Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch, ob die Kläger im Monat August 2007 anstelle so genannter Grundleistungen nach §
3 Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) von der Beklagten so genannte Analogleistungen gemäß §
2 AsylbLG oder von dem Beigeladenen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beanspruchen können.
Die Kläger (der Kläger zu 1 geboren am 00.00.1992, der Kläger zu 2 geboren am 00.00.1994, der Kläger zu 3 geboren am 00.00.1998
und der Kläger zu 4 geboren am 00.00.2003) sind irakische Staatsbürger. Im streitigen Zeitraum waren sie Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis
gemäß § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Zeitweise - vom 13.05.2005 bis 26.12.2005 - hatte zuvor für alle Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG vorgelegen.
Die Kläger zu 1 bis 3 halten sich seit August 2002, der Kläger zu 4 seit seiner Geburt in Deutschland auf. Die Asylanträge
der Kläger zu 1 bis 3 vom 14.08.2002 wurden mit Bescheid vom 07.10.2002 bestandskräftig abgelehnt; der Asylantrag des Klägers
zu 4 vom 12.11.2003 wurde ebenfalls abgelehnt (Bestandskraft seit dem 11.12.2003).
Im streitigen Zeitraum lebten die Kläger im Haushalt ihrer Eltern. Diese sind seit dem 13.05.2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis
gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, nachdem in den Klageverfahren 4 K 2113/02. A und 4 K 422/02.A vom Verwaltungsgericht B Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Ausländergesetz (AuslG) festgestellt worden waren. Die Eltern der Kläger beziehen seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.
Seit Einreise nach Deutschland (Kläger zu 1 bis 3) bzw. Geburt (Kläger zu 4) bis einschließlich Dezember 2004 bezogen die
Kläger Leistungen gemäß §
3 AsylbLG. Nachfolgend erhielten sie bis einschließlich zum 30.04.2007 vom Beigeladenen Leistungen nach dem SGB II. Dieser informierte die Beklagte über die Leistungseinstellung zum 01.05.2007 und machte einen Erstattungsanspruch gelten.
Ein vom Vater der Kläger gestellter Fortzahlungsantrag vom 29.03.2007 wurde hinsichtlich der Kläger zunächst nicht beschieden.
Mit Schreiben vom 30.03.2007 wies der Beigeladene den Vater jedoch darauf hin, dass wegen des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG für seine Kinder kein Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr bestehe. Ein weiterer Fortzahlungsantrag (SGB II) datiert vom 25.09.2007. In beiden Anträgen wurden die Kläger nicht explizit erwähnt. Ein sämtliche Kläger betreffender Ablehnungsbescheid
des Beigeladenen vom 05.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 ist Gegenstand eines derzeit ruhenden
Klageverfahrens beim Sozialgericht Aachen (S 14 AS 76/09).
Für den Monat Mai 2007 bewilligte die Beklagte den Kläger Leistungen nach §
3 AsylbLG durch Bescheid vom 13.04.2007, für den Monat Juli 2007 durch Bescheid vom 21.06.2007. Für die Monate Juni 2007 und August
2007 erfolgte die Leistungsbewilligung allein durch tatsächliche Leistungszahlung.
Unter dem 23.08.2007 meldete die Beklagte bei dem Beigeladenen ihrerseits einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kläger
zu 2 bis 4 an. Eine erneute Prüfung des Sachverhalts habe ergeben, dass diese Kläger nach dem SGB II leistungsberechtigt seien. Denn nach § 7 Abs. 3 SGB II seien die in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern lebenden Kinder ebenfalls anspruchsberechtigt; der Ausschlusstatbestand
des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II betreffe nur Personen zwischen dem vollendeten 15. und dem 65. Lebensjahr.
Am 17.08.2007 legten die Kläger, vertreten durch ihre jetzige Prozessbevollmächtigte, Widerspruch gegen die aktuellen, noch
rechtsmittelfähigen Leistungsbescheide ein. Zugleich beantragten sie, "die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit
- auch soweit sie bestandskräftig sind gemäß § 44 Abs. 1 SGB X - aufzuheben und die Differenz zwischen den vorenthaltenen Leistungen nach §
2 AsylbLG analog dem SGB XII und den nach §
3 AsylbLG bewilligten Grundleistungen nachzuzahlen." Die Kläger machten geltend, sie erfüllten die Voraussetzungen für den Bezug von
Leistungen nach §
2 AsylbLG. Sie hätten für mehr als 36 Monate Leistungen nach §
3 AsylbLG bezogen. Auf diese Vorbezugszeit seien Zeiten des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II anzurechnen. Es sei mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar, Kinder von nach dem SGB II leistungsberechtigten Eltern auf Grundleistungsniveau zu verweisen.
Mit Widerspruchbescheid vom 03.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch "für den Monat August 2007", in dem Asylbewerberleistungen
ohne schriftlichen Bescheid gewährt worden seien, zurück. Der Kläger zu 1 sei wegen des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG gemäß §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG leistungsberechtigt. Er habe jedoch nicht für die Dauer von 48 Monaten Leistungen nach §
3 AsylbLG erhalten; vielmehr beziehe er erst seit dem 01.05.2007 Grundleistungen. Sein Leistungsbezug nach dem SGB II bleibe insoweit unberücksichtigt; der Wortlaut des §
2 Abs.
1 AsylbLG sei eindeutig. §
2 Abs.
3 AsylbLG setze voraus, dass mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen analog dem SGB XII erhalte. Die Kläger zu 2 bis 4 hätten das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet. Zwar besäßen auch sie Aufenthaltserlaubnisse
nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II erfasse nach der Gesetzessystematik jedoch nur Personen, die auch unter § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II fielen. Aufgrund der Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern hätten diese Kläger vorrangig Anspruch auf Sozialgeld nach dem
SGB II, welches ihren Bedarf vollständig decke. Bezüglich der beantragten Entscheidung gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erfolge eine gesonderte Entscheidung.
Mit Bescheid vom 06.09.2007 lehnte die Beklagte den Zugunstenantrag der Kläger mit der Begründung ab, § 44 SGB X sei bezüglich Leistungen nach dem
AsylbLG nicht anwendbar. Für den Monat September wurden die Leistungen für den Kläger zu 1 wiederum durch Auszahlung in Höhe der
Grundleistungen gemäß §
3 AsylbLG bewilligt; die Leistungsbewilligung für Oktober 2007 erfolgte mit (schriftlichen) Bescheid vom 20.09.2007.
Am 26.09.2007 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Aachen erhoben. Sie haben an ihrer Auffassung festgehalten, dass für
die Vorbezugszeit nach §
2 Abs.
1 AsylbLG der Leistungsbezug nach dem SGB II bzw. dem SGB XII dem Bezug von Leistungen nach §
3 AsylbLG gleichzustellen sei. Maßgeblich sei nach der Intention des Gesetzgebers die zeitliche Verfestigung des Aufenthalts und damit
die Dauer des Aufenthalts; dies komme auch in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher
Richtlinien der Europäischen Union zu §
2 AsylbLG zum Ausdruck, mit dem die notwendige Vorbezugszeit von Grundleistungen auf 48 Monate angehoben worden sei. Auf die Art der
vorbezogenen Leistungen komme es nicht an, insbesondere nicht darauf, ob höherwertige Sozialleistungen (etwa nach dem SGB XII, dem SGB II, dem Dritten oder Achten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III bzw. SGB VIII) oder andere Leistungen nach dem
AsylbLG) gewährt worden seien. Die Betroffenen würden zu einem bloßen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt, würden sie nach
einer Aufenthaltsdauer von bereits mehr als 36 bzw. 48 Monaten auf einen erstmaligen oder erneuten Bezug von Grundleistungen
und damit auf ein Wirtschaften unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums verwiesen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, den Klägern zu 1 bis 4 Leistungen gemäß §
2 Asylbewerberleistungsgesetz nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, hinsichtlich der Kläger zu 2 bis 4 sei sie nicht passivlegitimiert, da insoweit eine Leistungsberechtigung
nach dem SGB II bestehe. Der Auffassung des (mit Beschluss des Sozialgerichts vom 27.05.2008) Beigeladenen, es bestehe keine zu Leistungen
nach dem SGB II berechtigende Bedarfsgemeinschaft dieser Kläger mit ihren Eltern, sei nicht zu folgen. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II erfasse einen Anspruch auf Sozialgeld nach §§ 28 Abs. 1, 7 Abs. 2 SGB II nicht, sondern gelte nach der Gesetzessystematik nur für Personen, die unter § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II fielen. Hätte der Gesetzgeber § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II auch auf nichterwerbsfähige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erstrecken wollen, hätte er die in dieser Vorschrift genannten
Ausnahmen als selbständigen Absatz fassen und systematisch hinter Abs. 3 anführen müssen.
