Vergütung Sachverständiger im sozialgerichtlichen Verfahren
Zulässigkeit des Ansatzes der Honorargruppe M 2 für eine klassische Zustandsbegutachtung zur Feststellung des Grades der Behinderung
nach dem SGB IX
Kein gesonderter Vergütungsanspruch für "Sachleistungen nach dem DKG-NT"
Gründe
Die nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 JVEG in Anbetracht der begehrten Heraufsetzung der Vergütung um 342,18 Euro statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde,
über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art oder grundsätzlicher Bedeutung durch
den Vorsitzenden als Einzelrichter entscheidet (§ 4 Abs. 7 JVEG), ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Vergütungsanspruch des Sachverständigen für sein im Verfahren S 24 SB 1671/17 erstattetes Gutachten nicht zu niedrig festgesetzt.
1. Das Sozialgericht ist zutreffend von der Honorargruppe M 2 ausgegangen.
Die Frage, ob für die pro Stunde anzusetzende Vergütung des Sachverständigen die Honorargruppe M 2 oder M 3 nach § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG einschlägig ist, bestimmt sich nach Anlage 1 zu § 9 JVEG. Danach fällt eine beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge
mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, u.a. in Verfahren nach dem
SGB IX oder zur Minderung Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, unter die Honorargruppe M 2. Der Honorargruppe M 3 werden demgegenüber
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer
Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum
Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen und zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei
besonderen Schwierigkeiten zugeordnet. Nach dem Wortlaut dieser Regelungen nimmt der Senat in ständiger Rechtsprechung die
Abgrenzung zwischen den Honorargruppen M 2 und M 3 nach dem Schwierigkeitsgrad vor. Nur ein hoher Schwierigkeitsgrad rechtfertigt
den Ansatz der Honorargruppe M 3. Darüber hinaus soll die Honorargruppe M 2 beschreibenden Begutachtungen ohne Erörterung
spezieller Kausalzusammenhänge vorbehalten sein, wohingegen die Honorargruppe M 3 einschlägig ist, wenn schwierige Kausalzusammenhänge
und/oder differenzialdiagnostische oder ätiologische Probleme zu klären sind (vgl. zum Ganzen den Beschluss des Senats vom
20.02.2015 - L 15 KR 376/14 B -, juris Rn. 30; ebenso bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.02.2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 19).
Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht zutreffend die Honorargruppe M 2 angesetzt. Vorzunehmen war eine klassische
Zustandsbegutachtung zur Feststellung des Grades der Behinderung nach dem
SGB IX. Der Sachverständige hatte dabei u.a. die funktionellen Auswirkungen der bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen
zu beurteilen. Die Erörterung schwieriger Kausalzusammenhänge war dabei ebenso wenig erforderlich wie die Klärung differenzialdiagnostischer
oder ätiologischer Probleme. Für die hier erfolgte Begutachtung zur Feststellung eines Grades der Behinderung widerspräche
der Ansatz der Honorargruppe M 3 sogar eindeutig dem Wortlaut der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG.
2. Für die als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten steht dem Sachverständigen kein gesonderter Vergütungsanspruch
zu. Insoweit fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Soweit ihm das Sozialgericht insoweit eine Vergütung von 83,86 Euro unter
Anerkennung von Sachkosten nach den GOÄ-Ziffern 1413, 1417, 1407 und 3 mal 1409 zugebilligt hat, steht das Verbot einer reformatio in peius im Beschwerdeverfahren
einer Korrektur zu Lasten des Sachverständigen entgegen.
a) Ein Vergütungsanspruch ergibt sich entgegen der wohl vom Sozialgericht und der Staatskasse für die GOÄ-Ziffern 1413, 1417, 1407 und 3 mal 1409 vertretenen Auffassung insgesamt nicht aus § 10 JVEG.
Die von dem Sachverständigen als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten können nicht unter die in der Anlage
2 zum JVEG genannten Leistungen subsumiert werden (§ 10 Abs. 1 JVEG). Insbesondere handelt es sich nicht um elektrophysiologische Untersuchungen eines Menschen im Sinne der Ziffer 305 der Anlage
2 zum JVEG. Gemeint sind damit spezielle Untersuchungsmethoden in der Neurologie oder der Kardiologie, bei denen elektrische Signale
eingesetzt oder gemessen werden. Solche Untersuchungen hat der Sachverständige ausweislich der von ihm vorgelegten Rechnung
nicht vorgenommen.
Die von dem Sachverständigen als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten können auch nicht den in Abschnitt
O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur GOÄ) zugeordnet werden, so dass auch § 10 Abs. 2 JVEG nicht einschlägig ist.
Vor allem hat der Sachverständige mehrfach und vor allem in seiner Beschwerdebegründung klargestellt, dass es sich bei den
als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten um Sachkosten handelt, die er dem "Institut für Begutachtung"
für die Inanspruchnahme der Geräte und Materialien für die Durchführung der im einzelnen aufgeführten Untersuchungen zu zahlen
hat. Der Sachverständige macht damit gerade nicht die gesonderte Vergütung bestimmter Leistungen geltend, sondern Kosten für
die Benutzung von Gerätschaften und technischer Einrichtungen. Solche Kosten werden nicht von § 10 JVEG erfasst.
b) Ein Anspruch auf Vergütung der als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten folgt auch nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG.
