Unzulässigkeit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Beschluss zur Amtsenthebung eines Mitglieds
des Verwaltungsrates einer gesetzlichen Krankenkasse im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an einen groben Verstoß gegen Amtspflichten
[Gründe]
I.
Der Antragsteller (Ast) begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners
(Ag) vom 20.07.2020, mit dem er seines Amtes als Mitglied des Verwaltungsrates enthoben wurde.
Der Ast wurde mit der Sozialwahl im Jahr 2017 als Mitglied des Vereins C in den Ag gewählt und war seitdem Fraktionssprecher
des Vereins.
Im März 2018 berichtete der Vorstand der C gegenüber dem Ag über staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Mitarbeiter der C, die
mit Durchsuchungen in Geschäftsräumen in X und in C1 verbunden waren. Die laufenden Ermittlungen hätten sich auch auf Hausdurchsuchungen
in Privatwohnungen von Mitarbeitern erstreckt. Der Vorstand der C habe eine weitgehende Compliance-Prüfung des Sachverhalts
beschlossen. Es solle eine tiefgehende Untersuchung der Vorgänge vorgenommen werden. Darüber hinaus sei eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
mit der Überprüfung der Vorgänge beauftragt worden. Schließlich sei ein Anwalt für Strafrecht damit beauftragt worden, die
Rechte der C wahrzunehmen und zugleich eine umfassende Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft sicherzustellen. Hierüber
wurden die Mitglieder des Ag in der Sitzung am 16.03.2018 informiert. Zwischenberichte erfolgten in den Sitzungen vom 19.09.2018
und 19.11.2019.
Mit Schreiben vom 10.02.2020 wandte sich der Ast gemeinsam mit dem stellvertretenden Fraktionssprecher der C VersichertenGemeinschaft
unter Verwendung des offiziellen Briefbogens der Fraktion an die Staatsanwaltschaft Berlin und bat um Gewährung von Einsicht
in die Ermittlungsakten des Verfahrens gegen Mitarbeiter der C wegen Manipulationsverdachts und führte zur Begründung aus:
"... Wir sind Mitglieder des Verwaltungsrats der C und als solche gemäß §
197 Abs.
1 Nr.
1a SGB V verpflichtet, den Vorstand zu überwachen. Um sicherzustellen, dass uns in dieser Angelegenheit zutreffende Informationen
seitens des Vorstands der C gegeben worden sind, benötigen wir Einsicht in die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, um unserer
Aufsichtspflicht genügen zu können. Im Verwaltungsrat der C sind wir Fraktionssprecher und stellvertretender Fraktionssprecher
der größten Fraktion im Verwaltungsrat mit 10 von 30 Mitgliedern. ..."
Nachdem der Ag Kenntnis hiervon erhalten hatte, hörte er den Ast nach entsprechender Erörterung im Haupt- und Grundsatzausschuss
in der Sitzung vom 13.05.2020 mit Schreiben vom 14.05.2020 dazu an, dass beabsichtigt sei, in der Sitzung des Verwaltungsrats
am 26.06.2020 einen Beschluss darüber zu fassen, dass der Ast von seinem Amt als Mitglied des Ag zu entheben und die sofortige
Vollziehung des Beschlusses anzuordnen sei.
Hierzu führte der Ast mit Schreiben vom 04.06.2020 aus, er habe sich gegenüber der Staatsanwaltschaft keine Befugnisse des
Ag angemaßt. Das Schreiben vom 10.02.2020 stelle keine Erklärung im Namen des Ag dar. Es sei nicht der Eindruck suggeriert
worden, dass in dessen Namen gehandelt worden sei. Er habe es auch nicht unterlassen, den Ag hinsichtlich des Akteneinsichtsgesuchs
aufzuklären. Die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach §
59 Abs
3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) seien nicht erfüllt. Das Akteneinsichtsgesuch stelle keine Amtspflichtverletzung dar. §
197 Abs
1 Nr
1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) regele die Aufsicht über den Vorstand als Amtspflicht des Verwaltungsrates. §
197 Abs
2 SGB V lege fest, dass hierfür sämtliche Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen eingesehen und geprüft werden könnten. Dieses Einsichtsrecht
sei so auszulegen, dass auch sonstige behördliche Vorgänge in Bezug auf die Arbeit des Vorstandes einsehbar und überprüfbar
sein müssten, da die Aufsichtskompetenz sonst zu stark eingeschränkt sei. Folglich stelle das Akteneinsichtsgesuch keinen
Amtspflichtsverstoß dar, sondern die Wahrnehmung der Aufsichtspflichten und -rechte. Ein Antrag auf Akteneinsicht, welcher
in der
Strafprozessordnung vorgesehen sei und der im Einklang mit der Geschäftsordnung des Ag sowie dem gesetzlichen Auftrag seiner Mitglieder stehe,
könne kein schuldhaftes Verhalten darstellen. Jedenfalls ergebe eine Abwägung nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG), dass der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte gegenüber dem Gewicht der angeblichen Amtspflichtverletzung weit überwiege.