Hinsichtlich des Klägers zu 1 sei der Wortlaut des §
2 Abs.
1 AsylbLG eindeutig. Es bestehe keine planwidrige (unbeabsichtigte) Regelungslücke, die es ermöglichen würde, bei der Vorbezugszeit
auch den Bezug von Leistungen nach anderen Sozialleistungssystemen zu berücksichtigen. Der Kläger zu 1 sei im Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und werde damit von §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG erfasst. Bemerkenswerterweise habe der Gesetzgeber insoweit nicht sämtliche Aufenthaltstitel des Fünften Abschnitts des AufenthG in die Regelung der Leistungsberechtigung in §
1 Abs.
1 AsylbLG aufgenommen, sondern bewusst nach den Gründen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unterschieden. Da § 25 Abs. 5 AufenthG in den Katalog des §
1 Abs.
1 AsylbLG aufgenommen worden sei, wohlwissend, dass eine Aufenthaltserlaubnis auf dieser Rechtsgrundlage erst erteilt werden solle,
wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt sei, sei die Annahme gerechtfertigt, dass auch Ausländer, deren Rückkehr für
einen längeren Zeitraum nicht möglich sei, leistungsrechtlich nicht (mehr) privilegiert sein sollten. Bestätigt werde dies
durch §
1 Abs.
2 AsylbLG, wonach auch die Erteilung einer über sechs Monate gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht zu einem Leistungsbezug nach anderen Leistungsgesetzen führe. Angesichts der differenzierten Ausgestaltung der Leistungsberechtigung
in §
1 Abs.
1 AsylbLG könne eine lediglich redaktionelle Anpassung der Vorschriften des
AsylbLG (neuer Fassung) mit einer einhergehenden planwidrigen Regelungslücke bzw. einem Redaktionsversehen nur schwerlich angenommen
werden. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger zu 1 nicht berufen. Auch ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) liege nicht vor.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Urteil vom 27.05.2008 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger zu 1 Leistungen gemäß §
2 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich Klägers zu 1 spreche zwar Einiges dafür, dass für die Vorbezugszeit nach §
2 Abs.
1 AsylbLG lediglich Leistungen gemäß §
3 AsylbLG berücksichtigt werden dürften; die obergerichtliche Rechtsprechung, der die Kammer folge, sei indes einen anderen Weg gegangen.
Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten i.S.d. §
2 Abs.
1 AsylbLG fehlten. §
2 Abs.
3 AsylbLG stehe einer Hilfegewährung nicht entgegen; es sei eine Auslegung dahingehend geboten, dass Minderjährigen Leistungen nach
§
2 Abs.
1 AsylbLG auch dann zu gewähren seien, wenn ihre Eltern zwar keine Leistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG, dafür aber Leistungen nach dem SGB II erhielten. Die gegenteilige Auffassung widerspreche dem Zweck der Analogleistungen, die auf eine stärkere Angleichung an
die hiesigen Lebensverhältnisse und eine bessere soziale Integration gerichtet seien. Von Leistungen nach dem SGB II sei der Kläger zu 1, der das 15. Lebensjahr bereits vollendet habe, ausgeschlossen. Zwar habe der Widerspruchsbescheid nur
die Zeit vom 01.08.2007 bis 30.09.2007 umfasst; § 44 SGB X finde jedoch auch auf Leistungen des
AsylbLG Anwendung. Damit sei auch der Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 in das Verfahren einzubeziehen und die insoweit ergangenen
Bescheide und konkludenten Leistungsbewilligungen abzuändern.
Die Klage der Kläger zu 2 bis 4 sei hingegen unbegründet. Sie seien nach dem SGB II leistungsberechtigt. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II finde auf sie keine Anwendung. Denn diese Vorschrift enthalte allein für den von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II umfassten Personenkreis Ausnahmetatbestände. Die Leistungsberechtigung ergebe sich daher aus § 7 Abs. 2 S. 2 SGB II und der bestehenden Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern (§ 7 Abs. 3 SGB II).
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen, weil die Berufungssumme von 750,01 EUR für die jeweiligen Kläger nicht erreicht
werde.
Gegen das den Beteiligten am 27.10.2008 (Kläger) bzw. 24.11.2008 (Beklagte) zugestellte Urteil richten sich die Berufung der
Beklagten vom 26.11.2008 sowie die Berufung der Kläger zu 2 bis 4 vom 25.11.2008.
Die Beklagte verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG) Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R), wonach eine teleologische oder verfassungskonforme Anpassung der im Wortlaut
eindeutigen Regelung des §
2 AsylbLG unzulässig sei. Der Kläger zu 1 habe die Vorbezugszeit von 48 Monaten nicht erreicht.
Eine Herausnahme des Personenkreises des § 25 Abs. 5 AufenthG aus dem Anwendungsbereich des
AsylbLG sei nicht gerechtfertigt. Aufgrund der Gesetzgebungsgeschichte sowie der Gesetzesmaterialien falle es schwer, dem Gesetzgeber
zu attestieren, er habe den Umstand übersehen, dass eine hohe Anzahl langjährig Geduldeter möglicherweise bereits vor der
Änderung des
AsylbLG jahrelang Leistungen auf (höherem) Sozialhilfeniveau bezogen habe. Ebenso könne nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber
den Vorbezugszeitraum in §
2 Abs.
1 AsylbLG ohne ausdrücklichen Passus oder Hinweis als reine Wartefrist verstanden wissen wolle. Der Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG solle gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 AufenthG grundsätzlich nicht für längere Zeiträume erteilt werden. Angesichts des Schutzzwecks humanitärer Aufenthalte bestehe ein
generelles Bedürfnis, das Fortbestehen der aufenthaltsbegründenden Umstände regelmäßig nach angemessener Zeit zu überprüfen.
Auch die jüngste Novellierung des AufenthG durch das so genannte Richtlinienumsetzungsgesetz (Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der
Europäischen Union vom 28.08.2007, BGBl. I S. 1970) belege, dass der Gesetzgeber an der "Vorläufigkeit" einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG festhalte. Derart Aufenthaltsberechtigte hätten nicht die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten (§ 9a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). Daran ändere auch nichts, dass der Gesetzgeber in § 26 Abs. 4 AufenthG die Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vorsehe. Gerade die insoweit gesteigerten Voraussetzungen für
die Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis im Ermessenswege seien Beleg für die grundsätzliche Vorläufigkeit
des Aufenthaltsrechts nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Im Katalog der Personen, die Anspruch auf einmalige Teilnahme an einem Integrationskurs hätten, seien Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG ebenfalls nicht aufgeführt.
Im Übrigen sei im Gesetzgebungsverfahren die Initiative dreier Bundesländern zur gänzlichen Streichung des §
2 AsylbLG erfolglos geblieben. Die aktuelle Fassung des §
2 AsylbLG sei demnach ein gewollter Kompromiss anstelle einer kompletten Aufhebung dieser Regelung, welche den Wegfall jeglicher Besserstellung
des in §
1 Abs.
1 AsylbLG festgelegten Personenkreises zur Folge gehabt hätte. Dass der Gesetzgeber die Integrationskomponente zurückgestellt habe,
belege die Gesetzeshistorie. So seien ursprünglich Ausländer mit einem mehr als sechs Monate geltenden Aufenthaltstitel nicht
unter das
AsylbLG gefallen; Inhabern von Aufenthaltstiteln, die dem Aufenthaltsrecht des § 25 Abs. 5 AufenthG vergleichbar seien (§ 31 AuslG), hätten deshalb andere Sozialleistungen offengestanden.
