Gründe
Der Senat setzt das Verfahren entsprechend §
114 Abs
2 S 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) aus und legt dem EuGH die im Tenor genannten Fragen nach Art 267 Satz 2 i.V.m. Satz 1 lit a des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der konsolidierten Fassung vom 7.6.2016 (ABl C 202 S 47) zur Vorabentscheidung vor.
A. Gegenstand und Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
I. Gegenstand des Ausgangsverfahrens
Streitig ist, ob bei der deutschen Rente der Klägerin Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
rentensteigernd zu berücksichtigen sind.
II. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
Die 1958 in Aachen/Deutschland geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie wohnte seit 1962 mit Unterbrechungen,
von 1975 bis 2010 durchweg zunächst mit ihren Eltern und später mit ihrem deutschen Ehemann und ihren Kindern in Vaals/Provinz
Limburg, einem auf dem Staatsgebiet der Niederlande liegenden Vorort von Aachen. Sie ging in Aachen zur Schule, machte anschließend
dort von September 1974 bis Juli 1975 ein Vorpraktikum, das Voraussetzung für die Aufnahme in die dortige Fachschule für Sozialpädagogik
war, und wurde anschließend dort vom 1.8.1975 bis zum 31.7.1978 zur Staatlich anerkannten Erzieherin ausgebildet (bestandene
Abschlussprüfung am 13.6.1978). Ab dem 1.8.1978 begann sie ein einjähriges Berufspraktikum in einem Kindergarten (Anerkennungsjahr).
Normalerweise findet dieses Anerkennungsjahr im Rahmen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung statt. Dies war bei der
Klägerin nicht der Fall, weil nicht genügend Ausbildungsstellen vorhanden waren; deshalb leistete die Klägerin das Berufspraktikum
unentgeltlich und damit rentenversicherungsfrei ab. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zur Staatlich anerkannten
Erzieherin erwarb die Klägerin vom 1.8.1979 bis 31.7.1980 die Fachhochschulreife (Fachabitur). Anschließend war die Klägerin
in ihrem erlernten Beruf nicht versicherungspflichtig beschäftigt: Wegen des Wohnorts in den Niederlanden konnten ihr durch
die Arbeitsverwaltung in Deutschland keine Stellen vermittelt werden. In den Niederlanden konnte sie wegen ihrer deutschen
Ausbildung nicht als Erzieherin arbeiten.
Die Klägerin hat zusammen mit ihrem Ehemann, dem Beigeladenen, zwei leibliche Kinder, den am 00.00.1986 geborenen Sohn F O
und die am 00.00.1989 geborene Tochter C O, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann am gemeinsamen Wohnsitz in Vaals erzogen hat.
Aufgrund der Berufstätigkeit ihres Ehemanns ist der weit überwiegende Erziehungsanteil auf die Klägerin entfallen. Beide Kinder
gingen durchweg, insbesondere auch von 1986 bis 1999, in Aachen zur Schule. Von September 1993 bis August 1995 betrieb die
Klägerin selbständig zusammen mit einer Partnerin eine Kinderboutique in Aachen. Sie erzielte dabei ein durchschnittliches
monatliches Erwerbseinkommen von 1.000 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden. Beiträge zur deutschen Rentenversicherung
entrichtete sie für diese Tätigkeit nicht. Von April 1999 bis Oktober 2012 ging die Klägerin in Deutschland einer geringfügigen,
nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Am 1.2.2010 verzog sie von Vaals nach Aachen. Ab Oktober 2012 war die Klägerin
in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. In den Niederlanden war die Klägerin niemals berufstätig. Ihr Ehemann war
vor und nach der Geburt der Kinder durchgehend in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt.
Allein auf der Grundlage ihrer Wohnzeiten in den Niederlanden vom 13.2.1975 (Vollendung des 17. Lebensjahres) bis einschließlich
1.2.2010 (34 Jahre, 11 Monate und 19 Tage) hat die Klägerin nach niederländischem Recht eine Anwartschaft auf eine niederländische
Altersgrundrente (AOW) als staatliche Rentenleistung erworben.
Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte als zuständiger deutscher Rentenversicherungsträger die im Versicherungsverlauf
der Klägerin enthaltenen Daten bis zum 31.12.2007 verbindlich fest (sog. Vormerkung). Sie berücksichtigte dabei die Zeiten
vom 1.8.1975 bis 13.6.1978 und vom 1.8.1979 bis 31.7.1980 als Zeiten der (Fach-)Schulausbildung. Die Zeit vom 14.6.1978 bis
31.7.1979 berücksichtigte sie nicht, weil es sich dabei weder um eine Schulausbildung noch um eine versicherungspflichtige
Beschäftigung gehandelt habe. Die Zeit vom 15.11.1986 bis zum 31.3.1999 berücksichtigte sie nicht als Kindererziehungszeit
bzw. Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung, weil die Klägerin ihre Kinder in dieser Zeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat,
nämlich in den Niederlanden, erzogen und zu Beginn der Erziehung keine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in Deutschland
ausgeübt hat. Die Zeit vom 1.4.1999 bis 1.6.1999 erkannte die Beklagte als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung bei
der Tochter C an, weil die Klägerin während dieser Zeit in Deutschland geringfügig beschäftigt war (Bescheid vom 1.9.2014;
Widerspruchsbescheid vom 12.8.2015).
Das Sozialgericht Aachen hat die gegen die unterbliebene Vormerkung der Zeit vom 15.11.1986 bis 31.3.1999 als Kindererziehungszeit
bzw. Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung gerichtete Klage abgewiesen: Eine Anerkennung der in den Niederlanden erfolgten
Kindererziehung komme nach deutschem Recht nicht in Betracht. Eine Gleichstellung der Kindererziehungszeiten über Art 44 Abs
2 VO (EG) Nr 987/2009 sei nicht möglich, weil die Klägerin an den Tagen der Geburt ihrer Kinder bzw. unmittelbar zuvor weder
eine Beschäftigung noch eine selbständige Erwerbstätigkeit in Deutschland bzw. nach deutschem Recht ausgeübt und keine Beiträge
wegen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt habe. Die
Zurücklegung von (Wohn-)Zeiten in der niederländischen Rentenversicherung zeige vielmehr eine enge Verbindung der Klägerin
zum niederländischen System der sozialen Sicherung. Es fehle auch an einer Sicherungslücke. Eine Doppelberücksichtigung von
rentenrechtlichen Zeiten sei nicht Sinn und Zweck des auf Koordinierung ausgerichteten europäischen Sozialrechts (Urteil vom
27.10.2016).
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin vorgetragen, sie habe zwar in den Niederlanden gewohnt, ihr Leben - einschließlich der
Erziehung und Betreuung ihrer Kinder - sei aber auf Deutschland als Lebensmittelpunkt ausgerichtet gewesen. Sie werde daher
willkürlich gegenüber einer erziehenden Mutter benachteiligt, die ihre Kinder ebenfalls im grenznahen Ausland erzogen habe,
aber wenigstens einen Monat vor oder während der Erziehung eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Bundesrepublik
Deutschland ausgeübt habe oder mit einem Ehemann verheiratet sei, der während der Erziehungszeiten einer in Deutschland versicherten
Beschäftigung im Wohn-Ausland nachgegangen ist. Es sei nicht sachgerecht, danach zu differenzieren, ob eine hinreichende Verbindung
des erziehenden Elternteils zum Versorgungssystem der Bundesrepublik Deutschland aufgrund eigener Tätigkeit bestehe oder durch
die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Ehegatten im Inland hergestellt werde. Eine Doppelberücksichtigung finde
nicht statt, da eine von den Niederlanden ausgezahlte Rente für die Zeiten, in denen gleichartige Rentenansprüche in Deutschland
bestünden, angerechnet werde.
Die Beklagte hat der Klägerin während des Berufungsverfahrens Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.3.2018 in Höhe
von (seit dem 1.7.2019) monatlich € 109,14 (Bescheid vom 18.2.2019). Unter Einbeziehung der bislang nicht berücksichtigten,
hier streitigen Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung erhielte sie monatlich Rente in Höhe von
€ 349,02.