In seiner Sitzung vom 26.06.2020 beschloss der Ag unter Ausschluss der Öffentlichkeit, den Ast seines Amtes zu entheben und
die sofortige Vollziehung anzuordnen.
Mit Bescheid vom 20.07.2020 wurde dem Ast der Beschluss mitgeteilt und zur Begründung im Wesentlichen auf die Regelungen der
§§ 15 Abs 1 S 3 der GO VerwRat, 33 Abs 3 S 3, 59 Abs 3 S 1 SGVIV verwiesen. Dem Amtsenthebungsverfahren liege ein grober Verstoß gegen die dem Ast obliegenden Amtspflichten
als Verwaltungsratsmitglied zugrunde. Die Rechtsprechung habe den unbestimmten Rechtsbegriff der groben Amtspflichtverletzung
dahingehend konkretisiert, dass insbesondere ein durch die Verletzung von Informationspflichten gegenüber den übrigen Organmitgliedern
herbeigeführter Vertrauensverlust, die Verletzung des Grundsatzes des gemeinsamen Zusammenwirkens mit den weiteren Organmitgliedern
oder die Anmaßung von Kontrollbefugnissen eine grobe Amtspflichtverletzung begründen können. Es gehe letztlich darum, dass
ein aus mehreren Personen bestehendes Kontrollorgan seine Aufgaben als solches wahrnehme und nicht im Alleingang durch einzelne
Organmitglieder. Der Ast habe gegen die Verpflichtungen zur kollegialen Zusammenarbeit und gegenseitigen Information verstoßen.
Er habe sich durch sein unabgestimmtes Verhalten Kontrollbefugnisse angemaßt, die lediglich dem Verwaltungsrat als Organ,
nicht aber ihm als Organmitglied zustünden. Hierin liege eine grobe Amtspflichtverletzung. Der Ast könne sich auch nicht auf
die Regelung in § 14 Abs 1 S 2 GO VerwRat berufen, da diese ein an die Staatsanwaltschaft gerichtetes Akteneinsichtsgesuch dem eindeutigen Wortlaut nach nicht
erfasse. Auch liege eine Amtspflichtverletzung darin begründet, dass der Ast den Ag nicht zumindest nach Stellung des Akteneinsichtsgesuchs
bei der Staatsanwaltschaft Berlin informiert habe. Zusammenfassend liege die Amtspflichtverletzung in dem Verstoß gegen das
Gebot des gemeinsamen Zusammenwirkens einschließlich des unzulässigen Außenauftritts unter Berufung auf die Mitgliedschaft
im Ag sowie dem Verstoß gegen die Verpflichtung zur gegenseitigen Information. Das nicht abgestimmte Vorgehen als solches
begründe eine grobe Verletzung der Amtspflicht des Ast. Darüber hinaus habe dieser durch sein Verhalten den unzutreffenden
Eindruck bei der Staatsanwaltschaft Berlin erweckt, der Vorstand der C verschweige gegenüber dem Aufsichtsgremium Ag relevante
Informationen, sodass dieser seiner Kontrollfunktion nicht hinreichend nachkommen könne. Dies stelle einen Eingriff in die
Zusammenarbeit des für das operative Geschäft verantwortlichen Hauptamtes mit der Ermittlungsbehörde dar. Die Zusammenarbeit
mit dem Ast sei den übrigen Mitgliedern des Ag auf Grundlage des eingetretenen Vertrauensverlustes nicht mehr zumutbar. Dies
werde durch den Umstand verstärkt, dass der Ast keine Einsicht in die Vorwerfbarkeit seines Handelns zeige. Vor diesem Hintergrund
bestehe nicht nur eine Wiederholungs-, sondern auch eine Nachahmungsgefahr. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei daher
gerechtfertigt.
Hiergegen legte der Ast mit Schreiben vom 28.07.2020 Widerspruch ein.
