Lebzeiten und Hinterbliebenenansprüche aus Anlass einer Berufskrankheit
Berufskrankheit Nr. 4111
Verfahrensbeendigung durch Berufungsrücknahme
Wirkung einer Vollmacht
Tatbestand
Streitig waren Lebzeiten- und Hinterbliebenenansprüche aus Anlass einer Berufskrankheit des am 00.00.1989 verstorbenen Versicherten
K T nach Nr. 4111 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung.
Die Klägerin hat am 16.04.2010 Klage bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der beklagten
Berufsgenossenschaft vom 15.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2010 aufzuheben und sie zu verurteilen,
der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des am 00.00.1989 verstorbenen Versicherten K T Lebzeitenansprüche aus Anlass einer bei
ihm bestehenden Berufskrankheit Nr. 4111 bzw. Hinterbliebenenansprüche nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.10.2010 - S 18 KN 287/10 U - abgewiesen. In der von der Klägerin selbst unterzeichneten Klageschrift hat sie ihrer volljährigen Tochter T T (im Folgenden:
Klägerbevollmächtigte) "die Prozessvollmacht" erteilt.
Gegen das ihr am 06.11.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 06.12.2010 am Dienstag,
07.12.2010, Berufung eingelegt, die bei dem Landessozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen L 2 KN 327/10 U eingetragen wurde. Am 16.01.2011 hat sie schriftlich mitgeteilt, sie nehme die Berufung L 2 KN 327/10 U gegen das Urteil S 18 KN 287/10 U zurück.
Am 19.12.2012 erreichte das Landessozialgericht ein Schreiben der Klägerin, mit dem diese zum einen Berufung gegen ein anderes
Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.11.2012 - S 18 KN 751/11 - in einem gegen die beigeladene Rentenversicherung gerichteten Verfahren einlegte, zum anderen in der "Berufungsklage gegen
das Urteil vom 09.12.2010 L 2 KN 327/10" (gemeint ist offenbar das Urteil vom 06.10.2010) weiter vortrug. Das Verfahren ist zunächst unter dem Aktenzeichen L 17 U 791/12 als Berufungsverfahren gegen die beklagte Berufsgenossenschaft eingetragen worden. Im Erörterungstermin mit der Berichterstatterin
am 26.06.2013 hat die Bevollmächtigte der Klägerin vorgetragen, sie sei davon ausgegangen, dass das Verfahren betreffend die
BK 4111 fortgeführt werde. Sie habe die Berufung nicht rechtswirksam zurückgenommen. Dazu sei sie von ihrer Mutter, der Klägerin,
nicht rechtswirksam bevollmächtigt gewesen. Mit Beschluss vom 01.07.2013 hat der Senat das Passivrubrum dahingehend geändert,
dass künftig die bisher beklagte Berufsgenossenschaft als Beigeladene und die bisher beigeladene Rentenversicherung als Beklagte
geführt wurde. Mit weiterem Beschluss vom 04.04.2014 hat der Senat das Berufungsverfahren betreffend das Urteil des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 22.11.2012 - S 18 KN 751/11 - abgetrennt, so dass Verfahrensgegenstand nunmehr nur noch die mit der ursprünglich zu dem Aktenzeichen L 2 KN 327/10 eingelegten Berufung erhobenen Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger sind.
Die Klägerin beantragt nach ihrem mündlichen Vorbringen sinngemäß,
das Berufungsverfahren L 2 KN 327/10 U (jetzt: L 17 U 791/12) fortzuführen, das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.11.2010 - S 18 KN 287/10 U - zu ändern und den Bescheid der beklagten Berufsgenossenschaft vom 15.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
24.03.2010 aufzuheben und sie zu verurteilen, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des am 00.00.1989 verstorbenen Versicherten
K T Lebzeitenansprüche aus Anlass einer bei ihm bestehenden Berufskrankheit Nr. 4111 bzw. Hinterbliebenenansprüche nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
festzustellen, dass die Zurücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels bewirkt hat.
Die Beigeladene hat keinen auf den nach Abtrennung verbliebenen Streitgegenstand bezogenen Antrag gestellt.
