Tatbestand
Streitig sind Honorarrückforderungen für die Quartale I/2003 bis III/2003.
Die Klägerin war eine Gemeinschaftspraxis, der in der Zeit vom 01.01.2001 bis 30.05.2007 die zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassenen Orthopäden Dres. C und O angehörten. Vom 01.03.2002 bis 04.11.2003 war der Orthopäde Dr. E mit einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei der Klägerin angestellt.
Dr. C, der (ebenfalls) in L zuvor in Einzelpraxis tätig gewesen war, nahm mit entsprechender Genehmigung seit 01.04.1997 und
insofern ab 2001 als einziger Arzt in der Praxis der Klägerin an der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten gemäß der
Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten (zuletzt auf der Grundlage der Schmerztherapievereinbarung;
Anlage 12 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV- Ä); Fassung vom 01.07.1997) teil.
Nach Plausibilitätsprüfungen der Abrechnungen von Dr. C nahm die Beklagte für die Quartale IV/1999 bis IV/2001 Honorarkürzungen
i.H.v. 608.973,56 EUR vor (Bescheid vom 16.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005, der Gegenstand
des Parallelverfahrens L 11 KA 73/08 war) und leitete nach Plausibilitätsprüfungen auch der Abrechnungen der Klägerin für die Folgequartale Zulassungsentziehungsverfahren
gegen beide Gesellschafter der Klägerin ein. Die Beklagte warf den Ärzten eine ungewöhnlich hohe Abrechnungshäufigkeit für
die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten sowie Implausibilitäten bei der Abrechnung diverser Gebührenziffern des
Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) vor. In der Sitzung des Zulassungsausschusses für Ärzte Düsseldorf am 04.11.2003 wurde
(auszugsweise und insofern von den beiden Gesellschaftern der Klägerin unwidersprochen) Folgendes protokolliert:
Als Anlage (zu den Entziehungsanträgen) werden 46 exemplarische Abrechnungsscheine von verschiedenen Pateinten aus den Quartalen
IV/2002 und I/2003 beigefügt. ( ...)
Auf die Frage, warum die Ziffer 17 EBM immer als erste Leistungsziffer im Quartal und warum diese bei jedem der 46 exemplarisch
beigefügten Patienten über mehrere Quartale abgerechnet wird, antwortete (der Prozessbevollmächtigte von Dr. C) sinngemäß
"offenkundig ist an den Tagen 01.07. und 01.10.2002 ein Fehler passiert. Nach den Ursachen wird geforscht" ( ...) Die Ziffer
8450 findet bei ihm Anwendung, wenn ein Patient mit chronischen Schmerzen erscheinen würde oder wenn bei einem Patienten die
Gefahr einer Chronifizierung seiner Schmerzsymptome bestehen würde. ( ...)
(Der Vorsitzende des Zulassungsausschusses) beschreibt das Tagesprofil der Praxis am Beispiel des 01.07.2002. So würde die
Praxis an diesem Tag ein Zeitprofil von ca. 56 Stunden aufweisen, ohne dass die zum Ansatz gebrachten Ziffern 8450 berücksichtigt
wurden. Unterstellt man, dass der Zeitaufwand von 30 Minuten für die Erbringung der Leistung der Ziffer 8450 betragen würde,
würden weitere 50 Stunden an diesem Tag mit einbezogen werden. Selbst bei einem Zeitaufwand von lediglich 15 Minuten, wären
noch 26 Stunden, zu den genannten 56 Stunden hinzuzuziehen. (Von den Gesellschaftern der Klägerin) wird darauf hin erklärt
(Zitat): " ... Die Dinge, die hier extraordinär herausgestellt sind, werden nicht in Abrede gestellt ... es sind Fehler gemacht
worden ...". Gründe für die Ursache werden nicht genannt. Allerdings wird herausgestellt, dass lediglich die Tage 01.07. und
01.10. fehlerhaft sind."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 504 ff. der beigezogenen Strafakte des Landgerichts Düsseldorf
20 KLS 3/08) Bezug genommen.
Mitte Juli 2003 stellte die Beklagte die Zahlung von Abschlagszahlungen vorübergehend gänzlich ein und berichtigte die Honorarbescheide
vom 23.07.2003 (für I/2003) und vom 22.10.2003 (für II/2003) durch nachträgliche Streichung aller Abrechnungen der Ziff. 8450
(1.986 und 1.955mal) und der Ziff. 8451 (2.005 und 2.008mal) der Schmerztherapievereinbarung mit Bescheiden vom 15.09.2003
und vom 17.09.2003. Eine Untersuchung der abgerechneten Leistungen habe eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 74 Stunden je
in der Praxis tätigen Arzt ergeben. Zugleich habe sich die Abrechnungshäufigkeit der Ziffern 8450 und 8541 Schmerztherapievereinbarung
stark erhöht, obwohl weiterhin allein Dr. C an der Schmerztherapievereinbarung teilgenommen habe. Überprüfungen hätten ergeben,
dass die Ziff. 8450, die nur einmal im Krankheitsfall abgerechnet werden könne, bei den selben Patienten auch im Vorquartal
zur Abrechnung gebracht worden seien. Gleichfalls seien die schmerztherapeutischen Ziffern auch für einen Personenkreis, wie
bei Kindern unter zwei Jahren, abgerechnet worden, der nur schwerlich unter die Vereinbarung fallen könne. Diese Abrechnungsweise
lasse den Schluss eines falschen Ansatzes zu.
Dieser Auffassung folgend setzte die Beklagte im Honorarbescheid vom 28.01.2004 für das Quartal III/2003 ebenfalls alle (609
und 1.555) Ansätze der Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung ab, stellte eine Überzahlung der Abschläge in Höhe
von 49.296,65 EUR fest, deren Rückzahlung sie von der Klägerin forderte.