Die Sociale Verzekeringsbank (SVB) der Niederlande hat in einer Leistungsauskunft vom 20.8.2019 mitgeteilt, dass die Klägerin
aufgrund ihrer Wohnzeiten eine AOW-Leistung in Höhe von 70 % aufgebaut habe. Ab dem Renteneintrittsalter (13.2.2025) erhielte
sie deshalb als Alleinstehende € 859,75 oder in einer Partnerschaft € 590,65 Altersrente; im Falle der Berücksichtigung von
Kindererziehungszeiten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung reduzierte sich die niederländische Rentenleistung
um 10 %.
III. Nationaler Rechtsrahmen
Die maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts lauten wie folgt:
§
56 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 28.11.2018 (BGBl I, S 2016)
(1) ¹Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. ²Für einen Elternteil
(§ 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn
1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
(...)
(3) ¹Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind
dort gewöhnlich aufgehalten hat. ²Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende
Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt
des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. ³Dies gilt bei
einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden
Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs 1 und 4 genannten Personen
gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. (...)
(5) ¹Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. (...)
§
57 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom v. 21.3.2001 (BGBl I, S 403)
¹Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit,
soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. ²Dies gilt für Zeiten
einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit nur, soweit diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind.
§
249 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 23.06.2014 (BGBl I, S 787)
(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats
der Geburt. (...)
IV. Beurteilung nach nationalem Recht
Bei isolierter Betrachtung nach nationalem Recht ist die Berufung der Klägerin unbegründet.
1. Streitgegenstand
Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der Anspruch auf höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.3.2018 unter Berücksichtigung
der Zeiträume vom 1.12.1986 bis 30.11.1988 und vom 1.7.1989 bis 30.6.1991 als Kindererziehungszeiten sowie der Zeiten vom
15.11.1986 bis 14.11.1996 und vom 2.6.1989 bis 31.3.1999 als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Der ursprünglich
angefochtene (Vormerkungs-)Bescheid vom 1.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.8.2015 ist nicht mehr Gegenstand
des Verfahrens, weil er sich mit Erlass des bewilligenden Rentenbescheides vom 18.2.2019 auf andere Weise erledigt hat, §
39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 5 R 36/11 R, ECLI: DE:BSG:2011:141211UB5R3611R0; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.9.2020, Az L 18 KN 36/15).
2. Kein Anspruch auf höhere Rente wegen Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
Ein Anspruch auf höhere Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1.3.2018 aufgrund der Berücksichtigung von Kindererziehungs- und
Berücksichtigungszeiten nach §§
56,
57 SGB VI besteht nach deutschem Recht nicht. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 18.2.2019 bei der Ermittlung der Rentenhöhe die hier
streitigen Zeiten der Kindererziehung nicht angerechnet hat, ist dies allein nach nationalem Recht nicht zu beanstanden. Die
Klägerin erfüllt zwar die Voraussetzungen der Anrechnung nach §
56 Abs
1 S 2 Nr
1 und Nr
3 SGB VI, weil die Erziehungszeit ihr zuzuordnen ist und sie nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Allerdings scheitert die
Anrechnung (allein) daran, dass die Erziehung weder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgte noch einer solchen Erziehung
im Inland gleichsteht (§
56 Abs
1 S 2 Nr
2 i.V.m. Abs
3 SGB VI).
Eine Anrechnung nach §
56 Abs
3 S 1
SGB VI scheitert daran, dass die Erziehung der beiden Kinder der Klägerin nicht in Deutschland erfolgte. Eine Anrechnung nach §
56 Abs
3 S 2
SGB VI kommt auch nicht in Betracht. Nach dieser Regelung ist Voraussetzung für eine Gleichsetzung der Erziehung der Kinder im Ausland
mit einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, dass sich der erziehende Elternteil mit seinem Kind im Ausland
gewöhnlich aufgehalten und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort - also im Ausland
- ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten im Inland gehabt hat. Das ist hier nicht der
Fall. Die Klägerin hat während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt ihrer Kinder keine Pflichtbeitragszeiten in Deutschland
zurückgelegt; sie ist zudem weder vor der Geburt noch während der Erziehung ihrer Kinder in Deutschland oder den Niederlanden
einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nachgegangen. Auch eine Anrechnung nach §
56 Abs
3 S 3
SGB VI ist nicht möglich. Danach ist erforderlich, dass der Beigeladene als Ehemann der Klägerin bei gemeinsamem Aufenthalt im Ausland
Pflichtbeitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung aufgrund einer Tätigkeit im Ausland gehabt hat. Dies ist nicht der
Fall, da der Beigeladene in Deutschland versicherungspflichtig tätig war, also gerade nicht im Ausland.
