Streit über die Sozialversicherungspflicht einer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin (hier Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit
Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status
Familiäre Verbundenheit der Gesellschafter-Geschäftsführerin mit den übrigen Gesellschaftern
Vertragliche Regelungen zur Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall
Tatbestand
Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Beigeladenen
zu 1) vom 1.1.2012 bis 18.9.2012 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die Beigeladene zu 1) wurde 1983 gegründet (notariell beurkundeter Gesellschaftvertrag vom 29.6.1983). Der Gegenstand des
Unternehmens ist der Stahlhandel.
Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages (GesV) werden die Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen
gefasst, soweit nicht Gesetz und Satzung eine andere Mehrheit vorschreiben. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 100,-
DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
Das Stammkapital der Beigeladenen zu 1) beträgt seit der Kapitalerhöhung vom 3.7.2007 400.000,00 Euro. Hieran bestanden folgende
Beteiligungsverhältnisse:
K L 204.000,00 Euro = 51 %
J L 60.000,00 Euro = 15 %
J1 L 136.000,00 Euro = 34 %
Herr K L ist seit 1983 Geschäftsführer. Die Klägerin war von 2002 bis Juli 2007 und ist wieder seit Juli 2009 Geschäftsführerin
der Beigeladenen zu 1). Die Klägerin ist ebenso wie Herr K L, ihr Vater, alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen
des §
181 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) befreit.
Der Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) liegt der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (GF-AV)
vom 14.12.2011 zugrunde, der auszugsweise wie folgt lautet:
"Vorbemerkung
Auf der Grundlage der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung vom 1.7.2009 ist Frau J1 L zum Geschäftsführer der Gesellschaft
bestellt worden. Mit der Übertragung der Gesellschafteranteile vom 14.12.2011, UR-Nr. 1623/11 H verfügt Frau J1 L nun über
34% an der L Stahlhandel GmbH. Der Geschäftsführer wird mit Wirkung vom 1.1.2012 als Angestellte der L Stahlhandel geführt.
Er ist stets einzeln zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt und von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit.
Die vertraglichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer bestimmen sich mit Wirkung vom heutigen Tage
an nach Maßgabe dieses Geschäftsführer-Anstellungsvertrages.
§ 1 Aufgaben und Pflichten
(1) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten
Geschäftsbetriebs nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und einer
etwaigen durch Geschäftsordnung für die Geschäftsführung ...
(2) ...
(3) Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes unter besonderer
Beachtung der Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen ...
(4) - (6) ...
(7) Die Gesellschaft kann weitere Geschäftsführer bestellen. Die Geschäftsverteilung der Geschäftsführer untereinander bestimmt
sich in diesem Fall nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung oder nach dem Geschäftsverteilungsplan.
§ 2 Vertretung und Geschäftsführung
(1) ...
(2) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft im Umfang der ihm durch Beschluss der Gesellschafterversammlung
erteilten und in der Vorbemerkung genannten Vertretungsberechtigung.
(3) Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft
hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
(4) Die Gesellschafterversammlung ist unabhängig von § 1 Abs. 8 jederzeit berechtigt, die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers
zu beschränken, zu erweitern oder zu ergänzen, ohne dass dies auf die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages einen Einfluss
hat.
§ 3 Verschwiegenheitsverpflichtung, Rückgabe von Unterlagen, Aufrechnung
...
§ 4 Arbeitszeit
Der Geschäftsführer ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtet sich vielmehr nach den betrieblichen
Erfordernissen und ist vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten.
§ 5 Nebentätigkeit
(1) Der Geschäftsführer ist verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrung der Gesellschaft
zur Verfügung zu stellen.
(2) Jedwede Nebentätigkeit, sei sie entgeltlich oder unentgeltlich, bedarf der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
Das Gleiche gilt für die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten und Ehrenämtern, insbesondere in Vereinen und Verbänden.
(3) ...
(4) Folgende Nebentätigkeit ist genehmigt, sofern sie nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstoßen und die Erfüllung
dieses Vertrages nicht beeinträchtigt wird:
Freiberufliche Tätigkeit im Rahmen des Fernstudiums zur berufsbegleitenden Weiterbildung von Fernstudenten des Stahlhandels
zum Stahlhandel-Betriebswirt (BDS), durchgeführt vom Bundesverband Deutscher Stahlhandel AG, Düsseldorf, als Prüferin, Dozentin,
Fernlehrerin, Autorin, Fachbereichsleiterin Wirtschaft. Für die mit dem Fernstudium verbundenen Seminare, Ausschusssitzungen
und Prüfungen ist der Geschäftsführer freigestellt.
§ 6 Wettbewerbsverbot
...
§ 7 Diensterfindungen
...
§ 8 Bezüge
(1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von 7.500,- EUR brutto, das jeweils am Monatsletzten
zu zahlen ist. Aufgrund der angespannten Geschäftslage der L Stahlhandel GmbH in den Jahren 2008-2011 verzichtet der Geschäftsführer
auch 2012 auf Vergütungsbestandteile. Das feste Monatsgehalt beträgt 2012 5.000,00 EUR brutto. Ab dem 1.1.2013 erhält der
Geschäftsführer das vertraglich vereinbarte Monatsgehalt von 7.500,- EUR brutto.
(2) Ferner erhält der Geschäftsführer für seine Tätigkeit eine Tantieme. Deren Höhe und Bedingungen richten sich nach einer
gesonderten "Tantieme-Vereinbarung des Geschäftsführers", die in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages ist."
(3) - (5) ...
§ 9 Vergütungsfortzahlung
(1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch Krankheit oder einen von ihm nicht zu vertretenden
Grund eintritt, werden ihm die Bezüge nach § 8 Abs. 1 sechs Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses
fortgezahlt. Der Geschäftsführer muss sich auf diese Zahlungen anrechnen lassen, was er von Kassen oder Versicherungen an
Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen Beiträgen beruhen.