Am 03.08.2020 hat der Ast beim Sozialgericht Berlin den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gestellt, zur Begründung sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, der Beschluss zur
Amtsenthebung sei bereits formell rechtswidrig, da er nicht öffentlich gefasst worden sei. Ein Antrag auf Akteneinsicht könne
das Ansehen des Vorstandes bzw des Ag in der Öffentlichkeit ersichtlich nicht erschüttern. Es könne im Hinblick auf die bloße
Antragstellung bei der Staatsanwaltschaft nicht von einem groben Verstoß gegen seine Amtspflichten ausgegangen werden. Dies
gelte umso mehr, als die Frage des stellvertretenden Vorsitzenden seiner Fraktion bezüglich der das Ermittlungsverfahren betreffenden
Vorgänge der KV C2 und KV I im Rahmen der 11. Sitzung des Haupt- und Grundsatzausschusses am 19.11.2019 nicht hinreichend
beantwortet worden sei und sich für ihn der Eindruck einer nicht ausreichenden und in jedem Falle nicht vollumfänglichen unparteiischen
Information des Ag über den Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben habe. Auch ein am 13.05.2020 gestellter
Antrag auf Protokolländerung dahingehend, dass die entsprechenden Nachfragen in das Protokoll aufgenommen werden sollten,
sei abgelehnt worden. Im Hinblick auf den gesamten Sachverhalt dränge sich die Schlussfolgerung auf, dass die politische Mehrheit
des Verwaltungsrates den streitgegenständlichen Vorgang lediglich politisch ausnutze, um wegen der vom Vorstand des Ag blockierten
Amtsenthebungsanträge der Fraktion des Ast gegenüber eines aus der Fraktion ausgetretenen Mitglieds den politischen Gegner
zu attackieren. Das Amtsenthebungsverfahren sei jedoch nicht das richtige Mittel, um politische Meinungsverschiedenheiten
auszufechten.
Der Ag hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid sei aus den dort dargelegten Gründen rechtmäßig. Der Antragsteller
habe den Grundsatz des gemeinsamen Zusammenwirkens verletzt. Durch die Nutzung des Briefkopfes der Fraktion und die Berufung
auf seine Funktion als Mitglied des Ag habe er sich Kontrollbefugnisse des Ag angemaßt und diesen zudem nicht hierüber informiert.
Er habe den Vorstand und den Ag diskreditiert. Es liege ein grober Verstoß gegen die Amtspflichten vor, der zu einem Vertrauensverlust
geführt habe. Die Funktionsfähigkeit des Ag sei gestört. Der Grundsatz der Öffentlichkeit sei nicht verletzt, da es sich um
eine personelle Angelegenheit iSd §
63 Abs
3 S 2
SGB IV gehandelt habe.
Mit Beschluss vom 20.08.2020 hat sich das Sozialgericht Berlin für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das
Sozialgericht Köln (SG) verwiesen.
Mit Beschluss vom 11.12.2020 hat das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast gegen den Bescheid vom 20.07.2020 angeordnet. Unter Berücksichtigung der
widerstreitenden Interessen der Beteiligten sei im Rahmen der von der Kammer zu treffenden Ermessensentscheidung die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs des Ast gegen den angefochtenen Bescheid vom 20.07.2020 anzuordnen, da an der Rechtmäßigkeit der
Amtsenthebung des Ast erhebliche Zweifel bestünden. Gemäß §§
59 Abs
3 und
4,
31 Abs
3a und
33 Abs
3 S 3
SGB IV habe der Verwaltungsrat einer Krankenkasse eines seiner Mitglieder durch Beschluss seines Amtes zu entheben, wenn es in grober
Weise gegen seine Amtspflichten verstößt. Amtspflicht sei das Handeln nach Gesetz und Recht im Sinne des Art
20 Abs
3 Grundgesetz. Ein solcher Verstoß gegen Recht und Gesetz liege im vorliegenden Fall nicht vor. Ein Verstoß des Ast gegen die ihm obliegende
Informationspflicht aus § 14 Abs 1 S 3 GO VerwRat liege bereits deshalb nicht vor, weil es sich bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten nicht um Geschäfts-
und Verwaltungsunterlagen der Ag handele. Zwar sei dem Ag insoweit zuzustimmen, als die Kontrolle des Vorstands auf Grundlage
der §§ 35a Abs 2
SGB IV, 197 Abs 1 Nr 1a
SGB V grundsätzlich dem Verwaltungsrat als Organ und nicht den einzelnen Mitgliedern des Verwaltungsrats obliege. Daraus folge
jedoch nicht, dass es dem Ast als Mitglied des Ag verwehrt sei, persönlichen Zweifeln an den Informationen des Vorstandes
durch die Einholung ergänzender Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen begegnen. Ein solches Mittel könne auch ein
Antrag auf Einsichtnahme in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sein. Der Ast habe sich auch keine Befugnisse angemaßt,
die ihm nicht zustehen. Er habe seine Position als Mitglied des Ag und stellvertretender Fraktionsvorsitzender deutlich gemacht.
Seinem Schreiben sei aber nicht zu entnehmen, dass er im Namen und Auftrag der Fraktion oder gar des Ag handele. Eine Pflicht
des Ast zur unbedingten Loyalität gegenüber dem Vorstand der C ergebe sich aus dem Gesetz und der Geschäftsordnung nicht.
Diese würde der gesetzlichen Kontrollpflicht des Ag gegenüber dem Vorstand widersprechen. Es habe auch keine Verletzung der
Verschwiegenheitspflicht aus § 14 Abs 3 GO VerwRat vorgelegen, da die Staatsanwaltschaft bereits Kenntnis von ihren Ermittlungen gehabt und der Ast insoweit jedenfalls
keine Geheimnisse offenbart habe. Darüber hinaus sehe das Gericht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ast dem Ansehen
des Ag durch den Antrag auf Akteneinsicht geschadet haben könnte. Die Selbstverwaltung des Ag sei demokratisch organisiert.