Auch Art. 23 Abs. 2 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (QualRL)) begründe keinen Anspruch auf höhere Leistungen; er verpflichte die Mitgliedstaaten lediglich, dafür
Sorge zu tragen, dass die gewährten Vergünstigungen einen angemessenen Lebensstandard sicherstellten. Dem sei mit dem Leistungsniveau
der Grundleistungen nach §
3 AsylbLG genüge getan.
Die Kläger tragen vor, zu keinem Zeitpunkt habe der Kläger zu 1 (und die weiteren Kläger) die Dauer des hiesigen Aufenthalts
(rechtsmissbräuchlich) beeinflusst. Auf die Art der ihm gewährten Leistungen habe er keinen Einfluss gehabt. Seit Erteilung
eines Aufenthaltstitels am 27.12.2004 sei er nicht mehr ausreisepflichtig. Zu beachten sei, dass der Gesetzgeber ursprünglich
den Grundleistungsbezug auf zwölf Monate beschränkt habe, weil nach einem kurzen, nur vorübergehenden Aufenthalt Bedürfnisse
anzuerkennen seien, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf eine bessere Integration
gerichtet seien (BT-Drs. 12/5008, S. 15). Die Aufenhaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei im Gegensatz zu derjenigen nach § 25 Abs. 4 AufenthG keine von vornherein nur für einen vorübergehenden Aufenthalt erteilte Erlaubnis. Die Zeiten ihres Besitzes seien auf die
zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten anzurechnen. Dies führe zwangsläufig zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit
der Zuordnung von nach § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltsberechtigten zum Leistungsregime des
AsylbLG. Die Vorschrift habe die Praxis der Kettenduldungen abschaffen sollen. Den Ausländern habe zugleich eine Aufenthaltsperspektive
geboten werden sollen, wenn sie unverschuldet an der Ausreise gehindert seien. Damit werde gerade nicht davon ausgegangen,
dass der Aufenthalt nur vorübergehend sei. Die Frage der Verfassungsgemäßheit stelle sich auch vor dem Hintergrund der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.07.2004 - 1 BvR 2515/95. Das BVerfG habe darin den Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis vom Erziehungsgeld und Kindergeld wegen Verstoßes
gegen Art.
3 Abs.
1 GG für verfassungswidrig erklärt; Ausländer, die sich voraussichtlich auf Dauer im Bundesgebiet aufhielten, dürften nicht vom
Erziehungsgeld ausgeschlossen werden. Sinnvoller Anknüpfungspunkt für eine Prognose über einen verfestigten Aufenthalt sei
die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG werde auch der Zugang zu weiteren Leistungen wie BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Elterngeld, Kindergeld und Unterhaltsvorschuss ermöglicht. Die Begründung des Gesetzentwurfs
zum Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz (BT-Drs. 16/10914, S. 11) betone, das Erfordernis einer Mindestaufenthaltszeit von vier
Jahren stelle sicher, dass die Ausweitung des Förderungsrechts keinen Anreiz für einen gezielten Zuzug von Ausländern nach
Deutschland mit dem Ziel biete, hier geduldet zu werden und dann Ausbildungsförderung beziehen zu können.
Das Urteil des BSG vom 17.06.2008 (a.a.O.) stehe mit den Gesetzesmaterialien nicht in Einklang. Ein Ausländer, der versuche, seinen Lebensunterhalt
vor Ablauf der Vorbezugszeit etwa durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, werde bei Verlust des Arbeitsplatzes letztlich im
Vergleich zu einem Ausländer, der ohne Unterbrechung Grundleistungen bezogen habe, schlechter behandelt. Es sei kaum Ziel
des Gesetzes, Minderjährigen durch den Verweis auf Grundleistungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu motivieren. Bei
so genannten Mischhaushalten führe die Argumentation des BSG von vornherein ins Leere. Die Ansicht des Gerichts, die ursprüngliche Integrationskomponente habe sich im Zuge der Gesetzesänderung
gänzlich verloren, sei rechtsfehlerhaft. Die Verlängerung der Vorbezugszeit stehe in Zusammenhang mit der gesetzlichen Altfallregelung
in § 104a AufenthG sowie der Änderung des § 10 der Beschäftigungsverfahrensverordnung. Danach erhielten Geduldete nach vierjährigem Aufenthalt in Deutschland einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang. Der Gesetzgeber
habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, bei einem Voraufenthalt von vier Jahren könne auch im Hinblick auf die Änderungen
der Beschäftigungsverfahrensverordnung vom Entstehen einer Aufenthaltsperspektive ausgegangen werden, die eine Anerkennung von Bedürfnissen gebiete, welche auf
eine bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drs. 16/5065, S. 232). Ohnehin hätten Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG gemäß § 9 Beschäftigungsverfahrensverordnung bereits nach zwei bzw. drei Jahren freien Zugang zum Arbeitsmarkt.
Gesetze seien oftmals "mit der heißen Naht gestrickt", und es bleibe dem Richter überlassen, in Anwendung der ihm zur Verfügung
stehenden Auslegungsmethoden den objektivierten Willen des Gesetzgebers zu ergründen sowie den Wortlaut des Gesetzes verfassungskonform
auszulegen. Angesichts seines vorhergegangenen Leistungsbezuges nach dem SGB II seien beim Kläger zu 1 auch Aspekte des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots zu beachten. Insgesamt sei eine verfassungskonforme
Auslegung möglich und geboten.
Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob er nicht bereits deshalb Analog-Leistungen beanspruchen könne, weil seine Eltern
bereits Leistungen nach dem SGB II erhielten und über einen verfestigten Aufenthaltsstatus verfügten. Das BSG setze sich insoweit nicht bzw. nur unzureichend mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinander. §
2 Abs.
3 AsylbLG solle lediglich verhindern, dass ein minderjähriges Kind leistungsrechtlich besser gestellt werden könne als seine im selben
Haushalt lebenden Eltern. Habe sich der Aufenthalt der Eltern aber bereits derart verfestigt, dass diese Leistungen nach dem
SGB II bezögen, könne ein sachlicher Grund für abgesenkte Leistungen an ihre minderjährigen Kinder nicht mehr vorliegen. Den Fall
von Kindern bereits integrierter Eltern mit verfestigtem Aufenthalt und Zugang zu anderen Leistungssystemen habe der Gesetzgeber
nicht bedacht. Für eine Gleichbehandlung mit den minderjährigen Kindern von nicht in diesem Sinne integrierten Ausländern
fehle ein sachlicher Grund. Der Schutz der Menschenwürde (Art.
1 Grundgesetz (
GG)) und das Willkürverbot (Art.
3 GG) geböten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Auslegung des §
2 Abs. 1 und Abs.
3 AsylbLG, bei der den mit ihren Eltern eingereisten minderjährigen und bereits seit vier Jahren in Deutschland aufhältigen Kindern
Analogleistungen zustünden, sofern die Eltern nach Erteilung verfestigter Aufenthaltstitel höhere Leistungen bezögen. Hielte
man den Gesetzeswortlaut insoweit für zwingend entgegenstehend, wäre die Norm verfassungswidrig.
Schließlich scheide ein Verweis des Klägers zu 1 auf die Grundleistungen nach §
3 AsylbLG deshalb aus, weil seine Eltern eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG besäßen; ihnen sei also ein nationaler subsidiärer Flüchtlingsstatus zuerkannt worden, welcher zur Anwendung der QualRL führe.
Nach Art. 23 QualRL trügen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der die Flüchtlingseigenschaft
oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, die nicht selbst die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines entsprechenden
Status erfüllten, gemäß den einzelstaatlichen Verfahren Anspruch auf die in Art. 24 bis 34 QualRL genannten Vergünstigungen
hätten, sofern dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar sei. Gemäß Art. 28 QualRL trügen
die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt
worden sei, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates erhielten. Insoweit komme in gemeinschaftsrechtskonformer
Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II sogar ein Anspruch sämtlicher Kläger auf Sozialgeld als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit ihren nach dem SGB II leistungsberechtigten Eltern in Betracht. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (30.05.2007 - 7 E 801/07.A) gehe davon aus, dass Familienangehörige von Personen, denen der subsidiäre Schutz zuerkannt worden sei, über Art. 23 Abs.