(2) - (5) ...
§ 10 Spesen, Aufwendungsersatz
(1) Trägt der Geschäftsführer im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit Kosten und Aufwendungen, so werden
ihm diese von der Gesellschaft erstattet, sofern der Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Betriebsbedingtheit belegt
hat oder sie offenkundig ist.
(2) Die Gesellschaft ersetzt dem Geschäftsführer seine Reisespesen nach den jeweils steuerlich zulässigen Höchstsätzen.
§ 11 Sonstige Leistungen
(1) Für seine Tätigkeit steht dem Geschäftsführer für die Dauer des Dienstverhältnisses ein Dienstwagen Marke Landrover, Audi
A6, Mercedes E-Klasse oder ein vergleichbarer PKW zur Verfügung.
(2) Der Geschäftsführer ist berechtigt, das Fahrzeug auch zu privaten Zwecken und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
zu nutzen. Eine Nutzungsvergütung hat er hierfür nicht zu leisten. Die auf die private Nutzung entfallenden gesetzlichen Abgaben
trägt der Geschäftsführer.
(3) Die Betriebs- und Unterhaltungskosten für den PKW werden von der Gesellschaft getragen.
(4) ...
§ 12 Versorgungszusage, Direktversicherung
...
§ 13 Versicherungen
...
§ 14 Urlaub
(1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr, Samstage zählen
dabei nicht als Arbeitstage.
(2) Der Geschäftsführer hat den Zeitpunkt des Urlaubs mit anderen Geschäftsführern und der Gesellschafterversammlung abzustimmen.
Betriebliche Notwendigkeiten sind hierbei besonders zu berücksichtigen.
(3) Kann der Geschäftsführer seinen Jahresurlaub bis zum 31. März des Folgejahres aus dringenden betrieblichen Gründen nicht
nehmen, so hat er Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs.
§ 15 Vertragsdauer
(1) Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Vertragsbeginn ist der 1.1.2012. Ab diesem Zeitpunkt beginnt
die Tätigkeit des Geschäftsführers als angestellter Geschäftsführer.
(2) Der Vertrag endet spätestens mit Ablauf des 67. Lebensjahres des Geschäftsführers, ohne dass er einer Kündigung bedarf.
(3) Der Vertrag endet auch mit Ablauf des Monats, in dem dem Geschäftsführer ein Bescheid zugestellt wird, mit dem der zuständige
Sozialversicherungsträger feststellt, dass der Geschäftsführer auf Dauer vollständig erwerbsgemindert ist, und er nicht vor
Ablauf der Widerspruchsfrist seinen Antrag zurücknimmt oder auf eine Rente auf Zeit einschränkt; bei späterem Beginn des entsprechenden
Rentenbezugs jedoch erst mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorhergehenden Tages. Gewährt der Sozialversicherungsträger nur eine
Rente auf Zeit, so ruht dieser Vertrag für den Bewilligungszeitraum dieser Rente, längstens jedoch bis zum Beendigungszeitpunkt
gem. Satz 1 oder einem anderen Beendigungszeitpunkt aus diesem Vertrag.
§ 16 Kündigung
...
§ 17 Schlussbestimmungen
(1) Mündliche Abreden oder Nebenabreden sind nicht getroffen, soweit dieser Vertrag keinen anderweitigen Hinweis enthält.
(2) ...
(3) Vertragsänderungen bedürfen eines Gesellschafterbeschlusses sowie der Schriftform. Die elektronische Form ist ausgeschlossen.
Mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind nichtig."
Die Tantiemenvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1 Tantieme
(1) Der Geschäftsführer erhält für jedes Geschäftsjahr eine Brutto-Tantieme in Höhe von 10 % des tantiemefähigen Jahresgewinns
(§ 3) der Gesellschaft, höchstens jedoch in Höhe von 33 % seiner sonstigen Bezüge (festes Jahresentgelt, Gratifikation, Sachbezüge,
wie etwa Firmenwagenüberlassung, etc, ) im Geschäftsjahr ohne Beachtung etwaigen Aufwandersatz und Spesen."
Eine Tantieme erhielt die Klägerin für 2012 nicht.
Den Statusfeststellungsantrag nach §
7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) stellte die Klägerin am 4.6.2012 mit dem Begehren festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliegt.
Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 7.8.2012 die Klägerin und die Beigeladene zu 1) zu der beabsichtigten Feststellung des
Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der
Arbeitsförderung an. In der Krankenversicherung bestehe wegen Überschreitens der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungsfreiheit.
In ihrer Stellungnahme machte die Klägerin geltend, sie sei bereits von 2002 bis 2007 Geschäftsführerin gewesen. Von der damaligen
Barmer Ersatzkasse sei die Tätigkeit als im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht als abhängiges Beschäftigungsverhältnis
beurteilt worden (Bescheid v. 19.9.2002). Ihre Beteiligung habe damals 25,1 % betragen. Basis ihrer Tätigkeit sei ein im Wesentlichen
identischer Anstellungsvertrag gewesen.
Sie verfüge über hochentwickelte Fach- und Branchenkenntnisse. Nach ihrem Ausscheiden aus der Geschäftsführung sei ihr Vater
K L bis 14.7.2009 alleiniger Geschäftsführer gewesen. In diese Zeit fiel eine Unternehmenskrise, die eine Sanierung des Unternehmens
erfordert habe. Ursächlich für die Krise seien neben der Branchenentwicklung unternehmerische Fehlentscheidungen der damaligen
Geschäftsführung gewesen. Die Sanierung der Beigeladenen zu 1) sei von der Klägerin als Beraterin alleine durchgeführt worden,
mit einer anschließenden Änderung der Führungsstruktur und der Kapitalverhältnisse.
Der Geschäftsführer K L sei zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten und beziehe von der Beigeladenen zu 1) eine Pension.
Er sei formal weiter Geschäftsführer. Dies sei aber seinem Status und weniger den betrieblichen Notwendigkeiten geschuldet.