In den Widerspruchsverfahren machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Rückforderungsbescheide vom 15.09. und 17.09.2003
enthielten offensichtliche Begründungsmängel und seien schon aus diesem Grund aufzuheben. Die Schmerztherapievereinbarung
enthalte keine Zeitvorgaben, so dass die pauschale Bezugnahme auf Zeitvolumina zur Begründung angeblicher Abrechnungsfehler
wenig weiterführend sei. Einzelfälle zu der Behauptung, dass die Ziff. 8450 bei gleichen Patienten mehrfach angesetzt worden
sei, würden nicht genannt. Das wiege umso schwerer, als die Leistungen vollständig gestrichen worden seien. Ebenso werde die
Behauptung, dass Kinder unter zwei Jahren behandelt worden seien, nicht durch entsprechende Benennung nachvollziehbar gemacht.
Die Begründung des Bescheides trage die vollständige Streichung beider Leistungsziffern nicht. Die Beklagte wies die Widersprüche
mit zwei Bescheiden - erstens betreffend I/2003 und II/2003 und zweitens betreffend III/2003 - ohne weitergehende Begründung
zurück.
Die Klägerin hat am 26.08.2004 Klage erhoben, mit der sie weiterhin einwandte, die Beklagte beziehe sich auf eine Zeitvorgabe
für die Ziffer 8450, welche auf einem Vorstandsbeschluss vom 23.07.2003 beruhe. Diese Entscheidung folge den hier in Rede
stehenden Quartalen also nach. Dr. C habe sich bereits vor vielen Jahren in besonderer Weise auf die Schmerztherapie konzentriert.
Zu ihm kämen zahlreiche austherapierte Patienten und solche, die im Anschluss an stationäre Aufenthalte bzw. operativen Eingriffen
weiterhin unter chronischen Schmerzen litten. Die Patienten rekrutierten sich aus dem gesamten Umland. Dieser Umstand sei
von ihm in allen Verfahren immer wieder erläutert worden. Deshalb sei die Abrechnungshäufigkeit entgegen der pauschalierenden
Betrachtungsweise im Widerspruchsbescheid durchaus nachvollziehbar. Die Streichung der Honorare sei indessen willkürlich.
Im Übrigen werde auf den Vortrag im Zulassungsentziehungsverfahren Bezug genommen. Soweit die Bedeutung des Begriffs Krankheitsfall
diskutiert werde, sei darauf hinzuweisen, dass bis Ende 2003 keine Definition hierzu existiert habe. Erst danach sei durch
Ergänzung des § 21 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) zum 01.01.2004 eine Änderung erfolgt. Die im Bescheid erwähnte Abrechnung der Ziffer bei Kindern unter zwei Jahren habe
es nicht gegeben. Die Richtigkeit der Tagesprofile sei im Entziehungsverfahren in wesentlichen Punkten widerlegt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.09.2003, 17.09.2003 und 28.01.2004 in der Fassung der Widerspruchsbescheide
vom 23.07.2004 zu verurteilen, die abgesetzten Ziff. 8450 und 8451 der Schmerztherapievereinbarung den Honorarabrechnungen
für die Quartale I/2003 bis III/20003 hinzuzusetzen und eine entsprechende Nachvergütung vorzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf ihre Verwaltungsvorgänge Bezug genommen und im Übrigen ausgeführt: Die Ziff. 8450 der Schmerztherapievereinbarung
sei nachweislich falsch abgerechnet worden. Gerade die Erkenntnisse aus dem Zulassungsentziehungsverfahren hätten zur kompletten
Streichung der Ziff. 8450 und 8451 geführt. Der von der Klägerin praktizierte Ansatz der Ziff. 8450 bereits bei Gefahr einer
Chronifizierung sei nach dem Wortlaut der Schmerztherapievereinbarung nicht zulässig. Der Patient müsse bereits chronisch
schmerzerkrankt sein. Im Übrigen werde zur Definition der Begriffe "Behandlungsfall" und "Krankheitsfall" darauf hingewiesen,
dass unter einem Behandlungsfall die gesamte von demselben Vertragsarzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben
Kranken ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommenen Behandlungen zu verstehen sei. Unter einem Krankheitsfall
sei indessen die Gesamtdauer einer Behandlung zu verstehen, die sich über mehrere Quartale erstrecken könne. Erst ab dem 01.01.2004
sei die Definition in den Bundesmantelverträgen dahingehend geändert worden, dass das aktuelle sowie die nachfolgenden drei
Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Leistungspositionen folgen, umfasst seien. Im Rahmen
eines Plausibilitätsverfahrens sei zudem eine EDV-Auswertung der abgerechneten Leistungen gemäß der Schmerztherapievereinbarung
durchgeführt worden, welche ergeben habe, dass für die Quartale I/2003 bis II/2003 bei 1.434 Patienten die Leistung wiederholt
mindestens zweimal, jedoch auch bis zu sechsmal abgerechnet worden sei. Darüber hinaus sei festgestellt worden, dass im Rahmen
von Tagesprofilen - ohne Berücksichtigung der Ziff. 8450 und 8451 - unter Berücksichtigung von Mindestzeiten Tagesarbeitszeiten
von bis zu 20 Stunden pro Arzt zustande gekommen seien. Alleine aus diesen Gründen entbehre die sachlich-rechnerische Richtigkeit
der Abrechnung der Ziff. 8450 und 8451 jeglicher Grundlage.
Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Beklagte mit Urteil vom 23.04.2008 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Honorarabrechnungen
der Quartale I/2003 bis III/2003 Ziff. 8450 auf den Fachgruppendurchschnitts sowie Ziff. 8451 auf 600 Ansätze festzusetzen
und entsprechend nach zu vergüten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Die Berichtigung der Beklagten beschränke sich auf die Gebührennummern der Schmerztherapievereinbarung,
die zum Ziel habe, die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten durch besonders dafür qualifizierte Vertragsärzte
zu ermöglichen, zu fördern und in der vertragsärztlichen Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Nach § 1 Abs. 3 der Schmerztherapievereinbarung
sei der chronisch schmerzkranke Patient als Patient definiert, bei dem der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion verloren und
selbständigen Krankheitswert erlangt hat. In diesen Fällen führe das Schmerzleiden zu psycho-pathologischen Veränderungen.
Zur Kostenerstattung des besonderen zusätzlichen Aufwandes durch die schmerztherapeutische Behandlung chronisch schmerzkranker
Patienten sehe die Schmerztherapievereinbarung zwei Gebührentatbestände vor. Ziff. 8450 beinhalte die Erhebung einer standardisierten
Anamnese einschließlich Auswertung von Fremdbefunden, der Durchführung einer Schmerzanalyse und der differential-diagnostischen
Abklärung der Schmerzkrankheit sowie der Therapieplanung, ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen, einmal im Krankheitsfall
und werde mit 81,81 EUR vergütet. Ziff. 8451 sehe eine Vergütung von 61,36 EUR für die Behandlung chronisch schmerzkranker
Patienten einschließlich der Dokumentation nach § 2 Nr. 8 je Behandlungsfall vor. Wesentlich für den Ansatz der jeweiligen
Gebührenziffer sei die Differenzierung zwischen "Krankheitsfall" und "Behandlungsfall". Das Abrechnungsverhalten in den streitigen
Quartalen lasse erkennen, dass der Kläger diese Begrifflichkeiten nicht zutreffend bewertet habe. Zwar sei in § 21 BMV-Ä in der für die streitigen Quartale geltenden Fassung lediglich der "Behandlungsfall" - als die gesamte von demselben Vertragsarzt
innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Kranken ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung
- definiert worden. Aus dem Umstand, dass eine Definition des Krankheitsfalls in § 21 BMV-Ä erst zum 01.01.2004 hinzugefügt worden sei, könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass zuvor keine sachgerechte
Unterscheidung möglich gewesen sei. Der Krankheitsfall beziehe sich auf das Grundleiden, hier also nach § 1 Abs. 3 der Schmerztherapievereinbarung
die chronische Schmerzerkrankung, so dass im Regelfall nur ein einmaliger Ansatz der Ziff. 8450 möglich sei. Nur in dem Ausnahmefall,
dass sich ein von der ursprünglichen Schmerzerkrankung gelöstes neues chronisches Schmerzleiden entwickele, seit ein erneuter
Ansatz der Ziff. 8450 denkbar. Dieser Wertung steht die Definition in § 21 BMV-Ä in der Fassung ab 01.01.2004 nicht entgegen. Danach umfasse ein Krankheitsfall das aktuelle sowie die nachfolgenden drei
Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Leistungsposition folgten. Damit werde lediglich eine
zeitliche Eingrenzung des Krankheitsfalls bewirkt, die zuvor nicht bestanden habe. An der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen
Krankheits- und Behandlungsfall ändere sich nichts. Zudem unterstreiche die Änderung zum 01.01.2004 lediglich, dass es zuvor
keine zeitliche Eingrenzung des Krankheitsfalls gegeben habe, also der Abrechnungsausschluss einer krankheitsfallbezogenen
Leistungsposition über deutlich mehr als vier Quartale denkbar gewesen sei. Ausgehend davon habe die Beklagte zu Recht beanstandet,
dass der Kläger die Ziff. 8450 nicht entsprechend der Leistungslegende angesetzt habe. Aus der von der Beklagten erstellten
Liste zur Abrechnungshäufigkeit der Ziff. 8450 in den Quartalen I/2003 bis II/2003 sei zu entnehmen, dass die Ziff. 8450 mehrfach,
zum Teil mehrere Quartale aufeinanderfolgend, in Ansatz gebracht worden sei. Hierbei handele es sich auch nicht lediglich
um Einzelfälle, die der Annahme eines Ausnahmefalles zugänglich wären. Allein auf den ersten 15 Seiten der Liste fänden sich
bei 231 Patienten insgesamt 87 Fälle, bei denen die Ziff. 8450 mehrfach zum Einsatz gekommen sei. Die Mehrfachansätze reichten
vom Ansatz über zwei aufeinander folgende Quartale bis zum Ansatz über sechs aufeinander folgende Quartale (vgl. z.B. die
Patienten Barbara Brix Quartale III/2002 und IV/2002, Frieda Engler Quartal IV/2002 bis II/2003 und Irma Hilmer Quartale I/2002
bis einschließlich II/2003). Ließe sich ein zweifacher Ansatz mit einer dazwischen liegenden zeitlichen Pause im Einzelfall
vielleicht noch begründen, scheide dies für zwei, drei oder auch erst recht sechs aufeinander folgende Quartale offensichtlich
aus. Ungeachtet einer zeitlichen Erbringbarkeit sämtlicher in Ansatz gebrachter Leistungsziffern für die streitbefangenen
Quartale ergebe sich bereits aus diesen Unterlagen, dass die Abrechnungen für die Quartale I/2003 bis III/2002 fehlerhaft
seien. Es bestünden hierbei keine Bedenken, das Quartal III/03 mit einzubeziehen. Auch wenn in diesem Quartal ein gewisser
