Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit den Klagen gegen die finanzwirksame Berücksichtigung der strukturierten Behandlungsprogramme
chronisch Kranker (Disease-Management Programm - DMP) im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA).
Im RSA wurden ursprünglich nur die indirekten Morbiditätsfaktoren Alter, Geschlecht und Bezug einer Erwerbsminderungsrente
berücksichtigt. Wegen dieser indirekten Morbiditätsorientierung konnte der RSA das Ziel, den Solidarausgleich zwischen Gesunden
und Kranken zu gewährleisten, nur bedingt erreichen. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchung
kam zu dem Ergebnis, dass der RSA zwar grundsätzlich seine Funktion erfüllt habe. Gleichwohl bestünden weiterhin für die Kassen
Anreize, wegen der nur groben Erfassung der Morbiditätsunterschiede, ihre Geschäftspolitik an unterschiedlichen Risiken zu
orientieren, weil sie Beitragssatzvorteile erzielen könnten, wenn sie innerhalb der einzelnen Alters- und Geschlechtsgruppen
viele Gesunde und wenige chronisch Kranke aufwiesen (vgl. die allgemeine Begründung des Gesetzes zur Reform des RSA in der
gesetzlichen Krankenversicherung (BT-Drucks. 14/6432, 8 ff.). Der Gesetzgeber wollte daher den RSA mit dem Ziel weiter entwickeln,
die mit dem RSA in seiner bisherigen Ausgestaltung noch verbundenen Anreize zur Risikoselektion weiter einzuengen und langfristig
zu beseitigen. Mittelfristig sollten daher die Versichertengruppen im RSA auf der Grundlage einer direkten Erfassung der unterschiedlichen
Morbidität der Versicherten gebildet werden. Bis zur Einführung dieses neu orientierten RSA sollte die Zeit durch kurzfristig
wirksame Maßnahmen überbrückt werden, die einen stärkeren Belastungsausgleich zwischen den Kassen herbeiführen und zugleich
die Anreize zur Verbesserung der Versorgung insbesondere von chronisch Kranken steigern sollten. Zum einen sollten die Ausgaben
für solche chronisch kranken Versicherten, die sich in zugelassenen DMP eingeschrieben haben, besonders berücksichtigt werden,
zum anderen sollte die Ausgabenbelastung von Krankenkassen, die durch Versicherte mit weit überdurchschnittlichen Kosten verursacht
werde, über die Einführung eines Risikopools teilweise ausgeglichen werden (a.a.O., Seite 9 f.).
Mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 (BGBl.I, 3465)
wurde zum einen in §
268 SGB V die mittelfristig angestrebte inhaltliche Fortentwicklung des RSA zu einer direkten Morbiditätsorientierung geregelt. Ursprünglich
sollte der Einführung eines direkt morbiditätsorientierten RSA schon ab dem 01.01.2007 erfolgen, mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz
vom 22.12.2006 (BGBl. I, 3439) wurde aber der Einführungszeitraum auf den 01.01.2009 verlegt. Neben dem Risikopool für aufwändige
Leistungsfälle (§
269 SGB V) wurden in §§ 137g
SGB V strukturierte Behandlungsprogramme eingeführt, die der Zulassung durch das BVA bedürfen (§
137g Abs.
1 SGB V). Eingeschriebene Versicherte in den DMP wurden nach §
267 Abs.
2 Satz 4
SGB V, §
2 Abs.
1 Satz 3 RSAV (jeweils in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung) gesondert berücksichtigt, indem für jede der Krankheiten, für
die DMP zugelassen sind, entsprechend den sonstigen Statusmerkmalen eigene Versichertengruppen gebildet wurden. Für diese
Versicherten wurden den Krankenkassen dann erhöhte standardisierte Ausgaben zugewiesen. Die DMP wirkten sich im RSA auch insoweit
aus, als Ausgaben, die aufgrund der Entwicklung und Durchführung von DMP entstehen, in die Ermittlung der standardisierten
Leistungsausgaben nach den §§
6,
7 RSAV einzubeziehen sind (§
266 Abs.
4 Satz 2
SGB V, §
4 RSAV).
Im Jahresausgleich 2003 sind erstmals die DMP finanzwirksam berücksichtigt worden. Da damals der Ausgleich noch getrennt nach
Rechtskreisen West und Ost durchgeführt wurde, ergingen am 05.11.2004 zwei Ausgleichsbescheide. Für den Bereich West wurde
bei einem Beitragsbedarf von rund 7,2 Milliarden Euro und einer Finanzkraft von rund 10,1 Milliarden Euro eine Ausgleichsverpflichtung
von rund 2,9 Milliarden Euro festgesetzt; abzüglich geleisteter Abschlagszahlungen verblieb eine Ausgleichsverpflichtung von
rund 14,1 Millionen Euro. Im Rechtskreis Ost betrug der Beitragsbedarf rund 738 Millionen Euro, die Finanzkraft rund 1,1 Milliarden
Euro, so dass sich die Ausgleichsverpflichtung auf rund 363 Millionen Euro belief, wovon noch rund 2,5 Millionen Euro nachzuzahlen
waren. Für DMP-Versicherte wurde im Rechtskreis West ein Betrag von rund 1,5 Millionen Euro und eine Programmpauschale von
354.775,- Euro berücksichtigt, im Rechtskreis Ost ein Betrag von 341.151,- EURuro für DMP-Versicherte und 78.464,- EURuro
als Programmkostenpauschale.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 03.12.2004 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat zunächst zwei Klagen eingetragen,
die durch Beschluss vom 22.08.2005 verbunden worden sind.
Zur Begründung der Klagen hat die Klägerin vorgetragen, die Verknüpfung der DMP mit dem RSA sei verfassungswidrig. Die in
Frage stehenden Regelungen verstießen gegen das Willkürverbot, das auch bei der Regelung der Verhältnisse von Körperschaften
des öffentlichen Rechts zu beachten sei. Die finanzwirksame Verknüpfung der DMP mit dem RSA weiche ohne überzeugende Gründe
von der bisherigen RSA-Systematik ab; diese Verletzung der vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit indiziere einen
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Während bislang als Ausgleichsparameter nur der Status der Versicherten von Bedeutung
gewesen sei, werde nunmehr auch ein Verhalten der Versicherten maßgeblich, weil auch Aufwendungen berücksichtigt würden, die
durch eine freiwillige Teilnahme an den DMP entstünden. Wegen der freiwilligen Teilnahme sei nicht gewährleistet, dass für
Krankenkassen mit identischer Versichertenstruktur auch der gleiche Beitragsbedarf ermittelt werde, da sie eine unterschiedliche
Anzahl eingeschriebener Versicherter haben könnten. Die freiwillige Teilnahme eines Versicherten an einem DMP als Transfer
auslösendes Moment verletze in "krasser Art und Weise" die vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit.