Zwei Erörterungstermine am 30.07.2014 und 27.08.2014 hat die Klägerin trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht
wahrgenommen. Die Anfrage vom 04.08.2014 nach den Gründen für ihr Nichterscheinen hat sie nicht beantwortet. Der Senat hat
die Beteiligten unter dem 23.10.2014 dazu angehört, dass eine Entscheidung über die Berufung, bzw. über die Frage, ob die
Berufung durch Rücknahme erledigt ist, nach §
153 Abs.
4 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) auch ohne mündliche Verhandlung und durch die Berufsrichter allein möglich ist, wenn der Senat die Berufung einstimmig für
unbegründet bzw. für durch Rücknahme erledigt hält und eine mündliche Verhandlung nicht als erforderlich ansieht. Hierzu haben
sich die Beteiligten nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Das Passivrubrum war nach Abtrennung des gegen den Rentenversicherungsträger gerichteten Verfahrens zu berichtigen und entsprechend
der Beteiligtenstellung im Ausgangsverfahren - also mit dem Unfallversicherungsträger als Beklagtem und dem Rentenversicherungsträger
als Beigeladenem - zu fassen. Gegenstand dieses Verfahrens ist - nachdem das Verfahren gegen die beigeladene Rentenversicherung
abgetrennt worden ist - nur noch ein Rechtsstreit gegen die Beklagte, nämlich die Berufung, wie sie von der Klägerin ursprünglich
zum Aktenzeichen L 2 KN 327/10 U eingelegt worden war.
Der Senat kann durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG entscheiden, da diese Verfahrensweise auch zur Entscheidung über die Frage zulässig ist, ob das Berufungsverfahren durch
Zurücknahme der Berufung beendet worden ist (Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
153, Rn. 14 mwN.). Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG liegen vor: Der Senat hält einstimmig das Berufungsverfahren für durch Berufungsrücknahme beendet und eine mündliche Verhandlung
hierüber nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Vorgehensweise angehört worden.
Das Berufungsverfahren ist am 16.11.2011 durch Berufungsrücknahme beendet worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin war
die Berufungsrücknahme rechtswirksam, da sie von ihrer hierzu bevollmächtigten Tochter erklärt worden ist. In der am 11.04.2010
noch von der Klägerin selbst erhobenen und unterschriebenen Klage hat diese ihrer Tochter T T "die Prozessvollmacht" schriftlich
erteilt. Die Prozessvertretung der Klägerin durch ihre Tochter war zulässig, denn als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht
und dem Landessozialgericht sind volljährige Familienangehörige vertretungsbefugt (§
73 SGG in der insoweit seit 30.07.2009 unveränderten Fassung). Die Vollmacht war in keiner Weise beschränkt und ermächtigte deshalb
zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen (§
73 Abs.
6 Satz 7
SGG iVm. §
81 ZPO in der Fassung vom 05.12.2005). Eine Beschränkung der Vollmacht, wie sie die Klägerbevollmächtigte behauptet, hätte durch
eindeutige Erklärung nach außen erkennbar sein müssen (Arndt in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl. 2014, §
73, Rn. 55), woran es hier jedenfalls fehlt. Die in erster Instanz erteilte Vollmacht ist nicht auf die Instanz beschränkt,
gilt also auch für das Berufungsverfahren (Arndt, aaO. Rn. 51; Frehse in Jansen,
SGG, 4. Aufl. 2012, §
73, Rn. 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
73, Rn. 74). Die Vollmacht ermächtigte deshalb sowohl zur Berufungseinlegung - die hier auch tatsächlich durch die Bevollmächtigte
erfolgt ist - als auch zu deren Rücknahme.
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Berufung auch verspätet eingelegt worden und damit unzulässig war. §
151 Abs.
1 SGG schreibt vor, dass die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen
ist. Die Berufung der Klägerin gegen das ihr am 06.11.2010 zugestellte Urteil ging jedoch erst am Dienstag, 07.12.2010, per
Fax um 00.47 Uhr und damit nach Ablauf der Monatsfrist ein.