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LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.02.2016 - 11 KA 30/14
Vertragsarztangelegenheiten Streit um die Genehmigung einer Zweigpraxis (hier: Fachgebiet Kardiologie) Prüfung einer quantitativen Versorgungsverbesserung Bessere Erreichbarkeit der Zweigpraxis für die Versicherten aus dem Einzugsbereich des geplanten Standorts Ermittlungsdefizit im Hinblick auf den "weiteren Ort" i.S.d. § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Ärzte-ZV Bestimmung des "weiteren Ortes"
1. Eine lediglich quantitative Erweiterung des bestehenden Versorgungsangebots kann sich unter gewissen Umständen als Verbesserung der Versorgung im Sinne des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV darstellen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn durch das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringert werden, die - etwa wegen einer ungleichmäßigen Verteilung der Leistungserbringer im Planungsbereich - bei den bereits vor Ort niedergelassenen Ärzten bestehen. Im Einzelfall - allerdings wohl nur bei größeren "weiteren Orten" im Sinne des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV - kann dies auch im Falle einer besseren Erreichbarkeit des Filialarztes gelten.
2. Räumlicher Bezugspunkt für eine Verbesserung der Versorgung ist der "weitere Ort" im Sinne des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Ärzte-ZV. Die Bestimmung des "weiteren Orts" ist Voraussetzung, um prüfen zu können, ob sich die Versorgung dort verbessert. Hat die KV in den angefochtenen Bescheiden diesen nicht näher bezeichnet und bleibt es damit völlig offen, im Hinblick auf welchen örtlichen Bereich sie ihre Prüfung, ob eine Verbesserung der Versorgung eintritt, bezogen hat, besteht insoweit ein Ermittlungsdefizit.
3. Der "weitere Ort" bezeichnet ein größeres Gebiet. Dies ist allerdings nicht ohne weiteres durch Stadtteilgrenzen zu bestimmen. Denn der Zugang der Versicherten zur Versorgung wird - insbesondere in einem dicht besiedelten Raum wie dem Ruhrgebiet, in dem selbst Stadtgrenzen stellenweise in durchgehender Bebauung nur an Ortsschildern zu erkennen sind - nicht durch politisch festgelegte Gemeindegrenzen bestimmt. Maßgeblich müssen somit die individuellen Verhältnisse vor Ort sein, weil diese den Zugang der Versicherten zur Versorgung bzw. die Erreichbarkeit der Arztpraxen bestimmen. So hat auch das BSG in seinem Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 29/12 R - auf den "Einzugsbereich" der geplanten Zweigpraxis abgestellt.
4. Im Fall der hier fraglichen quantitativen Versorgungsverbesserung reichen minimale, für die Versicherten kaum spürbare ("kosmetische") Veränderungen, nicht aus. Nicht jede Verringerung der Wegstrecke ist ausreichend, sondern diese muss "signifikant" sein. Denn die Annahme einer quantitativen Versorgungsverbesserung muss die Ausnahme sein.
5. Die Frage der Versorgungsverbesserung ist nicht für die spezielle Patientenschaft einer Praxis zu beurteilen, sondern abstrakt bezogen auf die im Einzugsbereich lebenden Versicherten als solche.
Normenkette:
Ärzte-ZV § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1
,
SGB V § 98 Abs. 2 Nr. 13
,
SGB X § 20 Abs. 1
,
SGB X § 21 Abs. 1 S. 1
Vorinstanzen: SG Düsseldorf 19.02.2014 S 2 KA 161/11
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.02.2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag der Klägerin auf Genehmigung einer Zweigpraxis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu entscheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 9/10, die Klägerin zu 1/10. Die Revision wird nicht zugelassen.

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