Darüber hinaus liege eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor, weil die in Frage stehenden Regelungen zur Erreichung
des Gesetzeszweckes schlechthin ungeeignet seien. Die Berücksichtigung der DMP im RSA könne das gesetzgeberische Ziel, die
Versorgungssituation chronisch kranker Menschen zu verbessern, nicht erreichen, weil massive Fehlanreize gesetzt wurden. Zur
Verbesserung der Versorgung chronisch kranker Versicherter könnten die DMP nicht beitragen, weil sie darauf angelegt seien,
möglichst viele Patienten zu rekrutieren und nicht nur die Versicherten, die tatsächlich von den Programmen profitierten.
Insoweit hat die Klägerin auf ein - von ihr in Auftrag gegebenen - Gutachten des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung
GmbH (IGES) verwiesen. Dazu komme, dass ein Wettbewerb um die beste Versorgung nicht stattfinde, da die Programme fast ausnahmslos
einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) verhandelt und abgeschlossen worden seien. Auch räumten die Bestimmungen
zur Zulassung der DMP und das Vorgehen des Bundesversicherungsamts (BVA) den Krankenkassen keinen großen Spielraum ein und
ermöglichten kaum kassenspezifische Bestandteile. Soweit von anderer Seite Kritik an den Ergebnissen des Gutachtens geäußert
worden sei, sei dem entgegen zu halten, dass das in dem Gutachten verwendete Modell nach anerkannten wissenschaftlichen Standards
entwickelt worden sei und die vorgetragene Kritik nicht berücksichtige, dass die Rahmenbedingungen in DMP nicht vergleichbar
seien mit denen einer klinischen Studie, so dass die Effekte daher an eine realistische Einschätzung anzupassen seien. Belegt
werde die Ungeeignetheit der DMP zur Erreichung des Gesetzzweckes auch durch einen WHO-Bericht vom August 2003, in dem ausgeführt
werde, es gebe keinen Beleg für eine Senkung der Mortalität und eine Verbesserung der Lebensqualität durch DMP und keinen
Beleg für deren Kostenwirksamkeit. Es habe somit keine rationale wissenschaftliche Grundlage zur Einführung der DMP gegeben.
Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18.07.2005 (BVerfGE 113, 167) die Einführung von DMP in die gesetzliche Krankenversicherung nicht beanstandet habe, habe sich das Gericht nur knapp mit
dem Programm auseinandergesetzt und abschließend darauf verwiesen, es bleibe abzuwarten, ob sich die Versorgungssituation
chronisch kranker Menschen tatsächlich verbessern werde. Wie dargelegt, könne aber die Berücksichtigung der DMP im RSA das
gesetzgeberische Ziel, die Versorgungssituation chronisch kranker Menschen zu verbessern, schlechthin nicht erfüllen.
Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Beurteilung seien die Bescheide schon wegen eines Verstoßes gegen einfaches Recht
rechtswidrig. Die Datengrundlage erreiche nicht den vom BSG geforderten Standard. Das BSG habe zwar in den Entscheidungen vom 24.01.2003 (u.a. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 1) die Durchführung des RSA für die Jahre 1996 und 1997 als rechtmäßig gewertet. Es habe insoweit dem Gesetzgeber zugebilligt,
sich in den Anfangsjahren des RSA mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen zu begnügen, da bei komplexen Sachverhalten
häufig eine gewisse Zeit benötigt werde, um Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Zugleich habe das BSG aber auch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber sich in Zukunft nicht mehr darauf berufen könne, er habe Neuland betreten
und zunächst Erfahrungen sammeln müssen. Nach dieser Rechtsprechung sei daher für eine Weiterentwicklung des RSA eine sichere
Datenbasis erforderlich. Da die in Frage stehenden Bescheide im November 2004, also etwa 10 Jahre nach Einführung des RSA
erlassen worden seien, gelte hier ein strenger Maßstab zur Überprüfung der Datengrundlage. Angesichts des immensen Umverteilungsvolumens
seien die größtmöglichen Anforderungen an die Validität der Daten zu stellen, um die ansonsten hervorgerufenen Härten und
Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Erreiche die Datenvalidität im Ausgleichsverfahren nicht den geforderten Standard, führe dies
zur Rechtswidrigkeit der Ausgleichsbescheide.
Der Jahresausgleich erreiche schon deshalb nicht die erforderliche Datenvalidität, weil das BVA die Profile für die Gruppe
der bis zu 20- bis 21-jährigen Versicherten fehlerhaft gebildet hat. Bedingt durch eine von manchen Krankenkassen verwendete
Software seien die Versichertenzeiten dieser Versichertengruppen untererfasst worden. Das BVA habe unter Berufung auf § 5
Abs. 3 RSAV im Rechtskreis West die Profile dieser Versichertengruppen durch die auf das Niveau für 2003 angepassten Vorjahresprofile
ersetzt. Diese Ersetzung führe nicht zu einer Verbesserung der Daten, weil "etwaige Strukturunterschiede" zwischen 2002 und
2003 unberücksichtigt blieben und es deshalb mit "großer Wahrscheinlichkeit" zu falschen Ergebnisse komme.
Darüber hinaus habe das BVA rechtswidrig in den Hauptleistungsbereichen Ärzte, Zahnärzte und sonstige Leistungsausgaben keine
gesonderten Verhältniswerte für Teilnehmer an DMP gebildet. Das Ergebnis der Datenerhebung sei in diesen Hauptleistungsbereichen
nicht verwertbar gewesen, da es zu einer Untererfassung von Leistungen gekommen sei. DMP-Teilnehmer erhielten eine eigene
Krankenversicherungskarte, mit deren Hilfe die Leistungsausgaben erfasst würden. Diese neue Krankenversicherungskarte werde
erst nach Akkreditierung des Programms durch das BVA ausgehändigt, zudem erfolge der Einsatz der Krankenversicherungskarte
quartalsweise, so dass sich eine wirksam werdende Erfassung der Leistungsausgaben eines DMP-Teilnehmers verzögern könne. Dem
gegenüber würden die Versicherungszeiten auch bei rückwirkender Zulassung von Programmen ab Akkreditierung gezählt. Unter
Berufung auf § 5 Abs. 3 RSAV habe das BVA in diesen Bereichen keine gesonderten DMP-Profile gebildet, sondern stattdessen
gemeinsame Teilprofile für eingeschriebene und nicht eingeschriebene Versicherte ermittelt. Das von der Vorschrift geforderte
Einvernehmen mit den Spitzenverbänden sei jedoch nicht erzielt worden. Da die vom BVA durchgeführte Korrektur nicht zu einer
Verbesserung der Stichprobenergebnisse führe und sich nur um eine Scheinkorrektur handele, habe sie die Zustimmung des (damaligen)
VdAK zu dem Korrekturverfahren verhindert.