Diese spezielle unternehmerische Situation zeige, dass die übrigen Gesellschafter alters- bzw. fachspezifisch bedingt nicht
oder kaum in der Lage seien, der Klägerin beschränkende Weisungen zu erteilen. Da sich die notwendigen Fach- und Branchenkenntnisse
in der Person der Klägerin bündelten, werde ihre Meinung bei zu erwartenden Gesellschafterbeschlüssen in der Regel den Ausschlag
geben.
Sie treffe alle wesentlichen Entscheidungen in der Beigeladenen zu 1). Sie sei im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb nicht durch
zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte in ihren Handlungen beschränkt, weder faktisch noch rechtlich.
Ihr unternehmerisches Engagement zeige sich in der Übernahme einer Bürgschaft von 100.000,00 Euro gegenüber den kreditgebenden
Banken. Damit habe sie neben ihrem Tantiemenanspruch und möglichen Gewinnausschüttungen ein aus dem Inanspruchnahmerisiko
der Bürgschaft abgeleitetes erhebliches unternehmerisches Verlustrisiko.
Sie sei in Bezug auf die Beigeladene zu 1) faktisch und rechtlich nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden. Ebenso nicht,
was die Art die Dauer und den Ort ihrer Arbeitsleistung angehe.
Es handele sich bei der Beigeladenen zu 1) um eine Familien-GmbH, die durch entsprechende Rücksichtnahmen geprägt sei. Zwischen
Vater, Mutter und ihr als Tochter bestünden gleichgerichtete Interessen.
Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 30.8.2012 nahm die Beklagte folgende Feststellungen vor:
" ..., die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status hat ergeben, dass Ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin
bei der L Stahlhandel GmbH seit dem 1.1.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird.
In dem Beschäftigungsverhältnis besteht Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
In der Krankenversicherung besteht Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Beschäftigten die
maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich übersteigt (§
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V).
Die Versicherungspflicht beginnt am 1.1.2012."
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25.9.2012 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass mit Beschluss vom 17.9.2012
die Gesellschafterversammlung folgende Änderung des Gesellschaftsvertrages in § 6 Nr. 1 beschlossen habe:
"Die Gesellschafterbeschlüsse werden in der Gesellschafterversammlung gefasst. Sie erfolgen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln
der abgegebenen Stimmen."
Die Änderung sei am 19.9.2012 in das HR Mönchengladbach (HRB 7446) eingetragen und wirksam geworden. Seit dem 19.9.2012 habe
sie die Sperrminorität, wodurch die abhängige Beschäftigung in jedem Fall entfalle. Die Änderung sei erfolgt, um nach außen
zu dokumentieren, was bereits unter den Gesellschaftern schon seit 2010 klar gewesen sei: Die Klägerin sei maßgeblich und
alleinverantwortlich handelnde und allein entscheidende Führungsperson im Unternehmen gewesen.
Ferner machte die Klägerin geltend, sie sei von den Beschränkungen des §
181 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) befreit und einzelvertretungsberechtigt. Sie sei völlig weisungsfrei hinsichtlich Zeit, Ort und Ausübung der Tätigkeit.
Eine weisungsgebundene Tätigkeit als funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess würde eine tägliche Präsenz vor
Ort erfordern. Tatsächlich sei sie zusätzlich als selbständige Beraterin und Trainerin für mehrere andere Auftraggeber tätig
und in ihrer Präsenz und Einbindung in die von ihr festgelegte Organisation der Beigeladenen zu 1) völlig frei. Die Eltern
als weitere Mitgesellschafter begrüßten ihre Unabhängigkeit und ließen ihr völlig freie Hand bei der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit
hinsichtlich Zeit, Ort und Art ihres Arbeitseinsatzes.
Die Beigeladene zu 1) sei eine Familien-GmbH: Vater und Mutter hätten sich aus dem Unternehmerleben zurückgezogen. Unternehmerische
Entscheidungen würden ausschließlich von der Klägerin gefällt. Ihre Eltern würden über die Strategien, die Verhandlungsergebnisse
mit den Banken sowie der Personalgeschicke der Beigeladenen zu 1) in den jährlichen Gesellschafterversammlungen lediglich
informiert. Die Tatsache, dass ihr Vater K L nach wie vor 51 % der Gesellschaftsanteile der B1 innehabe, habe den Grund, dass
er als Unternehmensgründer gewürdigt werden solle.
Ihr Unternehmerrisiko zeige sich auch in ihrem relativ niedrigen Gehalt. Es bestehe keine persönliche Abhängigkeit. Sie sei
in ihren Einkünften nicht abhängig von der Tätigkeit als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1). Denn sie arbeite nicht
in Vollzeit für die Beigeladene zu 1), sondern zusätzlich selbstbestimmt als Beraterin für mehrere andere Auftraggeber, bei
freier Zeiteinteilung. Die daraus resultierenden Einnahmen in Höhe von durchschnittlich 40.000,00 Euro p. a. würden zum Lebensunterhalt
ausreichen, selbst wenn die Geschäftsführervergütung entfiele.
Die Beigeladene zu 1) schloss sich den Darlegungen der Klägerin vollumfänglich an.
Die Beklagte erließ sodann den an die Klägerin adressierten Teilabhilfe-Bescheid vom 14.11.2012, der auszugsweise wie folgt
lautet:
" ..., hiermit wird der Bescheid vom 30.8.2012, für die Zeit ab 19.9.2012, aufgrund Sperrminorität wegen Änderung der Beschlussfassung
zurückgenommen.
Wir stellen nunmehr fest, dass Sie die Tätigkeit als Gesellschafterin-Geschäftsführerin seit dem 19.9.2012 für die Firma L
Stahlhandel GmbH nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Sozialversicherung ausüben. Daher
besteht ab dem 19.9.2012 in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter in der gesetzlichen Kranken-
und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ..."
