Gründe
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, mit dem er im Wege des Überprüfungsverfahrens gem. §§ 40 Abs. 1 SGB II, 44 SGB X die Bewilligung von höheren Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten für Fahrten zu einer Methadon-Substitutionsbehandlung
erstrebt.
Der 1969 geborene Kläger wohnt in N. Er ist suchtkrank und bezieht seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. Am 14.03.2012 beantragte er beim Beklagten die Übernahme von Kosten iHv 68,05 EUR monatlich für seine täglichen Fahrten
zur Praxis Dr. U, H, zur Methadon-Substitutionsgabe. Er fügte eine ärztliche Bescheinigung von Dr. U vom 11.02.2012 bei, wonach
das Aufsuchen der suchtmedizinischen Schwerpunktpraxis in H aus therapeutischen Gründen erforderlich sei. Ebenfalls beigefügt
war ein Bescheid der AOK Rheinland/Hamburg vom 28.02.2012 über die Ablehnung der Übernahme der Fahrtkostenerstattung.
Mit Bescheid vom 16.03.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Fahrkosten zur Substitutionsbehandlung seien in der Regelleistung
enthalten. Im Widerspruchsverfahren gegen diese Entscheidung holte der Beklagte eine Stellungnahme des Gesundheitsamts der
Stadt N vom 14.06.2012 ein, wonach in N ausreichend Substitutionsplätze zur Verfügung stünden. Mit Bescheid vom 29.06.2012
wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Bescheiden vom 16.10.2012, 24.11.2012, 08.07.2013,
07.10.2013, 21.10.2013, 23.11.2013 und 23.04.2014 bewilligte der Beklagte bestandskräftig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen der Fahrkosten zur Substitutionsbehandlung.
Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Sozialgericht Düsseldorf im Verfahren S 3 AS 2456/12 beantragte der Kläger am 30.10.2014 die "Überprüfung aller bestandskräftigen Bescheide hinsichtlich der Fahrtkosten, in denen
die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist". Er erläuterte, weshalb er nach seiner Meinung die Substitutionsbehandlung erfolgreicher
bei Dr. U in H durchführen konnte und legte Fahrkostennachweise vor.
Mit Bescheid vom 06.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2015 lehnte der Beklagte die teilweise Rücknahme
der Leistungsbescheide und Bewilligung des beantragten Mehrbedarfs ab. Die Fahrkosten seien durch den Regelbedarf bereits
abgedeckt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 07.08.2015 Klage erhoben. Er begehrt eine monatliche Beihilfe für Fahrkosten iHv
monatlich 70,30 EUR (Februar 2013 bis August 2013 und Oktober 2013 bis Dezember 2013) bzw. 72,90 (März 2014 bis Mai 2014 und
Juli 2014 bis November 2014), abzüglich der in der Regelleistung enthaltenen Kosten iHv 6,3% des Regelbedarfs.
Mit Beschluss vom 15.09.2015 hat das Sozialgericht die beantragte Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es sei gerichtsbekannt, dass
auch in N Methadonbehandlungen durchgeführt würden. Außerdem sei durch die "obergerichtliche Rechtsprechung" geklärt, dass
Aufwendungen für Fahrten, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, auch nicht vom Grundsicherungsträger
zu erstatten seien.
Gegen diese am 28.09.2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 30.09.2015 erhobene Beschwerde des Klägers. In N gebe
es für Substitutionsbehandlungen lange Wartezeiten. Außerdem werde in N von keinem "Substitutionsarzt" eine Psychoedukation
angeboten, die von Dr. U in H durchgeführt werde. Zudem sei ihm ein Wechsel des Therapeuten nicht zumutbar.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt L. Die Rechtsverfolgung
hat hinreichende Aussicht auf Erfolg iSd §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114
ZPO.
Ein Rechtsschutzbegehren hat in aller Regel hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von
der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit läuft es
zuwider, wenn ein Gericht §
114 Satz 1
ZPO dahin auslegt, dass es eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage als einfach oder geklärt ansieht, obwohl dies erheblichen
Zweifeln begegnet (BVerfG, Beschlüsse vom 04.05.2015 - 1 BvR 2096/13 und vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.08.2015 - L 19 AS 1284/15 B). Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten
und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers
ausgehen wird (Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl., §
73a Rn. 9 mwN).