1 und 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 2 QualRL einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Gemeinschaft
hätten. Selbst wenn die für die Eltern der Kläger festgestellten Abschiebehindernisse für einen internationalen subsidiären
Schutz im Sinne der QualRL nicht ausreichen sollten, reiche der über § 25 Abs. 3 AufenthG gewährte nationale subsidiäre Schutz aus, um die gemeinschaftsrechtliche Regelung zur Anwendung zu bringen. Das Verwaltungsgericht
Würzburg (Urteil vom 03.03.2008 - W 7 K 07.683) erweitere insoweit zu Recht den Status des subsidiären Schutzes nach der QualRL
auf Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, bei denen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festgestellt worden sei. Zu beachten sei, dass die Gewährung nur von Grundleistungen an die Kläger den Umfang der der gesamten
Familie zur Verfügung stehenden Leistungen zur Sicherung ihres Existenzminimums wesentlich einschränke. Das gemeinschaftsrechtliche
Gebot der Sicherstellung eines angemessenen Lebensstandards könne bei richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts
nur dadurch umgesetzt werden, dass den Klägern ein Anspruch zu Sozialleistungen in Höhe des soziokulturellen Existenzminimums
wie bei ihren Eltern zuerkannt werde. Die Rechtsauffassung der Beklagten zu Art. 23 Abs. 2 QualRL übersehe, dass als Vergünstigung
im Sinne dieser Vorschrift nicht nur die Sozialhilfeleistungen nach Art. 28 QualRL und damit auch nicht nur die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bzw. SGB II erfasst werde, sondern alle Vergünstigungen nach Art. 24 bis 32 QualRL. Aus Erwägungsgrund Nr. 33 der Richtlinie lasse sich ableiten, dass der Begriff "Sozialhilfe" in der QualRL nicht
allein die Sicherung eines Existenzminimums, sondern auch andere Sozialleistungen erfasse. Ausgeführt werde, dass es insbesondere
zur Vermeidung sozialer Härtefälle angezeigt sei, Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus
zuerkannt worden sei, ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozialfürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen
und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.
Sämtliche Kläger könnten aus rechtlichen Gründen (Art.
6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 23 QualRL) nicht abgeschoben werden. Unter keinem Gesichtspunkt sei es deshalb gerechtfertigt, von einem nur vorübergehenden
Aufenthalt auszugehen. Daran ändere nichts, dass rein formal ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG bestehe. Im Übrigen könnten auch nach § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltsberechtigte Zugang zu einem Integrationskurs erhalten. Entscheidend sei, dass die Kläger bereits vor Änderung
des §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen und damit nicht mehr ausreisepflichtig seien. Es handele sich nicht um erstmals
erteilte, sondern um fortgeltende Titel. Aus rechtsstaatlichen Gründen wäre insoweit eine Übergangsregelung geboten gewesen;
denn Ansatzpunkt für die Zuordnung zu einem bestimmten Leistungsregime sei grundsätzlich die erstmalige Erteilung einer Duldung,
Aufenthaltsgestattung, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, etc.
Im Übrigen begegne die Höhe der Grundleistungen angesichts einer seit 1993 unterbliebenen Anpassung verfassungsrechtlichen
Bedenken. Die Leistungshöhe sei willkürlich festgesetzt worden. Ohnehin seien bereits die Regelleistungen bzw. Regelsätze
nach SGB II oder SGB XII nicht bedarfsdeckend; jedenfalls für Grundleistungsberechtigte aber sei der Mindestbedarf zur Existenzsicherung nicht gewährleistet.
Sämtliche Kläger hätten Leistungen nach dem SGB II beantragt; mit Schriftsatz vom 01.11.2007 sei dieser Antrag nochmals wiederholt worden. Mit Bescheid vom 05.11.2007 habe
der Beigeladene den Antrag abgelehnt, wogegen Widerspruch eingelegt worden sei. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz sei im
Zweifel davon auszugehen, dass der Antragsteller ohne Rücksicht auf den Wortlaut seines Antrages all die Leistungen begehre,
die ihm den größten Nutzen brächten (BSG, Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R). Ein Antrag auf Leistungen nach dem einen Gesetz sei wegen der gleichen Ausgangslage
(Bedürftigkeit und Bedarf) auch als Antrag nach dem anderen Gesetz anzusehen.
Hinsichtlich der Kläger zu 2 bis 4 sei darüber hinaus nicht nachvollziehbar, warum das Sozialgericht (ausgehend von seiner
Rechtsauffassung) den Beigeladenen nicht gemäß §
75 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) verurteilt habe. Soweit es hierzu eines hilfsweisen Antrags bedurft hätte, hätte das Gericht darauf hinweisen müssen. Allerdings
scheide ein Anspruch auf Sozialgeld nach § 28 SGB II aus. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R betont, dass Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II erstrecke sich auch auf Personen, die nach § 7 Abs. 2 SGB II mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft lebten. Diese Vorschrift enthalte (spätestens seit dem 01.04.2006)
eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung.
Die Ansicht des BSG, im Vergleich zu Grundleistungen nach §
3 AsylbLG höherwertige Sozialleistungen seien nicht auf die Vorbezugszeit nach §
2 AsylbLG anzurechnen, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht vertretbar. Die Zuordnung von nach § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltsberechtigten zum Leistungsregime des
AsylbLG führe zu untragbaren Ergebnissen; dies umso mehr, als es eine Vielzahl von Fällen gebe, in denen zuvor bereits eine Aufenthaltserlaubnis
nach dem alten Ausländergesetz vorgelegen habe, die nunmehr als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG fortgelte. Immerhin seien Inhaber einer solchen Aufenthaltserlaubnis nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Würden bei den
Klägern zu 2 bis 4 lediglich die Zeiten mit Grundleistungen als Vorbezug angerechnet, würden sie behandelt wie neu eingereiste
Asylbewerber. Generalpräventive Aspekte könnten ohnehin nicht greifen, wenn Grundleistungen allein wegen des Vorbezuges höherrangiger
Sozialleistungen nicht gewährt worden seien.
Zu berücksichtigen sei, dass sich die Kläger bereits seit August 2002 bzw. seit Geburt in Deutschland aufhielten. Sie hätten
sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Die Kläger seien bereits integriert; ihr Integrationsbedürfnis sei zu beachten.
Das
AsylbLG sei auf die Bedürfnisse eines in der Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalts ausgerichtet. Es sei dem Gesetzgeber ersichtlich
nicht darum gegangen, Personen wie die Kläger von Analogleistungen auszuschließen.
Unterstellte man einen Willen des Gesetzgebers, auch Fälle wie denjenigen der Kläger auf einen Grundleistungsanspruch zu begrenzen,
verstieße das gegen Art.
1, Art.
2, Art.
3 und Art.
20 GG. Die Kläger seien auch nicht wegen §
2 Abs. 3
AsylbLG von einem Anspruch nach §
2 AsylbLG ausgeschlossen, weil ihre Eltern Leistungen nach dem SGB II und nicht Leistungen nach §
2 AsylbLG erhielten.
In der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2012 haben die Beteiligten den streitigen Zeitraum übereinstimmend auf den Monat August
2007 beschränkt und sich hinsichtlich weiterer - auch in anderen Verfahren streitiger - Zeiträume dem rechtskräftigen Ausgang
des vorliegenden Verfahrens unterworfen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27.05.2008 zurückzuweisen sowie die Beklagte unter
Änderung ihrer Leistungsbewilligung für den Monat August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2007 zu verurteilen,
den Klägern zu 2 bis 4 für August 2007 Leistungen nach §
2 AsylbLG unter Anrechnung der bereits gewährten Leistungen nach §
3 AsylbLG zu gewähren,
hilfsweise,
den Beigeladenen zu verurteilen, den Klägern zu 2 bis 4 für den Monat August 2007 Leistungen nach § 28 SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27.05.2008 zu ändern und die Klage der Kläger zu 1 bis 4 insgesamt abzuweisen sowie
die Berufung der Kläger zu 2 bis 4 zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag und verzichtet auf eine eigene Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge
der Beklagten sowie des Beigeladenen, Prozessakten des Verwaltungsgerichts B 4 K 2113/02.A und 4 K 422/02.A, Prozessakten des Sozialgerichts Aachen S 14 AS 76/09 und S 4 AS 159/11 sowie die Kläger betreffende Ausländerakten der Beklagten) Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen sowohl der Kläger zu 2 bis 4 als auch der Beklagten sind (jedenfalls aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht)
statthaft (§§
143,
144 Abs.
1 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
I. Die Berufung des Klägers zu 1 führt insoweit zur Abänderung des angefochtenen sozialgerichtlichen Urteils und zur Verurteilung
der Beigeladenen gemäß §
75 Abs.
5 SGG.
1.
