Arbeitsunfall
Verletztenrente
Beweismaßstab für einen Gesundheitserstschaden
Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden
Hinreichende Wahrscheinlichkeit
Theorie der wesentlichen Bedingung
Tatbestand
Die am 00.00.1962 geborene Klägerin, die als Landwirtin beschäftigt war, teilte der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft,
deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden: Beklagte) am 01.06.2006 telefonisch und am 03.06.2006 schriftlich
mit, dass sie am 29.05.2006 einen Unfall erlitten habe. Als sie ein ausgebrochenes Schaf habe einfangen wollen, sei dieses
gegen ihr Kinn gesprungen und habe sie umgestoßen. Hierdurch sei es zu einer Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und einer
Ruptur der Bänder des Oberen Sprunggelenks (OSG) gekommen.
Die Beklagte zog Berichte der Chirurgen Dres. P und X3 vom 31.05.2006, 30.06.2006 (mit anliegendem Bericht des Neurologen
und Psychiaters Dr. X vom 12.06.2006) und vom 10.08.2006 ebenso bei wie Berichte der BG-Kliniken C C, Prof. Dr. N, vom 14.08.2006,
24.08.2006 und des Neurologen Dr. H vom 30.08.2006. Die Fachärzte für Innere Medizin Dres. C u.a. übersandten eine ärztliche
Unfallmeldung vom 02.06.2006, der Facharzt für Chirurgie Dr. T einen Bericht vom 28.08.2006. In seinem Abschlussbericht vom
29.08.2006 teilte Dr. P mit, dass unfallbedingte AU bis zum 25.08.2006 attestiert worden sei. Eine rentenberechtigende Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde nicht verbleiben.
Die Klägerin beantragte telefonisch am 06.09.2006 bzw. bei persönlicher Vorsprache am 22.09.2006 bei der Beklagten, einen
Achillessehnenanriss und die weitere Behandlung der HWS-Beschwerden als Unfallfolge anzuerkennen.
Ein Nachschaubericht wurde von Prof. Dr. S, Chir. Klinik D-hospital N, am 11.09.2006 mit dem Hinweis erstellt, dass ein MRT
der HWS vom 20.06.2006 keinen Hinweis für wesentliche knöcherne/ligamentäre Läsionen ergeben habe. Ebenfalls an die Beklagte
übersandt wurde ein Bericht über ein MRT des linken OSG von Prof. Dr. O vom 07.09.2006 und Berichte des Dr. X vom Ev. Krankenhaus
I, Chir. Abteilung, bzw. des Neurologen C je vom 21.03.2007, die bei der von ihnen gestellten Diagnose einer HWS Distorsion
Grad I und Schädelprellung von einem Abklingen der diesbezüglichen Beschwerden innerhalb von maximal drei Monaten ausgingen.
Die persistierenden Nacken-Hinterkopfschmerzen sahen letztere Ärzte nicht mehr im Unfallzusammenhang, sondern klassifizierten
diese als Spannungskopfschmerzen.
Auf Wunsch der Klägerin holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. X1 vom 04.12.2007 ein. Dieser
führte aus, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 29.05.2006 und den über den 24.08.2006 hinaus geklagten
Beschwerden bestehe. Es sei allenfalls von einer erlebten HWS-Distorsion mit Prellung und vorübergehender Beschwerdesymptomatik
auszugehen. Die bestehenden Nacken- und Hinterkopfschmerzen seien als Spannungskopfschmerz zu klassifizieren und stünden nicht
im Zusammenhang mit dem Unfall. Eine Partialruptur oder Komplettruptur der Achillessehne liege nach Auswertung der Kernspintomographie
nicht vor, sondern vielmehr eine Degeneration der Achillessehne mit Zeichen einer Tendinitis bzw. Achillodynie und Reizzustand
bei Haklundexostose ohne Hinweise auf eine traumatische Ursache. Spätestens mit Abschluss der bg-lichen Behandlung am 25.08.2006
habe im Sinne des Versicherungsrechts wieder Arbeitsfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestanden. Eine MdE
sei nicht festzustellen.
Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 29.05.2006 mit Bescheid vom 18.03.2008 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Sprunggelenksverrenkung
mit Außenbandriss links sowie Schädelprellung mit Distorsion der Halswirbelsäule an. Die Unfallfolgen seien beseitigt. Nicht
anerkannt würden eine Haklund-Exostose im Bereich des linken Sprunggelenkes, Zeichen der Tendinitis der Achillessehne links,
Achillodynie. Die Gewährung einer Rente werde mangels ausreichender MdE abgelehnt.
Den gegen den Bescheid gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 16.04.2008, zu dessen Begründung sie psychische Beeinträchtigungen
geltend machte und ein Attest der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P1 vom 05.08.2008 beifügte, in dem als weitere Diagnose
eine "ganz erhebliche" Fibromyalgie genannt wurde, wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme der beratenden Ärztin
Dr. T1 vom 11.11.2008 mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2008 zurück. Zur Begründung verwies sie insbesondere auf die Ausführungen
des Dr. X1.
Die Klägerin hat am 14.01.2009 Klage beim Sozialgericht Münster (SG) erhoben (Az. S 13 U 12/09) und ihr Begehren weiter verfolgt. Im Hinblick auf ein paralleles Verfahren auf Gewährung von Rente (S 14 LW 13/08) ist das Verfahren zunächst zum Ruhen gebracht und anschließend mit dessen Beiziehung einschließlich der dort erfolgten vielfältigen
medizinischen Ermittlungen (u.a. orthopädisches Gutachten des Dr. Q vom 23.09.2008 mit den Diagnosen Fibromyalgie und Occipitalneuralgie,
neurologisch/psychiatrisches Gutachten des Dr. C1 vom 16.10.2008 mit den Diagnosen somatoformes Schmerzsyndrom, depressiv
gefärbte Anpassungsstörung, orthopädisches Gutachten Dr. H vom 20.11.2009 mit u.a. der Diagnose somatoforme Schmerzstörung
mit Fibromyalgie, neurologisch/psychiatrisches Gutachten des Dr. T2 vom 26.10.2009 mit u.a. der Diagnose einer Dysthymie und
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit Fibromyalgie, psychiatrisches Gutachten der Frau C1 vom 19.04.2010 mit der Diagnose
anhaltende somatoforme Schmerzstörung) unter dem Az. S 13 U 406/10 wieder aufgenommen worden.
Das SG hat ergänzend zur Beweisaufnahme Röntgenaufnahmen beigezogen und anschließend ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten
des Prof. Dr. F vom 23.03.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Kinnprellung, eine HWS-Distorsion Grad I und eine Distorsion
des OSG als Folge des Unfalls festgestellt. Diese seien ca. 2-6 Wochen nach dem Unfall ausgeheilt. Die Beschwerden im Bereich
der Achillessehne seien eindeutig degenerativ und die chronische Entzündung im Sinne einer Achillodynie und damit als unfallunabhängig
zu werten. Die Beschwerden im Kopfbereich seien im Sinne eines Spannungskopfschmerzes zu sehen, der nicht auf das Unfallereignis
zurückgeführt werden könne. Auch erkläre die Diagnose einer Fibromyalgie die beklagten Beschwerden. Die MdE sei mit Wiedereintritt
der Arbeitsfähigkeit ab dem 26.08.2006 mit 0 v.H. zu bewerten.
Die Klägerin hat hierzu eine Bescheinigung der Dr. P1 vom 18.04.2011 übersandt, nach der sie seit dem 30.05.2006 bis zum Datum
des Attests erkrankt sei.
Sie hat beantragt,
1.
den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2008 dahingehend abzuändern, dass
eine Sprunggelenksverrenkung mit Außenbandriss links, eine Schädelprellung mit Distorsion der Halswirbelsäule, eine Haklund-Exosthose
im Bereich des linken Sprunggelenks, Zeichen der Tendinitis der Achillessehne links und eine Achillodynie als Unfallfolge
des Unfallereignisses vom 29.05.2006 anzuerkennen sind,
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihr infolge des Unfallereignisses vom 29.05.2006 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
zu gewähren.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.07.2011 abgewiesen. Die Klägerin habe im Rahmen des Unfalls vom 29.05.2006 unbestritten
eine Prellung des Gesichtsschädels (Kinn), eine Distorsion der HWS Grad I sowie ein Umknicktrauma des linken OSG mit einer
Überdehnung des Kapselbandapparates erlitten. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt.
