Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine alternative Krebstherapie
Kein Primärleistungsanspruch und keine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine alternative Krebstherapie streitig.
Der Kläger ist der Ehemann und Alleinerbe der im Jahr 1965 geborenen und am 00.11.2007 verstorbenen N O (Versicherte), die
bei der Beklagten als Beamtin freiwillig krankenversichert war. Daneben bestand für die Versicherte eine subsidiäre Beihilfeberechtigung
seitens des Beigeladenen aufgrund ihrer Tätigkeit für das Land Hessen.
Bei der Versicherten war im Januar 2005 ein bereits metastasiertes Ovarialkarzinom diagnostiziert worden. Deswegen unterzog
sie sich im September 2005 einer Operation, bei der zwei Tumore, die Eierstöcke, die Eileiter, die Gebärmutter sowie die Gallenblase
entfernt wurden. Im Oktober 2005 fand die erste Chemotherapie mit Taxol und Carboplatin (palliativ) statt. Jedenfalls seit
November 2005 war die Versicherte bei dem Arzt für Naturheilverfahren und Chirotherapie P in Frankfurt am Main in Behandlung
und begann am 12.12.2005 mit einer "biologische Krebstherapie".
Mit Schreiben vom 18.12.2005 beantragte die Versicherte bei der Beklagten unter Berufung auf den sogenannten Nikolaus-Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98) die Kostenübernahme einer alternativen postoperativen Heilbehandlung. Sie werde die palliative Chemotherapie aufgrund der
erheblichen Nebenwirkungen nicht fortführen, zumal sie schulmedizinisch austherapiert sei. Sie beabsichtige, eine Heilbehandlung
bei dem Arzt P durchzuführen. Die von ihm verwendeten Medikamente seien nach schulmedizinischen Maßstäben umstritten bzw.
die verwendeten Heilmethoden seien schulmedizinisch nicht wissenschaftlich anerkannt. Sie führten allerdings nachweislich
bei einem höheren Prozentsatz von Patienten als bei der konventionellen Behandlung zum Erfolg. Die fehlende wissenschaftliche
Anerkennung der verwendeten Methoden stehe nach bisheriger Rechtslage einer Kostentragung durch eine gesetzliche Krankenkasse
entgegen, dies dürfe sich indes durch den Beschluss des BVerfG in der Sache 1 BvR 347/98 geändert haben. Beigefügt war dem Antrag ein "Vorschlag und Kostenplan" für eine wöchentliche Behandlung bestehend aus Ozontherapie,
Vitamin-C-Infusionen, aktiver Fiebertherapie, Ukrain-Infusionen, lokaler Hyperthermie, Laertile-Infusionen, darin hieß es:
"Nach Ende der 7-wöchigen Therapie sind weitere Nachbehandlungen notwendig. Diese sollten durchschnittlich 2x/Monat durchgeführt
werden."
Mit Schreiben vom 19.12.2005 übersandte die Versicherte einen um Ganzkörperhyperthermie ergänzten Kostenvoranschlag und beantragte
Kostenerstattung gemäß §
13 SGB V begrenzt auf ambulante Behandlungen, beginnend mit dem 01.12.2005.
Unter dem 30.04.2006 stellte sie einen weiteren Antrag auf Kostenübernahme und legte einen Kostenplan des Arztes P ab April
2006 vor, nach dem die dort genannten Behandlungen bei ihr vorerst dreimal wöchentlich so lange durchgeführt werden sollten,
bis der Tumormarker unter die Höchstgrenze fällt. Die Beklagte teilte der Versicherten mit Bescheid vom 02.05.2006 mit, dass
die Kosten für die Ozon-Sauerstofftherapie nicht von ihr übernommen werden könnten, da diese nicht zu den vertraglich anerkannten
Leistungen gehöre. Der behandelnde Arzt möge den beigefügten Fragebogen ausfüllen, damit geprüft werden könne, welche Behandlungsmethode
in ihrem Fall geeignet sei. Die in der Praxis des Arztes P tätige Ärztin R übersandte mit Schreiben vom 23.05.2006 den ausgefüllten
Fragebogen. Danach sei schulmedizinisch nur noch palliativ behandelt, nun aber ein kurativer Behandlungsansatz ergriffen worden.