Generell seien auch die Datengrundlagen für die Berücksichtigung der DMP mangelhaft. Die Umsetzung der DMP habe sich aufgrund
von Differenzen mit Ärzten um die Behandlungsempfehlungen und die notwendige Datentransparenz sowie wegen der verwaltungstechnischen
Probleme als schwierig und langwierig erwiesen. Die Klägerin hat im Einzelnen die seinerzeit aufgetretenen Probleme und festgestellten
Mängel bei der Erfassung der Daten dargelegt und gemeint, angesichts der aufgezeigten Umstände sei davon auszugehen, dass
die RSA-Versicherungszeiten (Satzart 40) nicht ordnungsgemäß hätten gemeldet werden können. Dieses ergebe sich auch aus den
Berichten der Prüfdienste, was die Klägerin näher dargelegt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten behebe auch das in § 15a
RSAV vorgesehene Prüf- und Hochrechnungsverfahren nicht die Rechtswidrigkeit der Bescheide, denn die Vorschrift räume nur
nachträglich die Möglichkeit ein, einen Korrekturbetrag gegenüber der betreffenden Krankenkasse geltend zu machen.
Die Beklagte hat die verfassungsrechtlichen Einwände für unbegründet gehalten. Soweit die Klägerin gerügt habe, der Gesetzgeber
weiche von der bisherigen RSA-Systematik ab, übersehe sie, dass auf dem Weg zur direkten Morbiditätsorientierung des RSA mit
der Berücksichtigung der DMP als kurzfristige Maßnahme der Belastungsausgleich zwischen den Kassen verbessert werden solle.
Auch das BSG habe in seinen Entscheidungen den RSA nicht als statisch verstanden.
Die Rüge der Klägerin, die Berücksichtigung der DMP im RSA sei zur Erreichung des damit verbundenen Ziels ungeeignet, sei
unbegründet. Die Klägerin lasse in diesem Zusammenhang außer Betracht, dass die DMP nicht nur der Verbesserung der Versorgungsqualität
dienten, sondern auch die Anreize für die Risikoselektion einengen sollten. Zur Erreichung des Zwecks eines stärkeren Belastungsausgleichs
sei eine möglichst hohe Anzahl teilnehmender chronisch Kranker erforderlich. Soweit die Klägerin behaupte, dass die Mehrzahl
der Versicherten von den Programmen keinen Nutzen hätten und sich insoweit auf das von ihr eingeholte Gutachten beziehe, sei
dieses von anderen Wissenschaftlern (Hinweis auf Raspe/Sawicki/Schmacke, G+G Wissenschaft 2/2004, 23) kritisiert worden. Die
Autoren seien zu dem Ergebnis gekommen, die Methode des Gutachtens basiere auf nicht belastbaren wissenschaftlichen Grundlagen
der evidenzbasierten Medizin und führe im Ergebnis zu wissenschaftlich nicht belegten Hauptannahmen. Das Bundesverfassungsgericht
habe darauf hingewiesen, das
Grundgesetz hindere den Gesetzgeber nicht, strukturierte Behandlungsprogramme in der gesetzlichen Krankenversicherung zu etablieren.
Modellrechnungen wie die in dem Gutachten könnten den dem Gesetzgeber bei der Einführung neuer Rechtsinstitute zustehenden
Beurteilungsspielraum nicht nachträglich in Frage stellen. Es sei bereits im Ausgleichsjahr 2003 wichtig gewesen, auf dem
Weg von der indirekten Morbiditätserfassung zur Morbiditätserfassung auf der Grundlage von Diagnosen und Verordnungen übergangsweise
die Einschreibung in ein DMP für chronisch Kranke als zusätzliches Morbiditätsmerkmal heranzuziehen, um so die Risikobelastung
von Krankenkassen aufgrund unterschiedlicher Morbiditäten adäquater zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin
sei der Jahresausgleich 2003 auf einer validen Datengrundlage durchgeführt worden.
Die Ersetzung der Profile von einigen Krankenkassen durch die Vorjahresprofile sei rechtmäßig. Die bei diesen Kassen ermittelten
Werte seien offensichtlich unplausibel gewesen. In Absprache mit allen Spitzenverbänden seien daher die Teilprofile für die
betroffenen Krankenkassen und Hauptleistungsbereiche aus dem Jahresausgleich 2002 herangezogen und diese auf die Ausgabenhöhe
des Jahres 2003 angepasst worden. Entgegen der Darstellung der Klägerin seien bei der Ersetzung auch die Struktureffekte der
ambulanten Dialysewerte mit berücksichtigt worden. Die einzige Alternative zu der vorgenommenen Lösung sei eine Vollerhebung
der Daten in den betreffenden Bereichen gewesen. Diese Datenerhebung sei zeitnah bis zur Durchführung des Jahresausgleichs
nicht mehr durchzuführen gewesen, so dass andernfalls das Jährlichkeitsprinzip des RSA nicht mehr zu gewährleisten gewesen
sei.
Auch die Bildung einheitlicher Verhältniswerte für DMP- und Nicht-DMP-Versicherte in den Hauptleistungsbereichen Ärzte, Zahnärzte
und sonstige Leistungsausgaben sei rechtmäßig. In diesen Hauptleistungsbereichen, in denen im Gegensatz zu den anderen Hauptleistungsbereichen
keine Vollerhebung der Leistungsausgaben stattgefunden habe, hätten die Stichproben offensichtlich zu niedrige Leistungsausgaben
ergeben. Grund für diese Erfassung sei die Tatsache, dass die Mehrzahl der für das Jahr 2003 zugelassenen Programme rückwirkend
im Jahr 2004 zugelassen worden sei, während die zur Erfassung der Stichprobenleistungsausgaben notwendigen Krankenversicherungskarten
erst mit Zugang des Zulassungsbescheides hätten ausgegeben werden dürfen. Zur Sicherstellung einer ausreichenden Datengrundlage
habe das BVA den Spitzenverbänden der Krankenkassen vorgeschlagen, die Profile in den betroffenen Hauptleistungsbereichen
Ärzte, Zahnärzte und sonstige Leistungsausgaben ohne gesonderte Berücksichtigung der Einschreibungen in ein DMP zu ermitteln.