Die Voraussetzungen des §
75 Abs.
5 SGG liegen vor. Danach kann insbesondere ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende - wie der Beigeladene - nach Beiladung
verurteilt werden. Das erforderliche Ausschließlichkeitsverhältnis (Bestehen entweder eines Anspruchs gegen die Beklagte oder
gegen den Beigeladenen; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage 2008, § 75 Rn. 18 m.N. zur Rechtsprechung des BSG) liegt hinsichtlich von Ansprüchen nach dem
AsylbLG und von solchen nach dem SGB II vor. Eine bereits bindende Ablehnung der Leistungen durch den Beigeladenen (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., Rn. 18b) ist nicht
erfolgt. Eine anderweitige Anhängigkeit eines Rechtsstreits um den Anspruch (hier ggf. im Verfahren S 14 AS 76/09 beim Sozialgericht Aachen) schadet insoweit nicht (Leitherer, a.a.O., Rn. 18b unter Verweis auf BSG SozR 2200 § 1239 Nr. 2). Um dem in §
75 Abs.
5 SGG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken voll gerecht zu werden, entscheidet der Senat über alle in Frage kommenden Ansprüche,
obwohl - hinsichtlich des Klägers zu 1 - lediglich die Beklagte als verurteilter Leistungsträger Berufung eingelegt hat (vgl.
BSG, Urteil vom 03.04.1986 - 4a RJ 1/85).
2.
Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der in der tatsächlichen Überweisung der Leistungen für den Monat August
2007 liegende (konkludente) Bescheid (§ 33 Abs. 2 SGB X; vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2007 (§
95 SGG). Nach der zulässigen Beschränkung des streitigen Zeitraums auf den Monat August 2007 durch Teilvergleich in der mündlichen
Verhandlung kann dahinstehen, ob ursprünglich weitere (schriftliche oder konkludente) Bescheide Gegenstand bereits des Widerspruchsverfahrens
geworden waren. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4, §
56 SGG) zulässig.
3.
Soweit das Sozialgericht die Beklagte durch das angefochtene Urteil im Sinne eines Grundurteils verpflichtet hat, dem Kläger
zu 1 unter Aufhebung (u.a.) der "Bewilligungsentscheidung" für den Monat August 2007 Leistungen gemäß §
2 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, hält das Urteil einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn ein Anspruch des Klägers
zu 1 auf (höhere) Analogleistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG besteht nicht.
a)
Dabei ist das Sozialgericht zunächst zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1 (wie auch die weiteren Kläger)
aufgrund der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nach der nationalen Rechtsordnung dem Leistungsregime des
AsylbLG unterstellt ist; denn der Wortlaut des §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG ist hierzu eindeutig (siehe zur Problematik einer verfassungskonformen Auslegung später unter I.3.c).
Allerdings liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für (höhere) Analogleistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG nicht vor. Nach dieser Vorschrift in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung (des Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur
Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union; BGBl. I, S. 1970) ist abweichend von den §§
3 bis
7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten (in der bis zum
27.08.2007 geltenden Gesetzesfassung: 36 Monate) Leistungen nach §
3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Zwar ist dem Kläger eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland (also ein auf die Aufenthaltsverlängerung
zielendes vorsätzliches, sozialwidriges Verhalten, welches bei typisierender Betrachtung für eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer
als kausal anzusehen ist; vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) nicht anzulasten. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Die Ausländerbehörde hat eine Abschiebung nicht in die Wege geleitet; der Kläger konnte und kann bis heute andauernd nicht
in sein Herkunftsland (Irak) abgeschoben werden.
Den darüber hinaus notwendigen Vorbezug von Leistungen nach §
3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 36 bzw. 48 Monaten wies der (im August 2002 nach Deutschland eingereiste) Kläger im streitigen
Zeitraum jedoch ersichtlich nicht auf; wegen der seit dem 01.01.2005 bezogenen Leistungen nach dem SGB II hatte er bis zum August 2007 Grundleistungen nach §
3 AsylbLG nicht in dem geforderten zeitlichen Umfang bezogen. Die vom Sozialgericht mit Blick auf obergerichtliche Rechtsprechung (u.a.
Beschluss des Senats vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER) vertretene Auffassung, auf diesen Vorbezug seien auch andere, gegenüber solchen nach §
3 AsylbLG höherwertige Leistungen anzurechnen, steht mit der Rechtsprechung des BSG (der sich der Senat unter Aufgabe seiner zuvor vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen hat) nicht in Einklang. Denn der
Wortlaut des §
2 Abs.
1 AsylbLG ist insoweit zwingend; einer erweiternden Auslegung etwa dahin, dass auch Zeiten des Bezugs anderer Sozialleistungen (z.B.
Sozial- oder Jugendhilfe, Grundsicherung nach dem SGB II) oder der Unterhaltssicherung aus (eigenen oder elterlichen) Einkünften die Vorbezugszeit auffüllen könnten, ist er nicht
fähig. Einer solcherart erweiternden Auslegung stehen im Übrigen auch Sinn und Zweck der Regelung sowie deren Gesetzesentwicklung
entgegen (vgl. hierzu eingehend BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R zu Rn. 19 ff.; dem BSG folgend auch der Senat in den Vorlagebeschlüssen gemäß Art.
100 Abs.
1 GG vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 sowie vom 22.11.2010 - L 20 AY 1/09, derzeit anhängig beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
unter 1 BvL 10/10 zu Rn. 58 ff. bzw. 1 BvL 2/11 zu Rn. 46 ff.).
b)
Aus diesem Grund ergibt sich auch kein Anspruch des Klägers zu 1 auf (höhere) Analogleistungen aus §
2 Abs.
3 AsylbLG. Danach erhalten minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, Leistungen
nach Absatz 1 nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält. Liegen jedoch
die (weiteren) Voraussetzungen des §
2 Abs.
1 AsylbLG, insbesondere also ein hinreichend langer Vorbezug von Grundleistungen, in der Person des Kindes nicht vor, begründet §
2 Abs.
3 AsylbLG aus sich heraus keinen Anspruch auf Analogleistungen; ein Absehen vom zwingenden Erfordernis einer hinreichenden Vorbezugszeit
bei Kindern, deren Eltern nicht (mehr) im Grundleistungsbezug stehen, kommt nicht in Betracht (vgl. Vorlagebeschluss des Senats
vom 22.11.2010 - L 20 AY 1/09 zu Rn. 56 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R m.w.N. zu Rn. 25 f.).
c)
Soweit bisweilen für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG mit Blick auf Art.
3 Abs.
1 GG eine verfassungskonforme Auslegung des §
1 Abs. 1 Nr.
3 AsylbLG dahingehend befürwortet wird, Analogleistungen unter Verzicht auf die Erfüllung der Vorbezugsfrist zu gewähren, im Einzelfall
eine teleologische Reduktion des §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG vorzunehmen oder § 23 Abs. 1 S. 4 SGB XII analog anzuwenden (vgl. näher und m.w.N. Frerichs in jurisPK-SGB XII, §
1 AsylbLG Rn. 104 f.), folgt der Senat dem nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG begründet auch die Zuordnung zum Leistungsregime des
AsylbLG in §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II (grundlegend BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R; vgl. auch BSG, Urteile vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R sowie vom 07.05.2009 - B 14 AS 41/07 R). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Schon der eindeutige Gesetzeswortlaut spricht gegen eine Einschränkung
des Anwendungsbereichs von §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber zahlreiche Gelegenheiten zur Änderung der Vorschrift ungenutzt gelassen, auch wenn sie
als integrationspolitisch fragwürdig bezeichnet worden ist (vgl. etwa Frerichs, a.a.O.; dies gilt auch in jüngerer Zeit noch
etwa für das Festhalten an der Norm im Zuge der Einfügung des § 25a AufenthG zum 01.07.2011, wonach gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden sowie ggf. deren Eltern unter erleichterten Bedingungen
ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden kann).