Es liege ausweislich von Einzelfällen in der Literatur und in ihrer Praxis eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf
Heilung vor. In jedem Fall wirke sich die alternative Krebstherapie spürbar positiv auf den Krankheitsverlauf aus durch Verbesserung
der Lebensqualität, Symptomrückgang, Sanierung einzelner Herde und eine mögliche Heilung. Die Lebermetastasen seien durch
die Behandlung zurückgegangen, der Rest-Tumor nicht weiter gewachsen und kaum neue Metastasen hinzugekommen. Beigefügt war
ein Kostenplan ab Mai 2006.
Die Beklagte teilte der Versicherten mit, dass ihre Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weitergeleitet
worden seien und bat um Übersendung des hämatologisch-onkologischen Verlaufsberichts.
Die Versicherte beantragte wegen einer Ergänzung des Therapie- und Kostenplanes mit Schreiben vom 27.07.2006 auch die Übernahme
der Kosten für 10 Ampullen Leber-Peptide und legte eine Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. T nebst Laborbefund vor.
Darin wurde ausgeführt, dass es zu einer Verbesserung des Allgemeinbefindens, der Stimmungslage, der Schmerzsituation sowie
zu einem Stillstand des Tumorwachstums und Rückbildung der Lebermetastasen durch die alternative Behandlung gekommen sei.
Der MDK nahm unter dem 09.08.2006 Stellung, dass die Ozontherapie von der vertraglichen Versorgung ausgeschlossen sei. Als
Alternative sei eine kontinuierliche onkologische Überwachung und Mittherapie zu nennen, in deren Rahmen über den Einsatz
von Chemotherapeutika unter Berücksichtigung der Verlaufskontrollen entschieden werden müsse. Die Beklagte teilte der Versicherten
mit Bescheid vom 24.08.2006 mit, dass die Ozon-Sauerstofftherapie als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vom Gemeinsamen
Bundesausschuss (GBA) negativ beurteilt worden sei und sie hierfür keine Kosten übernehmen dürfe. Die Aussage des MDK gelte
zudem für das gesamte Behandlungskonzept des Arztes P.
Hiergegen erhob die Versicherte mit Schreiben vom 25.09.2006 Widerspruch, den sie zunächst nicht begründete. Sie beantragte
im April 2007 unter Vorlage eines Behandlungs-/Kostenplanes des Arztes P die Übernahme von Kosten für eine Chemotherapie (Carboplatin,
Paclitaxel). Wegen Resistenzbildung müsse eine Umstellung der Chemotherapeutika erfolgen. In einem an den Beigeladenen gerichteten
Schreiben vom 02.05.2007 empfahl das Hessische Amt für Versorgung und Soziales unter Berücksichtigung der nachweislichen Befundbesserung
nach durchgeführter biologischer Krebstherapie und fehlender schulmedizinischer Therapieoptionen im Einzelfall als ultima
ratio die beihilferechtliche Anerkennung der durchgeführten alternativen Behandlungsmethoden. Der Arzt P beantragte im Juli
2007 zudem für die Versicherte, bei der es durch die ungewollte Behandlungspause zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes
gekommen sei, die Übernahme der Kosten für eine patientenspezifische Immuntherapie (Herstellung einer Tumorimpfung) in Höhe
von ca. 800 €. Ebenfalls im Juli 2007 schlossen die Versicherte und der Beigeladene eine Vereinbarung, wonach sich letzterer
zur Gewährung einer Beihilfe zu den der Versicherten entstandenen Aufwendungen einer biologischen Krebstherapie verpflichtete,
obwohl es sich um wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungen handele. Die Beihilfegewährung erfolge ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht unter analoger Anwendung der Entscheidung des BVerfG 1 BvR 347/98. Im Gegenzug verpflichtete sich die Versicherte, ihren Anspruch gegenüber der Beklagten auf Kostenerstattung zu den Aufwendungen
für die biologische Krebstherapie ggf. im Klageweg geltend zu machen. Im Fall der Gewährung von Kassenleistungen sei dies
der Festsetzungsstelle nachzuweisen. Die sich daraus möglicherweise ergebende Überzahlung der Beihilfe werde von der Versicherten
zurück erstattet.