Da eine Kindererziehungszeit nach §
56 SGB VI nicht anzurechnen ist, entfällt auch eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung im Sinne des §
57 SGB VI. Soweit die Klägerin in der Zeit vom September 1993 bis August 1995 eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit in
Deutschland ausgeübt hat, scheidet ein Anspruch auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung aus, weil
hierfür keine Pflichtbeiträge entrichtet worden sind, §
57 S 2
SGB VI. Die Voraussetzungen für eine geringfügige selbständige Tätigkeit nach §
8 Abs 1 Nr
1, Abs.
3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (
SGB IV) lagen nicht vor, da die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit mehr als 15 Stunden in der Woche ausgeübt hat.
Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung können der Klägerin auch nicht aufgrund einer erweiternden
Auslegung der §§
56,
57 SGB VI zuerkannt werden. Der Regelung in §
56 Abs
3 S 2 und 3
SGB VI werden nach der Rechtsprechung des BSG - über den Wortlaut hinaus - zum einen die Entsendung nach Beamten- oder Kirchenrecht durch Bewilligung von Sonderurlaub
gleichgesetzt (sog. Quasi-Entsendung, vgl BSG, Urteil vom 16.8.1990, Az 4 RA 4/90 = SozR 3-2200 § 1251a Nr 6). Eine Gleichheit der Interessenlage wird auch bejaht, wenn ein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis mit einem inländischen
Arbeitgeber fortbesteht, aus dem während dieser Zeit wechselseitige Rechte und Pflichten erwachsen und das bei Beendigung
des nach dem Willen der Vertragsparteien von vornherein zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalts mit allen Hauptpflichten wiederauflebt
(BSG, Urteil vom 16.11.1993, Az 4 RA 39/92, juris). Diese Ausnahmen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Das BSG hat überdies entschieden, dass eine erweiternde Auslegung jedenfalls dann entfällt, wenn der erziehende Elternteil oder sein
Ehe- oder Lebenspartner zwar im Ausland gelebt, die Beschäftigung oder Tätigkeit vor der Geburt oder während der Erziehung
aber gerade nicht im Ausland, sondern in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt hat (vgl BSG, Urteil vom 25.1.1994, Az 4 RA 3/93 = SozR 3-2600 § 56 Nr 6). Das ist hier der Fall. Denn die Übersiedlung der Klägerin in die Niederlande und die Kindererziehung dort erfolgten gerade
nicht wegen einer im Ausland ausgeübten, aber mit dem innerstaatlichen System der sozialen Sicherung verbundenen Beschäftigung.
Die Wahl des Wohnorts in den Niederlanden war weder durch eine selbständige Tätigkeit noch durch eine abhängige Beschäftigung
veranlasst worden. Insofern passen die aus §
56 Abs
3 S 2 und 3
SGB VI entnehmbaren Wertungsgesichtspunkte auf die hiesige Konstellation nicht, so dass sich eine (entsprechende) Anwendung der
Vorschrift im Falle der Klägerin verbietet.
Der Ausschluss der Klägerin von der Anerkennung der Zeiten der Erziehung ihrer Kinder als Pflichtbeitragszeiten ist auch nach
deutschem Verfassungsrecht nicht zu beanstanden. (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Kammerbeschluss vom 2.7.1998, Az 1 BvR 810/90, ECLI:DE:BVerfG:1998:rk19980702.1bvr081090; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6.3.2017, Az 1 BvR 2740/16, ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170306.1bvr274016; BSG, Urteil vom 16.6.1994, Az 13 RJ 31/93, juris).