Dieses Vorgehen sei schon deshalb sachlich geboten gewesen, weil die Versicherungszeiten schon bei den neuen Versichertengruppen,
die zugehörigen Ausgaben aber noch in den alten Versichertengruppen erfasst worden seien. Zu der Untererfassung bei den eingeschriebenen
Versicherten habe es daher eine korrespondierende Übererfassung bei den nicht eingeschriebenen Versicherten gegeben. Nur eine
Zusammenführung dieser Daten habe daher eine valide Datengrundlage erzeugen können. Alternativen seien nicht geeignet gewesen,
das Problem der unplausiblen Datenerhebung in den genannten Bereichen zu lösen, was auch der VdAK konzediert habe. Dieser
habe zwar bedingt durch ein ablehnendes Schreiben der Klägerin sein Einvernehmen nicht erklärt, er habe jedoch in seinem Schreiben
vom 15.10.2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Lösung von seinen Mitgliedskassen mehrheitlich als
sachgerecht erachtet werde. Ohne Ersetzung der unplausiblen Daten hätte das BVA sehenden Auges offensichtlich falsche und
unplausible Daten in den Jahresausgleich 2003 einstellen müssen, womit es gerade nach Ansicht der Klägerin gegen die vom BSG ausgestellten Vorgaben zur Datengrundlage verstoßen hätte. Das BVA sei zum Handeln gezwungen gewesen, weil die Spitzenverbände,
in deren Hände der Gesetzgeber zum Teil die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gelegt habe, auf die erkannten Mängel nicht
sachgerecht reagiert hätten.
Zur Kritik an den Datengrundlagen hat die Beklagte darauf hingewiesen, durch die Prüfung nach § 15a RSAV sei sichergestellt,
dass nur die Versichertenzeiten derjenigen Patienten, für die auch eine ordnungsgemäße Datenübermittlung stattfinde, im RSA
geltend gemacht werden könnten. Nach Auswertung der Meldungen von 143 Krankenkassen betrage im DMP-Bereich die Fehlerquote
2,84%, wenn man die Summe der hochgerechneten Korrekturbeträge in das Verhältnis zum gesamten Beitragsbedarf setze. Dies zeige,
dass eine ausreichende Datengrundlage vorhanden gewesen sei.
Mit Urteil vom 14.03.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter Hinweis auf den genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
hat es die Einbeziehung strukturierter Behandlungsprogramme in den RSA für rechtmäßig gehalten. Soweit sich die Klägerin für
die Geeignetheit der DMP zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles auf ein Gutachten beziehe, habe dem die Beklagte anders
lautende Expertenmeinungen entgegen gehalten. Insoweit sei zu beachten, dass der Legislative ein weiter sozialpolitischer
Gestaltungsspielraum zustehe. Soweit die Klägerin die Datengrundlage angreife, verweise das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen
der Beklagten. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des BSG die Ermittlung der Daten grundsätzlich Angelegenheit der Kassen, eine eigene Ermittlungspflicht des BVA bestehe nicht. Es
dürfe deshalb seinen Berechnungen grundsätzlich die ihm gemeldeten Daten zu Grunde legen. Mit § 15a RSAV sei ein Korrekturverfahren
auch für die DMP etabliert worden, das bei fehlerhaft gemeldeten Daten eine Hochrechnung zu Lasten der betroffenen Krankenkassen
erlaube. Diese Nachzahlgelder flössen wiederum in den RSA ein.
Zur Begründung ihrer fristgerecht eingelegten Berufung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Ergänzend trägt sie vor, zu Beginn des Jahres 2008 seien weitere Mängel der Datenlage bekannt geworden. Es werde davon ausgegangen,
dass bundesweit rund 200.000 Versicherungsverhältnisse doppelt gemeldet worden seien. Die festgestellten Mängel beträfen die
Datenerhebung für die Jahre 2005 und 2006, es sei aber desto mehr davon auszugehen, dass die Datengrundlage für das Jahr 2003
ebenfalls diese Mängel aufgewiesen habe. Unter Wiederholung ihrer Kritik an den Datengrundlagen vertritt die Klägerin die
Meinung, es sei insoweit unerheblich, dass erstmals die DMP im RSA finanzwirksam Berücksichtigung fänden. Das BSG habe seinerzeit nur im Hinblick auf die erstmalige Einführung des RSA dem Gesetzgeber zugebilligt, dass er Neuland betreten
habe. Zugleich habe aber das BSG darauf hingewiesen, dass sich in Zukunft der Gesetzgeber auf diesen Gesichtspunkt nicht mehr berufen könne und er eine Weiterentwicklung
des RSA nur auf gesicherter Datengrundlage vornehmen dürfe. Durch die Korrekturmöglichkeit nach § 15a RSAV werde die Rechtswidrigkeit
der Bescheide nicht behoben. Bei den geprüften Stichproben der Kasse seien kaum DMP-Fälle enthalten, da der Anteil der DMP-Versicherungszeiten
derzeit gering sei. Somit gingen fehlerhafte DMP-Versicherungszeiten im Gesamtergebnis unter. Es gebe somit keine wirksame
Sanktion gegen die Kassen, die zu Unrecht überhöhte DMP-Beitragsbedarfe geltend gemacht hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.03.2008 aufzuheben und die Bescheide vom 05.11.2004 in vollem Umfang aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Zur Frage der Validität der Datengrundlage weist sie
ergänzend darauf hin, das BSG habe in seinen Entscheidungen zum "alten" RSA die Durchführungen des Jahresausgleichs auch auf einer unsicheren Datengrundlage
für rechtmäßig erklärt. Gleiches gelte für den Bereich der DMP. Die bei deren Einführung angeblich zunächst unsichere Datengrundlage
berechtige sie nicht, sich über die zeitlichen Vorgaben für die Durchführung des RSA hinwegzusetzen. Mit § 15a RSAV habe der
Verordnungsgeber gerade ein Verfahren geschaffen, in dem eine nachträgliche Korrektur der Einschreibezeiten möglich sei. Damit
bestehe ein eigenständiges nachgelagertes Verfahren, das ergänzend zum Jahresausgleich durchzuführen sei. Im Übrigen sei es
Aufgabe der Krankenkassen, die Daten für den RSA zu bereinigen und für eine sichere Datengrundlage zu sorgen. Was die Frage
der Doppelversicherung anbelange, habe auch die Klägerin in den Jahren 2006 bis 2008 jeweils über 20.000 Versicherte in ihren
Datenmeldungen erfasst, die gleichzeitig auch von anderen Krankenkassen gemeldet worden seien. Sie sei daher mitverantwortlich
für die von ihr behaupteten Mängel der Datengrundlage. Der für das Verfahren relevante Prüfturnus 2003/2004 sei mittlerweile
bis auf zwei Krankenkassen abgeschlossen. Auf der Grundlage der Prüfung von 222 Kassen ergebe sich hochgerechnet für den DMP-Bereich
eine Fehlerquote von 2,77 %.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide
sind nicht zu beanstanden.