Zu Recht geht das BSG im Übrigen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 12/4451 S. 7) davon aus, dass § 25 Abs. 5 AufenthG gerade kein verfestigtes Aufenthaltsrecht begründet. Den Betroffenen wird ihr Aufenthalt in Deutschland vielmehr nur zeitlich
befristet erlaubt (§ 26 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Dass dies auch für andere Aufenthaltstitel gilt, deren Inhaber ggf. Anspruch auf günstigere existenzsichernde Leistungen
haben, steht der Ausübung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Sinne einer Zuordnung von nach § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltsberechtigten zum Leistungsregime des
AsylbLG nicht entgegen. Dabei wird in sachlich gerechtfertigter Weise nach dem Grund für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis differenziert.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn gesetzlich zwischen den Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 4 S. 1, Abs. 4a, 4b und Abs. 5 AufenthG einerseits und etwa denjenigen (auf ein Abschiebungsverbot Rücksicht nehmenden) nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG unterschieden wird.
Umstände des Einzelfalls, welche aus verfassungsrechtlichen Gründen eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind
vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für eine Nichtanerkennung von Abschiebungsverboten
nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG aus allein allgemeinen Erwägungen (vgl. hierzu Frerichs, a.a.O.). Eine allgemeine Beurteilung der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit
der ausländerrechtlichen Gesamtkonzeption fällt nicht in die Kompetenz der rechtsprechenden Gewalt.
d)
Aus §§
3 bis
7 AsylbLG ergibt sich für den Kläger zu 1 kein Anspruch auf höhere Leistungen. Die Beklagte hat insoweit die dem Kläger zu 1 gewährten
Leistungen zutreffend bemessen. Soweit der Senat im Übrigen die Grundleistungen nach dem
AsylbLG für verfassungswidrig zu niedrig bemessen hält (vgl. die bereits genannten Vorlagebeschlüsse des Senats i.S.v. Art.
100 Abs.
1 GG), haben sich die Beteiligten durch Teilvergleich den ausstehenden Entscheidungen des BVerfG (i.S. 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) unterworfen (vgl. zu dieser Möglichkeit etwa BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R).
4.
Der Kläger zu 1 hat jedoch dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier:
Arbeitslosengeld II) durch den Beigeladenen nach Maßgabe des SGB II. Nur in Höhe der durch die Beklagte für den Monat August 2007 erbrachten (niedrigeren) Leistungen nach dem
AsylbLG gilt dieser Anspruch als erfüllt (§ 107 SGB X).
a)
Der am 00.00.1992 geborene Kläger zu 1 hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, ohne die Altersgrenze nach
§ 7a SGB II erreicht zu haben. Er war erwerbsfähig sowie mangels einzusetzenden Einkommens und Vermögens (auch seiner im Leistungsbezug
nach dem SGB II stehenden Eltern) zudem hilfebedürftig. Schließlich hatte er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
(vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II).
Gleichwohl folgt dieser Anspruch nicht unmittelbar aus den Vorschriften des SGB II. Denn der Kläger unterfällt (s.o. zu I.3.c) wegen seiner Zuordnung zum Leistungsregime des
AsylbLG in §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG in Ansehung allein des nationalen Rechts dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II.
b)
Das Regelungsgefüge der §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG i.V.m § 25 Abs. 5 AufenthG und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II verstößt jedoch gegen die höherrangigen, europarechtlichen Regelungen der QualRL.
aa)
Nach Art. 23 QualRL tragen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann (Abs. 1).
Zudem tragen sie dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre
Schutzstatus zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines entsprechenden Status erfüllen,
gemäß den einzelstaatlichen Verfahren Anspruch auf die in den Art. 24 bis 34 QualRL genannten Vergünstigungen haben, sofern
dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. Dabei können die Mitgliedstaaten die Bedingungen
festlegen, unter denen Familienangehörigen von Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, diese Vergünstigungen
gewährt werden. In diesen Fällen sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die gewährten Vergünstigungen einen angemessenen Lebensstandard
sicherstellen (Abs. 2).
Den Eltern der Kläger ist mit der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG subsidiärer Schutz im Sinne von Art. 15 und Art. 18 QualRL zuerkannt worden. Denn bei ihnen war (VG B, a.a.O.) ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 des AuslG (in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) festgestellt worden. Danach konnte von der Abschiebung eines Ausländers in
einen anderen Staat kann abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben
oder Freiheit bestand (vgl. nunmehr § 60 Abs. 7 AufenthG). Dabei entsprechen die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebeschutz nach nationalem Recht den Voraussetzungen für
den subsidiären Schutz gemäß Art. 15 QualRL (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 11/10 zu § 60 Abs. 7 AufenthG); Art. 15 Buchstabe c QualRL ist gleichsam ein Unterfall des § 60 Abs. 7 AufenthG (Hinweise des Bundesministeriums des Innern vom 13.10.2006 zur Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen
als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig international Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes
der Bundesrepublik Deutschland).
Unterfallen damit aber die Eltern der Kläger dem Schutz der QualRL, so sind sämtliche Kläger nach der Legaldefinition des
Art. 2 Buchstabe h 2. Spiegelstrich QualRL als minderjährige Kinder ihrer subsidiär geschützten Eltern zugleich Familienangehörige
im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie.
bb)
Zu den Vergünstigungen, die Art. 23 Abs. 2 QuaRL in Bezug nimmt, gehört die nach Art. 28 QualRL zu gewährende "notwendige
Sozialhilfe" i.S.d. QualRL. Nach Art. 28 Abs. 1 QualRL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft
oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der die jeweilige Rechtsstellung gewährt hat,
die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten (Prinzip der Inländergleichbehandlung). Abweichend
von der allgemeinen Regel nach Absatz 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus
zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für
eigene Staatsangehörige gewähren (Abs. 2). Eine solche Beschränkung auf Kernleistungen ist hinsichtlich der subsidiär geschützten
Eltern nicht erfolgt.
Als deren Familienanghörigen ist nach Art. 28 Abs. 2 QualRL auch den Klägern der Zugang zu "Sozialhilfe" grundsätzlich eröffnet.
Art. 23 Abs. 3 QualRL steht dem nicht entgegen; denn die Kläger sind nicht gemäß den Kapiteln III und V der QualRL von der
Anerkennung als Flüchtling oder der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen. Zugleich ist nicht erkennbar, dass die
entsprechende Gewährung von Sozialhilfe i.S.v. Art. 23 Abs. 1 QualRL mit der persönlichen Rechtsstellung der Kläger nicht
vereinbar wäre.
cc)
Ob die QualRL für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte hinsichtlich des Zugangs zu "notwendiger Sozialhilfe" entsprechend
den Vorgaben ihres Art. 28 vor Ablauf der Umsetzungsfrist (10.10.2006; vgl. Art. 38 Abs. 1 QualRL) umgesetzt wurde (so Marx,
Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 1. Auflage 2009, § 48 Rn. 28 und 35), kann dahinstehen (tatsächlich erfolgte eine ausdrückliche
Umsetzung in nationales Recht erst durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlininen der Europäischen
Union (Richtlinienumsetzungsgesetz; BGBl. I 2007, 1970) mit Wirkung ab dem 28.08.2007 - unbeschadet der Frage, ob diese Umsetzung ausreichend erfolgt ist). Dafür spricht jedenfalls,
dass die Eltern der Kläger mit Leistungen nach dem SGB II öffentliche Leistungen auf dem Niveau erhalten, welches der Gesetzgeber als für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums
(vgl. hierzu Münder in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, Einl. Rn. 15) hinreichend erachtet.