Meinungsverschiedenheiten und Zweifel an der Position Anderer sei Bestandteil und Motor der demokratischen Willensbildung.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der dargelegten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides
überwiege das Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Ast das Interesse der Ag an der sofortigen Vollziehbarkeit
ihres Bescheides.
Gegen den am 15.12.2020 zugestellten Beschluss hat der Ag am 16.12.2020 Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen
sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Dass SG habe einen unrichtigen, mit der Rechtsprechung des BSG und der Landessozialgerichte nicht im Einklang stehenden Entscheidungsmaßstab angelegt. Nach der Rechtsprechung des BSG liege eine Amtspflichtverletzung vor, wenn ein Organmitglied schuldhaft gegen die Belange des Versicherungsträgers handele.
Die Amtspflichten der Organmitglieder ergäben sich aus dem gesetzlichen Auftrag der Versicherungsträger und der Rechtsstellung
als Organmitglied einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft. Das BSG verweise insofern auf die Gesetzesvorschriften der §§
31 und
35 SGB IV. Eine Amtspflichtverletzung ergebe sich auch dann, wenn ein Verwaltungsratsmitglied die ihm zur Ausübung seines Mandats eingeräumten
Rechte und Kompetenzen übertrete und damit den Belangen der Körperschaft einen Schaden zufügt, etwa indem es das Vertrauen
der anderen Mitglieder in die notwendige gedeihliche Zusammenarbeit zerstöre. Dass SG habe dem Ast eine individuelle und subjektive Rechtsstellung von überschießender Intensität eingeräumt. Ein Verwaltungsratsmitglied
könne eigene Rechte nur aus der Mitgliedschaft im Verwaltungsrat als Kollegialorgan ableiten. Denn nur diesem und dessen Vorsitzenden
schreibe das Gesetz eigene Rechte zu. Diese Rechte seien nur von dem Verwaltungsrat als Kollegialorgan gemeinschaftlich wahrzunehmen,
wenn nicht das Gesetz oder die nach §
33 Abs
1 SGB IV erlassenen Regelungen etwas anderes ausdrücklich anordnen. Die Wahrnehmung der dem Verwaltungsrat durch Gesetz übertragenen
Aufgaben durch einzelne Organmitglieder bedürfe also einer entsprechenden Aufgabenzuweisung unmittelbar durch Gesetz oder
durch das Kollegialorgan. Dies gelte erst recht, wenn eine Akteneinsicht bei Dritten erfolgen soll. Die Willensbildung innerhalb
des Kollegialorgans Verwaltungsrat erfolge durch Beschlussfassungen innerhalb der abzuhaltenden Sitzungen.
Ein Handeln nach außen durch einzelne Verwaltungsratsmitglieder sei dem Verwaltungsrat als Kollegialorgan fremd. Der Antragsteller
habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Ag bzw im Ag zu erkennen gegeben, die Ermittlungsakten einsehen zu wollen. Er habe
nicht einmal versucht, einen förmlichen Beschluss über sein Begehren im Ag herbeizuführen. Andere Ansichten könnten in einem
Kollegialorgan aber nicht "auf eigene Faust" und "hinter dem Rücken" des Kollegialorgans durchgesetzt werden. Es sei vielmehr
im Rahmen des Ag selbst auf demokratischen Weg ein Beschluss zum Vorgehen des Kollegialorgans zu treffen. Durch das eigenmächtige
und pflichtwidrige Verhalten des Ast sowie des stellvertretenden Fraktionssprechers sei das Vertrauen sämtlicher Verwaltungsratsmitglieder
der anderen Fraktion in eine Zusammenarbeit mit dem Ast nachhaltig zerstört worden. Durch die Zerstörung der Vertrauensgrundlage
sei die Funktionsfähigkeit des Ag nachhaltig beeinträchtigt. Durch sein eigenmächtiges Verhalten habe der Ast gezeigt, dass
er nicht bereit sei, sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit in einem Kollegialorgan zu halten. Dies habe
der Ast im Beschwerdeverfahren bestätigt, indem er ausgeführt habe, dass er auf einen an den Verwaltungsrat gerichteten förmlichen
Antrag auf Beschlussfassung über die Stellung eines Akteneinsichtsgesuch wegen befürchteter Aussichtslosigkeit bewusst verzichtet
habe. Sanktioniert werde nicht der Eintritt eines finanziellen Schadens beim Sozialversicherungsträger, sondern allein das
pflichtwidrige Verhalten des jeweiligen Mitglieds des Selbstverwaltungsorgans.
Der Ag beantragt schriftsätzlich,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 11.12.2020 aufzuheben und den Antrag des Ast auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Ag vom 20.07.2020 abzulehnen.