Ihren Widerspruch vom September 2006 begründete die Versicherte schließlich im August 2007 im Wesentlichen wie folgt: Die
Beklagte missachte bei ihrer Entscheidung Nikolaus-Beschluss des BVerfG. Sie sei zudem bei ihrer Ablehnung schon von falschen
Voraussetzungen ausgegangen, in dem sie sich nur auf die Ozontherapie bezogen habe. Diese sei aber nur ein Bestandteil der
u.a. auch die Verabreichung von sehr niedrig dosierten Chemotherapeutika und die Hyperthermie umfassenden Therapie. Durch
die Behandlung bei Herrn P habe sich ihr Allgemeinzustand deutlich verbessert, die Metastasen seien zurückgegangen. Infolge
einer Reduktion der Therapie aufgrund von Geldmangel habe sich ihr gesundheitlicher Zustand wieder deutlich verschlechtert,
es sei u.a. zu einer Zunahme der Metastasen und sehr schnell zunehmenden Aszitesmengen im Bauchraum gekommen. Nachdem schließlich
die Beigeladene eine Beihilfezahlung geleistet habe, habe sie die Therapie in größerem Umfang wieder aufnehmen können. Allerdings
habe nach der Unterbrechung der vorherige Stand der Verbesserungen nicht mehr erreicht werden können. Trotz der jetzigen Verschlechterung
habe die Therapie ihre Lebenserwartung bei verbesserter Lebensqualität verlängert, womit die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen
erfüllt seien.
Die Versicherte machte mit Schreiben vom 22.08.2007 unter Vorlage einer Aufstellung über die bisherigen Heilbehandlungskosten
in Höhe von 137.587,86 € weitere Ausführungen. Im November 2007 beantragte sie auch die Übernahme von Reisekosten. Am 28.11.2007
verstarb die Versicherte.
Die Beklagte bat den MDK um Prüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 17.12.2007 zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme
nicht zu empfehlen sei, da für die Behandlung der Versicherten eine Standardtherapie zur Verfügung gestanden habe und die
Wirksamkeit der gewählten alternativen Krebstherapie im Vergleich zu den vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten wissenschaftlich
nicht belegt sei. In einem weiteren Gutachten vom gleichen Tag hielt der MDK auch die Kostenübernahme für die aktive patientenspezifische
Immuntherapie nicht für angezeigt. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.12.2007 auch die Übernahme der Tumorvaccinebehandlung
ab.
In einem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 02.06.2008 führte der MDK aus, eine Abgrenzung der Wirksamkeit
der offenbar angewandten Chemotherapie alleine und der Kombinationstherapie könne nicht beurteilt werden. Soweit die behandelnde
Ärztin von einem kurativen Ansatz spreche, entbehre dies bei einem derart fortgeschrittenen Tumorleiden der wissenschaftlichen
Begründung. Die neben der so genannten biologischen Krebstherapie offenbar durchgeführte Chemotherapie hätte auch im Rahmen
des vertragsärztlichen Systems angewandt werden können.
Das Widerspruchsverfahren ruhte sodann bis zur Vorlage des Erbscheins durch den Kläger im August 2011. Er nahm in einem Schreiben
vom 01.02.2013 nochmals ausführlich Stellung und legte eine Kostenaufstellung vor.
Mit Bescheid vom 09.04.2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der im Zusammenhang mit den Behandlungen durch Herrn P stehenden
Fahrt- und Übernachtungskosten ab. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Die Beklagte wies die Widersprüche schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2013 als unbegründet zurück. Bei dem Behandlungskonzept
des Arztes P handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der GBA noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Auch
bestehe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG kein Anspruch, denn ausweislich der eingeholten Stellungnahme
des MDK stehe eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Behandlung zur Verfügung.
Hiergegen hat der Kläger am 30.09.2013 Klage zum Sozialgericht Detmold erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und
auf die streitgegenständliche Behandlung befürwortende ärztliche Stellungnahmen sowie auf die Rechtsprechung des BVerfG verwiesen
hat. Nach der Operation habe die Lebenserwartung der Versicherten nach Auskunft der Ärzte ohne Chemotherapie mit Taxol/Carboplatin
noch drei Monate betragen. Ohne diese Therapie aber mit der von Herrn P angewendeten Behandlung habe sie noch bis 2007 gelebt,
davon bis Mai 2007 unter Umständen, die ihr ein fast normales Familienleben und 2006 sogar einen mehrwöchigen Familienurlaub
ermöglicht hätten. Diese Behandlung habe einen kurativen Ansatz verfolgt und - aufgrund des Rückgangs der Metastasen - einen
kurativen Erfolg verzeichnet.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 02.05.2006, 24.08.2006, 19.12.2007 und 09.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.08.2013 aufzuheben und die Beklagte zur Kostenerstattung für die Behandlungskosten nach dem Behandlungskonzept des Herrn
P sowie die Fahrt- und Übernachtungskosten in Höhe von insgesamt 171.381,86 € zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des BVerfG nicht bestehe. Auch eine Kostenbeteiligung für die im Behandlungskomplex eingebundenen Chemotherapien u.a. sei
deshalb nicht möglich, weil diese nicht entsprechend der Zulassung, sondern im off-label-use, gegeben worden seien.