Rückgang in der Ansatzhäufigkeit zu verzeichnen sei, seien dennoch wesentliche Änderungen im Abrechnungsverhalten sowie vor
allem im Verständnis der Leistungslegende nicht erkennbar. Der fehlerhafte Ansatz der Ziff. 8450 erfasse nach Auffassung der
Kammer gleichermaßen die Ansätze der Ziff. 8451. Die Berechtigung für den Ansatz dieser Ziffer stehe in unmittelbaren Zusammenhang
mit dem rechtmäßigen Ansatz der Ziff. 8450. Da dieser nicht durchgängig festzustellen sei, sei auch der Ansatz der Ziff. 8451
betroffen. Daher sei die Beklagte grundsätzlich berechtigt, sachlich-rechnerische Richtigstellungen durchzuführen und Leistungsansätze
der Ziff. 8450 und 8451 zu streichen. Eine vollständige Streichung sei jedoch unverhältnismäßig. Unter Bezugnahme auf seine
Ausführungen im Urteil vom 23.04.2008 (S 14 KA 153/05, in der Berufungsinstanz L 11 KA 73/08) befand das SG einen Ansatz von 600 Ansätzen je Quartal der Ziff. 8451 und einen der Vergleichsgruppen entsprechenden Ansatz der Ziff. 8450
für angemessen. Zwar teile die Kammer die Auffassung der Beklagten, dass grundsätzlich von einer maximalen Patientenzahl in
Höhe von 500 je Quartal und einem entsprechenden Ansatz der Ziffer 8451 auszugehen sei. Allerdings sei der Klägerin aufgrund
der von ihr in der mündlichen Verhandlung geschilderten Praxisorganisation zuzugestehen, dass die Betreuung eines etwas höheren
Anteils chronisch schmerzkranker Patienten möglich gewesen sei. Dieser Anteil sei auf 600 Fälle/Quartal zu schätzen. Abschließend
hat das SG darauf hingewiesen, dass das im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren erstellte Gutachten nicht verwertet worden und dieses
demgemäß in die Bewertung nicht eingeflossen sei.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 12.06.2008 zugestellte Urteil am 14.07.2008 (Montag) und die Beklagte gegen das ihr am 11.06.2008
zugestellte Urteil am 07.08.2008 Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das SG habe sich mit den Streitfragen nur "recht oberflächlich" auseinander gesetzt. Dass die Beklagte über Jahre hinweg das Abrechnungsverhalten
niemals beanstandet habe, bleibe ebenso unerwähnt wie der Umstand, dass die Regelung der Schmerztherapievereinbarung Unklarheiten
aufweise, die hätten berücksichtigt werden müssen. Stattdessen sei das SG von grob fahrlässigem Verhalten ausgegangen, ohne hierzu überprüfbare Feststellungen zu treffen. Ebenso wenig seien die Schätzgrundlagen
nachvollziehbar. Ab 2002 hätten ihre Gesellschafter teilweise zusammen mit Dr. E pro Quartal 2.300 Patienten behandelt, darunter
aufgrund der Spezialisierung von Dr. C 60 % chronisch kranker Schmerzpatienten. In der Einzelpraxis von Dr. C seien sogar
70 % der Patienten chronisch kranke Schmerzpatienten gewesen. Sie - die Klägerin - habe ihre Praxis - in einem ehemaligen
Einkaufszentrum - auf einer Fläche von knapp 2.000 qm zusammen mit einer angeschlossenen "größeren" Physiotherapie, einem
Zahnarzt und einem Psychotherapeuten, jeweils mit eigener Praxis, betrieben. Von daher sei die Gemeinschaftspraxis weder mit
einer normalen Orthopädie noch mit einer schmerztherapeutischen Praxis eines Anästhesisten vergleichbar gewesen und die im
Urteil vorgenommene pauschalierende Einstufung nicht gerechtfertigt. Den Ausführungen zur Differenzierung zwischen Krankheits-
und Behandlungsfall sei zwar grundsätzlich zuzustimmen. Die vom SG erwähnte Definition des § 21 BMV-Ä in der 2004 geltenden Fassung dokumentiere allerdings, dass hier zuvor Rechtsunsicherheit bestanden habe. Man habe die Nummer
8450 "in ihrem Sinne ausgelegt und angewandt". Die Beklagte habe die Verpflichtung gehabt, Anwendungshinweise zu erteilen
oder die Abrechnungen in einem früheren Stadium zu beanstanden. Nach Einleitung der Plausibilitätsprüfungen habe sie sofort
reagiert und in den letzten beiden Quartalen 2003 die Abrechnungspraxis den Beanstandungen angepasst. Es könne in dem Zusammenhang
auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Gesellschafter in Hinblick auf die Abrechnungssituation bei ihrer Gründung kostenträchtige
Strukturen im Vertrauen auf die zu erwartenden Honorare geschaffen hätten. Das gelte sowohl für die Personalkosten wie auch
für die zum Einsatz gelangten Sachmittel. Sie hätten eine kostenintensive Medizin angeboten, die auch bei austherapierten
Fällen erfolgreich gewesen sei. Seit 2005 seien die Leistungen nach der Schmerztherapievereinbarung in den EBM integriert
worden; seither könne eine erfolgreiche Schmerztherapie nicht mehr angeboten werden, weil sie nicht finanzierbar sei. Der
Vorwurf des grob fahrlässigen Fehlverhaltens werde ausdrücklich bestritten. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass das
im Strafverfahren eingeholte Gutachten unbrauchbar sei. Der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige - ein Anästhesist
- sei "hochgradig" befangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 15.09.2003, 17.09.2003
und 28.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2004 betreffend der Quartale I/2003 und II/2003 aufzuheben
und betreffend des Quartals III/03 die abgesetzten Ziffern 8450 und 8451 der Schmerztherapievereinbarung der Honorarabrechnung
für das Quartal III/03 hinzusetzen und eine entsprechende Nachvergütung vorzunehmen, hilfsweise die Berufung der Beklagten
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung der Klägerin
zurückzuweisen.