Im Übrigen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2013 den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie verfüge bis 18.9.2012
nicht über eine umfassende Sperrminorität. Auch nach der Rechtsprechung zu sog. Familiengesellschaften liege keine Selbständigkeit
vor. Denn aufgrund der Höhe der Gesellschaftsanteile ihres Vaters (51 %) und dem Umstand, dass ihr Vater weiterer Geschäftsführer
sei, könne vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass es an der Ausübung einer Direktion durch ihren Vater mangele und
sie faktisch die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führe. Allein aus der ggf. weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne
jedoch nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden, da sie nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschafterbeschlüsse
handeln dürfe, sodass sie - selbst bei Belassung großer Freiheiten - der Überwachung durch die Gesellschafterversammlung unterliege.
Dies gelte auch dann, wenn diese Gesellschafter vom Überwachungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch machten. Ausreichend sei
insoweit deren vorhandene Rechtsmacht, also die Möglichkeit, das Weisungsrecht vorzunehmen. Dies gelte unabhängig vom Sitz
dieser Gesellschafter bzw. deren operativer Teilhabe am Arbeitsprozess der GmbH. Es sei kein unternehmerisches Risiko zu erkennen.
Die Klägerin beziehe ein festes Gehalt von 7.500,00 Euro monatlich, ohne den Wegfall dieser Bezüge bei schlechter Geschäftslage
befürchten zu müssen. Auftretende Schwankungen gezahlter Tantiemen entsprächen dem Entgeltrisiko, das ein vom Umsatz abhängig
bezahlter Arbeitnehmer ebenfalls zu tragen habe. Die Übernahme von Bürgschaften könne ein gewisses Unternehmerrisiko begründen.
Aber überwiegenden Gesichtspunkte sprächen für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
Mit ihrer am 9.4.2013 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen
wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Änderung von § 6 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages mit Beschluss
der Gesellschafterversammlung vom 17.9.2012 sei erfolgt, um auch nach außen zu dokumentieren, was bereits unter den Gesellschaftern
schon seit 2010 klar gewesen sei: Sie sei maßgeblich und alleinverantwortlich handelnde und allein entscheidende Führungsperson
im Unternehmen. Sie sei in ihren Einkünften nicht abhängig von der Tätigkeit als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1).
Denn sie arbeite nicht in Vollzeit für diese, sondern seit Jahren schon zusätzlich selbstbestimmt als Beraterin für mehrere
andere Auftraggeber, bei freier Zeiteinteilung, insbesondere für die Eisenhandel L GmbH & Co. KG in M. Das bestehende erhebliche
Unternehmerrisiko sei von der Beklagten unzutreffend nicht berücksichtigt worden. Zum einen erhalte sie eine Vergütung über
das unterdurchschnittliche Fixum hinaus nur abhängig vom Unternehmenserfolg. Zum anderen drücke sich der Unternehmergeist
der Klägerin auch darin aus, dass sie ohne zu zögern mit einem Kapital in beträchtlicher Höhe (100.000,00 Euro) für Verbindlichkeiten
gebürgt habe. Es sei von der Beklagten außer Acht gelassen worden, dass sie für 2012 aus unternehmerischem Verantwortungsbewusstsein
wegen der angespannten Geschäftslage des Unternehmens auf einen Teil ihres Gehalts von 7.500,00 Euro monatlich verzichtet
habe, und lediglich Bezüge in Höhe von 5.000,00 Euro vereinbart worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 30.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.3.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit
der Klägerin als GmbH-Geschäftsführerin vom 1.1.2012 bis 18.9.2012 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt wurde und keine Sozialversicherungspflicht bestand.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Im Verhandlungstermin am 23.9.2013 hat das SG den Zeugen K C, Prokurist der Beigeladenen zu 1), vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
verwiesen.
Das SG hat mit Urteil vom 23.9.2013 den Bescheid vom 30.8.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14.11.2012 und in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11.3.2013 aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin als GmbH-Geschäftsführerin
bei der Beigeladenen zu 1) keiner Sozialversicherungspflicht unterliegt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug
genommen.
Gegen das ihr am 7.11.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3.12.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass die Klägerin
aufgrund ihrer Minderheitsbeteiligung von 34 % und der fehlenden Sperrminorität nicht die Rechtsmacht gehabt habe, Einfluss
auf die Willensbildung der Gesellschaft zu nehmen und ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern. Auch nach den Regelungen
des Anstellungsvertrages sei sie an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden. Zudem enthalte der Anstellungsvertrag
arbeitnehmertypische Regelungen wie feste monatliche Vergütung, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.9.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Die Beklagte könne sich nicht auf das Urteil
des BSG vom 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, stützen, da dies eine andere Fallgestaltung betroffen habe. Das SG habe völlig zutreffend festgestellt, dass die Lage einer "Schönwetterselbständigkeit" vorliegend nicht gegeben sei. Denn
die Eltern der Klägerin befänden sich bereits im fortgeschrittenen Rentenalter und seien nicht mehr persönlich im Unternehmen
anwesend. Sie hätten sich völlig aus dem Unternehmen zurück gezogen und die Unternehmensleitung schon des Längeren der Klägerin
überlassen. Gesundheitsbedingt hätten sie sich auf ärztlichen Rat aus dem Unternehmen zurückgezogen. Eine Nutzung der der
Gesellschafterversammlung zustehenden Rechtsmacht sei aber nicht ohne weiteres möglich, sofern der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer
als einziger Gesellschafter tatsächlich in der Lage sei, Entscheidungen für die Gesellschaft zu fällen und entsprechende Geschäftsführungsmaßnahmen
vorzunehmen. Eine Änderung der Umstände sei daher nicht zu erwarten. Das erstinstanzliche Gericht habe seine Abwägung rechtsfehlerfrei
vorgenommen. Dieses habe zutreffend das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt und hierfür die Merkmale
Eingliederung in den Betrieb, unternehmerisches Risiko, Regelungen im Geschäftsführervertrag, Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot
des §
181 BGB, Alleinvertretungsberechtigung, Branchenkenntnis und die Weisungsfreiheit zugunsten der Annahme einer selbständigen Tätigkeit
gewertet. Sie habe schließlich im März/April 2012 eine zweite Bürgschaft über 100.000,00 Euro gegenüber einer Bank übernommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2.9.2015 hat der Vertreter der Beklagten folgenden weiteren Bescheid erlassen:
"Ich hebe den Bescheid vom 30.8.2012 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 14.11.2012 und des Widerspruchsbescheides
vom 11.3.2013 insoweit auf, als darin festgestellt wird, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin
bei der L Stahlhandel GmbH seit dem 1.1.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt.