Im Verhandlungstermin haben Kläger und Beklagte übereinstimmend erklärt, dass nur die für die Behandlung nach dem Behandlungskonzept
des Arztes P entstandenen Kosten streitgegenständlich seien.
Mit Urteil vom 16.04.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass
die Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 Satz 1 1. Alternative
SGB V nicht vorlägen, wobei offen bleiben könne, ob der Beschaffungsweg eingehalten worden sei. Der Anspruch aus §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V reiche in beiden Alternativen nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch der Versicherten gegen ihre Krankenkasse.
Die selbstbeschaffte Leistung nach dem Behandlungskonzept des Arztes P gehöre nicht zu den Leistungen, die die Krankenkassen
allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Dessen Gesamtbehandlungskonzept stelle eine neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethode dar, für das es an einer positiven Empfehlung des GBA fehle. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch
nicht aus dem sogenannten Systemversagen. Ebenso wenig gehöre ein Ovarialkarzinom zu den Seltenheitsfällen. Eine Verpflichtung
der Beklagten zur Kostenerstattung lasse sich auch nicht aus den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG 1 BvR 347/98 begründen, denn die Kammer habe sich nicht davon überzeugen können, dass alle schulmedizinischen Behandlungsmethoden tatsächlich
ausgeschöpft gewesen seien. Eine Überlegenheit der von der Versicherten gewählten alternativen Behandlungsmethode sei nicht
nachgewiesen; das Versprechen eines kurativen Behandlungsansatzes entbehre nach den schlüssigen Ausführungen der MDK-Gutachter
jeglicher wissenschaftlicher Begründung.
Gegen das ihm am 20.05.2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 22.06.2015, einem Montag. Es sei
davon auszugehen, dass die schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien, bzw. - bei beträchtlichen
Nebenwirkungen - keinen wissenschaftlich belegbaren Nutzen haben. Das Sozialgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend
aufgeklärt und seine Entscheidung widerspreche der Rechtsprechung des BVerfG. Es habe die Gutachten des MDK nicht mit den
Stellungnahmen des Gesundheitsamtes Gießen und des Amtsarztes abgewogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.04.2015 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 02.05.2006,
24.08.2006, 19.12.2007 und 09.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2013 zu verurteilen, die Kosten für
die Behandlung der Versicherten durch Dr. P in Höhe von 147.539,56 € zu erstatten und diesen Betrag zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Das vom Senat mit Beschluss vom 24.04.2017 beigeladene Regierungspräsidium Kassel stellt keinen Antrag.
Der Senat hat zunächst einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. T eingeholt, der mitgeteilt hat, die schulmedizinischen
Möglichkeiten seien ausgeschöpft und nur ein palliatives Vorgehen möglich gewesen.
Am 05.10.2017 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird vollumfänglich Bezug genommen.
Ferner sind weitere Befundberichte des Arztes P, der Ärztin für Homöopathie Dr. U sowie der Frauenärztin Dr. V eingeholt und
die die Versicherte betreffende Krankenakte des Gemeinschaftskrankenhauses I beigezogen worden. Sodann hat der Senat ein ärztliches
Sachverständigengutachten des Direktors der Klinik für Hämatologie/Internistische Onkologie/Stammzelltransplantation am Evangelischen
Stift F, Prof. Dr. A, eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 19.08.2019 zu dem Ergebnis gelangt, dass für die zweifellos
lebensbedrohliche Erkrankung der Versicherten im November 2005 palliative schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung
gestanden hätten, die diese nicht ausgeschöpft habe. Eine Heilung sei aufgrund des weit fortgeschrittenen Tumorleidens durch
keinerlei Behandlungsmaßnahme erreichbar gewesen. Es gebe keine validen nachprüfbaren oder anerkannten publizierten Belege
für den Sinn und die Effektivität der durchgeführten alternativen Krebstherapie, noch lägen Belege vor, die im Individualfall
der Versicherten im Verlauf einen positiven Einfluss auf das maligne Geschehen belegen könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und
des Beigeladenen sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen
Bescheide der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger als Sonderrechtsnachfolger
der Versicherten nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Es besteht kein Anspruch auf Erstattung der vom Kläger zuletzt mit 147.539,56 € bezifferten Kosten für die alternative Krebstherapie
der Versicherten bei dem Arzt P durch die Beklagte.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V besteht nicht. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese notwendig war, von
der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig
erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte
Leistung Kosten entstanden sind (2. Alt.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dabei kann der Senat zunächst - da der Anspruch jedenfalls am fehlenden, von
beiden Alternativen des §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V vorausgesetzten Primärleistungsanspruch scheitert - offen lassen, ob die Versicherte den Beschaffungsweg ganz oder teilweise
nicht eingehalten hat. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Bestehen
eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der
Naturalleistung durch die Krankenkasse, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang
zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame)
Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R). Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen hat die Rechtsprechung die ablehnende Entscheidung
der Krankenkasse als Zäsur angesehen und die Kostenerstattung nach der 2. Alternative des §