Für die Gewährleistung des Zugangs zur "Sozialhilfe" für Familienangehörige subsidiär Geschützter wie die Kläger ist eine
hinreichende Umsetzung der Richtlinie jedenfalls nicht erfolgt.
Dabei ist zunächst nicht einmal ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland - was gemäß Art. 23 Abs. 2 QualRL grundsätzlich
zulässig wäre - besondere (einschränkende) Bedingungen festgelegt hätte, unter denen Familienangehörigen von subsidiär Geschützen
diese Vergünstigungen gewährt werden. Ohnehin hätten die Mitgliedstaaten auch in einem solchen Fall dafür zu sorgen, dass
die gewährten Vergünstigungen einen "angemessenen Lebensstandard" sicherstellen (Art. 23. Abs. 2 Satz 3 QualRL).
Die Qualifikationsrichtlinie verwendet insoweit einen durch die Gerichte zu konkretisierenden unbestimmten Rechtsbegriff.
Entscheidende Hinweise für die Auslegung einer Richtlinie geben insoweit deren Erwägungsgründe; diese stellen nicht lediglich
unbeachtliche Programmsätze dar (vgl. BAG, Urteil vom 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 m.w.N.). Erwägungsgrund 34 der QualRL schreibt insoweit vor, dass die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung von
Kernleistungen bei der "Sozialhilfe" durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden sollten (Satz 1). Die Möglichkeit
der Einschränkung von Leistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen
ist so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein "Mindesteinkommen" sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft
und bei Elternschaft umfasst, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen
Staatsangehörigen gewährt werden. Im Übrigen sieht auch Art. 28 Abs. 2 QualRL selbst für beschränkte Kernleistungen die Leistungen
vor, welche die Mitgliedstaaten im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.
Das nationale Recht der Bundesrepublik Deutschland verwendet den Begriff des Mindesteinkommens für keines der die wirtschaftliche
Existenzsicherung gewährleistenden Regelungssysteme. Die beiden - zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im
Wesentlichen übereinstimmenden - Leistungsregimes des SGB II und des SGB XII sollen jedoch das - grundrechtlich in Art.
1 Abs.
1 und Art.
20 Abs.
1 GG gewährleistete - soziokulturelle Existenzminimum insgesamt zur Verfügung stellen (vgl. Münder, a.a.O.; siehe auch - begrifflich
in der Diktion des BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 auf ein menschenwürdiges Existenzminimum abstellend - ders. in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, Einl. Rn. 20); kein Deutscher muss deshalb seinen Lebensunterhalt mit Mitteln unterhalb des Leistungsniveaus
nach dem SGB II oder SGB XII bestreiten; stehen ihm entsprechende Eigenmittel nicht oder nicht in hinreichendem Maße zur Verfügung, sind sie ihm unter
Anrechnung eigener wirtschaftlicher Ressourcen als öffentliche Leistung zur Verfügung zu stellen. Werden aber die Grundsicherungsgarantien
nach dem SGB II bzw. SGB XII vom Gesetzgeber als nicht unterschreitbare, aber auch hinreichende Absicherung des soziokulturellen Existenzminimums angesehen,
so rechtfertigt dies den Schluss, dass sie das (sozialhilferechtliche) "Mindesteinkommen" für deutsche Staatangehörige festlegen.
Dann aber bestimmen sie zugleich das Leistungsniveau, welches auch für subsidiär Geschützte unter Berücksichtigung der Ausführungen
in Erwägungsgrund 34 der QualRL - in Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen - nicht unterschritten werden darf.
Eine weitere Einschränkung existenzsichernder Leistungen der "Sozialhilfe" i.S. der QualRL für Familienangehörige subsidiär
Geschützter ist nicht möglich. Dieses aus dem Gesamtzusammenhang der angeführten Regelungen der QualRL folgende Ergebnis wird
durch deren Erwägungsgrund 29 weiter gestützt. Danach müssen Familienangehörigen von Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus
zuerkannt worden ist, zwar nicht zwangsläufig dieselben Vergünstigungen gewährt werden wie der anerkannten Person; die den
Familienangehörigen gewährten Vergünstigungen müssen aber im Vergleich zu den Vergünstigungen, die die Personen erhalten,
denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, "angemessen" sein. Letzteres wäre jedoch bei einer Unterschreitung
des nach nationalem Recht untersten Niveaus sozialer Absicherung nicht mehr der Fall. Denn die existenzsichernden Leistungen
nach dem SGB II und SGB XII spiegeln die hiesigen nationalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Im Übrigen macht die Formulierung
"nicht zwangsläufig" in Erwägungsgrund 29 der QualRL deutlich, dass eine Einschränkung bei Leistungen für Familienangehörige
nicht als Regelfall erfolgen soll. Ohnehin hat der (deutsche) Gesetzgeber besondere Bedingungen für den Zugang von Familienangehörigen
subsidiär Geschützter zu "Sozialhilfe" i.S. der QualRL nicht geregelt (s.o.); denn die allgemeinen Regelungen des
AsylbLG wenden sich nicht speziell an Familienangehörige von nach der QualRL subsidiär Geschützten. Zudem ergibt sich aus Art. 38
Abs. 1 S. 3 QualRL die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei Erlass der zur Umsetzung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
entweder in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug
zu nehmen; gemäß Art. 38 Abs. 2 QualRL teilen die Mitgliedstaaten zudem der Kommission den Wortlaut der Vorschrift mit, die
sie in dem unter die Qualifikationsrichtlinie fallenden Bereich erlassen. Beides ist hinsichtlich der Leistungsvorschriften
des
AsylbLG nicht geschehen.
dd)
Aus dem Vorstehenden folgt, dass die QualRL für Personen wie die Kläger hinsichtlich eines Zugangs zu "Sozialhilfe" nicht
umgesetzt worden ist. Ist dies auch nicht durch das Richtlinienumsetzungsgesetz erfolgt, so ergeben sich aus dessen Inkrafttreten
erst am 28.08.2007 (mithin erst gegen Ende des hier streitigen Zeitraumes vom 01. bis 31.08.2007) von vornherein keine weiteren
Fragen.
ee)
Das geltende deutsche Recht kann nicht in einer Weise gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, dass es mit den Vorgaben
der QualRL in Übereinstimmung zu bringen wäre.
Wird eine Richtlinie der Gemeinschaft verspätet oder unzureichend in das Recht eines Mitgliedstaates umgesetzt, so verpflichtet
die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ((EuGH) vgl. etwa Urteil vom 04.07.2006 - C 212/04) die nationalen Gerichte bei Fehlen unmittelbarer Wirkung ihrer einschlägigen Bestimmungen, das innerstaatliche Recht nach
Ablauf der Umsetzungsfrist so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zweckes der jeweiligen Richtlinie auszulegen;
die mit der Richtlinie verfolgten Ziele sollen erreicht werden, indem die nationalen Gerichte die diesem Zweck am besten entsprechende
Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften wählen und damit zu einer mit den Bestimmungen der Richtlinie vereinbaren Lösung
gelangen. Darüber hinaus müssen es die Gerichte der Mitgliedstaaten ab Inkrafttreten einer Richtlinie so weit wie möglich
unterlassen, das innerstaatliche Recht in einer Weise auszulegen, welche die Erreichung des Richtlinienzieles nach Ablauf
der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde.
Weiter führt der EuGH (a.a.O.) aus:
"(109)
Das Gebot einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem EG-Vertrag immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts
zu gewährleisten, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet ( ).
(110)
Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den
Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, wird zwar durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere durch den Grundsatz
der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt; auch darf sie nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem
des nationalen Rechts dienen ( ).
(111)
Der Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung verlangt jedoch, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung
des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung ihrer Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um
die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie
verfolgten Ziel übereinstimmt ( )."
Der Senat hält im Falle des Klägers zu 1 (wie auch der weiteren Kläger) eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des nationalen
Rechts jedoch nicht für möglich.