HWS-Distorsionen I. Grades begründeten in der Regel eine Arbeitsunfähigkeit bis zu vier Wochen, ohne dass eine dauerhafte
MdE verbleibe. Um eine solche leichte Distorsion der HWS habe es sich bei der Klägerin gehandelt, da im Kernspintomogramm
weder in der Muskulatur noch dem Wirbelkörper Signalveränderungen nachzuweisen gewesen seien, die auf eine erhebliche extreme
Krafteinwirkung hätten hindeuten können. Für eine nur leichte Distorsion sprächen ferner die im Durchgangsarztbericht vom
31.05.2006 erhobenen Befunde und die Tatsache, dass die Klägerin nach dem Unfallereignis zunächst weitergearbeitet habe. Die
geklagte Nacken-Hinterkopfschmerz-Symptomatik sei im Sinne eines Spannungskopfschmerzes zu deuten und mithin als unfallunabhängig
einzustufen, Im Übrigen sei bei der Klägerin eine Fibromyalgie mit einem Ganzkörperschmerz diagnostiziert worden, die ebenfalls
die Kopfschmerzsymptomatik erklären würde. Die erlittene Distorsion des OSG sei ebenfalls nach den vorliegenden Befunden folgenlos
ausgeheilt, die Haklund-Exosthose und die Achillodynie nach den Sachverständigen Dr. X1 und Prof. Dr. F eigenständige unfallunabhängige
Krankheitsbilder.
Gegen den ihr am 27.07.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.08.2011 Berufung eingelegt und zunächst den
Antrag auf Anerkennung der schon erstinstanzlich genannten Erkrankungen als Unfallfolgen weiter verfolgt. Sie hat die Auffassung
vertreten, die Folgen des Unfalls seien nicht ausgeheilt. Sie habe nicht eine leichte, sondern eine mindestens mittelschwere
bis schwere Distorsion erlitten. Auch sei die Nacken-Hinterkopfschmerz-Symptomatik nicht im Sinne eines Spannungskopfschmerzes
zu deuten, sondern als unfallabhängig zu bewerten. Die Hypothese, eine diagnostizierte Fibromyalgie begründe den Spannungskopfschmerz,
sei medizinisch nicht haltbar. In ihrer Auffassung hat sie sich durch die Äußerungen der Sachverständigen C, S und Dr. T bestätigt
gesehen. Am Begehren, auch die Exosthose und Achillodynie seien unfallabhängig, hat sie zuletzt nicht mehr festgehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 20.07.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides
vom 18.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2008 zu verurteilen, bei ihr als weitere Folge des Arbeitsunfalls
vom 29.05.2006 eine Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich mit chronischer Instabilität und einem Reizzustand im Atlantooccipitalgelenk
und chronischen Kopfschmerzen anzuerkennen und ihr Verletztenrente nach einer MdE um mind. 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend hält, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Antrag der Klägerin gem. §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Senat zur Beweisaufnahme ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten des Prof. Dr. S vom 15.06.2012 eingeholt.
Dieser hat ausgeführt, dass im Sinne des Vollbeweises als Unfallfolgen eine Schädelprellung im Kinnbereich mit allenfalls
leichter Zerrung der HWS sowie eine Außenbandverletzung des linken Sprunggelenks festzustellen seien. Die Haklund-Exosthose
und Tendinitis der Achillessehne hingegen lägen unfallunabhängig vor. Gleiches gelte für die beklagten Kopfschmerzen, insbesondere
da es aufgrund der drei Wochen nach dem Unfall durchgeführten Magnetresonanztomographie, die eine strukturelle Schädigung
der HWS ausgeschlossen habe, keine "beweisbare" Ursache der beklagten Kopfschmerzen durch den Unfall gebe. Über den 24.08.2006
hinausgehende Unfallfolgen seien nicht objektivierbar, die MdE mit 0 v.H. festzustellen.
Ebenfalls sind die im Rentenverfahren der Klägerin (nunmehr in der Berufungsinstanz L 8 LW 11/10) eingeholten Gutachten des Orthopäden C vom 08.01.2013 und des Neurologen und Psychiaters S vom 13.03.2013 beigezogen worden.
