Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes für unentschuldigt ferngebliebene Beteiligte im sozialgerichtlichen Verfahren
Kein Ordnungsgeld bei ausstehender Entscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe
Tenor
Der Klägerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F, R-Straße XXX, L beigeordnet.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.03.2022 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Gegen die Klägerin war trotz ihrer Säumnis in dem Erörterungstermin am 08.03.2022 kein Ordnungsgeld
festzusetzen.
Gemäß §§
111 Abs.
1,
202 SGG i.V.m. §
141 Abs.
3 ZPO kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat und der im Termin nicht erscheint,
ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Für unentschuldigt ferngebliebene
Beteiligte gilt insoweit §
380 Abs.
1 ZPO, wobei allerdings die weiteren bei einem Zeugen nach dieser Vorschrift möglichen Sanktionen, wie die Auferlegung der durch
das Ausbleiben verursachten Kosten und die Festsetzung von Ordnungshaft, bei einer Entscheidung nach §
141 Abs.
3 ZPO keine Anwendung finden. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegenüber einem Beteiligten steht hinsichtlich Grund und Höhe
im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
Ob die Klägerin aufgrund der fehlenden Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Termin unentschuldigt
ferngeblieben ist, lässt der Senat offen. Jedenfalls hätte das Sozialgericht im Rahmen seiner Ermessensausübung von der Festsetzung
eines Ordnungsgeldes absehen müssen. Zu berücksichtigen ist, dass im Zeitpunkt des Erörterungstermins am 08.03.2022 noch nicht
über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden war. Angesichts des Umstandes, dass mit Erscheinen
des Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG entsteht, mussten sowohl die Klägerin als auch ihr Prozessbevollmächtigter Klarheit darüber haben, wer die aus der Teilnahme
am Termin resultierenden Kosten trägt. Auch wenn gerichtlichen Ladungen mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens so
lange Folge zu leisten ist, wie nicht das anordnende Gericht diese Verpflichtung wieder aufgehoben hat, wäre im Rahmen der
Ermessensausübung außerdem zu berücksichtigen gewesen, dass es der anwaltlich vertretenen Klägerin nur schwerlich zumutbar
gewesen war, ohne ihren Prozessbevollmächtigten vor Gericht aufzutreten. Nach alledem hätte das Sozialgericht in der hier
gegebenen Konstellation von der Festsetzung eines Ordnungsgeldes absehen müssen.
Nichts anderes ergibt sich aus §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
118 Abs.
1 Satz 3 Hs. 1
ZPO. Danach kann das Gericht die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist. Unabhängig davon,
dass ein solcher Erörterungstermin nicht dazu anberaumt werden darf, lediglich die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung
näher zu prüfen, ist es nicht zulässig, das persönliche Erscheinen anzuordnen und in Folge des Nichterscheinens ein Ordnungsgeld
gegen den säumigen Beteiligten festzusetzen (vgl. LG Hechingen, Beschluss v. 29.01.1992 - 4 T 10/92; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 29.06.2010 - L 1 SF 111/10, juris Rn. 9; Schultzky, in: Zöller,
ZPO, 34. Aufl. 2022, §
118 Rn. 14; Reichling, in: BeckOK
ZPO, §
118 Rn. 13).
Angesichts des Umstandes, dass die von der Klägerin erhobene Beschwerde nicht nur hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Abs.
1 ZPO), sondern tatsächlich Erfolg hat, war ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt
Wolff zu bewilligen. Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geht der Senat aufgrund der anwaltlichen
Erklärung in dem Beschwerdeschriftsatz vom 19.04.2022 davon aus, dass die Klägerin Kosten der Prozessführung nicht aufbringen
kann. Abgesehen davon sind die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Beschwerdeverfahren aufgrund ihres Obsiegens ohnehin
von der Landeskasse zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).