I. Die finanzwirksame Berücksichtigung der DMP im RSA verstößt nicht gegen das
Grundgesetz.
1. Dieser Rüge ist bereits durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2005 (a.a.O.) der Boden entzogen. Das
Bundesverfassungsgericht hat auf den Normenkontrollantrag mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) die Vereinbarkeit der §§ 137f, 137g
SGB V mit dem
Grundgesetz festgestellt. Da gleichzeitig auch §
267 SGB V seit seiner Neufassung durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl. I, 2266) mit dem
Grundgesetz für vereinbar erklärt worden ist, bezieht sich der Ausspruch auch auf die in §
267 Abs.
1 Satz 4
SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung angeordnete gesonderte
Berücksichtigung der in DMP-Programmen eingeschriebenen Versicherten. Auch die Weiterentwicklung des RSA war nämlich in das
Normenkontrollverfahren einbezogen worden. Die diesbezüglich erhobenen Einwände (a.a.O.;juris Randziffer 53 ff) hat das Bundesverfassungsgericht
zurückgewiesen und festgestellt, das
Grundgesetz hindere den Gesetzgeber nicht, strukturierte Behandlungsprogramme in der gesetzlichen Krankenversicherung zu etablieren (a.a.O.;
Randziffer 269). Mit der gesonderten Berücksichtigung der Aufwendungen einer Kasse für die Durchführung von DMP im RSA werde
den Kassen ein spezieller Beitragsbedarf für ihre Aufwendungen zur Durchführung von DMP zugewiesen, so dass sie jetzt einen
finanziellen Anreiz hätten, derartige Programme aufzulegen und so die Qualität der Versorgung chronisch kranker Menschen zu
verbessern. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts steht somit fest, dass die Berücksichtigung der DMP im RSA nicht
verfassungswidrig ist.
2. Unabhängig davon gehen die Einwände der Klägerin auch in der Sache fehl. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts kann
sich die Klägerin mangels Grundrechtsfähigkeit (zuletzt wieder BVerfG SozR 4 - 2500 § 4 Nr. 1) nur auf das objektive Willkürverbot
berufen, das nur verletzt ist, wenn sich für die gesetzliche Regelung kein sachlich rechtfertigender Grund findet (vgl. BVerfGE
89, 132, 142; 99, 367, 389). Die Regelungen über die Berücksichtigung der Teilnahme am DMP im RSA sind aber sachlich gerechtfertigt.
a) Mit der Berücksichtigung der Teilnahme von Versicherten an DMP für den Ausgleich wird entgegen der Darstellung der Klägerin
nicht an ein Verhalten der Versicherten angeknüpft, sondern an den durch die Einschreibung indizierten höheren Risikostatus,
da nur chronisch Kranke an diesen Programmen teilnehmen können. Da die Teilnahme an DMP freiwillig ist (§ 137f. Abs. 3 Satz
1
SGB V), mag es zwar möglich sein, dass Kassen mit gleich hoher Zahl einschreibefähiger Versicherter, aber unterschiedlich hoher
Beteiligung an DMP einen unterschiedlich hohen Beitragsbedarf zugewiesen bekommen. Davon abgesehen, dass es insoweit den Kassen
obliegt, durch geeignete Maßnahmen auf eine möglichst hohe Teilnahme hinzuwirken (wofür jedenfalls seit dem 01.01.2004 der
Gesetzgeber auch die Möglichkeit zur Setzung von Anreizen geschaffen hat, §
65 a Abs.
2 SGB V in der vom 01.04.2004 bis 31.03.2007 geltenden Fassung, §
53 Abs.
3 SGB V in der seit 01.04.2007 geltenden Fassung) ändert dies aber nichts daran, dass über §
267 Abs.
2 Satz 4
SGB V (aF) an die mit der Einschreibung von Versicherten in DMP dokumentierte Risikobelastung angeknüpft wird.
b) Ebenso geht die Argumentation der Klägerin fehl, die DMP seien ungeeignet zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels,
die Versorgungssituation der betroffenen Patienten zu verbessern. Die Klägerin lässt dabei schon außer Acht, dass die Berücksichtigung
der Teilnahme an DMP im RSA auch einen stärkeren Belastungsausgleich zwischen den Kassen bewirken soll. Dass jedenfalls der
Belastungsausgleich zwischen den Kassen verbessert wird, zeigen die von der Beklagten mitgeteilten Zahlen für den Jahresausgleich
2003: Für eingeschriebene Altersdiabetiker erhielt eine Kasse einen Betrag von 3.877,- EUR, für eingeschriebene Brustkrebspatientinnen
einen Betrag von 5.198,- EUR. Ohne gesonderte Berücksichtigung der DMP hätten die Kassen nur 3.540,- EUR bzw. 2.596,- EUR
erhalten - trotz tatsächlich höherer Belastungen. Hinsichtlich der Eignung von DMP zur Verbesserung der Versorgungssituation
gibt es offenkundig unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen. Da die Eignung eines Mittels schon gegeben ist, wenn nur
die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht (BVerfGE 67, 157, 173; 96, 10, 23) und der Gesetzgeber insoweit im Wege einer Prognose über die voraussichtliche Eignung zu bestimmen hat
und es dabei ausreicht, wenn seine Prognose sachgerecht und vertretbar war (BVerfGE 30, 250, 263; 103, 293, 307), kann hier dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden, er habe sich für eine schlechterdings ungeeignete
Maßnahme entschieden, wenn er einer in der Wissenschaft vertretenen Meinung gefolgt ist. Unerheblich ist, ob und inwieweit
sich aus den Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts der Klägerin ergibt, dass das DMP Diabetes mellitus Typ II nicht ausreichend
effizient sei. Eine gesetzliche Maßnahme kann nämlich nicht schon deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil sie
auf einer sich später als unrichtig erweisenden Prognose beruht. Der Gesetzgeber darf Konzepte erproben und muss lediglich
bei Fehlprognosen nachbessern (vgl. BVerfGE 57, 139, 162; 113, 167, 234).
