Unbegründetheit der Beschwerde des Arbeitgebers gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen einen Beitragsbescheid
Anforderungen an die Sozialversicherungspflicht des zur Hälfte am Stammkapital einer GmbH beteiligten mitarbeitenden Gesellschafters
einer GmbH und an die Glaubhaftmachung einer Bestellung zum Geschäftsführer
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 5.7.2020 ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin
vom 5.3.2020 zu Recht abgelehnt. Gleichermaßen ist auch eine aufschiebende Wirkung der vor dem SG erhobenen Klage (Az. S 30 BA 155/20) gegen den mittlerweile ergangenen Widerspruchsbescheid vom 9.7.2020 nicht anzuordnen.
Ein überwiegendes Suspensivinteresse der Antragstellerin besteht nicht. An der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Bescheides
der Antragsgegnerin sind weder in formeller noch materiell-rechtlicher Hinsicht Zweifel in einem Umfang gegeben, der einen
Erfolg der Klage nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung zumindest wahrscheinlich
erscheinen lässt.
Nach dem derzeitigen Sachstand hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass Herr H K (im Folgenden: K) in seiner Tätigkeit
bei der Antragstellerin im streitigen Zeitraum vom 1.1.2015 bis 31.8.2019 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag und hierfür Beiträge sowie Umlagen in Höhe von insgesamt 70.590,74 Euro zu
zahlen sind. K, der zur Hälfte am Stammkapital der Antragstellerin beteiligt war, übte danach als mitarbeitender Gesellschafter
eine Beschäftigung gegen Entgelt gem. §
14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) aus (zur Versicherungspflicht eines zur Hälfte am Stammkapital einer GmbH beteiligten, mitarbeitenden Gesellschafters vgl.
Senatsurt. v. 29.1.2020 - L 8 BA 153/19 - juris Rn. 49 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung
des SG verwiesen, der sich der Senat vollinhaltlich anschließt (vgl. §
142 Abs.
2 S. 3
Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Entgegen ihrer Auffassung kann nach
der bisherigen Aktenlage nicht davon ausgegangen werden, dass K im streitigen Zeitraum rechtswirksam bestellter Geschäftsführer
gewesen ist. Entsprechend können auch nicht die Grundsätze zur Beurteilung der Tätigkeit eines Geschäftsführer-Gesellschafters
anstelle der rechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung der Tätigkeit eines mitarbeitenden Gesellschafters herangezogen werden.
Die Antragstellerin hat eine im November 2005 erfolgte behauptete Bestellung des K zum Geschäftsführer nicht gem. §
86b Abs.
2 S. 4
SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) hinreichend glaubhaft gemacht. Dies hat das SG bereits zutreffend und ausführlich dargestellt.
Soweit die Antragstellerin nunmehr erstmalig im Beschwerdeverfahren einen Beschluss der Gesellschafterversammlung datierend
vom 30.11.2005 über die Bestellung des K zum Geschäftsführer vorlegt, genügt dies entgegen ihrer Auffassung zur Glaubhaftmachung
nicht. Eine Privaturkunde begründet, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens
unterzeichnet ist, (lediglich) den Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden
sind (vgl. §
118 Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
416 ZPO). Sie erbringt hingegen nicht den Nachweis der inhaltlichen Richtigkeit der in ihr enthaltenen Erklärungen, im vorliegenden
Fall somit nicht den Nachweis, dass ein solcher Gesellschafterbeschluss tatsächlich am 30.11.2005 gefasst worden ist. Am Datum
der Beschlussfassung bestehen nach dem derzeitigen Sachstand erhebliche Zweifel.
Es ist nicht ersichtlich, warum zur Existenz einer entsprechenden Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung erst im gerichtlichen
Beschwerdeverfahren und nicht bereits eigenständig in einem frühen Verfahrensstadium vorgetragen und die entsprechende Urkunde
vorgelegt worden ist. Dies gilt besonders deshalb, weil die Antragstellerin den K nach der behaupteten Bestellung zum Geschäftsführer
2005 entgegen ihrer gesetzlichen Pflicht gem. § 39 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) - anders als den weiteren Gesellschafter, Herrn O M - nicht im Handelsregister hat eintragen lassen. Zwar kommt der Eintragung
des Geschäftsführers einer GmbH im Handelsregister regelmäßig dann, wenn die Bestellung - wie im vorliegenden Fall - nicht
mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages selbst verbunden ist, nur deklaratorische Bedeutung, nicht jedoch konstitutive
Wirkung zu und ist diese damit nicht unabdingbare Voraussetzung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit
nach den Maßstäben eines Geschäftsführer-Gesellschafters (vgl. hierzu z.B. Senatsbeschl. v. 22.2.2021 - L 8 BA 106/20 B ER, Beschl. v. 12.12.2017 - L 8 R 847/17 B ER - juris Rn. 19). Gleichwohl löst die mangelnde Eintragung bei damit fehlender Publizitätswirkung einen erhöhten Bedarf
zur Darlegung und zum Beweis der behaupteten Geschäftsführerbestellung aus.