Herr C hat dort u.a. ausgeführt, dass eine chronische Kopfschmerzsymptomatik im Vordergrund stehe, für die bisher keine ausreichende
organische Ursache habe festgestellt werden können. Eine Erkrankung der cervicooccipitalen Übergangsregion (vornehmlich Abschnitt
C0/C1) sei nicht sicher auszuschließen aber nicht beweisend belegt. Er habe nicht den Eindruck, dass eine chronifizierte somatoforme
Schmerzstörung existiere. Herr S hat unter Berücksichtigung eines Kernspinbefundes, den die Klägerin im Nachgang zur Untersuchung
bei Herrn C hatte anfertigen lassen, u.a. einen chronischen Kopfschmerz nach Verletzungen von Strukturen am Übergang Kopf-Halswirbelsäule
angenommen. Die von der Klägerin geschilderten Beschwerden seien nicht typisch für Spannungskopfschmerzen; typische Veränderungen
für eine Fibromyalgie habe er nicht gesehen. Diesem hat Herr C mit Datum vom 02.06.2013 unter Bezugnahme darauf zugestimmt,
dass im Kernspintomogramm vom 17.01.2013 durch den Radiologen Dr. T ein Gewebeschaden festgestellt worden sei, nämlich vermehrte
Reizflüssigkeit im linken Atlantodentalgelenk, am ehesten passend zu einer aktivierten Reizung bei stattgehabter Dehnung,
Lockerung des Kapselbandapparates.
In einer vom Senat hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 04.07.2013 hat der Sachverständige Dr. F die Schlussfolgerungen
der Herren S und C als nicht haltbar angesehen. Er empfehle jedoch, die neu durchgeführten MRT-Aufnahmen einem neutralen radiologischen
Gutachter zukommen zu lassen.
Die Beklagte hat auf ein - ebenfalls im Rentenverfahren - eingeholtes Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. L
vom 18.06.2013 hingewiesen, der gleichfalls die Schlussfolgerungen des Herrn S nicht für haltbar angesehen habe. Hierzu hat
die Klägerin eine ergänzende Stellungnahme des Herrn C vom 30.08.2013 aus dem Rentenverfahren vorgelegt, der auf den seiner
Auffassung nach entscheidenden Befund des Radiologen Dr. T und dessen besondere Kompetenz hingewiesen hat.
Der Senat hat die Akten des Rentenverfahrens L 8 LW 11/10 nach dessen Erledigung mitsamt aller dortigen Berichte und Gutachten beigezogen, insbesondere einem weiteren radiologischen
Gutachten des Dr. T vom 15.11.2013, dem Protokoll über die Anhörung der Sachverständigen C, S und Dr. T im Termin am 11.12.2013
und einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Prof. Dr. G vom 20.02.2014. Letzterer hat mitgeteilt, dass knöcherne
und ligamentäre Verletzungen nach den radiologischen Aufnahmen sicher auszuschließen seien. Der von Dr. T als Reizsyndrom
bezeichnete Befund sei ein "Minibefund", den man nicht sicher als krankhaft und traumabedingt werten könne. Er glaube aber,
dass es womöglich traumatische Schmerzzustände gebe, in denen man kein bildmorphologisches Korrelat finde. Die Kausalitätsbeurteilung
sollte der klinischen Begutachtung überlassen werden.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Dr. Dr. X vom 20.03.2014 übersandt, der eine Anerkennung von Unfallschäden über eine
HWS-Distorsion hinaus im Hinblick auf den fehlenden Nachweis knöcherner oder ligamentärer Verletzungsfolgen als nicht möglich
angesehen hat. Auch Prof. Dr. F ist auf Nachfrage des Senats im Hinblick auf das Ergebnis von Prof. Dr. G bei seiner Auffassung
verblieben (23.03.2015).
Auf Antrag der Klägerin gem. §
109 SGG hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. T vom 22.07.2015 eingeholt. Dieser hat weiterhin eine strukturelle Schädigung
der HWS im Sinne einer chronisch aktivierten Reizung im kraniozervikalen Übergang mit vermehrter Reizflüssigkeit im linken
Atlantoaxialgelenk als Zeichen der Kapsel-/Bandlockerung angenommen. Dies sei auf den Aufnahmen 2006 und 2013 zu erkennen.