Sie meint, das Argument der Klägerin, das Abrechnungsverhalten sei durch die Beklagte über Jahre nicht beanstandet worden,
trage nicht. Nach dem vertragsärztlichen System sei der Vertragsarzt zur korrekten Erstellung seiner Abrechnung verpflichtet.
Die Schmerztherapievereinbarung habe keine Unklarheiten aufgewiesen. Jedenfalls die Definition des Krankheitsfalls sei für
den in Rede stehenden Zeitraum eindeutig gewesen. Eine Beanstandung der Abrechnungsfehler durch sie - die Beklagte - habe
bereits deshalb nicht früher erfolgen können, weil damals die Abrechnungen nicht quartalsübergreifend geprüft worden seien.
Nach Bekanntwerden der systematischen Fehlabrechnung habe sie die Prüfmodalitäten insoweit angepasst. Im Übrigen müsse der
Vortrag der Klägerin, 70 % aller Patienten seien chronisch krank gewesen, richtig gestellt werden. Diese seien nicht chronisch
krank gewesen, vielmehr als solche erfasst und abgerechnet worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akten der mit dem vorliegenden Rechtsstreit
gemeinsam verhandelten Verfahren L 11 KA 71/08 und L 11 KA 73/08, den zu diesen drei Verfahren des Klägers beigezogenen Gerichtsakten des SG Düsseldorf mit den Az. S 14 KA 30/05, S 14 KA 22/02, S 14 KA 39/02, S 14 (25) 213/99, S 33 KA 162/04, S 33 KA 118/04 ER, S 17 KA 222/05 und S 17 226/03 ER, den beigezogenen Auszügen aus der Strafakte des Landgerichts Düsseldorf 20 KLS 3/08 sowie auf den Inhalt
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagen Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen haben die Berufungen der Beteiligten keinen Erfolg.
Das angefochtene Urteil des SG war lediglich abzuändern, soweit es der Klägerin 600 Ansätze der Ziff. 8451 Schmerztherapievereinbarung zugesprochen hat.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide insoweit beschwert (§
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) als die Beklagte die Ansätze für die Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung gänzlich gestrichen hat. Insoweit
hat das SG zu Recht die Entscheidung der Beklagten abgeändert und die auf volle Zahlung der angesetzten Ziffern gerichtete Klage im
Übrigen zu Recht abgewiesen.
Die insbesondere gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte, Berufung der Klägerin ist ebenso wie die Berufung der Beklagten - diese als Anschlussberufung
im Sinne des §
202 SGG i.V.m. §
525 Zivilprozessordnung - zulässig. Eine eigenständige Berufung der Beklagten wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des §
151 Abs.
1 SGG unzulässig. Das Urteil des SG ist der Beklagten am 11.06.2008 zugestellt worden; die Monatsfrist des §
151 Abs.
1 SGG ist durch die Einlegung der Berufung am 07.08.2008 nicht gewahrt. Die Berufungsfrist des §
151 Abs.
1 SGG gilt indes nicht für die Anschlussberufung, die auch im
SGG-Verfahren statthaft ist (Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung u.v.a. Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 6/09 R - m.w.N.).
Unschädlich ist, dass die Gemeinschaftspraxis (§ 33 Abs. 2 der Zulassungsordnung für Vertragsärzte) zwischenzeitlich aufgelöst
worden ist und formal allein Dr. C Berufung erhoben hat. Eine Gemeinschaftspraxis gilt für schwebende Auseinandersetzungen
um Forderungen und Verbindlichkeiten als fortbestehend (BSG, Urteil vom 28.12.2009 - B 6 KA 56/08 R - m.w.N.).
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet; die Berufung des Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, Abrechnungen sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Nach §
75 Abs.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen
und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen
Erfordernissen entspricht. Nach §
75 Abs.
2 Satz 2 1. Halbsatz
SGB V haben die KVen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte
gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die KV stellt die sachliche
und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört u.a. auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen
auf Plausibilität (§
106a Abs.
2 Satz 1
SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 mit Wirkung zum 01.01.2004, BGBl. I 2003, 2190, 2217).
Diese Richtigstellungen können wie für das Quartal III/2003 im Honorarbescheid oder wie für die Quartale I/2003 und II/2003
auch nachgehend erfolgen. Honorarbescheide im Vertragsarztrecht ergehen, ungeachtet ihres Charakters als Verwaltungakte i.S.d.
§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) unter dem Vorbehalt späterer Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit, mithin als vorläufige Regelungen (ständige Rechtsprechung
u.v.a. Bundesssozialgericht (BSG), Urteil vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R - m.w.N.).
Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Honorarbescheide für die Quartale
I/2003 bis III/2003, zu der sie auch gesamtvertraglich nach § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte
befugt war, vorgenommen und die Honorare gekürzt hat, ist dies nur der Höhe nach zu beanstanden. Insoweit verweist der Senat
auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen
macht (§
153 Abs.
2 SGG) und führt ergänzend aus:
Der angefochtene Honorarbescheid vom 28.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2004 ist ebenso wie die
Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheide vom 15.09.2003 und 17.09.2003 in der Gestalt des (zweiten) Widerspruchsbescheides
vom 27.07.2004 formell rechtmäßig. Insbesondere ist die (auch) für sachlich-rechnerische Richtigstellungen in Anlehnung an
§§
45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), 25 Abs.