Soweit die - schon im Widerspruchsverfahren anwaltlich vertretene - Antragstellerin geltend gemacht hat, die unterbliebene
Eintragung des K sei auf ein Versehen zurückzuführen, hätte es sich ihr frühzeitig aufdrängen müssen, den für die Geschäftsführerbestellung
konstitutiven Beschluss der Gesellschafterversammlung zu den Akten zu reichen. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Frage
einer Bestellung des K zum Geschäftsführer von vornherein streitbefangen war. Die Behauptung der Antragstellerin in ihrer
Beschwerdebegründung, die Bestellung des K zum Geschäftsführer sei bisher unstreitig gewesen, ist unzutreffend. Vielmehr hat
die Antragsgegnerin bereits in der Anhörung vom 19.11.2019 (dort S. 4) darauf hingewiesen, dass K "nie Geschäftsführer der
Gesellschaft" gewesen sei. Gerade auf diesen Punkt ist die Antragstellerin mit ihrem hierauf übersendeten anwaltlich-fachkundigen
Schriftsatz vom 24.1.2020 auch differenziert eingegangen. Die Ausführungen haben sich insoweit jedoch darauf beschränkt, zunächst
die fehlerhafte Eintragung im Handelsregister als Versehen darzustellen und dann zum zivilrechtlichen Rechtsinstitut eines
"faktischen Geschäftsführer" vorzutragen. Bei diesem handelt es sich jedoch gerade nicht um einen rechtswirksam bestellten
Geschäftsführer, sondern um eine Person, die - lediglich - aufgrund des Gesamterscheinungsbildes nach außen wie ein Geschäftsführer
angesehen wird. Schließlich hat die Antragstellerin eingehend dargelegt, aus welchen Aspekten sich eine rechtsgeschäftliche
Geschäftsführerbefugnis des K ableiten lasse, dies jedoch ohne dass ein - hierfür vorrangig relevanter - Gesellschafterbeschluss
irgendeine Erwähnung gefunden hätte. Auch nachdem die Antragsgegnerin im Beitragsbescheid vom 5.3.2020 (dort S. 7) erneut
ausdrücklich angeführt hat, in Bezug auf K fehle es an einer formalen Bestellung zum Geschäftsführer, sind im Widerspruchverfahren
hiergegen keine Einwendungen vorgebracht worden. Obwohl sich die Antragstellerin in ihrer Widerspruchsbegründung vom 20.4.2020
in hohem Maß ausführlich mit einer Vielzahl von rechtlichen Aspekten zur Geschäftsführerbestellung auseinandersetzt, ist ein
formaler Gesellschafterbeschluss vom 30.11.2005 erneut an keiner Stelle erwähnt. Gleiches setzt sich in der Begründung des
Antrags auf Gewährung gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzes vom 22.5.2020 fort. Im Gegenteil wird hier sogar abweichend
angeführt, K sei "unter dem 7.12.2005" zum Geschäftsführer bestellt worden. Letzteres Datum hat die Antragstellerin im Folgenden
wiederholend aufgegriffen und bestätigt. So hat sie (noch) im Schriftsatz vom 8.6.2020 ausdrücklich selbst darauf hingewiesen,
dass die "organschaftliche Bestellung zum Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG allein durch die Gesellschafterversammlung" erfolge. Es handele sich "hierbei anerkanntermaßen um eine der zentral bedeutsamen
Beschlusskompetenzen innerhalb einer GmbH". Gleichwohl fehlt erneut jeglicher Hinweis auf eine derartige Beschlussfassung
am 30.11.2005. Vielmehr hat die Antragstellerin hier eine von ihr beigefügte Anlage "AST6" ("Änderungen zum Anstellungsvertrag"
vom 7.12.2005) als Beleg für die organschaftliche Bestellung des K zum Geschäftsführer "am 7.12.2005" herangezogen. Auch in
diesen "Änderungen zum Anstellungsvertrag" findet sich im Übrigen kein Hinweis auf eine Geschäftsführerbestellung mit Beschluss
der Gesellschafterversammlung vom 30.11.2005.
Erst nachdem das SG in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, eine förmliche Bestellung des K zum Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung
sei nicht erfolgt, insbesondere nicht in den "Änderungen zum Anstellungsvertrag" zu sehen, hat die Antragstellerin nunmehr
im Beschwerdeverfahren einen "Gesellschafterbeschluss vom 30.11.2005" in Erscheinung gebracht. Eine nachvollziehbare Erklärung
für dieses prozessuale Verhalten erfolgt nicht einmal ansatzweise und ist auch nicht ersichtlich. Dies zu klären, bleibt ggf.
dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige
Härte bedeuten würde, bestehen nicht. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen
Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten
sind (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 26 ff.). Darüber hinaus gehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile sind nicht erkennbar
und auch nicht vorgetragen.
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur
ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl.
v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).