Der Ast beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für rechtmäßig und wiederholt zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
Die Fragen des stellvertretenden Sprechers der Fraktion des Ast hinsichtlich der Vorgänge in Hessen und Bayern im Zusammenhang
mit der Compliance Sonderprüfung seien unbeantwortet geblieben. Vielmehr habe Professor Dr. A hierzu erläutert, dass man sich
angesichts der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und der Komplexität zunächst bewusst auf die Vorgänge in C1fokussiert
habe. Die Nachfragen des stellvertretenden Fraktionssprechers seien nicht protokolliert worden. Der Antrag auf Protokolländerung
sei abgelehnt worden. Aus diesem Grunde sei auch nicht versucht worden, einen förmlichen Beschluss zur Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsakte im Ag herbeizuführen, da dies mit Blick auf die Auseinandersetzung zur wahrhaften Darstellung der Niederschrift
der Sitzung vom 19.11.2019 als aussichtslos eingeschätzt worden sei. Es sei zu erwarten gewesen, dass ein entsprechender Antrag
im Ag mit der entsprechenden Mehrheit, welche auch die Amtsenthebung beschlossen habe, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
abgelehnt worden wäre. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welcher Rechtsnorm sich die behauptete unbedingte Loyalitätspflicht
der Mitglieder des Ag ergeben solle oder woher diese systematisch herzuleiten sei. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse für eine Amtspflichtverletzung gegen gesetzliche Pflichten verstoßen werden. Es sei eine (grob fahrlässig begangene)
aus normierten Ge- oder Verbotssätzen ableitbare schwere Amtspflichtverletzung und nicht eine bloße Interessenverletzung erforderlich.
Darüber hinaus habe das BSG deutlich gemacht, dass Verwaltungsratsmitglieder eigene Interessen und Rechte hätten. Dies sei mit der von dem Ag behaupteten
unbedingten Loyalitätspflicht gegenüber dem Kollegialorgan und der angeblich fehlenden eigenen Befugnisse der Verwaltungsratsmitglieder
für ein Auftreten nach außen nicht vereinbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast gegen den Bescheid des Ag vom 20.07.2020 angeordnet.
Bei sachdienlicher Auslegung seines Eilantrages begehrt der Ast, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid
des Ag vom 20.07.2020 anzuordnen und nicht "wiederherzustellen". Anders als in der Terminologie des §
80 Abs
5 S 1
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) umfasst im sozialgerichtlichen Verfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch den Fall, dass die Verwaltung - wie
vorliegend - den kraft Gesetz eintretenden Suspensiveffekt des Widerspruchs durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung
im Einzelfall aufhebt (vgl Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.03.2021 - L 11 KA 15/12 B ER - in juris Rn 23; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 04.07.2013 - L 1 KR 39/13 B ER - in juris Rn 4 mwN).
Gemäß §
86a Abs
1 S 1
SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Nach §
86a Abs
2 Nr
5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden
Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat,
die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Das
Gericht kann in diesen Fällen gemäß §
86b Abs
1 S 1 Nr
2 SGG die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen.
Das Gesetz enthält keine Regelung, wann und unter welchen Bedingungen das Gericht die aufschiebende Wirkung herzustellen hat.
Sie ist durch die Auslegung zu gewinnen. Danach ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder eine
Klage Ergebnis einer Interessenabwägung. Hierbei ist insbesondere die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.
Verspricht der Rechtsbehelf offenbar Erfolg, besteht regelmäßig kein Interesse an der sofortigen Vollziehung, während umgekehrt
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn der Rechtsbehelf aussichtslos ist. Ist
die Erfolgsaussicht offen, muss das Gericht die Interessen der Beteiligten an der sofortigen Vollziehung bzw an der Aussetzung
der strittigen Entscheidung gegeneinander abwägen (vgl Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.01.2005 - L 4 B 49/04 KR ER - in juris Rn 41).
Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht mehr dafür als dagegen, dass der
Ag den Ast mit Beschluss vom 26.06.2020 seines Amtes entheben durfte und der Bescheid vom 20.07.2020 rechtmäßig ist.
Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 26.06.2020 ergibt sich nicht daraus, dass der Beschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit
gefasst worden ist. Gemäß §§
63 Abs
3 S 2, 33 Abs
3 S 2
SGB IV i.V.m. § 4 Abs 1 GO VerwRat sind die Sitzungen der Vertreterversammlung zwar grundsätzlich öffentlich. Dies gilt aber nicht, soweit sie sich
ua mit personellen Angelegenheiten des Versicherungsträgers befassen. Bei der Amtsenthebung des Ast handelt es sich um eine
"personelle Angelegenheit". Hiervon sind grundsätzlich solche Angelegenheiten umfasst, die individuell bestimmte Person betreffen,
vor allem Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane (vgl Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 04.07.2013 - L 1 KR 39/13 B ER - in juris Rn 6). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der weiteren Ausführungen des Landessozialgerichts Hamburg
in dem genannten Beschluss. Zum einen betreffen die Ausführungen nicht die vorliegende Fallkonstellation, da der Vorrang des
Öffentlichkeitsgebots in Fällen von personellen Angelegenheiten durch das Landessozialgericht lediglich für wesentliche Organisationsakte
begründet worden ist, zu denen es die Wahl und Amtsenthebung des Geschäftsführers bzw des hauptamtlichen Vorstands rechnet.