1 und
27 Abs.
2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV), 50 Abs. 4 Satz 1 und 114 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltende vierjährige Ausschlussfrist gewahrt, durch die dem Interesse des Vertragsarztes, nach längerer Zeit nicht mehr
mit der Durchführung von Prüf- und Regressverfahren rechnen zu müssen, Rechnung getragen wird. Diese Frist beginnt mit dem
Tag nach der gemäß § 37 Abs. 2 SGB X zu bestimmenden Bekanntgabe des Bescheides für das jeweils betroffene Quartal (grundlegend BSG, Urteil vom 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R -). Die ab Zugang der Honorarbescheide für die Quartale I/2003 und II/2003 laufende 4-Jahres-Frist war bei zum Zeitpunkt
der Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide, die bereits im gleichen Jahr ergingen, noch nicht abgelaufen.
Die Bescheid sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden, als dass die Beklagte Abrechnung streitigen Ziffern als sachlich-rechnerisch
unrichtig beurteilt hat.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen
ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes
- erbracht worden sind. Solche Verstöße können z.B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang,
ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden
sind (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.1998 - B 6 KA 48/97 R -). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden
(vgl. BSG, Urteile vom 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R -, 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - und vom 26.01.1994 - 6 RKa 70/91 -).
Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung
mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die
Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden,
die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen
ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen,
dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht
ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei
nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten
werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der
statistische Mittelwert dar. Die Festlegung der für eine ärztliche Leistung aufzuwendenden Durchschnittszeit beruht auf ärztlichem
Erfahrungswissen. Sie ist deshalb ebenso und in dem Umfang gerichtlich überprüfbar, in dem auch im Übrigen auf ärztlichem
Erfahrungswissen beruhende Festlegungen überprüft werden. Bei der Erstellung von Tagesprofilen ist zudem zu beachten, dass
bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand in diesen Fällen also nicht
für jede Leistung angesetzt werden darf. Tagesprofile müssen für einen durchgehenden längeren Zeitraum erstellt werden, wobei
es angezeigt erscheint, wenigstens ein Abrechnungsquartal heranzuziehen (BSG, Urteil vom 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 -). Sind Tagesprofile unter Beachtung dieser Kriterien erstellt worden, ist es rechtlich unbedenklich, aus ihnen bei entsprechenden
Ergebnissen im Wege des Indizienbeweises auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen durch einen
Arzt zu schließen. Ergibt sich in einem Tagesprofil eine tägliche Gesamtarbeitszeit, die der Arzt unmöglich geleistet haben
kann, so ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, er könne nicht alle abgerechneten Leistungen vollständig erbracht haben.
Da nicht bzw. nicht in vollem Umfang erbrachte Leistungen nicht berechnungsfähig sind (Allgemeine Bestimmungen A I Satz 1
EBM), können sie im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung gestrichen werden.
Die Ergebnisse der von der Beklagten durchgeführten Plausibilitätsprüfung lassen im Wege des Indizienbeweises den Schluss
zu, dass die Klägerin die bemängelten Gebührenpositionen in allen streitbefangenen Quartalen in einer zu hohen Anzahl in Abrechnung
gestellt hat. Dabei kann es dahin gestellt bleiben, ob die Tagesprofile nach Maßgabe der o.a. Anforderungen erstellt worden
sind. Unter Zugrundelegung der von dem Vorstand der Beklagten in Abstimmung mit den Mitgliedern der Zentralen Schmerztherapiekommission
mit Beschluss vom 23.07.2003 (erstmalig) festgelegten Zeitvorgabe von 30 Minuten für die Durchführung der Schmerztherapie
nach Ziff. 8451 und den von der Klägerin selbst bei ihren Berechnungen zugrunde gelegten 61 Arbeitstagen je Quartal ergeben
sich für die in I/2003, II/2003 und III/2003 abgerechneten 2005, 2008 und 1.555 dieser Ziffer Arbeitszeiten von zwischen (1.555:
61 = 25,49 je Tag x 30 Minuten: 60 =) 12,76 Stunden je Tag und (2.008: 61 = 32,92 je Tag x 30 Minuten: 60 =) 16,4 Stunden
je Tag.
Der Umstand, dass die Zeitvorgabe erst im Juli 2003 und damit nach den geprüften Quartalen des Jahres 2002 bestimmt wurde,
ist nicht maßgeblich, da sich an den Anforderungen an die Leistung nach Maßgabe der Schmerztherapievereinbarung zumindest
bis dahin nichts geändert hatte. Abgesehen davon würde sich selbst unter Berücksichtigung von nur 15 Minuten an der Beurteilung
nichts ändern, da auch tägliche Arbeitszeiten für die Leistung nur dieser Behandlung von über sechs bzw. acht Stunden (zudem
ohne Berücksichtigung der Privatpatienten) sind nicht plausibel.
Auch der Einwand der Klägerin, die Zeitvorgabe sei nicht von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beschlossen worden und
daher nicht anwendbar, greift nicht. Die Verwendung von Tages- und Quartalsprofilen ist nicht von der Existenz bundeseinheitlicher
Zeitvorgaben oder gesamtvertraglicher Regelungen zu Plausibilitätskontrollen gemäß §
83 Abs.
2 SGB V abhängig. Die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen regeln abschließend die Vorgaben, an die die KVen bei der Honorierung
vertragsärztlicher Leistungen und ggf. ihrer sachlich-rechnerischen Berichtigung gebunden sind. Für die Notwendigkeit, Zeitprofile
nur anhand bundeseinheitlicher Regelungen zu erstellen und zu verwenden, ist dabei nichts ersichtlich. Im Gegenteil akzeptiert
es der Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang, nämlich z.B. bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten
(§
106 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V), dass das vertragsärztliche Abrechnungsverhalten anhand regionaler, auf den Zuständigkeitsbereich einer KV beschränkter
Vergleichswerte überprüft wird. Der den Gesamtvertragsparteien erteilte Auftrag, Verfahren zur Prüfung der Abrechnungen durch
