Wahrung der Klagefrist
Geltung der Jahresfrist bei unrichtiger (missverständlicher) Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids
Unklarheiten hinsichtlich der Klagemöglichkeit der Mutter der Klägerin als gesetzliche Vertreterin und Adressatin des Widerspruchsbescheids
Ist der angefochtene Bescheid nicht "an die Klägerin, gesetzlich vertreten durch die Mutter", sondern an die Mutter persönlich
gerichtet, und wird mit dem Widerspruchsbescheid durch eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung der Eindruck erweckt, die
Mutter der Klägerin sei Adressatin des Bescheides und könne ggf. klagen, ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig, und es
gilt für die Erhebung der Klage die Jahresfrist.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Bescheid, mit dem es das Sozialgericht (SG) abgelehnt hat, der Klägerin wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§
67 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist aufzuheben, denn die Klägerin hat die Klagefrist gewahrt.
Das SG hat zutreffend die Änderung des Aktivrubrums vom 11.07.2014 als Klageänderung gewertet und hinsichtlich der Beurteilung der
Klagefrist auf diesen Zeitpunkt abgestellt. Entgegen der Ansicht des SG hat die Klägerin die Klagefrist aber nicht versäumt, denn anstelle der Monatsfrist galt für sie für die Erhebung der Klage
die Jahresfrist (§
66 Abs
2 SGG). Der angefochtene Beschluss hat insoweit keinen Bestand.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 4
SGG sind "die Beteiligten" in einem Widerspruchsbescheid über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz
des zuständigen Gerichts zu belehren. Nach §
66 Abs
1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur dann zu laufen, wenn "der Beteiligte" über den Rechtsbehelf belehrt worden ist.
Vorliegend ist erheblich, dass der angefochtene Bescheid nicht "an die Klägerin, gesetzlich vertreten durch die Mutter" gerichtet
war, sondern an die Mutter persönlich. Nach dem an die Mutter gerichteten Widerspruchsbescheid war es jedenfalls missverständlich,
wer gegebenenfalls Klage erheben müsse. So heißt es ausdrücklich in der Rechtsbehelfsbelehrung "Wenn Sie mit diesem Ergebnis
nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb eines Monats ... Klage erheben." Die Beklagte hat damit in dem Widerspruchsbescheid
den Eindruck erweckt, die Mutter des Klägers sei Adressat des Bescheides und sie könne gegebenenfalls klagen. Der Rechtsbehelfsbelehrung
kommt eine gewisse "Wegweiserfunktion" zu. Sie muss klar und eindeutig sein. Das war sie hier nicht, zumal in der privaten
Pflegeversicherung der Versicherungsnehmer für sein Kind und im Beihilferecht der Beihilfeberechtigte für sein Kind im eigenen
Namen Klage erheben müssten.
Ob die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis des Betroffenen ursächlich war, ist grundsätzlich unerheblich
(BSG Urteil vom 09.04.2014, B 14 AS 46/13 R, in [...] RN 17 mwN). Es kommt danach nicht darauf an, ob der Bevollmächtigte der Klägerin hätte wissen müssen, dass nicht
die Mutter als Klägerin in Prozessstandschaft für die Tochter, sondern die Mutter als gesetzliche Vertreterin für die Tochter
hätte Klage erheben müssen.
Ist die Klage fristgerecht erhoben worden, so bedarf es der Wiedereinsetzung nicht.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).