Einstweiliger Rechtsschutz gerichtet auf die Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach SGB II
Einsatz von Einkommensfreibeträgen für die Sicherstellung des Existenzminimums
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der
Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung
In der Regel Erforderlichkeit der Erhebung einer Räumungsklage
1. Im Hauptsacheverfahren geschützte Freibeträge nach § 11b SGB II finden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Berücksichtigung, sie müssen vielmehr zur Deckung
des aktuellen Bedarfes regelmäßig ausgeschöpft werden.
2. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der
Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass baldige Wohnungs- und
Obdachlosigkeit droht. Allein der Hinweis darauf, dass die laufende Miete aufgrund der bestehenden Mittellosigkeit nicht gezahlt
werden kann, dass ggf. bereits Mietschulden aufgelaufen sind oder darauf, in der Folge der Androhung einer Kündigung ausgesetzt
zu sein, genügt für die Annahme einer aktuell drohenden Wohnungslosigkeit regelmäßig nicht. In der Regel ist die Erhebung
einer Räumungsklage erforderlich.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet.
1. Das Sozialgericht hat zutreffend den Erlass einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 SGG abgelehnt.
Die Antragsteller haben - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Ein solcher kann nur bejaht werden, wenn dem Beschwerdeführer schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Einen solchen Nachteil haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
Ausgehend von den eigenen Angaben der Antragstellerin zu 1) zu dem erzielten Nettoerwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung
von 766,56 EUR monatlich und dem Kindergeld von insgesamt 368,00 EUR monatlich sind sowohl die Regelbedarfe der Antragsteller
nach § 20 SGB II als auch ihr Mehrbedarf für die Kosten der Warmwasserbereitung nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II i.H.v. insgesamt 938,68 EUR gedeckt. Im Hauptsacheverfahren geschützte Freibeträge nach § 11b SGB II finden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Berücksichtigung, sie müssen vielmehr zur Deckung
des aktuellen Bedarfes regelmäßig ausgeschöpft werden (Beschlüsse des Senats vom 07.12.2012 - L 19 AS 2223/12 B ER und vom 16.10.2014 - L 19 AS 1207/14 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.04.2015 - L 4 AS 137/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.07.2015 - L 13 AS 205/15 B ER ). Es handelt sich bei den Freibeträgen nach § 11b Abs. 1 Nr. 1 - 6 SGB II, Abs. 2 und 3 SGB II um bereite Mittel, die tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen und die über das Existenzminimum
hinausgehen, das im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gesichert werden soll. Derartige Einkommensfreibeträge sind
für die Sicherstellung des Existenzminimums regelmäßig einzusetzen. Dieser Einsatz ist gegenüber einer Inanspruchnahme gerichtlichen
Eilrechtsschutzes vorrangig. Auch bei Berücksichtigung des Grundfreibetrages von 100,00 EUR nach § 11b Abs. 2 SGB II sind die Regelbedarfe der Antragsteller, einschließlich eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 2 S. 1 SGB II, durch bereite Mittel gedeckt.
Ebenso haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund betreffend die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht glaubhaft gemacht.
Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten
für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass baldige Wohnungs- und Obdachlosigkeit
droht. Eine derart konkrete Gefährdung der Unterkunft haben die Antragsteller weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Allein
der Hinweis darauf, dass die laufende Miete aufgrund der bestehenden Mittellosigkeit nicht gezahlt werden kann, dass ggf.
bereits Mietschulden aufgelaufen sind oder darauf, in der Folge der Androhung einer Kündigung ausgesetzt zu sein, genügt für
die Annahme einer aktuell drohenden Wohnungslosigkeit regelmäßig nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. hierzu
Beschlüsse des Senats vom 24.06.2015 - L 19 AS 360/15 B ER und vom 06.07.2015 - L 19 AS 931/15 B ER - mit Darstellung des Meinungsstandes) ist in der Regel die Erhebung einer Räumungsklage erforderlich. Selbst wenn ein
Mietrückstand, eine Kündigung bzw. Androhung einer Kündigung seitens des Vermieters für die Annahme eines Anordnungsgrundes
als ausreichend angesehen wird, ergibt sich eine aktuelle Gefährdung der Wohnung nicht aus dem Vortrag der Antragsteller.
Nach eigenen Angaben bestehen keine Mietschulden. Die Antragsteller sowie der Ehemann der Antragstellerin zu 1), der nach
§ 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschossen ist, verfügen unter Berücksichtigung der Freibeträge des § 11b Abs. 1 Nr. 1 - 6 SGB II, Abs. 2 und 3 SGB II über bereite Mittel, um einen Teil der Kosten für Unterkunft und Heizung zu decken, sowie über Mittel der Selbsthilfe in
Form von Darlehen seitens Verwandten, um die Verpflichtungen aus dem Mietvertrag vollständig zu bedienen. Insoweit hat der
Senat auch berücksichtigt, dass nach derzeitiger Aktenlage vom Antragsgegner wegen der Unangemessenheit der Unterkunfts- und
Heizkosten von der Bruttowarmmiete i.H.v. insgesamt 781,00 EUR nur ein Betrag von 602,67 EUR, d.h. ca. 77% der Bruttowarmmiete,
der Bedarfsberechnung zugrundegelegt wird und es sich damit nicht um eine schützenswerte Wohnung handelt. Den Antragstellern
ist daher zumutbar, im Hauptsacheverfahren mit dem Antragsgegner zu klären, ob der Ehemann der Antragstellerin zu 1) über
ein Einkommen verfügt, das auf den Bedarf der Antragsteller anzurechnen ist. Falls sie der Auffassung sind, dass sie die vom
Antragsgegner im Widerspruchsverfahren angeforderten Unterlagen und Erklärungen zumindest in den von ihnen angestrengten einstweiligen
Rechtsschutzverfahren vollständig vorgelegt haben, steht ihnen der Rechtsschutz nach §
88 SGG zu Verfügung.
2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren wird abgelehnt.
Das Verfahren hat keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. §§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 114
ZPO geboten. Es wird auf die obigen Gründe Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens betreffend die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sind
nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht
i.S.v. §§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 114
ZPO abgelehnt. Es wird auf die obigen Gründe Bezug genommen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, §
177 SGG.