Anspruch auf Sozialhilfe, Übernahme des Sozialbeitrages für ein Studium
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt die darlehensweise Übernahme des Sozialbeitrages i. H. v. 157,96 Euro für die von ihm zum Winter-Semester
2007/2008 beabsichtigte Aufnahme des Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität E.
Der 1977 geborene Antragsteller bezog bis Juni 2007 monatlich 502,00 Euro BaföG zwecks Durchführung einer auf die Erlangung
der allgemeinen Hochschulreife gerichteten Schulausbildung, die er im Juni 2007 erfolgreich abschloss. Im Anschluss daran
beantragte er bei der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II). Er ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Die Antragsgegnerin nahm in die bis dahin aus seiner Frau
und seinen Kindern bestehende Bedarfsgemeinschaft auf und bewilligte dieser nun aus vier Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft
für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.09.2007 (Tag vor Aufnahme des vom Antragsteller beabsichtigten Studiums) Leistungen
nach dem SGB II.
Nachdem der Antragsteller mit Zulassungsbescheid vom 13.08.2007 der Zentralstelle für die Vergabe von Studiengebühren (ZVS)
einen Studienplatz für das Fach Rechtswissenschaft an der Universität E erhalten hatte, beantragte er am 16.08.2007 bei der
Antragsgegnerin die Gewährung eines Darlehens i. H. v. 157,96 Euro zwecks Übernahme des Sozialbeitrags für das angestrebte
Studium. Die Frist zur Annahme des Studienplatzes endete am 24.08.2007. Den Antrag lehnte die Antragsgegnerin noch am selben
Tag mit mündlichem Verwaltungsakt ab, wogegen der Antragsteller ebenfalls noch am selben Tag schriftlich Widerspruch einlegte
und ferner die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragte. Zu letzterem hat er vorgetragen, es sei ihm nicht möglich,
auch nur ansatzweise von seinem Regelsatz Zahlungen zu leisten, die nicht den täglichen Lebensbedarf decken sollten.
Die Antragsgegnerin hat für diesen Antrag schon keine besondere Eilbedürftigkeit gesehen, weil dem Antragsteller ohne die
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen drohten.
Sein Existenzminimung sei über die laufenden Leistungen nach dem SGB II gesichert, Obdachlosigkeit drohe ebenfalls nicht.
Auch liege kein Anordnungsanspruch vor, weil kein Anspruch auf ein Darlehen nach § 23 SGB II bestehe. Dies folge daraus, dass
die Kosten im Rahmen des Studiums schon keinen unabweisbaren Bedarf im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende darstellten.
Die Beigeladene hat ebenfalls keine besondere Eilbedürftigkeit gesehen und gemeint, der Anspruch lasse sich auch nicht aus
§ 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) herleiten. Diese Norm eröffne keine Möglichkeit, als unzureichend erachtete
Regelleistungen aufzustocken. § 23 Abs. 1 SGB II sei ebenso klar wie abschließend und könne nicht durch eine Heranziehung
des § 73 SGB XII überspielt werden. Im Übrigen würden Leistungen nach § 73 SGB XII nach Ermessen erbracht. Bei der Überlegung,
ein Studium aufzunehmen, handele es sich nicht um eine plötzliche Entscheidung, so dass der Antragsteller die erforderlichen
Studiengebühren hätte ansparen können. Zumindest hätte er sich an ein Kreditinstitut zwecks Studiengebührenfinanzierung wenden
können. Es sei auch nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, ein Studium der Rechtswissenschaften zu ermöglichen und zu fördern.
Vielmehr bezwecke der Gesetzgeber gemäß § 7 Abs. 5 SGB II bzw. § 22 SGB XII, die Grundsicherung für Arbeitssuchende von den
finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung frei zu halten.
Mit Beschluss vom 22.08.2007 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 23.08.2007 hat das Sozialgericht die Beigeladene
zur Darlehensgewährung i. H. v. 157,96 Euro mit Rückzahlungsverpflichtung in sechs Monatsraten à 30,00 Euro und einer Monatsrate
von 7,56 Euro verpflichtet und dies aus dem im SGB II zum Ausdruck kommenden Grundgedanken des "Förderns und Forderns" hergeleitet.