Die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme des Beklagten sind nicht etwa zu verneinen, weil der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung
zur Leistung verpflichtet wäre. Zwar gehören gem. §
60 SGB V auch Fahrkosten zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der
Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen (um die es hier geht)
werden gem. §
60 Abs.
1 Satz 3
SGB V nur in besonderen Ausnahmefällen, die der gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Nr. 12 (Krankentransportrichtlinien)
festgelegt hat, erstattet. Ein in § 8 der Krankentransportrichtlinien festgelegter Ausnahmefall ist vorliegend nicht erfüllt.
Der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung kommt von vornherein nicht für allgemeine Fahrkosten, die im Zusammenhang
mit einer ambulanten medizinischen Behandlung entstehen, auf.
Die Frage, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen Fahrkosten zur Durchführung einer Methadonbehandlung als zusätzlicher
Bedarf gem. § 21 Abs. 6 SGB II vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende übernommen werden müssen, ist entgegen der Annahme des Sozialgerichts nicht
geklärt. Zwar trifft zu, dass das BSG mit Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 146/10 R entschieden hat, dass die Kosten einer Krankenbehandlung bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten
entweder durch das System des
SGB V oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt seien. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln entstünden hiernach grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe. Dieser grundsätzlichen Aussage steht
jedoch die (jüngere) Entscheidung des BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R entgegen. Hier hat das BSG ausgeführt, dass unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer
Bedarf sein könne, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung,
verpflichtet seien. Dabei sei zu unterscheiden zwischen dem Fall, in dem der Ausfall der Bedarfsdeckung durch die gesetzliche
Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung
eines Eigenanteils, wie etwa nach §
29 Abs.
2 SGB V für die kieferorthopädische Versorgung, erfolgt und dem Fall, dass dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige
Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises,
aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem
SGB V ausgenommen werden. Ob wegen eines ggfs. über mehrere Jahre zu zahlenden Eigenanteils SGB II-Leistungen zu erbringen seien, hat das BSG offen gelassen. Werden Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung ausgeschlossen, könne jedenfalls grundsätzlich ein Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen. Unter
welchen Voraussetzungen dies zu erfolgen hat, sei bisher noch nicht abschließend geklärt.
Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 19.03.2015 - L 6 AS 1926/14 rechtskräftig entschieden, dass es sich bei Fahrkosten im Zusammenhang mit einer Methadonsubstitution unter ärztlicher Aufsicht
um einen unabweisbaren besonderen Bedarf iSd § 21 Abs. 6 SGB II handelt (aA LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.09.2013 - L 7 AS 83/12 NZB).
In tatsächlicher Hinsicht ist der Rechtsstreit bei Bejahung einer grundsätzlichen Übernahmefähigkeit der geltend gemachten
Fahrkosten im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II weiter aufklärungsbedürftig. Dies gilt insbesondere für die Frage der Unabweisbarkeit des Bedarfs. Nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II ist der Mehrbedarf (nur dann) unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung
von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist. Hiernach können die erhöhten Fahrtkosten allenfalls dann übernommen
werden, wenn am Wohnort des Klägers keine adäquaten Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen bzw. der Kläger aus individuellen
Gründen auf diese nicht verwiesen werden kann. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Stellungnahme des Gesundheitsamts
vom 14.06.2012 zwar für ein ausreichendes Angebot in N spricht, die dort enthaltene Auskunft aber nur auf einer telefonischen
Mitteilung Dritter beruht und weitergehende gerichtliche Ermittlungen nicht entbehrlich macht (§
103 SGG). Unklar ist auch, ob die Auskunft für den gesamten streitigen Zeitraum oder nur für einen bestimmten Zeitpunkt gilt. Wenn
der Beklagte und das Sozialgericht ausführen, "aus mehreren anderen Verfahren" sei "gerichtsbekannt", dass es in N zu keinem
Zeitpunkt Probleme gegeben habe, einen Substitutionsplatz zu bekommen, sind die Quellen hierfür zu benennen und zur Wahrung
des rechtlichen Gehörs des Klägers in den Prozess einzuführen. Weiterhin ist den Ausführungen des Klägers im Erörterungstermin
vom 30.10.2014 in tatsächlicher Hinsicht nachzugehen. Schließlich wird das Sozialgericht das Vorbringen des Klägers, er sei
auf eine Behandlung bei Dr. U wegen des besonderen Behandlungskonzepts angewiesen und ein Wechsel des Therapeuten sei medizinisch
nicht erwünscht, in seiner rechtlichen Relevanz würdigen und ggfs. tatsächlich überprüfen müssen.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe werden nicht erstattet (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).