Die vorgenannten Bescheide ergänze ich im Übrigen dahingehend, dass festgestellt wird für den Zeitraum vom 1.1. bis 18.9.2012,
dass in der Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der L Stahlhandel GmbH Versicherungsfreiheit in
der sozialen Pflegeversicherung bestanden hat."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) und 3) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen
Terminnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und form- und fristgerecht erhoben worden (§
151 Abs.
1 SGG). Die vollständig abgefasste Entscheidung ist der Beklagten am 7.11.2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei
dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen am 3.12.2013 eingegangen.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Bescheid vom 30.8.2012 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 14.11.2012
und des Widerspruchsbescheides vom 11.3.2013 sowie des Bescheides vom 2.9.2015 beschwert die Klägerin nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Denn sie sind im Hinblick auf die - nunmehr nur noch - festgestellte Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen
Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.1.2012 bis 18.9.2012 rechtmäßig.
Zunächst durfte die Beklagte in der Sache entscheiden (I.). Darüber hinaus ist die Beklagte zu Recht zu der Feststellung gelangt,
dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat (II.). Letztlich kann der Beginn
der Versicherungspflicht nicht nach §
7a Abs.
6 SGB IV hinausgeschoben werden (III.).
I. Zur Feststellung der Versicherungspflicht kann sich die Beklagte auf die Ermächtigungsgrundlage des §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV stützen. Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn,
die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung
einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von §
28h Abs.
2 SGB IV die DRV Bund, §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV.
Die Beklagte ist an einer Entscheidung in der Sache nicht durch den Bescheid der Barmer Ersatzkasse - einer der Rechtsvorgängerinnen
der Beigeladenen zu 2) - vom 19.9.2002 gehindert. Zwar handelt es sich hierbei um eine Statusentscheidung der Einzugsstelle
gem. §
28h Abs.
2 SGB IV und bei dem Einzugsstellenverfahren nach §
28h Abs.
2 SGB IV grundsätzlich um ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" i.S.d. §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV. Jedoch erstreckt sich die Bindungswirkung (§
77 SGG) dieses Bescheides nicht auf das streitige Rechtsverhältnis im Streitzeitraum vom 1.1. bis 18.9.2012. Denn Statusentscheidungen
sind tätigkeitsbezogen, sie beziehen sich immer auf konkrete Rechtsverhältnisse. Mit der Beendigung ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin
im Juli 2007 endete die rechtliche Wirkung des vorgenannten Bescheides. Er erledigte sich auf andere Weise (§ 39 Abs. 2 Zehntes
Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
II. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen Personen,
die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind [§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI), §
25 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III)].
1. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 SGB IV. Beschäftigung im Sinne von §
7 Abs.
1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine
Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall,
wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden
Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt
und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung
und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, [...]; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit
setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer
Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt
den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R; BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R, jeweils [...]).
Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber
den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., [...]; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände,
die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt,
ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen
worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen
Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur
der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist.
Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen
ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten
zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen
abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich
zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., [...]; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 376/12, jeweils [...]).
2. Dabei fällt zunächst nicht maßgeblich ins Gewicht, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.1.2012 bis zum 18.9.2012 als Gesellschafter-Geschäftsführerin
und damit gesellschaftsrechtlich betrachtet als Organ der Beigeladenen zu 1) tätig geworden ist.
Denn die vorgenannten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen anzuwenden (statt vieler: BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen
Beschäftigung ausgeschlossen, weil er in der Regel im Alltagsgeschäft keinen Einzelweisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und
Ort der Beschäftigung unterliegt oder gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Unerheblich ist auch,
dass er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nicht als Arbeitnehmer gilt. Denn nur in besonderen Ausnahmefällen hat der Gesetzgeber derartige Personen vom Kreis der
Beschäftigten bzw. der Versicherungspflichtigen ausgenommen, nämlich z.B. Vorstände von Aktiengesellschaften nach §§
1 Satz 4
SGB VI, §
27 Abs.
1 Nr.
5 SGB III [zu stellvertretenden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit: § 94 AktG und § 34 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen (VAG); BSG, Urteil v. 27.3.1980, 12 RAr 1/79, BB 1980, 1473]. Dieser Vorschriften bedürfte es nicht, wenn leitende Angestellte oder Organe juristischer Personen bereits
aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen nicht als Beschäftigte anzusehen wären (BSG, Urteil v. 8.12.1987, 7 Rar 25/86, USK 87170, 826; BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.).
Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter
(BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.; Senat. Urteil v. 2.4.2014, L 8 R 530/13; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13, jeweils [...]). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund
seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen
an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 Rar 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner
Gesellschafterrechte, die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8).
3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles
sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum bei der Beigeladenen
zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden ist, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden
Umstände in der Gesamtabwägung überwiegen.
a) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) im Rahmen einer abhängigen
Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ausgeführt wurde, ist der im Streitzeitraum unverändert gebliebene GF-AV
vom 14.12.2011. Bereits die Bezeichnung des Vertrages selbst als "Anstellungsvertrag" und die der Klägerin darin als "Angestellte"
sprechen für eine Beschäftigung. Zudem hat dieser nach seinem Inhalt maßgeblich arbeitsvertragstypische Elemente zum Gegenstand
und ist Ausdruck der der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) allein obliegenden abstrakten Rechtsmacht.