13 Abs.
3 SGB V nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung auf eigene Rechnung beschafft
wurden (BSG, Urteil vom 03.08.2006 - B 3 KR 24/05 R -, SozR 4-2500 § 13 Nr. 10). Für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht, soweit die
Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen (BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R -, BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22 und Urteil vom 24.09.1996 - 1 RK 33/95 -, BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). War mit dem Beginn der Behandlung der weitere Verlauf bereits endgültig festgelegt, fehlt
dagegen der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse und der Kostenbelastung
des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 6 für eine umfangreiche zahnärztliche Behandlung mit Implantaten und einer daran befestigten Unterkieferprothese).
Der Antrag der Versicherten datiert auf den 18.12.2005; die alternative Krebstherapie wurde ausweislich der vorgelegten Rechnungen
des Arztes P bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich jedenfalls am 12.12.2005 begonnen. Ein Ursachenzusammenhang zwischen
der Selbstbeschaffung und der - zunächst nur die Ozon-Sauerstofftherapie betreffenden - Leistungsablehnung der Beklagten vom
02.05.2006 bestand folglich anfänglich nicht. Auch sprechen die Äußerungen des Klägers in den Erörterungsterminen dafür, dass
die Versicherte zunächst so oder so - unabhängig von einer Kostenerstattung - zur Durchführung der Therapie entschlossen gewesen
ist.
Allerdings ergibt sich unter Würdigung der vom Kläger einerseits und von Herrn P andererseits gemachten Angaben kein eindeutiges
Bild hinsichtlich der Frage, ob im Falle der Versicherten verschiedene Phasen der Behandlung oder eine einheitliche Behandlung
vorlagen und ob der weitere Verlauf der Behandlung von vornherein fest stand und die Versicherte zur Durchführung dieser gesamten
Therapie von vornherein entschlossen war. Der ursprüngliche Kostenvoranschlag bezog sich zunächst auf 7 Wochen, wobei darin
"Nachbehandlungen" für erforderlich erklärt wurden. Noch vor Erlass bzw. jedenfalls vor Zugang des ersten Ablehnungsbescheides
am 02.05.2006 beantragte die Versicherte dann unter Vorlage eines Kostenplanes ab April 2006 die Übernahme der weiteren Therapiekosten
und mit Schreiben vom 23.05.2006 unter Vorlage des Kostenplanes ab Mai 2006 die weitere Kostenübernahme. Der Ablehnungsbescheid
vom 02.05.2006 könnte mithin als Zäsur anzusehen sein, so dass für die danach in Anspruch genommenen Leistungen des Herrn
P möglicherweise der für einen Kostenerstattungsanspruch erforderliche Ursachenzusammenhang bejaht werden könnte.
Weil ein Primärleistungsanspruch nicht besteht, kann der Senat auch offen lassen, ob Unaufschiebbarkeit im Sinne des §
13 Abs.
3 Satz 1 1. Alt.
SGB V vorlag. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 30/15 R) ist eine Leistung unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer
Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht und daher die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet
werden kann. Leistungen, auf die kein Anspruch besteht, können schon mangels Notwendigkeit nicht dringlich sein.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung, der nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine
Krankenkasse reicht, scheitert vorliegend jedenfalls am Fehlen des erforderlichen Primärleistungsanspruchs. Er setzt voraus,
dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 08.09.2015 - B 1 KR 14/14 R, juris, Rn. 17 m.w.N.).