Plausibilitätskontrollen zu vereinbaren (§
83 Abs.
2 SGB V), hindert die KVen nicht daran, vertragsärztliche Abrechnungen auch ohne solche Vereinbarungen auf Plausibilität und Richtigkeit
hin zu überprüfen. §§ 45 Abs. 1 und 2 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä enthalten nämlich einen umfassenden Auftrag an die KVen, die von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen entsprechend
zu kontrollieren. Zu den hierfür geeigneten Kontrollmaßnahmen gehört grundsätzlich auch die Verwendung von Zeitprofilen (Urteil
des Senats vom 11.02.2004 - L 11 KA 72/03 -)
Weitere Indizien für die Falschabrechnungen der Klägerin ergeben sich auch aus der Frequenzentwicklung der Abrechnung der
Ziff. 8450 und 8451 EBM Schmerztherapievereinbarung seit Erteilung der Genehmigung für Dr. C zum 01.04.1997.
Quartal - Nr. 8450 - Nr. 8451
II/1997 - 395 - 394 III/1997 - 480 - 480 IV/1997 - 506 - 507 I/1998 - 567 - 655 II/1998 - 311 - 623 III/1998 - 306 - 672 IV/1998
- 258 - 603 I/1999 - 439 - 645 II/1999 - 396 - 697 III/1999 - 433 - 681 IV/1999 - 409 - 629 I/2000 - 641 - 668 II/2000 - 631
- 706 III/2000 - 674 - 728 IV/2000 - 614 - 697 I/2001 - 671 - 776 II/2001 - 776 - 917 III/2001 - 730 - 918 IV/2001 - (dem
Senat nicht bekannt) I/2002 - 1.409 - 1.414 II/2002 - 1.291 - 1.300 III/2002 - 1.645 - 1.728 IV/2002 - 1.693 - 1.697 I/2003
- 1.986 - 2005 II/2003 - 1.927 - 1980
Die Entwicklung belegt einen zum einen bereits für die Zeit der Einzelpraxis einen steten Anstieg, und sodann einen weiteren
sprunghaften Anstieg seit Gründung der Gemeinschaftspraxis, der allein durch eine Optimierung des Praxisablaufs nicht zu erklären
ist, da Dr. C nach wie vor der einzige Arzt der Praxis war, der an der Schmerztherapievereinbarung teilnahm und die Genehmigung
hatte, die Gebührenziffern 8450 und 8451 abzurechnen.
Unabhängig von den dargelegten Indizien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass (auch) in den Quartalen I/2003 bis III/2003
diese Gebührenziffern nicht den Leistungslegenden entsprechend geleistet und abgerechnet worden sind.
Nach deren Leistungslegenden werden für die Erhebung einer standardisierten Anamnese einschließlich Auswertung von Fremdbefunden,
der Durchführung einer Schmerzanalyse und der differential-diagnostischen Abklärung der Schmerzkrankheit sowie der Therapieplanung,
ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen, einmal im Krankheitsfall mit 81,81 EUR (Ziff. 8450) und für die Behandlung chronisch
schmerzkranker Patienten einschließlich der Dokumentation nach § 2 Nr. 8 je Behandlungsfall mit 61,36 EUR vergütet.
Dr. C hat indes - wie unbestritten - die Ziffer 8450 regelmäßig für den selben Patienten in mehreren Quartalen hintereinander
angesetzt, ohne einen jeweils neuen Krankheitsfall zu dokumentieren oder auch nur vorauszusetzen. Soweit er geltend macht,
er habe den Begriff des Krankheitsfalles wegen damaliger Rechtsunsicherheit in seinem Sinn ausgelegt und angewandt, ist dies
nicht nachvollziehbar. Bei verständiger Würdigung der Leistungslegende gemessen am Sorgfaltsmaßstab eines objektiven Dritten
hätte er auch ohne Legaldefinition oder Erläuterung erkennen können und müssen, dass sich der Krankheitsfall auf die von der
Schmerztherapievereinbarung erfassten chronischen Schmerzerkrankungen bezieht, so dass im Regelfall - vorbehaltlich der Entwicklung
eines von der ursprünglichen Schmerzerkrankung gelösten neuen chronischen Schmerzleidens im Ausnahmefall - nur ein einmaliger
Ansatz der Ziff. 8450 möglich ist. Soweit er vorträgt, es seien erst mit der Einführung des § 21 Abs. 3 BMV-Ä zum 01.01.2004 "Unklarheiten" beseitigt worden, ist dies nicht nachvollziehbar und zur Überzeugung des Senats eine reine
Schutzbehauptung. Zwar wurde die Regelung um den Passus "Ein Krankheitsfall umfasst das aktuelle sowie die nachfolgenden drei
Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Leistungsposition folgen" ergänzt. Dabei handelte es
sich indes lediglich um eine neu eingeführte zeitliche Eingrenzung des Krankheitsfalles und Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeit,
keinesfalls aber um eine - nicht erforderliche - Definition des Begriffs "Krankheitsfalles", die sich ohne großen intellektuellen
Aufwand für jeden Arzt in Abgrenzung zum definierten Begriff "Behandlungsfall" erschließt. Unabhängig von der sich aufdrängenden
Begriffsbestimmung, ergibt sich dies auch aus der Leistungslegende selbst. Welchen Sinn sollte - folgt man der Auffassung
der Klägerin - bei gleichem Krankheitsbild eine vierteljährlich wiederkehrende Anamnese einschließlich der Auswertung von
Fremdbefunden haben, obwohl diese Erkenntnisse bereits vorliegen. Da in diesen Fällen nicht alle der Teilleistungen vollständig
neu erbracht wurden, durfte auch aus diesem Grund die dafür vorgesehene Gesamtvergütung nicht erneut in Ansatz gebracht werden.