Für eine abhängige Beschäftigung und damit für eine Eingliederung in und eine Weisungsabhängigkeit von der Beigeladenen zu
1) spricht, dass der Geschäftsführer u.a. an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden ist (§ 1 Abs. 1 GF-AV).
Insbesondere ist der Geschäftsführer bei der Bestellung weiterer Geschäftsführer und einer zwischen diesen erfolgten Geschäftsverteilung
an die entsprechende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden (§ 1 Abs. 7 GF-AV). Diese ist zudem jederzeit berechtigt,
die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers zu beschränken, zu erweitern oder zu ergänzen, ohne dass dies auf die übrigen
Bestimmungen des GF-AV einen Einfluss hat (§ 2 Abs. 4 GF-AV). Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft im
Umfang der ihm durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erteilten und in der Vorbemerkung genannten Vertretungsberechtigung
(§ 2 Abs. 2 GF-AV). Die Klägerin ist verpflichtet, ihre gesamte Arbeitskraft und ihre gesamten Kenntnisse und Erfahrung der
Gesellschaft zur Verfügung zu stellen (§ 5 Abs. 1 GF-AV), wobei die freiberufliche Tätigkeit im Rahmen des Fernstudiums zur
berufsbegleitenden Weiterbildung von Fernstudenten des Stahlhandels zum Stahlhandel-Betriebswirt (BDS), durchgeführt vom Bundesverband
Deutscher Stahlhandel AG, Düsseldorf, als Prüferin, Dozentin, Fernlehrerin, Autorin, Fachbereichsleiterin Wirtschaft als Nebentätigkeit
genehmigt und die Klägerin für die mit dem Fernstudium verbundenen Seminare, Ausschusssitzungen und Prüfungen freigestellt
ist (§ 5 Abs. 4 GF-AV). Im Übrigen bedarf jedwede Nebentätigkeit, sei sie entgeltlich oder unentgeltlich, der vorherigen Zustimmung
der Gesellschafterversammlung (§ 5 Abs. 2 GF-AV). Zwar besteht keine Bindung an bestimmte Arbeitszeiten (§ 4 Satz 1 GF-AV).
Die Klägerin ist jedoch gehalten, ihre gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen (§ 5 Abs. 1 GF-AV),
ihre Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernisse auszurichten (§ 4 Satz 2 GF-AV) und die ihr obliegenden Pflichten unter
besonderer Beachtung der Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 GF-AV). Die Gestaltungsfreiheit der Klägerin
wird dadurch merklich eingeschränkt, als der Geschäftsführer für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb
der Gesellschaft hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf (§ 2 Abs. 3 GF-AV). Die Klägerin erhielt
ein festes monatliches Gehalt (§ 8 Abs. 1 GF-AV). Zwar hat sie Anspruch auf eine Tantieme nach Maßgabe der "Tantieme-Vereinbarung
des Geschäftsführers" (§ 8 Abs. 2 GF-AV), allerdings ist eine solche Abrede auch für abhängig Beschäftigte in leitender Funktion
nicht unüblich und trägt ihrer Verantwortung Rechnung. Für das Jahr 2012 bestand zudem kein Anspruch auf eine Tantieme. Der
Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr ist mit dem eines Arbeitnehmers vergleichbar (§ 14
Abs. 1 GF-V). Ferner erhielt sie u.a. eine Vergütungsfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (§ 9 GF-AV), Spesen-
und Aufwendungsersatz (§ 10 GF-AV), einen Dienstwagen zur privaten Nutzung bei Tragung der Betriebs- und Unterhaltungskosten
durch die Beigeladene zu 1) (§ 11 GF-AV), eine Versorgungszusage und Direktversicherung (§ 12 GF-AV) sowie eine Unfallversicherung
(§ 13 Abs. 1 GF-AV).
Die vertraglichen Regelungen zur Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall gewähren der Klägerin deshalb arbeitnehmertypische
Rechte, da ihr diese kraft Gesetzes als Geschäftsführerin einer GmbH nicht zustehen würden. Denn der Anspruch auf Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall aus §
3 Abs.
1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) steht nur Arbeitnehmern zu (§ 1 Abs. 1 EFZG), zu denen nur Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte zählen (§ 1 Abs. 2 EFZG), mithin "klassische" Arbeitnehmer, dagegen nicht Geschäftsführer wie die Klägerin.
Dagegen treten die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Indizien, nämlich die Freiheit bei der Bestimmung der Arbeitszeit
(§ 4 Abs. 1 GF-AV), die Befreiung von den Beschränkungen des §
181 BGB (Vorbemerkung des GF-AV) und die der Klägerin eingeräumte Alleinvertretungsberechtigung (Vorbemerkung des GF-AV) in den Hintergrund.
Dafür, dass dieser Vertrag lediglich zum Schein (§
117 BGB) geschlossen wurde, bestehen keine Anhaltspunkte. Eine Abänderung des Geschäftsführervertrags unter Beachtung seines qualifizierten
Schriftformerfordernisses (§ 17 Abs. 3 GF-AV) ist von den Beteiligten weder vorgetragen noch nachgewiesen worden. Vor diesem
Hintergrund kommt auch eine konkludente Abweichung im Rahmen der tatsächlichen Verhältnisse nicht in Betracht (BSG, Urteil v. 6.8.2012, B 12 R 14/10 R, [...], Rn. 25; Senat, Urteil v. 21.10.2015, L 8 R 67/15, [...]). Eine Beschränkung der Rechtswirkungen des GF-AV durch die Vertragsparteien nach Maßgabe der Individualnützlichkeit
auf einzelne Rechtsgebiete wie z.B. das Steuerrecht ist rechtlich nicht möglich (BSG, Urteil v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
b) Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage war die Klägerin nicht in ihrem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb,
nämlich dem der Beigeladenen zu 1), tatsächlich tätig. Die alleinige Betriebs- bzw. Unternehmensinhaberin war die Beigeladene
zu 1), die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschaftern
dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen
betrachtet werden muss (BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17). Während dieser Tätigkeit war die Klägerin daher vollständig in den fremden Betrieb und folglich
in eine ihr einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Eine andere Betrachtungsweise würde die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH in unzulässiger
Weise hinweg fingieren.