Hiervon unterscheidet sich der Fall der Amtsenthebung eines Verwaltungsratsmitglieds schon insofern, als dieses - anders als
gemäß §
35a Abs
5 SGB IV der Vorstand - nicht durch den Verwaltungsrat, sondern gemäß §
46 Abs
1 SGB IV durch die Versicherten und die Arbeitgeber aufgrund von Vorschlagslisten gewählt werden. Es handelt sich bei der Wahl und
auch bei der Amtsenthebung eines Verwaltungsratsmitglieds nicht um einen "wesentlichen Organisationsakt" durch den Ag. Darüber
hinaus bestehen auch erhebliche Bedenken gegen die dem ausdrücklichen Wortlaut des §§
63 Abs
3 S 2, 33 Abs
3 S 2
SGB IV widersprechende Auslegung durch das Landessozialgericht Hamburg (vgl hierzu SG Mainz, Urteil vom 30.10.2019 - S 14 KR 35/18 - in juris). Hätte der Gesetzgeber eine Regelung zur zwingenden Öffentlichkeit bei personellen Angelegenheiten schaffen wollen,
hätte er dies im Rahmen des §§
63 SGB IV tun können (vgl SG Mainz, aaO Rn 88). Dass er dies nicht getan hat, lässt darauf schließen, dass er dem Schutz der Persönlichkeitsrechte
des Betroffenen Vorrang vor den Interessen der Öffentlichkeit und der Medien an Information zumindest bis zu einer abschließenden
(auch gerichtlichen) Klärung einräumen wollte.
Nach §§
59 Abs
3 und
4,
31 Abs
3a und
33 Abs
3 S 3
SGB IV hat der Verwaltungsrat einer Krankenkasse eines seiner Mitglieder durch Beschluss seines Amtes zu entheben, wenn das Mitglied
in grober Weise gegen seine Amtspflichten verstößt. Der Verwaltungsrat kann die sofortige Vollziehung des Beschlusses anordnen,
die Anordnung hat die Wirkung, dass das Mitglied sein Amt nicht ausüben kann. Eine entsprechende Regelung findet sich auch
in § 15 Abs 1 S 3 und 4 GO VerwRat.
Was Amtspflichten sind, bestimmt sich nach dem gesetzlichen Auftrag der Sozialversicherungsträger und nach der Rechtsstellung
des Betroffenen als Organmitglied einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft (vgl BSG, Urteil vom 29.06.1979 - 8b RK 4/79 - in juris Rn 18). Amtspflicht ist danach vor allem, die sich aus dem gesetzlichen Auftrag
ergebenden Belange des Versicherungsträgers im Zusammenwirken mit den übrigen Organmitgliedern zu verwirklichen (BSG, aaO). Dem Amtsträger kommt dabei gegenüber dem Sozialversicherungsträger die persönliche Verhaltenspflicht zu, seine Aufgaben
im Einklang mit dem objektiven Recht sowie übereinstimmend mit Treu und Glauben wahrzunehmen (vgl Palsherm I. in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl., §
59 SGB IV Rn 25 mwN). Ein Verstoß dagegen ist iSd §
59 Abs
3 S 1
SGB IV grob, wenn er objektiv nach Art und Inhalt sowie in seiner Auswirkung auf die Belange des Versicherungsträgers erheblich
gegen die Amtspflichten verstößt und dies subjektiv schuldhaft geschieht (BSG, aaO Rn 20; Palsherm, aa0). Ein grober Verstoß setzt zudem nicht zwingend einen erheblichen finanziellen Schaden voraus (Palsherm,
aaO). Die "Grobheit" der Amtspflichtverletzung ist im Ergebnis zu bejahen, wenn Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem
Maße verletzt werden (Palsherm, aaO).