B. Vorlage und Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen
Zwar ist der Senat nicht zur Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchens verpflichtet, da gegen seine Entscheidung ein
Rechtsmittel gegeben ist. Der Senat hält indes zur Beschleunigung des Verfahrens bereits im Berufungsverfahren eine Vorlage
an den EuGH für geboten, um diesem Gelegenheit zu geben, seine bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten
unter der Geltung des Art 44 VO (EG) Nr 987/2009 zu überprüfen und ggf. fortzuentwickeln. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt
von der Auslegung des Unionsrechts ab.
I. Unionsrechtlicher Rechtsrahmen
Die im Streitfall maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts sind:
Art 21 Abs 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der konsolidierten Fassung vom 7.6.2016 (ABl C 202 S 47)
Art 5 und 11 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der
Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 200 vom 7.6.2004, S 1 <VO (EG) Nr 883/2004>)
Art 44 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten
für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 284
vom 30.10.2009, S 1 <VO (EG) Nr 987/2009>)
II. Entscheidungserheblichkeit der Auslegung des Rechts der Europäischen Union für das Ausgangsverfahren
Die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen sind für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich. Würden die vorgelegten
Fragen 1 und 2 bejaht werden, hätte die Berufung der Klägerin Erfolg und die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen müsste
geändert werden. Würde die Frage 1 oder die Frage 2 verneint werden, wäre die Berufung zurückzuweisen.
Die VO (EG) Nr 883/2004 und die VO (EG) Nr 987/2009 sind zeitlich auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil sie am 1.5.2010
und damit vor Erlass des hier streitigen Bescheides der Beklagten vom 18.2.2019 in Kraft getreten sind. Sie ersetzen grundsätzlich
die VO (EWG) Nr 1408/71 sowie die VO (EWG) Nr 574/72 und erfassen gemäß Art 93 VO (EG) Nr 987/2009 i.V.m. Art 87 Abs 3 VO
(EG) Nr 883/2004 auch solche Ereignisse, die bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden haben.
Die Klägerin unterfällt auch dem persönlichen Geltungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004. Nach Art 2 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004
gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten
gelten oder galten sowie für ihre Familienangehörigen. Unter "Rechtsvorschriften" sind nach Art 1 Buchst I) VO (EG) Nr 883/2004
für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in
Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit zu verstehen. Leistungen bei Invalidität und im Alter
werden dabei ausdrücklich in Art 3 Abs 1 Buchst b) und c) VO (EG) Nr 883/2004 genannt.
Der Ausgang des Rechtsstreits hängt davon ab, ob eine Anerkennung der Kindererziehungszeiten und der Berücksichtigungszeiten
wegen Kindererziehung der Klägerin aus einer erweiternden Auslegung des Art 44 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009 im Lichte der bisherigen
EuGH-Rechtsprechung zu (deutschen) Kindererziehungszeiten resultiert. Nachfolgend werden die Zweifel des Senats an der Auslegung
der Vorschriften des Unionsrechts (Art 267 Satz 2 AEUV), die für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sind, anhand der Vorlagefragen erläutert.
1. Zur Vorlagefrage 1
Sachlich anwendbar ist hier die Bestimmung des Art 44 VO (EG) Nr 987/2009, weil sie eine Sonderregelung zur Sachverhaltsgleichstellung
bei Kindererziehung im Ausland enthält. Der nach den Rechtsvorschriften des Titels II der VO (EG) Nr 883/2004 "zuständige
Mitgliedstaat" sind die Niederlande. Denn nach Art 11 Abs 3 Buchst e) VO (EG) Nr 883/2004 unterliegt jeder grundsätzlich den
Rechtsvorschriften seines Wohnmitgliedstaates, sofern er nicht unter Art 11 Abs 3 Buchst a) bis d) VO (EG) Nr 883/2004 fällt
oder ausnahmsweise anders lautende Bestimmungen der VO (EG) Nr 883/2004 gelten, nach denen ihm Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften
eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen. Die Klägerin hat in der streitigen Zeit mit ihren Kindern in den Niederlanden
gewohnt; die Voraussetzungen von Art 11 Abs 3 Buchst a) bis d) VO (EG) Nr 883/2004 sind nicht erfüllt und Sonderbestimmungen
der VO (EG) Nr 883/2004 nicht einschlägig. Berücksichtigen die Niederlande Kindererziehungszeiten nicht, ist die Bundesrepublik
Deutschland zuständig. Es ist daher (zunächst) entscheidungserheblich, ob die niederländischen Rechtsvorschriften Kindererziehungszeiten
im Sinne dieser Regelung "nicht berücksichtigen".