aa) Hierbei unterlag die Klägerin auch einem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bzgl. Ort, Zeit sowie Art und Weise der
Tätigkeit, da allein letzterer die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
Gemäß § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen, zu denen die Bestellung
und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Überprüfung der Geschäftsführung gehören (§ 46 Nr. 5 und 6 GmbHG), durch Beschlussfassung, vorliegend grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei je 100,00 DM eines
Geschäftsanteils eine Stimme gewährten (§ 6 GesV in der Fassung bis zum 18.9.2012).
Die Klägerin hatte demgemäß keine Möglichkeit, ihr nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen
zu 1) zu verhindern. Ihr fehlte in rechtlicher Hinsicht der notwendige maßgebliche Einfluss auf die Beigeladene zu 1). Ein
solcher maßgeblicher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v. H. des
Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (vgl.
BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, m.w.N., [...]). Mit einer Beteiligung von 34 % am Stammkapital war sie als Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerin ohne
umfassende Sperrminorität nicht in der Lage, ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern. Unerheblich ist, dass Weisungen tatsächlich
nicht erteilt wurden (BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17).
bb) Schließlich sind auch keine besonderen einzelfallbezogenen Umstände erkennbar, die abweichend vom Regelfall die Bindung
der Klägerin an das willensbildende Organ der Beigeladenen zu 1) ausschließen würden. Bei Geschäftsführern, die - wie die
Klägerin - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer
abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Eine hiervon abweichende Beurteilung kam nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nur in Betracht, wenn besondere
Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8). Solche besonderen Umstände wurden dann angenommen, wenn die
übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung
eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt
hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte.
(1) Ein derart beherrschender Einfluss ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften
erwogen worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch
familienhafte Rücksichtnahme geprägt und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, GmbHR 2000, 618; BSG, Urteil v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85, GmbHR 1987, 351; zurückhaltend hingegen BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182).
Diese Rechtsprechung ist allerdings insbesondere auf dem Boden leistungsrechtlicher Streitigkeiten ergangen und kann auf die
- im vorliegenden Verfahren aufgeworfene - versicherungsrechtliche Beurteilung nicht übertragen werden (BSG, Urteile v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R jeweils [...]; fortführend zu mitarbeitenden Minderheitsgesellschafter: BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R; zurückhaltend bereits BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Denn die Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen
und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs-
und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl. auch zu den folgenden Ausführungen: BSG, Urteile v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R jeweils [...]). Eine "Schönwetter-Selbständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen
Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht
anzuerkennen. Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht
Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es
nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen
Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen
die Feststellung der ggf. zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche
Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach §
28a Abs.
3 Satz 2 Nr.
1 Buchst. d
SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV).
Die familiäre Verbundenheit der Klägerin mit den übrigen Gesellschaftern der Beigeladenen zu 1), ihren Eltern, und damit etwaig
verbundene Rücksichtnahmen sind für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status daher unbeachtlich.
(2) Mangels der im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigen auch das besondere Fachwissen und die langjährige
Erfahrung der Klägerin kein anderes Ergebnis, auch wenn sie hierdurch den übrigen Gesellschaftern der Beigeladenen zu 1),
die über die Stimmenmehrheit verfügten, faktische überlegen war (vgl. auch zu den folgenden Ausführungen: BSG, Urteile v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R jeweils [...]). Eine vermeintliche "faktische Machtposition" rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme von Selbständigkeit.
Zwar sind ein besonderes Fachwissen und die Erfahrung eines Geschäftsführers für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens
durchaus von Bedeutung. Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an - hatte es aber allein der Mehrheitsgesellschafter K
L in der Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit der Klägerin auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise
den Unternehmenszweck der Beigeladenen zu 1) zu ändern, eine Neuausrichtung vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren. Ebenso
stand es ihm von Rechts wegen frei, die Klägerin von ihren Aufgaben zu entbinden, ihr zumindest aus wichtigem Grund zu kündigen
und sie durch einen anderen Geschäftsführer zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser dem Mehrheitsgesellschafter der Beigeladenen
zu 1) zukommenden Rechte im Hinblick auf die Fach- und Branchenkenntnisse der Klägerin möglicherweise höhere Betriebskosten
oder gar wirtschaftliche "Turbulenzen" der Beigeladenen zu 1) ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz fehlenden
Rechtsmacht der Klägerin, solche Maßnahmen des Mehrheitsgesellschafters abzuwenden, nichts.
(3) Es kann auch letztlich offen bleiben, ob die Gesellschafterversammlung ihr Weisungsrecht gegenüber der Klägerin tatsächlich
ausgeübt hat und ob sie im Alltagsgeschäft völlig freie Hand hatte (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3.2400 § 7 Nr. 20). Denn selbst wenn dem so wäre, geht dieser Einwand fehl (vgl. Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12, [...]). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe
am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils [...]). Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit als Beraterin für mehrere
andere Auftraggeber, insbesondere für die Eisenhandel L GmbH & Co. KG in M, und die damit verbundene freie Zeiteinteilung.