II. Auch der Einwand der Klägerin, die Bescheide seien deshalb rechtswidrig, weil sie auf einer nicht ausreichend validen
Datengrundlage beruhten, greift nicht durch.
1. Die Klägerin ist der Auffassung, der vom BSG geforderte Standard der Datengrundlage werde nicht erreicht und bezieht sich insoweit auf Ausführungen des BSG im Urteil vom 24.01.2003 - B 12 KR 19/01 R (SozR 4 - 2500 § 266 Nr. 1). Das BSG hat dort Hinweise zur weiteren Entwicklung des RSA erteilt und unter Hinweis auf die wegen der Einführung des RSA nicht voll
gesicherten Datengrundlage eingetretenen Schwierigkeiten gemeint, die Weiterentwicklung des RSA solle erst verwirklicht werden,
wenn die Datenbasis sicher sei. In Zukunft könne möglicherweise nicht mehr geltend gemacht werden, dass mit dem RSA Neuland
betreten wurde und Erfahrungen gesammelt werden durften (a.a.O. Randziffer 83). Aus diesen allgemeinen Ausführungen des BSG lässt sich kein Maßstab entnehmen, welche Anforderungen an eine "gesicherte" Datengrundlage zu stellen sind. Dass eine -
in der Praxis auch nicht erreichbare - 100 % Richtigkeit der Daten nicht erforderlich ist, ergibt sich schon aus §
266 Abs.
6 Satz 7
SGB V, wonach nach Ermittlung der Werte festgestellte Fehler erst im nächsten Ausgleichsverfahren zu berücksichtigen sind. Ein
Ausgleichsbescheid ist also nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sich nachträglich herausstellt, dass die ermittelten Werte
fehlerhaft sind. Vor allem ist der Hinweis des BSG vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei Einführung des RSA die Versichertenverzeichnisse unzulänglich waren und erst nach
Beginn des RSA eine Grundbereinigung durchgeführt werden musste (vgl. dazu BSG a.a.O. Randziffer 48 ff.). Zudem war eine Prüfung der Kassen nach einheitlichen Grundsätzen noch nicht gewährleistet und
vor allem bestand nicht die Möglichkeit, bei festgestellten Fehlern eine Hochrechnung auf die Gesamtzahl der gemeldeten Versicherten
vorzunehmen (siehe jetzt § 15a RSAV, eingeführt durch die Fünfte RSA-Änderungsverordnung vom 04.12.2002, BGBl. I, 4506). Des
Weiteren musste erst ein Verfahren zur Ermittlung der Leistungsausgaben etabliert werden; auch soweit war wegen des angewandten
Stichprobenverfahrens die Datengrundlage umstritten (vgl. a.a.O., Randziffer 63 ff). Die Datengrundlage für den Jahresausgleich
1997, über den das BSG in dem genannten Urteil entschieden hat, war somit deutlich "schlechter" als die heutige, was vermutlich das BSG zu dem Hinweis veranlasst hat.
Unabhängig davon kann dem Hinweis des BSG auch nicht entnommen werden, dass Anlaufschwierigkeiten bei der Weiterentwicklung des RSA auf keinen Fall mehr hingenommen
werden können. Bei einem so komplexen Verfahren wie dem RSA werden sich regelmäßig erst in der Praxis Hinweise auf die Notwendigkeit
einer "Nachjustierung" ergeben, so dass gewisse Unzulänglichkeiten jedenfalls in der Anfangsphase von Neuerungen hingenommen
werden müssen.
Hinzu kommt, dass für den Gesetzgeber Handlungsbedarf zur Weiterentwicklung des RSA bestand. Die Überprüfung der Wirkung des
RSA hatte ergeben, dass nach anfänglicher Angleichung der Beitragssätze diese wieder auseinander gedriftet waren, was in der
Wissenschaft mit der unzureichenden Morbiditätsorientierung des RSA erklärt worden ist (vgl. BVerfG, a.a.O., juris Randziffer
187). Wegen der sich abzeichnenden Tendenzen für eine unerwünschte Risikoselektion musste der RSA weiter entwickelt werden.
Der Gesetzgeber war zum Handeln gefordert, wobei er den Empfehlungen der Sachverständigen folgend sich einerseits mittelfristig
für eine unmittelbare Morbiditätsorientierung des RSA und kurzfristig für die Verbesserung des Belastungsausgleichs durch
den Risikopool und die Einführung von DMP und deren Berücksichtigung im RSA entschieden hat. Wenn - wie von der Klägerin in
der mündlichen Verhandlung gefordert - erst nach zwei- bis drei-jährigen Modellversuchen die DMP hätten finanzwirksam berücksichtigt
werden dürfen, hätte man dabei für weitere Zeit Verwerfungen zwischen den Kassen hinnehmen müssen. In dieser Situation kann
dem Gesetzgeber nicht die Befugnis abgesprochen werden, sofort zu handeln und Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln.
2. Ohnehin scheint die Klägerin bei weitem überzogene Forderungen an die Validität der Datengrundlagen zu stellen. Sie rügt,
dass die gesetzlichen Vorgaben für die Meldung von Versicherten als Teilnehmer am DMP wegen organisatorischer Defizite der
Datenstellen vielfach nicht eingehalten worden seien, ohne insoweit aber konkret belegen zu können, ob und wie sich die geschilderten
"chaotischen Verhältnisse" ausgewirkt haben. Die Beklagte hat dem gegenüber darauf hingewiesen, dass die Prüfung der Kassen
für 2003 eine Fehlerquote von 2,77 % DMP - Bereich ergeben hat. Schon diese Quote kann entgegen der von der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung die Validität der Datengrundlage für den Jahresausgleich nicht in Frage stellen,
weil Fehler in dieser Größenordnung im Verwaltungsalltag nicht selten sein werden. Zudem wird angesichts der geringen Zahl
von DMP-Versicherten (im Jahr 2003 weniger als 2 Promille) durch diese Fehlerquote das Gesamtergebnis des Jahresausgleichs
nicht in Frage gestellt und noch weniger kann sie die von der Klägerin geklagten "Härten und Ungerechtigkeiten" bewirken.