Der Ast hat in grober Weise gegen seine Pflichten aus der Mitgliedschaft bei dem Ag verstoßen. Die Amtspflichten des Ag und
seiner Organmitglieder ergeben sich im Wesentlichen aus §§
31,
33 SGB IV i.V.m. §
197 SGB V und werden durch die gemäß §
33 Abs
1 und
3 SGB IV, §
197 Abs
1 Nr
1 SGB V zu beschließende Satzung entsprechend den dort getroffenen Regelungen konkretisiert. Während §§
31,
33 SGB IV, 197
SGB V die Rechte des Ag als Kollegialorgan regeln, ergeben sich die Rechte der einzelnen Organmitglieder/Verwaltungsratsmitglieder
zur Mitarbeit im Rahmen des Ag aus der GO VerwRat. Hierzu zählt die Teilnahme am Abstimmungsverfahren (§ 5), das Einbringen von Anträgen und Anfragen (§ 6), das Recht zur Erhebung von Einspruch gegen die Niederschrift (§ 8 Abs 5),
die Mitarbeit in Ausschüssen (§ 10), das Fragerecht an den Vorstand und die Bereichsleiter/innen sowie das Recht zur Einsichtnahme
und Prüfung sämtlicher Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen der C. Demgegenüber regelt § 13 GO VerwRat, dass den erforderlichen Schriftverkehr des Verwaltungsrates nach außen die/der Vorsitzende bzw dessen Vertreter
führt. Entsprechend sind bei einzelnen Mitgliedern des Verwaltungsrates eingehende Zuschriften, die einer Beantwortung durch
den Verwaltungsrat erfordern, an das Büro der Selbstverwaltung abzugeben. Lediglich bei Zuschriften, die allgemeine gesundheitspolitische
Angelegenheiten betreffen, besteht die Befugnis des Verwaltungsratsmitglieds zur Beantwortung in eigener Verantwortung.
Damit sind die Befugnisse des einzelnen Verwaltungsratsmitglieds, die im Wesentlichen die Beteiligung an der internen Willensbildung
des Verwaltungsrats betreffen, klar geregelt und von der grundsätzlich dem Vorsitzenden als Vertreter des Ag obliegenden Vertretung
des Ag als Kollegialorgan nach außen abzugrenzen. Ein Handeln nach außen durch einzelne Verwaltungsratsmitglieder ist - worauf
der Ag zutreffend hingewiesen hat - dem Verwaltungsrat als Kollegialorgan, von der og Ausnahme abgesehen, fremd. Vielmehr
hat das einzelne Verwaltungsratsmitglied die Möglichkeit, zB durch Anträge, Anfragen, Mitarbeit in den Ausschüssen und durch
sein Abstimmungsverhalten auf bestimmte Beschlüsse, Handlungen oder Maßnahmen des Ag hinzuwirken und damit (mittelbar) Außenwirkung
zu erzielen. Dabei besteht die Möglichkeit, gegen missliebige Beschlüsse die zulässigen Rechtsmittel einzulegen. Es ist ihm
aber verwehrt, abweichende Ansichten unter Umgehung des Verwaltungsrats als Kollegialorgan durchzusetzen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine Amtspflichtverletzung des Ast darin, dass er unter Umgehung einer entsprechenden
Beschlussfassung durch den Ag und unter Verstoß gegen § 13 Abs 2 GO VerwRat eigenmächtig ohne entsprechendes Mandat Einsicht in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Berlin beantragt hat.
Vielmehr hätte es einem ordnungsgemäßen Verfahrensgang entsprochen, unter Darlegung der hinsichtlich der unzureichenden Informationen
geäußerten Bedenken einen Beschluss des Ag zur Beiziehung der Ermittlungsakten herbeizuführen und im Falle einer Ablehnung
die hiergegen zulässigen Rechtsmittel einzulegen. Dadurch, dass der Ast diesen Weg (bewusst) umgangen hat, hat er - entgegen
der durch ihn vertretenen Auffassung - sich durchaus explizit dem Ag als Kollegialorgan bzw dessen Vorsitzenden zustehende
Befugnisse angemaßt. Dies gilt umso mehr, als er das Recht auf Akteneinsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft unmittelbar
mit seiner Stellung als Mitglied des Ag sowie als Fraktionssprecher der größten Fraktion hergeleitet hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs 1 GO VerwRat, der lediglich die Befugnis zur Einsichtnahme und Prüfung der internen Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen der C
zur Ermöglichung der Mitwirkung im Verwaltungsrat an der Überwachung des Vorstands regelt, nicht jedoch die Befugnis zur eigenmächtigen
Beiziehung von Unterlagen Dritter eröffnet. Es handelt sich bei der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft auch gerade nicht
um allgemein zugängliche Informationen, deren Beiziehung und Nutzung durch Mitglieder des Ag keine Bedenken entgegenstehen.
Dies ergibt sich bereits aus der in §
475 StPO getroffenen Regelung, wonach Auskunft und Akteneinsicht nur im Falle eines berechtigten Interesses gewährt werden kann.
Entgegen der Auffassung des Ast führt auch die Berücksichtigung des §
197 SGB V zu keiner anderen Beurteilung. Hieraus ergibt sich die Befugnis des Verwaltungsrats als Kollegialorgan zur Überwachung des
Vorstands, wohingegen die internen Mitwirkungsrechte der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder an den Beschlussfassungen des
Ag nach og in der GO VerwRat geregelt sind.