Eine derartige freie Zeiteinteilung bestand zudem lediglich vordergründig. Tatsächlich war die Klägerin nach ihren eigenen
Angaben im Verwaltungsverfahren für die Beigeladene zu 1) im Umfang von 50 Wochenstunden und damit im Rahmen einer Vollzeittätigkeit
tätig. Darüber hinaus schuldete sie der Beigeladenen zu 1) ihre gesamte Arbeitskraft und war verpflichtet, ihre Arbeitszeit
nach den betrieblichen Erfordernissen der Beigeladenen zu 1) auszurichten und ihre Pflichten unter besonderer Beachtung der
Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen. Von Rechts wegen bestand daher für die Klägerin die Verpflichtung vorrangig für
die Beigeladene zu 1) tätig zu werden. Eine hiervon abweichende Praxis der Klägerin ist nicht ersichtlich und hätte darüber
hinaus wegen der qualifizierten Schriftformklausel nicht zu einer konkludenten Abbedingung ihrer diesbezüglichen Vertragspflichten
führen können.
cc) Wesentliche Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen und letztlich im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen
überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind für den Senat nicht festzustellen.
(1) Zunächst verfügte die Klägerin nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin bestehende Betriebsstätte.
(2) Soweit der Klägerin eine Einzelvertretungsbefugnis erteilt und sie von den Beschränkungen des § 181 befreit worden ist,
ist das auch für einen abhängig beschäftigten Geschäftsführer nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige
Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, a.a.O.; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 5/13, [...], Senat, Urteil v. 24.6.2015, L 8 R 1054/14, [...]).
(3) Die Klägerin trug im streitigen Zeitraum auch kein in der Gesamtabwägung ausschlaggebendes Unternehmerrisiko. Nach der
ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des
Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich
ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-
SGB IV, 2. Auflage, §
7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko
auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen
(vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O., BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 376/12, [...]).
(a) Ein solches Unternehmensrisiko bestand zunächst nicht bezüglich ihrer Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft.
Diese setzte die Klägerin nicht mit ungewissem Erfolg ein. Sie erhielt nach § 8 Abs. 1 GF-AV eine monatlich gleichbleibende
und von der Ertragslage der Beigeladene zu 1) unabhängige Vergütung in Höhe von monatlich 5.000,00 Euro nebst weiteren Leistungen
(z.B. private Nutzung eines Dienstwagens etc.). Soweit die Beigeladene zu 1) in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten
mit der Gefahr einer Insolvenz geraten wäre, hätte die Klägerin lediglich das damit einhergehende Arbeitgeberinsolvenzrisiko
wie eine abhängig Beschäftigte getroffen.
Eine erfolgte Anknüpfung des Geschäftsführergehaltes an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist dem GmbH-Recht
auch im Fall eines abhängig beschäftigten Fremdgeschäftsführers ebenfalls nicht fremd. So ist im Falle der Krise der GmbH
die - zum Teil auf eine entsprechende Anwendung des § 87 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG), zum Teil auf die Treuepflicht gestützte - Verpflichtung des Geschäftsführers anerkannt, seine festen Bezüge (zeitweilig)
zu reduzieren. Unterlässt er dies, kann sich daraus ein Schadenersatzanspruch der GmbH ergeben (Oberlandesgericht [OLG] Köln,
Beschluss v. 6.11.2007, 18 U 131/07, NZG 2008, 637; Schmidt in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, 4. Auflage, B.3 Rdnr. 2.200; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Auflage, Anhang zu § 6 Rdnr. 34a; Senat, Urteil v. 24.6.2015, a.a.O.).
(b) Hinsichtlich des Einsatzes eigenen Kapitals ist ein maßgeblich ins Gewicht fallendes Risiko des Beigeladenen zu 1) gleichfalls
nicht ersichtlich.
(aa) Hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) bestand ein solches lediglich
in Höhe der Stammeinlage. Dieses war gesellschaftertypisch und nicht mit einem ihr eingeräumten weiteren Gestaltungsspielraum
verbunden.
(bb) Gleiches gilt für die von der Klägerin übernommenen Bürgschaften i.H.v. zusammen 200.000,00 Euro.
Bürgschaften begründen typischerweise keine unternehmerische Position im eigentlichen Sinne, denn durch sie erhöhen sich nicht
die rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Anders als bei der Gewährung eines Darlehens hat es der Bürge
noch nicht einmal in der Hand, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation Einfluss zu nehmen. Sie dienen ausschließlich
der Absicherung weiterer Verbindlichkeiten und haben selbst im Falle ihrer Kündigung bzw. Rücknahme allenfalls mittelbare
Auswirkungen (BSG, Urteil v. 29.7.2015, a.a.O.). Zwar mag die Klägerin wirtschaftlich betrachtet aufgrund der Bürgschaftsübernahmen ein erhebliches
Interesse an dem Fortbestand und dem wirtschaftlichen Erfolg der Beigeladenen zu 1) haben, die von dieser Absicherung profitierte.
Es geht allerdings nicht einmal über das Interesse eines jeden dritten Darlehensgebers oder Bürgen hinaus, der keine Gesellschaftsanteile
hält.
(cc) Bei der Würdigung der unternehmerischen Freiheiten ist auch die Zahlung einer variablen Vergütung zu berücksichtigen.
Tantiemenzahlungen kommen grundsätzlich nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als
(ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen
der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, mwN, [...], Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O. [...]). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer
nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit nicht
allein erheblich. Vorliegend liegt sie mit einer Höhe von höchstens 33 % ihrer sonstigen festen Bezüge gegenüber dem erfolgsunabhängigen
monatlichen Jahresentgelt in einem untergeordneten Bereich.
(4) Freiheiten bei der Gestaltung der Tätigkeit und Bestimmung der Arbeitszeit bestanden nicht in einer für Selbständigkeit
typischen Weise, sondern nur in Form weitreichender Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht
dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils [...]). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen zu II. 3. b) bb) (3) verwiesen.
III. Die Voraussetzungen eines späteren Beginns der Versicherungspflicht gem. §
7a Abs.
6 SGB IV liegen nicht vor. Die Antragstellung erfolgte nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit, die spätestens zum
1.1.2012 erfolgte. Die Antragstellung erfolgte erst am 4.6.2012, also etwas mehr als 5 Monate nach der Tätigkeitsaufnahme.
Versicherungsfreiheitstatbestände kommen nicht in Betracht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.