Soweit das
AsylbLG betroffen ist, lässt der eindeutige, strikte Wortlaut des §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG ein Absehen von der Zuordnung der Kläger unter das Leistungsregime des
AsylbLG nicht zu. Entsprechendes gilt für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung von §
2 AsylbLG; auch hier verbietet im vorliegenden Fall der im Wege der Auslegung nicht zu umgehende Gesetzeswortlaut eine Gewährung von
Leistungen in einem dem SGB XII entsprechenden Umfang.
Auch andere Ansatzpunkte für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung eröffnet das
AsylbLG nicht. Insbesondere verbietet sich eine Auslegung des §
6 AsylbLG dahingehend, dass den Klägern existenzsichernde Leistungen in einer Höhe wie nach dem SGB II oder SGB XII entsprechende Leistungen gewährt würden. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Frage einer verfassungskonformen Auslegung
des §
6 AsylbLG zur Sicherstellung verfassungsgemäßer Grundleistungen nach §
3 AsylbLG. Denn bei den Leistungen nach §
6 Abs.
1 AsylbLG handelt es sich um solche für atypische Bedarfslagen, die gerade nicht die "typischen", regelmäßig anfallenden Bedarfslagen
erfassen. Die Leistungen nach dieser Vorschrift sind dementsprechend, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, im Vergleich
zu denjenigen nach §
3 AsylbLG als "aliud" ausgestaltet. §
6 Abs.
1 AsylbLG zielt ausweislich der Gesetzesmaterialien darauf ab, als bloße "leistungsrechtliche Auffangvorschrift" Leistungen zu ermöglichen,
die mit den pauschalen, auf den "typischen Regelfall" zielenden Leistungen des §
3 AsylbLG nicht erbracht werden (BT-Drucks. 12/4451, S. 10). §
6 Abs.
1 AsylbLG kommt deshalb allein die Funktion einer Härtefallregelung für den Einzelfall zu. Die Vorschrift kann zwar als Öffnungsklausel
zur Leistungsgerechtigkeit im Einzelfall beitragen; eine darüber hinausreichende Anwendung dergestalt, die beschränkten Leistungen
des §
3 AsylbLG generell denjenigen nach dem SGB XII anzunähern, ist jedoch nicht möglich (zu alledem eingehend die Vorlagebeschlüsse des Senats vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09
zu Rn. 71 ff. und Rn. 110 ff., sowie vom 22.11.2010 - L 20 AY 1/09 zu Rn. 57 ff. und Rn. 104 ff; vgl. auch Rothkegel, Das
Sachleistungsprinzip des
Asylbewerberleistungsgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht, in ZAR 2011, S. 90, 93 f.).
Mit der national-rechtlichen Zuordnung der Kläger unter das Leistungsregime des
AsylbLG geht zugleich (s.o. a) zwingend ein Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II einher. Auch die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II steht angesichts ihres eindeutigen, einer gemeinschaftsrechtskonformen, aufweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlauts
dahingehend, dass Familienangehörige subsidiäre Geschützter vor diesem Leistungsausschluss nicht erfasst werden, nicht offen.
ff)
Scheitert damit eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften (vgl. zur Reichweite
einer solchen Auslegung auch BGH 09.04.2002 - XI ZR 91/99), ergibt sich dennoch für den Kläger zu 1 (wie auch die weiteren Kläger) der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung höherer
Leistungen (im Sinne des von ihnen für die Kläger zu 2 bis 4 ausdrücklich hilfsweise gestellten Antrags) unmittelbar aus der
QualRL selbst.
Fehlt nämlich die Möglichkeit einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften,
hat das nationale Gericht nach der Rechtsprechung des EuGH zu prüfen, ob der nicht (hinreichend) umgesetzten Richtlinie zugunsten
des Klägers eine unmittelbare Wirkung zukommt. Zu den Voraussetzungen einer solchen unmittelbaren Wirkung führt der EuGH (Urteil
vom 24.01.2012 - C 282/10) aus:
"Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich der Einzelne in all den Fällen, in denen
die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem
Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale
Recht umgesetzt hat ( )."
Der Kläger zu 1 wird (wie seine ebenfalls Klage führenden Geschwister) durch die Regelungen in Art. 23 und Art. 28 der QualRL
begünstigt (s.o. aa). Die Richtlinie wurde vom deutschen Gesetzgeber jedoch jedenfalls in diesem Punkt nicht anforderungsgemäß
umgesetzt (s.o. cc). Die genannten Regelungen der QualRL sind unter Heranziehung der Erwägungsgründe der Richtlinie zugleich
hinreichend genau und inhaltlich unbedingt. Denn der in Art. 28 QualRL verwandte Begriff der "Sozialhilfe" ist insofern eindeutig,
als damit jedenfalls das (niedrigste) Niveau der von der nationalen Rechtsordnung gewährleisteten Existenzsicherung ("Mindesteinkommen")
für Inländer gemeint ist; für das Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland kann dies nur die Grundsicherung in
einer Höhe sein, welche das SGB II und das SGB XII inhaltlich unbedingt garantieren (vgl. o. cc). Der Annahme hinreichender Bestimmtheit der QualRL steht nicht etwa entgegen,
dass die konkrete Höhe der zu gewährenden Leistungen nicht der Richtlinie selbst, sondern dem nationalen Recht zu entnehmen
ist; der Senat hält insofern vielmehr für entscheidend, dass sich die dem Kläger zu 1 zu gewährenden Mindestleistungen der
Art nach - nämlich als existenzsichernde Grundsicherung - eindeutig bestimmen lassen und sodann hinsichtlich der Art des Leistungsregimes
(SGB II oder SGB XII) sowie ihrer Höhe nach nationalem Recht richten.
gg)
Wegen dieses "Anwendungsdurchgriffs" der QualRL stehen dem Kläger zu 1 Leistungen der Grundsicherung nach den Bestimmungen
des SGB II zu. Als Familienmitglied gehört er zur Bedarfsgemeinschaft seiner Leistungen nach dem SGB II beziehenden Eltern (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II); das SGB II ist deshalb - vor dem SGB XII - als das in seinem Fall sachnächste Grundleistungsregime anzuwenden. Der eigentlich einschlägige Leistungsausschluss nach
§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II wird durch den Anwendungsdurchgriff der höherrangigen QualRL in die nationale deutsche Rechtsordnung überlagert. Leistungszuständig
ist der Beigeladene als für die Leistungsgewährung nach dem SGB II sachlich (und im Übrigen örtlich) zuständiger Träger. Die damit einhergehende Zuordnung zu einem anderen als dem national-rechtlich
vorgesehenen Leistungsregime (
AsylbLG) ist wegen des Richtlinienverstoßes hinzunehmen; dem Kläger zu 1 wird mit den Leistungen nach dem SGB II nichts anderes gewährt als Inländern in gleicher Situation.
II.
Im Wesentlichen aus entsprechenden Gründen wie beim Kläger zu 1 (s.o. I.) ist auch die Berufung der Kläger zu 2 bis 4 im Sinne
der Verurteilung des Beigeladenen zu einer Erbringung von Leistung nach Maßgabe des SGB II begründet.
Ihr Leistungsanspruch folgt, anders als vom Sozialgericht angenommen, nicht bereits aus nationalem Recht. Denn auch die Kläger
zu 2 bis 4 unterfallen aufgrund der ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nach §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG grundsätzlich dem Leistungsregime des
AsylbLG und wären damit eigentlich von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Sie werden national-rechtlich nicht etwa allein dadurch leistungsberechtigt, dass sie als Minderjährige mit
ihren nach dem SGB II leistungsberechtigten Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II lebten (nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R gilt der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II für Leistungsberechtigte nach dem
AsylbLG auch für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit einem Leistungsempfänger nach dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft leben). Systematisch geht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II einer zu Leistungen berechtigenden Zuordnung zur Bedarfsgemeinschaft vor. Doch auch wenn dieser Leistungsausschluss für die
Kläger zu 2 bis 4 nicht greifen sollte, weil sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (so
Thie/Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, §
7 Rn. 33), bliebe jedenfalls auch dann das
AsylbLG das speziellere Gesetz (Thie/Schoch, a.a.O.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 S. 1
SGG.
IV.
Der Senat lässt die Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) zu.