Auch § 5 Abs 2 der Satzung der C vom 01.01.2017 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die Mitglieder des Verwaltungsrates
üben ihre Tätigkeit danach ehrenamtlich nach ihrer freien, nur durch das Gesetz oder sonstiges für die C maßgebendes Recht
sowie durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung aus und sind an Aufträge nicht gebunden. Hieraus
ergibt sich gerade nicht die Berechtigung des Ast sich - wie vorliegend aber geschehen - über die GO VerwRat hinwegzusetzen. Im Gegenteil wird hier die Bindung an die Geschäftsordnung als "sonstiges für die C maßgebendes Recht"
nochmals ausdrücklich formuliert.
Es liegt auch eine grobe Amtspflichtverletzung vor. Der Ast hat auf Nachfrage des Senats mit Schriftsatz vom 02.03.2021 eingeräumt,
dass er nicht versucht habe, einen förmlichen Beschluss zur Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte im Verwaltungsrat
herbeizuführen, weil er "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" mit der Ablehnung eines entsprechenden Antrags gerechnet
habe. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit ist, sich im Rahmen seiner Tätigkeit im Ag an die nach og hierfür
maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu halten und die Mehrheitsmeinung zu respektieren. Vielmehr hat er sich bewusst
und unter Umgehung des Ag über den ihm gesetzten rechtlichen Rahmen hinweggesetzt. Der Senat sieht hierin ein besonders hohes
Maß an Verletzung seiner Pflichten durch den Ast und damit eine grobe Amtspflichtverletzung.
Angesichts des durch das Verhalten des Ast verursachten und nachvollziehbaren Vertrauensverlustes der Mitglieder der weiteren
Fraktionen des Ag in eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ast und der damit verbundenen Beeinträchtigung
der Funktionsfähigkeit des Ag sieht der Senat auch das gemäß §
86 Abs
2 Nr
5 SGG erforderliche überwiegende Interesse des Ag an der sofortigen Vollziehung des Bescheides als gegeben an. Die weitere Amtsausübung
bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Ast ist auch deshalb nicht zumutbar, weil dieser bisher kein
Bedauern über sein Verhalten geäußert und kein Verständnis für die Verärgerung der Mehrheit der Mitglieder des Ag gezeigt
hat, sodass ein weiteres eigenmächtiges Vorgehen seinerseits nicht auszuschließen ist.
Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass das Begehren, den Ast vorläufig mit allen Rechten und Pflichten eines Verwaltungsratsmitglieds
an der Arbeit innerhalb des Ag zu beteiligen, faktisch auf eine jedenfalls zeitweise Vorwegnahme der Hauptsache hinaus läuft.
Solche den Rahmen einer vorläufigen Regelung überschreitende Anordnungen sind allein dann zulässig, wenn eine Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes den Ast schwer und unzumutbar belasten würde. In einem Organstreit - wie dem vorliegenden - kann bei dieser
Ausgangslage eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in seltenen Ausnahmefällen gerechtfertigt werden (vgl zum Fraktionsausschluss
eines Mitglieds einer Ratsfraktion: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.02.2018 - 15 B 19/18 - in Juris Rn 40 f). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Ast bei Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes schwer und
unzumutbar belastet würde. Insbesondere ist eine Beeinträchtigung des Grundrechts des Ast aus Art
33 Abs
2 GG im Hinblick auf die in §
51 Abs 6 Nr
4 SGB IV getroffene Regelung aktuell nicht zu befürchten.. Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass in absehbarer Zeit Sozialversicherungswahlen
stattfinden. Gemäß §
58 Abs
2 SGB IV beträgt die Amtsdauer der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sechs Jahre, sodass die nächsten Wahlen voraussichtlich
erst 2023 stattfinden werden. Auch eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechte der Fraktion des Ast steht - unabhängig davon,
ob dieser sich hierauf im vorliegenden Verfahren berufen könnte - aufgrund der in § 3 Abs 5 GO VerwRat getroffenen Vertretungsregelung sowie der Vorschriften über die Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane (§
60 SGB IV) nicht zu befürchten.
Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren mit 1666,66 € festzusetzen. Nach § 52 Abs 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltung-, Finanz-und Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem
Antrag des Beschwerdeführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand
für die Bestimmung des Streitwerts - wie im vorliegenden Fall - keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5000
€ anzunehmen. Der Vorläufigkeit einer Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist durch eine entsprechende
Reduzierung des Wertes der Hauptsache Rechnung zu tragen, wobei der Wert idR ein Drittel des Wertes der Hauptsache beträgt
(vgl Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 20 GKG Rn 25; LSG NRW, Beschluss vom 12.03.2003 - L 5 B 109/02 KR ER). Dementsprechend ist der vorliegend anzusetzende Regelstreitwert auf 1.667 € zu reduzieren.
Dieser Beschluss ist nach §
177 SGG unanfechtbar.