Die Klägerin hat ihre Belastungen durch die DMP insgesamt mit rd. 3,7 Mio EUR beziffert (wobei die Beklagte dieser Berechnung
schon widersprochen hat und sie für zu hoch hält). Bei einer Fehlerquote von 2,77 % würde sich damit eine "ungerechtfertigte
Belastung" von ca. 102.000 EUR ergeben - was im Vergleich zum Gesamtbeitragsbedarf von fast 8 Milliarden Euro ein mehr als
marginaler Betrag ist. Zudem berücksichtigt die Klägerin nicht, dass durch die nachgeschalteten Prüfungen der Kassen über
§ 15a RSAV, dem Konzept des §
266 Abs.
6 Satz 7
SGB V aF (jetzt Satz 6) folgend, solche Fehler nachträglich "berichtigt" werden. In § 15a Abs. 2 RSAV ist eine Sanktion für die
Meldung fehlerhafter oder nicht plausibler Daten eingeführt worden, weil jetzt nicht nur diese Zeiten zu den entsprechenden
Korrekturen im RSA führen, sondern zudem eine Hochrechnung der Quote fehlerhafter Zeiten mit der Folge der Festsetzung eines
Korrekturbetrages erfolgt. Die Argumentation der Klägerin, die nachträgliche Prüfung nach § 15a RSAV könne nicht die Rechtswidrigkeit
eines Jahresausgleichsbescheides bescheiden, verfängt nicht, weil der Bescheid eben nicht wegen Mängeln in der Datengrundlage
rechtswidrig ist, sondern zunächst einmal der Jahresausglich auf der Basis der gemeldeten Daten durchgeführt wird und anschließend
eine Überprüfung erfolgt. Da nunmehr Fehler sanktioniert werden, ist davon auszugehen, dass die Kassen stärkeres Interesse
an der Ordnungsgemäßheit von Meldungen haben (was dem Zweck der Einführungen des § 15a Abs. 2 RSAV entspricht, vgl. BR-Drucks.
730/02,11). Soweit die Klägerin (pauschal) die Wirksamkeit der Prüfungen bezweifelt, ist ihr entgegen zu halten, dass im Senat
Verfahren wegen solcher Prüfungen anhängig sind, was darauf hindeutet, dass diese sehr wohl wirksam sind. Da die von der Klägerin
geschilderten Schwierigkeiten bei der Umsetzung der DMP typische Anlaufschwierigkeiten sind und angesichts der zunächst noch
sehr geringen Zahl der Teilnehmer an DMP (im Jahre 2003 weniger als 2 Promille der Versicherten) sich Fehler in diesem Bereich
nur in äußerst geringem Umfang auf den Jahresausgleich auswirken können, konnten auch die ohnehin nur zu vermutenden fehlerhaften
Datenmeldungen die Durchführung des RSA nicht in Frage stellen.
Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Datengrundlage auf die im Jahre 2008 festgestellten doppelten Versicherungsverhältnissen
in den Jahren 2005 bis 2007 hinweist, die nach ihrer Meinung auch schon im Jahre 2003 vorgelegen haben, und die sie als weiteren
Beleg für die unzureichende Datengrundlage des RSA ansieht, ist dieses Vorbringen kaum nachvollziehbar. Zum einen gibt es
wohl keine Hinweise darauf, dass sich die Problematik auf einzelne Kassen oder Kassenarten konzentriert, so dass sich also
bei angenommener gleichmäßiger Verteilung von Doppelmeldungen diese nicht verzerrend auswirken können. Zum anderen hat die
Klägerin selbst nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten in den Jahren 2006 bis 2008 jeweils (deutlich) mehr als 20.000
Versicherte gemeldet, die auch von anderen Kassen gemeldet worden waren, so dass auf sie weit mehr als 10 % der Doppelversicherungsverhältnisse
entfiel. Die Klägerin ist damit in hohem Maße mitverantwortlich für den Mangel der Datengrundlage. Ihre Argumentation läuft
im Ergebnis somit darauf hinaus, dass wegen eigener Fehler der Jahresausgleich rechtswidrig sein soll.
3. Auch die konkret an der Ermittlung einzelner Beträge geäußerte Kritik ist unbegründet.
a) Die Klägerin hält die Ersetzung der Profile der bis zu 20- bis 21-jährigen Versicherten bei den Krankenkassen, die eine
bestimmte Software verwendet haben, durch die an das Niveau des Jahres 2003 angepassten Vorjahresprofile für nicht durch §
5 Abs. 3 RSAV gedeckt, weil diese Ersetzungen angeblich keine Verbesserung der Stichprobenergebnisse bedeuteten. Das trifft
nicht zu. Nach der genannten Vorschrift können zur Verbesserung der Stichprobenergebnisse die erhobenen Beträge vom BVA im
Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch statistische Rechnungsverfahren bereinigt oder für einzelne
oder mehrere Leistungsarten durch andere verfügbare statistische Grundlagen, Erhebungen oder wissenschaftliche Analysen ergänzt
oder ersetzt werden. Fest steht, dass die ermittelten Verhältniswerte unplausibel waren und deren Ersetzungen durch die angepassten
Vorjahresprofile im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden erfolgte. Seit die Klägerin eine Verbesserung des Ergebnisses deshalb
bezweifelt, weil die Beklagte "etwaige" Strukturveränderungen von 2002 zu 2003 unberücksichtigt lasse, bleibt ihr diesbezüglicher
Vortrag nur vage und spekulativ. Welche Strukturveränderungen sich von 2002 zu 2003 ergeben haben sollen, trägt die Klägerin
nicht vor. Die Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass sehr wohl die strukturelle Änderung bezüglich der Kosten
der ambulanten Dialyse, die im Jahre 2002 noch in die allgemeinen Leistungsausgaben eingeflossen und im Jahre 2003 als gesonderter
Leistungsbereich erfasst worden seien, berücksichtigt worden sei. Hierauf ist die Klägerin nicht eingegangen. Für den Senat
ist auch nicht ersichtlich, welche Strukturveränderungen sich im fraglichen Zeitraum ergeben haben sollten. Ohne Strukturveränderungen
führt die Verwendung der Vorjahresprofile mit Anpassung an das Niveau des Jahres 2003 allerdings eindeutig zu einer Verbesserung
der Ergebnisse. Da die einzige in Betracht kommende Alternative einer Vollerhebung nicht mehr zeitgerecht durchgeführt werden
könne, ist die Ersetzung durch § 5 Abs. 3 RSAV gedeckt.
b) Ferner rügt die Klägerin, dass die Beklagte in den Hauptleistungsbereichen Ärzte, Zahnärzte und sonstige Leistungsausgaben
keine gesonderten Profile für DMP-Versicherte gebildet habe. Dies geschah deshalb, weil die Stichproben offensichtlich zu
niedrige Werte geliefert hatten, was auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt wird. Ursache dafür war, dass die Leistungsausgaben
über eigene Versicherungskarten für Teilnehmer an DMP erfasst werden, die erst nach Zulassung des Programms ausgegeben werden
dürfen. Da die Programme für 2003 überwiegend erst 2004 rückwirkend zugelassen worden sind, ist es zu einer Untererfassung
der Leistungsausgaben gekommen. Gleichzeitig werden aber die Versicherungszeiten schon ab Einschreibung in die Programme erfasst.