Vorliegend steht einem solchen Sachleistungsanspruch (§§
27,
2,
12 SGB V) bereits entgegen, dass es sich bei der begehrten Therapie, bzw. dem Behandlungskonzept des Herrn P um eine neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethode handelt, weil sie hinsichtlich des medizinischen Nutzens, möglicher Risiken und in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit
wesentliche, bisher nicht vom GBA geprüfte Änderungen aufweist, die sich insbesondere aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise
oder aus einer Änderung des Anwendungsgebietes ergeben können (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 6/16 R, juris, Rn. 25) und sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab
für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt war (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010 - B 1 KR 10/09 R, juris, Rn. 21). Die sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Anforderungen sind bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß
§
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur dann gewahrt, wenn der GBA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Vorliegend fehlte
es zum Behandlungszeitpunkt - und fehlt es auch nach wie vor - nicht nur an einer positiven Empfehlung hinsichtlich der streitgegenständlichen
alternativen Krebstherapie: Bezüglich der Ozontherapie, der Hyperthermie und auch der später beantragten Tumorvaccinebehandlung
als Bestandteilen des Behandlungskonzeptes liegt sogar ein Negativvotum des GBA vor (vgl. Nrn. 29, 35 und 42 der Anlage II
zur Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des GBA). Die Hyperthermie wurde durch Beschluss des GBA vom 18.01.2005
in die Anlage II aufgenommen (Inkrafttreten am 15.05.2005), die Ozon-Therapie am 11.12.2000 (Inkrafttreten am 23.03.2001),
die "Aktiv-spezifische Immuntherapie (ASI) mit autologer Tumorzellvakzine" durch Beschluss vom 10.04.2000 (gültig seit 26.07.2000)
- folglich jeweils vor Beginn der hier streitigen Behandlung.
Auch kann nicht vom Vorliegen eines Systemversagens ausgegangen werden, für dessen Beurteilung auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung
der Leistung abzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017, a.a.O., Rn. 57). Zu diesem Zeitpunkt gab es - und es gibt sie nach wie vor nicht - keine wissenschaftlichen
Erkenntnisse und keine gesicherte Datenbasis, nach denen sich die Überprüfung der Methode durch den GBA oder eine Verfahrenseinleitung
durch die insoweit antragsberechtigten Institutionen hätte aufdrängen müssen. Die in der Stellungnahme der Ärztin R vom 23.05.2006
angeführten und nicht weiter konkretisierten Einzelfälle in der Literatur und in der Praxis P, in denen durch den Einsatz
der alternativen Krebstherapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestanden habe, stellen keine gesicherte
Datenbasis in diesem Sinne dar. So geht insbesondere aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. A hervor,
dass den Angaben der Ärztin R aufgrund der fehlenden überprüfbaren Effektivität der durchgeführten alternativen Krebstherapie
mit Nachdruck widersprochen werden muss. Für keine der von Herrn P gewählten Behandlungsoptionen lagen fundierte wissenschaftliche
Erkenntnisse vor, die eine Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf begründen könnten,
so dass sich eine Verfahrenseinleitung beim GBA keinesfalls aufdrängen musste.
Aus dem Vorliegen eines sogenannten Seltenheitsfalles kann ein Leistungsanspruch der Versicherten ebenfalls nicht abgeleitet
werden. Dafür darf das festgestellte Krankheitsbild nach der Rechtsprechung des BSG aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 20/10 R; Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 25/11 R m.w.N.), was beim Ovarialkarzinom nicht der Fall ist.
Die Versicherte hatte auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. mit dem Sozialstaatsprinzip
und aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz (
GG) nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung
einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn diese eine nicht ganz entfernt liegende
Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht.
Zwar litt die Versicherte unzweifelhaft - wie sich aus den eingeholten Befundberichten und dem gerichtlichen Sachverständigengutachten
ergibt - an einer lebensbedrohlichen und regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit. Prof. Dr. A hat in seinem Sachverständigengutachten
auch nachvollziehbar dargelegt, dass - was sich aus den weiteren Angaben zum OP-Verlauf sowie aus dem Bericht über die anschließende
pathologisch- anatomische Begutachtung ergibt - entgegen der Angabe im OP-Bericht nicht nur das Tumorstadium FIGO IIIb sondern
mindestens FIGO IIIc vorgelegen hat.
Für die Behandlung der Versicherten stand jedoch eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
zur Verfügung.
Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur
Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien
an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht,
wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht.
Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht (BVerfG,
Stattgebender Kammerbeschluss vom 26.02.2013 - 1 BvR 2045/12).
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, stand für die Versicherte im November 2005 mit der begonnenen
und nach kurzer Zeit abgebrochenen Chemotherapie (Carboplatin/Paclitaxel) eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard
entsprechende Behandlung zur Verfügung. Daneben gab es bei Unverträglichkeit dieser Standardtherapie die Möglichkeit einer
schulmedizinisch anerkannten Monotherapie mit Carboplatin. Bei Fortschreiten der Erkrankung wäre der Einsatz weiterer Substanzen
wie pegyliertes liposomales Doxorubicin, Gemcitabin, Topotecan oder Paclitaxel, seltener auch Etoposid und Cyclophosphamid
evidenzbasiert in Frage gekommen. All diese Therapiemöglichkeiten verfolgten einen palliativen Ansatz, denn nach den Ausführungen
des gerichtlichen Sachverständigen war eine Heilung aufgrund des weit fortgeschrittenen Tumorleidens durch keinerlei Behandlungsmaßnahme
erreichbar. Jedenfalls hinsichtlich der schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten steht dieses Ergebnis i.Ü. im Einklang
mit den Angaben des Dr. T im Befundbericht vom 30.11.2016, der unter dem Bild einer massiven Peritonealkarzinose davon ausging,
dass nur noch ein palliatives Vorgehen möglich war.
In einer solchen Situation darf nach der o.g. Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 26.02.2013 - 1 BvR 2045/12) eine Alternativbehandlung nicht versagt werden, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie
hinaus reichenden Erfolg besteht. Letzteres ist hier jedoch hinsichtlich der von der Versicherten gewählten Therapie nicht
der Fall.
Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen, namentlich nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, lässt sich nämlich
eine auf Indizien gestützte Aussicht auf den behaupteten, über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg nicht
feststellen. Vielmehr hat die gerichtliche Beweisaufnahme das Ergebnis der verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen des
MDK bestätigt, dass auch nicht durch die gewählte alternative Krebstherapie ein kurativer Erfolg erreichbar war. Alle Bemühungen
konnten nur einen palliativen Therapieansatz folgen.
Einen kurativen Behandlungsansatz, nachdem die schulmedizinsiche Behandlung nur noch palliativ erfolgt sei, behauptet zwar
die Ärztin R für die Therapie der Arztes P in unter dem 23.05.2006 ausgestellten Fragebogen. Dafür fehlt indes für den Senat
eine nachvollziehbare Begründung. So fehlt jegliche Angabe dazu, um welche in der Literatur beschriebenen oder aus der Praxis
bekannten Einzelfälle es sich handeln soll, in denen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung angeblich bestanden
hat. Ob es sich hierbei zudem um Patientinnen mit metastasiertem Ovarialkarzinom bzw. welcher anderen Erkrankung handelte,
lässt die Ärztin R ebenfalls offen. Überzeugend zeigt hingegen Prof. Dr. A auf, dass beim Vorliegen von Lebermetastasen ein
kurativer Behandlungsansatz beim weit fortgeschrittenen Ovarialkarzinom mit keiner Therapiemaßnahme mehr möglich ist und weist
darauf hin, dass die Gabe von zwar niedrig dosierten aber grundsätzlich anerkannt wirksamen Zytostatika ab November 2006 angesichts
der durch die Praxis P postulierten kurativen Therapieerfolge der alternativen Krebstherapie besonders unverständlich ist.
Auch der Verlauf der Erkrankung nach Aufnahme der Alternativtherapie durch Herrn P eignet sich, ebenso wie ihr weiterer Verlauf
nach Reduzierung dieser Behandlung wegen Geldmangel, nicht als Indiz dafür, dass die Therapie des Arztes P Aussicht auf einen
über die palliative Standardtherapie hinausgehenden Erfolg besaß.
Wenn Dr. T in seiner Bescheinigung vom 30.06.2006 die Annahme einer positiven Wirkung der alternativen Krebstherapie zum Ausdruck
gebracht hatte, dürfte diese Einschätzung durch seinen Befundbericht vom 30.11.2016 überholt sein, jedenfalls ist sie widerlegt
durch die Befunde aus Oktober 2006. So geht aus einem Bericht der radiologischen Gemeinschaftspraxis Drs. H und G über ein
MRT vom 09.10.2006 hervor, dass die vorbeschriebenen Tumorreste innerhalb des kleinen Beckens jetzt anscheinend etwas größer
geworden seien und sich insgesamt eine Verschlechterung ergeben habe. Ferner offenbart der Bericht des Gemeinschaftskrankenhauses
I über eine am 10.10.2006 durchgeführte Sonographie eine leichtgradige Progression der vorbeschriebenen Lebermetastasen.