Würde dem Antragsteller nämlich die Möglichkeit genommen, ein Studium aufzunehmen, so könne dies bedeuten, dass ihm die Möglichkeit
genommen werde, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Zwar habe die Antragsgegnerin zutreffend die Voraussetzungen
für eine Darlehensgewährung nach dem SGB II verneint. Allerdings lägen die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Darlehens
nach § 73 SGB XII vor. Es bestehe nämlich eine atypische, besondere Bedarfslage und es sei eine Aufgabe von besonderem Gewicht
zu erfüllen. Nur wenn der Antragsteller rechtzeitig die Studiengebühren einzahle, könne er das angestrebte Studium noch in
diesem Semester aufnehmen und habe damit die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt in absehbarer Zeit selbst bestreiten zu können.
Dem Antragsteller sei es ausnahmsweise nicht möglich gewesen, den Betrag zurückzulegen. Bei Leistungen nach § 73 SGB XII handele
es sich zwar um Ermessensleistungen. Dieses Ermessen sei jedoch vorliegend auf "null" reduziert, weil der Antragsteller lediglich
ein Darlehen in geringer Höhe begehre, dessen Bewilligung für ihn besonders von Bedeutung sei.
Hiergegen richtet sich die am 23.08.2007 von der Beigeladenen eingelegte Beschwerde, mit der sie angesichts der vom Antragsteller
bezogenen Leistungen nach dem SGB II bereits dessen Bedürftigkeit anzweifelt. Auch sei der Grundsatz des Förderns und Forderns
im SGB II und nicht SGB XII verankert. Für den Sozialhilfeträger sei es vollkommen unerheblich, ob der Antragsteller ein Studium
aufnehme oder nicht. Er müsse auch nicht notwendigerweise studieren, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Vielmehr
sei einem 30-jährigen durchaus zuzumuten, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie
sicher zu stellen. Unbenommen sei es ihm, ein Fernstudium zu realisieren. Insgesamt könne weder ein Anordnungsgrund noch ein
Anordnungsanspruch erkannt werden.
II. Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 23.08.2007), ist begründet. Der Antragsteller
hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Für den Anordnungsanspruch fehlt schon eine Anspruchsgrundlage gegen Träger der Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII.
Vielmehr enthalten sowohl § 7 Abs. 5 SGB II als auch § 22 Abs. 1 SGB XII einen Ausschlussgrund für Leistungen an Auszubildende
wie auch für den Antragsteller, da das von ihm beabsichtigte Studium dem Grunde nach förderungsfähig nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz ist.
Soweit beide Normen Härteregelungen enthalten, verkennt das Sozialgericht deren Inhalt.
Es ist gerade die typische und keineswegs eine atypische jeden anderen Studenten (in spe) treffende Folge des Anspruchsausschlusses,
dass ein Studium wegen Geldmangels nicht aufgenommen oder fortgesetzt werden kann.
Andere außergewöhnliche Umstände - sieht man von dem untypischen Alter des Antragstellers mit 30 Jahren sowie der Aufnahme
eines Jurastudiums mit zu erwartender Dauer von mindestens 7 Jahren bis zum 2. Staatsexamen und zur Verwertung der Arbeitskraft
auf dem Arbeitsmarkt ab -, die die Annahme eines atypischen Härtefalles rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht
dargelegt.
Auch die weiteren vom Sozialgericht angestellten, rechtlich oberflächlich angerissenen Überlegungen tragen seine Entscheidung
nicht.
Zwar hat das Sozialgericht zutreffend erkannt, dass eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Darlehensgewährung aus § 23
SGB II schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil ein Anordnungsanspruch nicht vorliegt.
Einen Anordnungsanspruch will das Sozialgericht jedoch aus dem Grundsatz des Förderns und Forderns und aus § 73 SGB XII herleiten.