Nach Art 44 Abs 1 VO (EG) Nr 987/2009 erfasst der Begriff der "Kindererziehungszeit" jeden Zeitraum, der im Rahmen des Rentenrechts
eines Mitgliedstaats ausdrücklich aus dem Grund angerechnet wird oder Anrecht auf eine Zulage zu einer Rente gibt, dass eine
Person ein Kind aufgezogen hat, unabhängig davon, nach welcher Methode diese Zeiträume berechnet werden und unabhängig davon,
ob sie während der Erziehungszeit anfallen oder rückwirkend anerkannt werden. Der europäische Gesetzgeber macht insoweit deutlich,
dass entweder eine ausdrückliche Anrechnung oder eine Zulage zu einer Rente gerade wegen der Kindererziehung als rentenrechtlicher
Sachverhalt vorliegen, mithin eine Anknüpfung an bestimmte Erziehungszeiträume bestehen muss. Nach dem Wortlaut der Norm ist
erforderlich, dass Zeiten der Kindererziehung als solche angerechnet werden und/oder (höhere) Leistungsansprüche allein aufgrund
der Kindererziehung vorgesehen sind. Auf der anderen Seite kommt es nicht entscheidend darauf an, ob im konkreten Fall Kindererziehungszeiten
tatsächlich angerechnet werden oder nicht, sondern nur darauf, ob das Recht des Mitgliedstaates die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten
als rentenrechtliche Zeiten überhaupt vorsieht (so auch Generalanwalt Jääskinen in seinen Schlussanträgen vom 1.3.2012 im Fall Reichel-Albert, Az C-522/10, ECLI:EU:C:2012:114, Rdnr 67).
Im Rentensystem der Niederlande werden Kindererziehungszeiten weder ausdrücklich als solche angerechnet noch folgt aus ihnen
eine Zulage oder sonstige Beeinflussung der Leistungsansprüche im Sinne des Art 44 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009. Das niederländische
Rentensystem beruht auf drei Säulen: dem (staatlichen) Allgemeinen Rentenversicherungsgesetz (Algemene Ouderdomswet <AOW>),
dem privaten Aufbau einer Zusatzrente über den Arbeitgeber in Form einer Betriebsrente und den zusätzlichen privaten Rentenversicherungen.
Die staatliche Rente nach dem AOW ist dabei allein von den niederländischen Wohn- bzw. Arbeitszeiten abhängig. Jeder Einwohner
baut in jedem Jahr, in dem er in den Niederlanden wohnt oder arbeitet, 2 % einer vollen AOW-Rente auf. Wenn man 50 Jahre nach
dem AOW versichert war, hat man Anspruch auf den Erhalt einer AOW-Rente in voller Höhe. Da die Klägerin knapp 35 Jahre in
den Niederlanden gelebt hat, hat sie entsprechend Anspruch auf eine AOW-Rente in Höhe von etwa 70 %. Jeder, der die erforderlichen
Wohn- bzw. Arbeitszeiten in den Niederlanden zurückgelegt und das gesetzliche Rentenalter erreicht hat, hat Anspruch auf eine
AOW-Rente, die ein Grundeinkommen zum Bestreiten des eigenen Unterhalts darstellt. Da für die staatliche Rente allein auf
die in den Niederlanden zurückgelegten Wohn- bzw. Arbeitszeiten und gerade nicht auf Zeiten der Kindererziehung als rentenrechtlich
relevanten Tatbestand abgestellt wird, tendiert der Senat zu der Auffassung, dass das niederländische Rentensystem Kindererziehungszeiten
im Sinne des Art 44 Abs 1 und 2 VO (EG) Nr 987/2009 "nicht berücksichtigt".
