Die statthafte und zulässige Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage (§§
54 Abs
1 iVm 55 Abs
1 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) des Klägers hat in der Sache Erfolg. Der Kläger stand unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, als er am 7.
Dezember 1965 mit dem Pkw verunglückte. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. Juli 2011 ist deshalb rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 7. Juli 1966, mit dem
die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Anerkennung des Ereignisses vom 7. Dezember 1965 als Arbeitsunfall abgelehnt hat.
Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bei dem Unfallereignis vom 7. Dezember 1965 handelt
es sich um einen Arbeitsunfall.
Nach dem hier noch maßgeblichen § 548 Abs 1
Reichsversicherungsordnung (
RVO; vgl auch §
8 Abs
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII)) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten
erleidet. Seine Feststellung erfordert im Regelfall, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper
einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden
oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründenden Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls
(Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2700 § 2 Nr 13; vgl auch BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 24 Rn 9).
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist daher in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich
der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den
Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss eine Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere
bzw sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63,
273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr 82 und 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb
der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine
versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und 17). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG aaO.), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90; SozR 4-2700 § 8 Nr 25 Rn 9; BSGE 107, 197, 199).
Vorliegend besteht zwischen der Unfallfahrt und der betrieblichen Tätigkeit des Klägers insofern eine Verbindung, als unmittelbarer
Anlass für die Fahrt, die ihn nach H. geführt hat, eine geschäftliche Besprechung in der Stadtverwaltung J. als Bestandteil
einer mehrtägigen Geschäftsreise war und dass sich der Unfall auf einem Streckenabschnitt der L. Landstraße ereignete, den
er für den Rückweg zu seiner Unterkunft ohnehin hätte benutzen müssen, um von dort aus am nächsten Tag weitere Geschäftstermine
wahrzunehmen. Entgegen der Einschätzung des SG ist vorliegend von einem rechtlich bedeutsamen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auszugehen.
Die Durchführung der Geschäftsreise war für den Kläger grundsätzlich eine nach § 539 Abs 1 S 1 Nr 1
RVO versicherte Tätigkeit. Allerdings reicht allein die Tatsache, dass der Kläger den Unfall während einer Dienst- bzw Geschäftsreise
erlitten hat, für die Begründung eines rechtlich bedeutsamen inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht aus.
Obwohl ein derartiger Zusammenhang am Ort der auswärtigen Beschäftigung oftmals eher anzunehmen sein dürfte als am Wohn- und
Betriebsort, besteht grundsätzlich kein lückenloser Versicherungsschutz auf Geschäftsreisen mit der Erwägung, dass der Reisende
gezwungen sei, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten (vgl ua BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 26). Vielmehr kommt es - in Anwendung der oben genannten Grundsätze - darauf an, ob die Betätigung, bei der der Unfall
eintritt, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit am auswärtigen Dienstort aufweist, welche die
Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt. Auch auf Geschäftsreisen entfällt der Versicherungsschutz, wenn der Reisende
sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (vgl BSGE 39,
180 f = SozR 2200 § 548 Nr 7; BSG SozR 2200 § 548 Nr 21; BSG SozR 2200 § 539 Nr 110).
Bei einer Dienst- oder Geschäftsreise geht der Versicherungsschutz durch eine eingeschobene private Verrichtung im Regelfall
nicht endgültig verloren, sondern lebt nach deren Beendigung mit der Fortsetzung des angefangenen Weges wieder auf (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 19 mwN). Das gilt aber dann nicht mehr, wenn aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des
Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden muss, wenn also den zwischenzeitlichen betriebsfremden Aktivitäten
gegenüber dem ursprünglichen Zweck des Weges ein solches Übergewicht zukommt, dass sich der weitere Weg aus der Sicht eines
unbeteiligten Dritten nicht mehr als Fortsetzung des früheren, sondern als Antritt eines neuen, durch die private Tätigkeit
veranlassten Weges darstellt.
Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, kann die in der Rechtsprechung für Wege vom und zum Ort der Tätigkeit entwickelte feste zeitliche
Grenze von zwei Stunden bei Geschäftreisen nicht gezogen werden. Auf solchen Reisen erlischt der Versicherungsschutz durch
eine Unterbrechung des betrieblichen Zusammenhangs im Allgemeinen weniger leicht als auf Wegen nach und von der Arbeitsstelle.