Soweit das "Fördern und Fordern" betroffen ist, weist der Senat darauf hin, dass sich auch aus diesem Grundsatz gegen die
Antragsgegnerin - den SGB II-Träger - keine konkreten Leistungsansprüche herleiten können (Spellbrink in Eicher/Spellbrink,
SGB II, Rn. 12 zu § 1 SGB II). Gleiches gilt für Ansprüche gegen die Beigeladene. Auch im SGB XII wird zwar der Grundsatz
des Förderns und Forderns betont (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Rn. 3 zu § 1 SGB XII). Hierbei handelt es sich
aber um einen bloßen Leitgedanken. Konkrete Leistungsansprüche lassen sich aus diesem Grundsatz auch gegen den Träger von
Leistungen nach dem SGB XII hingegen nicht begründen (vgl. Wahrendorf, aaO., Rn. 4).
Soweit sich das Sozialgericht für die von ihm vertretene Auffassung, die Beigeladene sei über § 73 SGB XII leistungspflichtig,
auf das grundlegende Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006 zu Az.: B 7 b AS 14/06 R beziehen möchte, kann der Senat dem ebenfalls nicht folgen. In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht (Rn. 22)
nämlich klargestellt, dass § 73 SGB XII gerade keine allgemeine Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II sein soll.
Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 -
74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt. Weder kann der Senat
eine auch nur gewisse Nähe zu diesen Bedarfslagen im Fall des Klägers feststellen noch sieht er hier eine Aufgabe von besonderem
Gewicht betroffen. Es ist auch nicht erkennbar, dass hier der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt sein könnte. Insoweit
ist darauf hinzuweisen, dass dem Antragsteller eben erst mit staatlichen Mitteln (BaföG) die Erlangung der allgemeinen Hochschulreife
und damit ein Bildungsabschluss ermöglicht worden ist, der dem Antragsteller ein Tätigwerden in weiten - auch gehobeneren
- Bereichen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu ermöglichen geeignet ist. Schon von daher liegt der vom Sozialgericht für notwendig
erachteten darlehensweisen Übernahme des Sozialbeitrages zwecks Aufnahme eines Studiums keine atypische Bedarfslage zur Erfüllung
einer Aufgabe von besonderem Gewicht zu Grunde. Überdies bezweifelt der Senat im Hinblick auf den in § 22 SGB XII zum Ausdruck
kommenden Gedanken des Vorrangs der Ausbildungsförderung schon generell, ob der Sozialhilfeträger außerhalb eines hier nicht
ersichtlichen besonderen Härtefalles verpflichtet sein kann, Leistungen wie den Sozialbeitrag im Vorfeld der Aufnahme eines
Studiums zu erbringen.
Ebenso wenig ist die für die Annahme eines Anordnungsgrundes erforderliche besondere Eilbedürftigkeit auch nur im Ansatz erkennbar.
Dem Antragsteller ist es vielmehr zumutbar, das Ergebnis eines eventuellen Hauptsacheverfahrens abzuwarten und sich bis dahin
um die Sicherung des Lebensunterhalts seiner Familie durch den Versuch der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu bemühen. Es
war ihm - wie jedem anderen - zumutbar, für die durch das absehbar auf ihn zukommende geplante Studium jedenfalls aus seinen
BaföG-Leistungen von monatlich 502,00 Euro Rücklagen zu bilden, um die hier geforderten Kosten selbst zu finanzieren. Der
Antragsteller hat keine tragfähige Begründung gegeben, warum ihm dies - wie von ihm behauptet - nicht möglich gewesen sein
soll. Zumutbar wäre angesichts der zu erwartenden Kosten auch die Aufnahme einer (Aushilfs-)Tätigkeit gewesen, wie dies bei
Schülern und Studenten heute nahezu der Regelfall ist. Letztlich zutreffend hat auch die Beigeladene darauf hingewiesen, dass
der Antragsteller ein Studiendarlehen hätte aufnehmen können.
Klarzustellen bleibt noch, dass der Antragsteller aufgrund dieses Beschlusses nicht, wie es die Konsequenz des Beschlusses
des Sozialgerichts wäre, die ihm am 24.08.2007 tatsächlich ausgezahlten 157,96 Euro mit 187,96 Euro (" ... 6 Monatsraten a
30,00 Euro und einer Monatasrate a 7,96 Euro ... ") zurück zu zahlen hat. Insoweit handelt es sich um einen offenbaren Rechenfehler
(§
138 SGG). Der Antragsteller hat 157,96 Euro zurück zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.