Nach § 12 Abs. 1 sind, soweit im JVEG nichts anderes bestimmt ist, mit der Vergütung nach den §§ 9-11 JVEG auch die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachtens und der Übersetzung üblicherweise verbundene Aufwand
abgegolten. Es werden jedoch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten,
einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte, sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe
und Werkzeuge gesondert ersetzt.
Entgegen der Auffassung des Sachverständigen können die von ihm als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten
nicht unter diese Vorschrift subsumiert werden.
Das JVEG spricht - in Abgrenzung zu den üblichen Gemeinkosten - ausdrücklich von dem Ersatz für "verbrauchte" Stoffe und Werkzeuge.
Nur insoweit steht dem Sachverständigen ein Aufwendungsersatzanspruch zu. Zu den üblichen Gemeinkosten zählen demgegenüber
unter anderem Aufwendungen, die sich aus einer angemessenen Ausstattung mit technischen Geräten ergeben (vgl. BT-Drucks 15/1971,
S. 184). Dementsprechend kann ein Sachverständiger für die bloße Benutzung und fortlaufende Abnutzung von Werkzeugen, Geräten
und technischen Einrichtungen keine Entschädigung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG erhalten (vgl. zum Ganzen Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, JVEG, 27. Aufl. 2018, § 12 Rn. 23).
Bei den von dem Sachverständigen als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten handelt es sich jedoch offensichtlich
um solche Kosten für die Benutzung von Geräten und technischen Einrichtungen des von dem Sachverständigen genutzten "Instituts
für Begutachtung". Der Sachverständige hat zwar in seiner Beschwerdebegründung geltend gemacht, ihm würden von dem "Institut
für Begutachtung" gerade auch verbrauchte Stoffe in Rechnung gestellt. Er hat jedoch nicht dargelegt und spezifiziert, welche
einzelnen Stoffe und Werkzeuge er tatsächlich bei der Untersuchung des Klägers verbraucht haben soll. Die Rechnung des "Instituts
für Begutachtung" lässt den Verbrauch von Stoffen und Werkzeugen nicht erkennen. Vielmehr wird für die Durchführung der im
Einzelnen aufgeführten Untersuchungen von dem Sachverständigen ein Entgelt verlangt. Dies spricht dafür, dass es sich bei
diesen Kosten in der Sache um Nutzungsentgelte der technischen Einrichtungen des Instituts handelt.
Selbst wenn man zu Gunsten des Sachverständigen unterstellt, dass er bei den von ihm mit den Mitteln des "Instituts für Begutachtung"
durchgeführten Untersuchungen tatsächlich auch Stoffe und Werkzeuge verbraucht hat und dass die entsprechende Kostenaufstellung
des Instituts auch solche Aufwendungen für den Verbrauch von Stoffen und Werkzeugen enthält, ergibt sich keine andere Bewertung.
Zum einen kann ohne Konkretisierung der verbrauchten Stoffe und Werkzeuge nicht festgestellt werden, in welchem Umfang gerade
hierdurch Kosten entstanden sind. Zum anderen und vor allem sind etwaige Aufwendungen des Sachverständigen infolge des Verbrauchs
von Stoffen und Werkzeugen durch die ihm vom Sozialgericht im Hinblick auf die Rechnung des "Instituts für Begutachtung" zugebilligten
Kosten i.H.v. 83,86 Euro, für die sich nach den vorstehenden Ausführungen zu a) keine Anspruchsgrundlage im JVEG finden lässt, offensichtlich vollumfänglich abgegolten.
c) Weiterhin ergibt sich ein Anspruch auf Erstattung der als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten auch
nicht aus § 7 Abs. 1 JVEG. Ein Ersatz für sonstige Aufwendungen ergibt sich nach dieser Vorschrift nur in Bezug auf die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten baren Auslagen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG). Die von dem Sachverständigen als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten sind jedoch in § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG ausdrücklich genannt. Wie bereits vorstehend unter b) dargelegt, handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten um Gemeinkosten,
nämlich für die Benutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen, die mit der Vergütung nach § 9 JVEG nach dem Zeitaufwand abgegolten sind. Sie können dementsprechend nicht als sonstige Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 JVEG gesondert erstattet werden.
d) Schließlich kommt auch wegen der als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Kosten keine Erhöhung des Zeitaufwandes
und dementsprechend eine Erhöhung der Vergütung nach § 9 JVEG in Betracht. Den Zeitaufwand für die als "Sachleistungen nach dem DKG-NT" geltend gemachten Leistungen hat der Sachverständige
bereits als Zeitaufwand für die Untersuchung geltend gemacht. Dieser Aufwand ist ihm auch vergütet worden. Mit der weitergehenden
Kostenposition in Gestalt der Rechnung des "Instituts für Begutachtung" möchte er, wie bereits ausgeführt, gerade zusätzlich
Kosten für die Benutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen geltend machen. Hierfür scheidet ein gesonderter
Kostenersatz nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG aus.
3. Im Übrigen macht der Sachverständige keine Einwendungen gegen die Berechnung seines Vergütungsanspruchs durch das Sozialgericht
geltend. Fehler zum Nachteil des Sachverständigen vermag der Senat auch nicht zu erkennen. Der Senat nimmt deshalb zur Berechnung
des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen im Übrigen auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts
Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§
177 SGG, § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).