Das beruht zum einen darauf, dass Hin- und Rückfahrt zum und vom Ort des auswärtigen Dienstgeschäfts selbst Bestandteil der
Betriebstätigkeit sind, zum anderen darauf, dass Geschäftsreisen oftmals über größere Entfernungen führen und einen erheblichen
zeitlichen Umfang haben, so dass auch durch eine längere Unterbrechung das Gesamtbild einer einheitlichen Geschäftsreise nicht
ohne weiteres verloren geht. Ob die Dienstreise durch die private Verrichtung lediglich unterbrochen oder aber endgültig beendet
wurde, hängt davon ab, wie sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitdauer und aller sonstigen Umstände die Bedeutung
der Reise zu der Bedeutung der unversicherten privaten Tätigkeit verhält (BSG SozR Nr 7 zu § 548
RVO; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Bei dieser Gewichtung ist auf das zeitliche Verhältnis (einerseits) der Dauer der gesamten Geschäftsreise und (andererseits)
der privaten Unterbrechung abzustellen (vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 19), sodass bei mehrtägigen Betriebs- oder Geschäftsreisen eine eigenwirtschaftliche Unterbrechung von einigen Stunden
(BSG SozR 2200 § 548 Nr 50) oder sogar von mehr als einem Tag (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2008 - L 1 U 104/06 - juris) unschädlich sein kann (anders dagegen bei einer nur eintägigen Geschäftsreise und einem privaten Aufenthalt von
zwei Tagen und zwei Nächten, vgl BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 19). Von Belang ist dabei auch, wie die Bedeutung der privaten Unterbrechung im Verhältnis zur Geschäftsreise nach der
Verkehrsanschauung (BSG SozR 2200 § 548 Nr 63; Schwerdtfeger in: Lauterbach, UV-
SGB VII, Stand: April 2012, §
8 SGB VII Rn 293) und den üblicherweise bei Betriebsfahrten der jeweiligen Branche anzutreffenden Umständen (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 50) zu werten ist.
Nach diesen Maßstäben stand die Fahrt von J. nach H., auf der der Kläger verunglückte, noch in einem Versicherungsschutz begründenden
inneren Zusammenhang mit der ausgeübten geschäftlichen Tätigkeit. Dabei war für den Senat weniger entscheidet, wie der Kläger
am 6. Dezember 1965 den zeitlichen Ablauf seines Aufenthalts im Restaurant Q. nach Beendigung des Geschäftstermins im Einzelnen
ausgestaltete. Feststeht, dass das Treffen mit seiner (späteren) Verlobten eindeutig privaten Charakter hatte. Ausschlaggebend
für die Annahme des inneren Zusammenhangs war vielmehr der Umstand, dass sich der Kläger mit der Zweckrichtung nach H. in
sein Übernachtungshotel begab, um am 7. und 8. Dezember 1965 weitere Geschäftstermine in der Umgebung wahrzunehmen. Dem wenige
Stunden andauernden privaten Treffen mit der Verlobten kam im Verhältnis zur Gesamtdauer der geplanten Dienstreise von insgesamt
drei Tagen nicht ein solches Gewicht zu, dass die Rückkehr ins Übernachtungshotel nicht mehr als Fortsetzung der Geschäftsreise
zu werten war.
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass es bei mehrtägigen Geschäftsreisen erfahrungsgemäß der Üblichkeit entspricht, sich
nach Abschluss des Arbeitstags nicht sofort ins Übernachtungshotel zu begeben, sondern den Abend gesellig oder mit Freizeitaktivitäten
(Besuche von Restaurants, Gaststätten, Kino, Theater, Sportstätten etc) zu verbringen. Es würde den bei Geschäftsreisen angemessenen
Unfallversicherungsschutz unangebracht verkürzen, wenn allein dies dazu führen würde, dass im Anschluss daran der Weg zur
- aus betrieblichen Gründen erforderlichen - Hotelüberwachung nicht mehr unter Versicherungsschutz stehen würde. Die Annahme
einer rechtlich bedeutsamen Unterbrechung mit hieraus resultierender Lösung vom Betriebszweck würde im Übrigen auch zu dem
schwer verständlichen Ergebnis führen, dass die Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit am nächsten Tag als Beginn einer
neuen versicherten Geschäftsreise angesehen werden müsste. Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Denn es macht
wertungsmäßig keinen Unterschied, ob ein Versicherter sich am Abend des Arbeitstags durch Freizeitaktivitäten entspannt oder
dadurch, dass er sich mit am Ort lebenden Freunden, Verwandten oder mit der Verlobten trifft.
Die Berufung hatte deshalb Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs
1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs
2 SGG), sind nicht ersichtlich.