2. Zur Vorlagefrage 2
Sofern der EuGH die Vorlagefrage 1 verneint, kommt die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat, dessen
Rechtsvorschriften nach Titel II der Grundverordnung (VO <EG> Nr 883/2004) auf die betreffende Person anwendbar waren, in
Betracht, Art 44 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009. Der Tatbestand des Art 44 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009 ist im Falle der Klägerin
nicht nach dessen Abs 3 ausgeschlossen, weil die Klägerin in den Niederlanden weder eine Beschäftigung noch eine selbständige
Erwerbstätigkeit ausgeübt hat.
Der Tatbestand des Art 44 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009 ist nach seinem Wortlaut nicht erfüllt. Erforderlich ist danach, dass
die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit für das betreffende Kind nach deutschen
Rechtsvorschriften begann (also im Zeitpunkt der Geburt ihrer beiden Kinder), eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit
ausgeübt hat. Die Klägerin hat in der Bundesrepublik Deutschland an den beiden Tagen, an denen ihre Kinder geboren wurden,
und auch jeweils davor weder eine (geringfügige) Beschäftigung noch eine (geringfügige) selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH kommt jedoch aus Sicht des Senats ernsthaft in Betracht, Art 44 Abs 2 VO (EG)
Nr 987/2009 über seinen Wortlaut hinaus erweiternd auch auf Fälle anzuwenden, in denen die Versicherten vor der Geburt der
Kinder zwar keine entgeltliche Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, dafür aber vor der Geburt eine versicherungsfreie
unentgeltliche Beschäftigung und nach der Geburt eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit. Zu entscheiden ist, ob auch
diese Tatbestände ausreichen, um von einem hinreichenden Zusammenhang zwischen Erziehungs- und Versichertenzeiten im deutschen Rentensystem - im Sinne der bisherigen EuGH-Rechtsprechung - auszugehen.
Nach Auffassung des erkennenden Senats liegt im Lichte des Art 21 AEUV eine solche erweiternde Auslegung unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nahe (EuGH, Urteil vom 19.7.2012 Az C-522/10 <Reichel-Albert>, Randnummern 35 und 45, ECLI:EU:C:2012:475). Diese Auffassung wird jedoch in der deutschen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - nicht geteilt. Vielmehr wird in der
deutschen Rechtsprechung bislang eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten aus Art 21 AEUV bzw. nach Art 44 Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009 über die vom EuGH bereits entschiedenen Sachverhaltskonstellationen hinaus abgelehnt (vgl etwa Hessisches LSG, Urteil vom 14.7.2015, Az L 2 R 236/14, ECLI:DE:LSGHE:2015:0714.L2R236.14.0A, nachfolgend BSG, Beschluss vom 29.9.2017, Az B 13 R 365/15 B, ECLI:DE:BSG:2017:290917BB13R36515B0; vgl ferner LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.4.2017, Az L 16 R 259/16, ECLI:DE:LSGBEBB:2017:0426.L16R259.16.0A, nachfolgend BSG, Beschluss vom 11.4.2018, Az B 5 R 12/17 BH, ECLI:DE:BSG:2018:110418BB5R1217BH0; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.9.2017, Az L 2 R 640/13, ECLI:DE:LSGBEBB:2017:0921.L2R640.13.00, jeweils juris).
Vergleicht man die bislang vom EuGH entschiedenen Fälle mit dem vorliegenden, ist als signifikanter Unterschied festzuhalten,
dass die Klägerin vor der Verlegung ihres Wohnsitzes ins Ausland und insbesondere vor der Geburt ihrer Kinder überhaupt keine
versicherungspflichtige Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt hat, sondern dort vor der Geburt ihrer Kinder
nur rentenrechtlich zu berücksichtigende Ausbildungszeiten (sog Anrechnungszeiten) hat und nach der Geburt zunächst mehrere
Jahre lang gar nicht berufstätig war. Gleichwohl dürfte Einiges dafür sprechen, auch im vorliegenden Fall einen hinreichenden Zusammenhang zwischen Erziehungs- und Versicherungszeiten anzunehmen.