Soweit Herr P einen Rückgang der Lebermetastasen beschreibt, der sich im Übrigen nicht mit dem erwähnten Bericht des Gemeinschaftskrankenhauses
I über die am 10.10.2006 durchgeführte Sonographie in Einklang bringen lässt, fehlt jeder Beleg, dass dieser auf die alternative
Krebstherapie zurückgeführt werden kann. Prof. Dr. A hält insoweit eine mögliche Reduktion der Größe von sonographisch dargestellten
Lebermetastasen auch durch die - wenn auch nur einmalig im Oktober 2005 durchgeführte - Kombinationschemotherapie für denkbar.
Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Versicherten ab dem späten Frühjahr 2007, die der Kläger auf der aus finanziellen
Gründen erfolgten Reduzierung der Therapie bei Herrn P zugeschreiben möchte, ist nicht geeignet, einen grundsätzlich kurativ
wirksamen Ansatz der Behandlung zu begründen. Insbesondere lässt sich der behauptete Zusammenhang nicht mit den Untersuchungsbefunden
vom 09.10.2006 und 10.10.2006 - also aus einer Zeit, in der es offenbar noch nicht zu einer Reduktion der Therapien gekommen
war - in Einklang bringen. Vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt festgestellten Verschlechterung erklärt sich möglicherweis
auch der - entgegen der klägerischen Darstellung in der Berufungsbegründung nicht erst seit März 2007, sondern ausweislich
des Befundberichts von Herrn P bereits ab dem 14.11.2006 erfolgte - Einsatz von Chemotherapeutika in Form von Cisplatin und
Cyclophosphamid, bzw. ab März 2007 in Form von Carboplatin und Paclitaxel.
Auch die Tatsache, dass der Beigeladene vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs aufgrund des Nikolaus-Beschlusses
des BVerfG ausging bzw. die teilweise Kostenübernahme durch die Beihilfe als ultima ratio im Einzelfall befürwortete, begründet
keinen Anspruch gegenüber der Beklagten. Die Bereitschaft zur teilweisen Kostenerstattung des Beigeladenen dürfte sich überwiegend
vor dem Hintergrund der Stellungnahmen der Ärztin B des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales, bzw. aus - so heißt
es in einem Schreiben des Hessischen Ministeriums des Inneren und Sport vom 19.06.2007 an den Beigeladenen - Fürsorgegründen
erklären. Die Stellungnahme der Ärztin B setzt sich allerdings nicht mit den Untersuchungsbefunden vom 09.10. und 10.10.2006
auseinander, nach denen es trotz der alternativen Krebstherapie zu einer Verschlechterung gekommen war. Sie ist zudem spätestens
widerlegt durch das gerichtliche Sachverständigengutachten. Gleiches gilt hinsichtlich der amtsärztlichen Bescheinigung des
Landrates des Kreises Lippe zur Vorlage beim Finanzamt vom 15.12.2005, in der von einem - tatsächlich, wie von Prof. Dr. A
ausführlich dargelegt, nicht gegebenen - Ausschöpfen der schulmedizinischen Maßnahmen ausgegangen wird.
Schließlich kommt eine Kostenerstattung für die von der Versicherten gewählte alternative Krebstherapie auch unter dem Gesichtspunkt
einer palliativen Behandlung nicht in Betracht. Für ein solches Behandlungsziel stand, wie die Beweisaufnahme bestätigt hat,
eine anerkannte Therapie zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.
Das Verfahren bleibt für den Kläger auch in der Berufungsinstanz gemäß §
183 Satz 1
SGG gerichtskostenfrei, da er Sonderrechtsnachfolger gemäß §
56 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB I ist, der mit der Versicherten in einem Haushalt lebte. Die kürzeren Krankenhausaufenthalte sowie der Hospizaufenthalt unmittelbar
vor dem Tod der Versicherten sind insoweit für die Annahme eines gemeinsamen Haushalts unschädlich (vgl. Lebich in: Hauck/Noftz, SGB, 12/05, §
56 SGB I, Rn. 6).