Korrespondierend zu der Untererfassung der DMP-Ausgaben kam es damit auch zu einer Übererfassung von Ausgaben bei den Nicht-DMP-Versicherten,
da die "eigentlich" für DMP-Versicherte entstandenen Ausgaben diesen Gruppen zugeschrieben worden sind. Das BVA hat daher
für diese Hauptleistungsbereiche keine gesonderten Profile gebildet, sondern die Daten zusammengeführt und einheitliche Profile
gebildet. Nur in den Hauptleistungsbereichen, für die eine Vollerhebung durchgeführt worden ist, womit es den Kassen möglich
war, auch nachträglich Ausgaben den DMP-Versicherten zuzuordnen, sind gesonderte Profile für DMP-Versicherte gebildet worden.
Dieses Vorgehen des BVA bedeutet eine Verbesserung gegenüber den offensichtlich unzutreffenden Stichproben-Ergebnissen, weil
andernfalls Kassen mit vielen DMP-Versicherten für diese Gruppen ein deutlich zu geringer Beitragsbedarf zugewiesen worden
wäre, während umgekehrt Kassen mit einer geringen Zahl von DMP-Teilnehmern (wie die Klägerin, die ja beklagt, sie weise eine
unterdurchschnittliche Zahl einschreibefähiger Versicherter auf) fehlerhaft begünstigt worden wären.
Formal zutreffend ist der Einwand der Klägerin, dass das von § 5 Abs. 3 RSAV geforderte Einvernehmen mit den Spitzenverbänden
mangels Zustimmung des (damaligen) VdAK nicht hergestellt war. Insoweit ist schon darauf hinzuweisen, dass das BSG im Urteil vom 24.01.2003 (a.a.O.) es auch gebilligt hat, dass das BVA in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Spitzenverbände
sich für eine bestimmte Methode der Korrektur der Verhältniswerte entschieden hatte, obwohl nach der nach §
267 Abs.
7 SGB V (in der damaligen Fassung) geschlossenen Vereinbarung der Spitzenverbände hierfür deren einstimmiges Votum erforderlich gewesen
wäre (vgl. a.a.O., Randziffer 76). Das BSG ist offenbar unausgesprochen davon ausgegangen, dass objektiv notwendige Korrekturen ggf. vom BVA auch dann vorgenommen werden
dürfen, wenn die Spitzenverbände mangels (rechtzeitiger) Einigung faktisch ihrer Aufgabe an der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren
nicht nachkommen können. So lag es auch hier.
Vor allem hält der Senat die Berufung der Klägerin auf das fehlende Einvernehmen für treuwidrig. Sie hat die Zustimmung des
VdAK verbandsintern durch ihr Veto verhindert, wobei sie nicht etwa sachliche Bedenken gegen den Vorschlag des BVA geäußert,
sondern diesen allein unter Hinweis auf die nach der Rechtsprechung des BSG angeblich erforderliche gesicherte Datengrundlage "entschieden" abgelehnt hat. Da wie dargelegt die Werte für die DMP-Versicherten
erkennbar falsch waren, hätte bei Bildung eigener DMP-Profile für diese Versicherten auf der Grundlage der ermittelten Werte
ebenso wenig eine im Sinne der Klägerin gesicherte Datengrundlage bestanden. Die Argumentation der Klägerin läuft somit im
Grunde darauf hinaus, dass der Jahresausgleich 2003 gar nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Das Veto der Klägerin kann
somit nur als bloße Obstruktion und Ausdruck ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Berücksichtigung der DMP im RSA verstanden
werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das zu Grunde liegende Problem bei der Datenerfassung - die rückwirkende Zulassung
von Programmen bei gleichzeitiger Erfassung von Ausgaben erst für die Zukunft - sich als typische Problematik bei der Einführung
eines neuen Instruments darstellt, die eine ggf. flexible Reaktion erforderlich macht. Die Mehrheit der Mitglieder des VdAK
hat auch das Vorgehen des BVA für sachgerecht gehalten. Es ist also festzuhalten, dass außer der Klägerin alle Kassen die
Bildung gemeinsamer Profile als sachlich richtig bewertet hat. Die Klägerin hat den Vorschlag auch nicht aus Sachgründen verworfen,
sondern allein wegen der - ohnehin fragwürdigen (siehe oben) - Forderung nach einer gesicherten Datengrundlage - die aber
in keinem Fall gegeben war. Da nach §
266 Abs.
6 Satz 3
SGB V zwingend jährlich ein Jahresausgleich durchzuführen ist (Jährlichkeitsprinzip) hätte das BVA diesen mit offensichtlich falschen
Daten durchführen müssen, was nach der eigenen Argumentation der Klägerin zur Rechtswidrigkeit der ergangenen Bescheide geführt
hat. Vor dem Hintergrund, dass § 5 Abs. 3 RSAV ausdrücklich ein Abweichen von ermittelten Werten erlaubt, ist das Verhalten
der Klägerin umso unverständlicher. Die Klägerin hat auch bis heute nicht aufgezeigt, in welcher Weise die aufgetretene Problematik
hätte bereinigt werden können. Das sich als widersprüchlich und offenkundig allein auf Obstruktion gerichtete Verhalten der
Klägerin hält der Senat daher für treuwidrig (§
242 BGB), so dass sie mit der Rüge des fehlenden Einvernehmens nicht gehört werden kann.
Soweit die Klägerin in dem Verfahren auch Kritik an der Zulassung der Behandlungsprogramme geäußert hatte, hat sie diese Einwände
in der mündlichen Verhandlung fallen gelassen, so dass sich hierzu Ausführungen des Senats erübrigen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat ein Rechtsstreit dann, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist (vgl. BSG SozR 3 - 1500 § 160 a Nr. 16). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Rechtsstreit betrifft nicht mehr geltendes Recht, weil seit dem
01.01.2009 der RSA direkt morbiditätsorientiert ist (§
268 Abs.
1 Satz 1
SGB V) und somit die gesonderte Berücksichtigung der Teilnahme von DMP entfallen ist. Da nur die Klägerin gegen die Jahresausgleichsbescheide
seit 2003 geklagt hat, sind die zu entscheidenden Rechtsfragen auch nicht von Bedeutung für eine noch erhebliche Zahl laufender
Verfahren.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 in Verbindung mit Absatz 4 Gerichtskostengesetz.