Für einen solchen Zusammenhang spricht, dass die gesamte Erwerbsbiographie der Klägerin ausschließlich auf die Bundesrepublik
Deutschland ausgelegt war: Die Klägerin hat ausschließlich in Deutschland die Schule besucht und eine Ausbildung zur staatlich
anerkannten Erzieherin erfolgreich absolviert; entsprechende Anrechnungszeiten wegen der (Fach-)Schulausbildung sind in ihrem
Versicherungsverlauf auch vermerkt worden. Das in der Zeit vom 1.8.1978 bis 31.7.1979 absolvierte Anerkennungsjahr hätte von
der Klägerin regulär entgeltlich und damit versicherungspflichtig durchgeführt werden sollen. Es ist nur deshalb (zufällig)
unentgeltlich und damit versicherungsfrei erfolgt, weil zu der damaligen Zeit am Ausbildungsort in Aachen mehr Bewerber als
Planstellen für angehende Erzieherinnen und Erzieher vorhanden waren. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren
hat sie zudem in den Niederlanden keine Anstellung gefunden, weil sie die dort geforderte Ausbildung nicht hat vorweisen können.
In Deutschland scheiterte eine Arbeitsaufnahme daran, dass man sie hinsichtlich der Arbeitsvermittlung auf den Wohnortstaat
(Niederlande) verwies. Auch die weitere Lebensgestaltung der Klägerin war überwiegend auf das Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem
Deutschlands ausgerichtet: Ihre Kinder haben in Deutschland die Schule besucht, so dass zwangsläufig ein Teil der Kindererziehung
auch in Deutschland stattfand. Ihr Ehemann hat vor und nach der Geburt der gemeinsamen Kinder eine versicherungspflichtige
Beschäftigung ausschließlich in Deutschland ausgeübt. Die Klägerin selbst war in den Niederlanden zu keinem Zeitpunkt versicherungspflichtig
beschäftigt oder selbständig erwerbstätig. Dagegen hat sie von September 1993 bis August 1995 eine versicherungsfreie selbständige
Tätigkeit in Deutschland ausgeübt. Später (April 1999 bis Oktober 2012) ist sie einer geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen
Beschäftigung und ab Oktober 2012 einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland nachgegangen. Der Senat verkennt nicht, dass
die Klägerin - anders als in den genannten, zuvor vom EuGH entschiedenen Fällen - ihren Wohnsitz nicht nur vorübergehend in
einen anderen Mitgliedsstaat verlegt hat, sondern dort dauerhaft gelebt hat. Der Senat hält diesen Unterschied jedoch für
nicht erheblich. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Erwerbsbiographie der Klägerin ihre Integration ausschließlich in das Arbeits-
bzw. Erwerbsleben der Bundesrepublik Deutschland erkennen lässt. Entfiele die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten
bzw. der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung allein deshalb, weil die Klägerin einige hundert Meter hinter der Grenze
der Stadt Aachen bzw. der deutschen Staatsgrenze ihren Wohnsitz auf niederländischem Staatsgebiet genommen hat, wäre dies
aus Sicht des erkennenden Senats mit der in Art 21 AEUV verbürgten Freizügigkeit für Unionsbürger nicht vereinbar.
Zusammenfassend kann aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH die Frage nicht zweifelsfrei beantwortet werden, ob Art 44
Abs 2 VO (EG) Nr 987/2009 über den Wortlaut hinaus erweiternd auch auf einen Fall wie den vorliegenden anzuwenden ist. Nach
Auffassung des Senats spricht Vieles dafür, das von der Klägerin nur zufällig unentgeltlich - und damit nicht versicherungspflichtig
- absolvierte Anerkennungsjahr vor der Geburt ihrer Kinder und die nach der Geburt der Kinder erfolgte versicherungsfreie
selbständige Tätigkeit bzw. die von der Beklagten berücksichtigte geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung ab 1999 für
eine solche hinreichende Verbindung zum deutschen System der Rentenversicherung genügen zu lassen. Die vom Sozialgericht Aachen
angenommene Doppelberücksichtigung von parallelen Wohnzeiten in den Niederlanden und Kindererziehungszeiten in Deutschland
(vgl dazu auch den Erwägungsgrund 12 der VO (EG) Nr 883/2004, wonach ein Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art für denselben
Zeitraum vermieden werden soll) ist nicht gegeben. Denn im Falle einer Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach deutschem Rentenrecht wird die Altersrente
der Klägerin in den Niederlanden entsprechend gekürzt.