Die Beklagte hat zu Recht auch die Abrechnung der Ziff. 8451 der Schmerztherapievereinbarung beanstandet, der die Behandlung
"chronisch schmerzkranker Patienten" voraussetzt. Insoweit haben die Gesellschafter der Klägerin selbst in ihren Zulassungsentziehungsverfahren
eingeräumt, die Ziffer entgegen der Leistungslegende auch für die Behandlung noch nicht chronisch Erkrankter eingesetzt zu
haben.
Die an sich gebotene Erklärung des Vertragsarztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der Einzelleistungen wird
aufgrund der für den Vertragsarzt bindenden Bestimmungen und des gesetzlichen Rechtes durch eine sogenannte Abrechnungs-Sammelerklärung
ersetzt (vgl. §§ 35 Abs. 2 S. 3, 42 Abs. 3 BMV-Ä; §§ 43 Abs. 1, 35 Abs. 3 EKV-Ä). Nach diesen Regelungen, denen normative Wirkung zukommt, ist die Abgabe einer - ordnungsgemäßen - Abrechnungs-Sammelerklärung
eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruches eines Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten
Leistungen. Mit ihr garantiert der Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen (bzw.
heute Datenträgern) zutreffen. Die ordnungsgemäß erstellte Abrechnungs-Sammelerklärung ist eine eigenständige Voraussetzung
für das Entstehen des Honoraranspruches. Erweist sich die Erklärung wegen abgerechneter, aber nicht oder nicht ordnungsgemäß
erbrachter Leistungen als falsch, erfüllt sie ihre Garantiewirkungen nicht mehr, es sei denn, es läge lediglich ein Fall schlichten
Versehens vor. Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfällt und damit eine Voraussetzung für die Festsetzung
des Honoraranspruches des Vertragsarztes fehlt, ist der auf der Honorarabrechnung des Vertragsarztes in Verbindung mit seiner
Bestätigung der ordnungsgemäßen Abrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Die KV ist berechtigt und verpflichtet,
den entsprechenden Honorarbescheid aufzuheben und das Honorar neu festzusetzen. Die Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes
ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen
enthält. Damit entfällt für die Beklagte grundsätzlich die Verpflichtung, als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides
dem Arzt mehr als eine unrichtige Abrechnung je Quartal nachzuweisen. Sie ist rechtlich nicht gehalten, in allen Behandlungsfällen,
in denen sie unrichtige Abrechnungen vermutet, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Im Ergebnis liegt somit das Honorarrisiko
auf Seiten des Vertragsarztes, der in seiner Honorarabrechnung unrichtige Angaben gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.2001 - L 5 KA 4454/00 -).
Die von der Klägerin mit den Abrechnungen für die fraglichen Quartale abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärungen sind unrichtig.
Dr. C hat zur Überzeugung des Senats die Leistungen nach den o.a. Gebührenordnungspositionen jedenfalls in nicht unerheblichen
Teilen nicht ordnungsgemäß erbracht.
Die Unrichtigkeit der von der Klägerin abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärungen für die o.a. Quartale beruht zumindest auf
grober Fahrlässigkeit. Insoweit ist an die Regeln des Sozialverwaltungsverfahrens über die Aufhebung von Verwaltungsakten
gemäß §§ 45, 48 SGB X anzuknüpfen (vgl. BSG a.a.O.), nach denen ein Begünstigter u.a. dann nicht auf die Bestandskraft eines begünstigenden Verwaltungsaktes vertrauen
kann, soweit der Verwaltungsakt auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig gemachten Angaben des Begünstigten beruht (vgl.
§§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat
(§ 45 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Die Leistungslegenden der Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung und die Ziff. 17, 301, 801 und 2460 EBM sind
eindeutig. Die Ausführungen der Klägerin sind nicht nachvollziehbar und exkulpieren sie nicht.
Der Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässig falschen
Angabe auf einem Behandlungsausweis, mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das Quartal im Ganzen rechtswidrig ist, unterliegt
auch keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend
gesetzt hat, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend hält oder sie von einer Berichtigung absieht. Überdies
bedeutet die sachlich-rechnerische Richtigstellung nicht, dass dem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem
Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Soweit davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht
wurden, hat die KV nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar
neu festzusetzen.
Bei der Festsetzung ist die Beklagte berechtigt, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Bei der Schätzung besteht
kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn die KV in den
Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt
seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich
im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z. B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts - oder in KV-Bezirken
mit hohen Fallwerten evtl. niedriger - zuzuerkennen (u.v.a. BSG, Urteil vom 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 -).
Der Senat stimmt mit dem SG überein, dass die von der Beklagten vorgenommene Streichung aller Ansätze der Ziff. 8450 und 8451 Schmerztherapievereinbarung
indes unverhältnismäßig ist und hält den durchschnittlichen Ansatz der Fachgruppe für die Ziffer 8450 und den Ansatz von 500
Behandlungen je Quartal für die Ziffer 8451 angemessen. Insofern verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf
sein Urteil vom 29.02.2008 in dem Parallelverfahren der Klägerin L 11 KA 71/08, das sich entsprechend zu den vorhergehenden Quartalen des Jahres 2002 verhält.
Die Ansicht der Klägerin, der Rückforderung hätte eine explizite Beratung vorangehen müssen, geht fehl. Hinweis- und Beratungspflichten
der KV sind aus der im Vertragsarztrecht bestehenden gegenseitigen Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit auf die
Fälle beschränkt, in denen sich eine Beratung vor der Plausibilitätsprüfung aufdrängt. Ein solcher Anlass bestand nach Aktenlage
nicht und wird vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Im Ergebnis hatte damit die Berufung der Klägerin keinen und die Berufung der Beklagten im tenorierten Umfang Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).