Ebenfalls ist Hr. S gem. §
109 SGG ergänzend gehört worden (18.08.2015). Dieser hat hinsichtlich des Nachweises der strukturellen Schädigung auf den Hauptgutachter
verwiesen und im Übrigen gemeint, dass die neurologische Untersuchung eine andere Art der Verspannung und Schmerzhaftigkeit
gezeigt habe als sonst bei Spannungskopfschmerzen. Von daher sei von einem spezifischen Fall der Verletzung auszugehen. Es
handele sich um ein sehr seltenes Ereignis eher vergleichbar dem Kinnschlag beim Boxen, das keinen Niederschlag in der Literatur
gefunden habe. Dies könne nicht mit einem in die andere Richtung gehenden Schleudertrauma verglichen werden.
In einer gleichfalls gem. §
109 SGG eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Herrn C vom 29.09.2015 hat dieser ausgeführt, die Verletzung der Kopfregion sei
von den behandelnden Ärzten übersehen worden. Hier sei es zu einer Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich mit besonderer Betroffenheit
des linken Atlantooccipitalgelenks und der Folge einer chronischen Instabilität und chronischen Kopfschmerzsymptomatik gekommen.
Wenngleich es sich bei der vermehrten Flüssigkeit im Kopfgelenk zugegeben um keinen schwerwiegenden Befund handele, könne
dies in einer hoch sensiblen Region auch nicht erwartet werden. Der Beweis der Schädigung ergebe sich aus den Aufnahmen 2006
und 2013.
Im Anschluss an diese Stellungnahmen hat der Senat ein fachradiologisches Gutachten des Dr. I vom 30.01.2016 eingeholt. Der
Sachverständige hat ausgeführt, dass die Aufnahmen von 6/2006 bis 1/2013 knöchern zu keinem Zeitpunkt frische oder ältere
posttraumatische Residuen zeigen würden; pathologische Ödeme der Weichteile, insbesondere der Kapsel-Band-Strukturen des atlantodentalen
und atlantooccipitalen Gelenks seien zu keinem Zeitpunkt nachweisbar. Dagegen fänden sich Degenerationen der Bandscheiben
und Flüssigkeitsansammlungen im atlantoaxialen Gelenk, im linken Facettgelenk C2/3 und diskret im atlantooccipitalen Gelenk.
Die Flüssigkeitsansammlungen für sich genommen seien unspezifische Merkmale, die im Rahmen unterschiedlicher Erkrankungen
auftreten könnten. Hinweise auf eine traumatische Schädigung würden diese bei hämorrhagischen Anteilen liefern. Solche seien
hier nicht nachgewiesen. Auch hätten bei einer relevanten Schädigung der Kapsel-Band-Strukturen in der Aufnahme 2006 (22 Tage
nach dem Unfall) noch ödematöse Residuen vorliegen müssen. Diese seien hier definitiv nicht gegeben. Die Flüssigkeitsansammlungen
könnten und müssten im konkreten Fall aus den genannten Gründen und aufgrund ihrer Verteilung, der Morphologie und des zeitlichen
Verlaufs als Ausdruck einer degenerativen Veränderung der HWS (deutliche Fehlstellung, Protrusionen und beginnende degenerative
Reaktionen der Gelenke) gesehen werden. So würden posttraumatische Flüssigkeitsansammlungen im zeitlichen Verlauf eine deutliche
Befundänderung (Minderung) zeigen, während die Befunde hier zwischen 2006 und 2013 konstant seien. Auch die Kombination der
Flüssigkeitsansammlungen im atlantoaxialen Gelenk, im atlantooccipitalen Gelenk sowie im Facettgelenk C2/3 sei nicht mit einem
posttraumatisch entstandenen Muster zu vereinbaren, da eine gleichzeitige bzw. gleich starke Gefährdung dieser Gelenkstrukturen
biomechanisch nicht erklärt werden könne. Ergänzend hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass er im Monat Januar die
in seiner Praxis durchgeführten HWS-Aufnahmen (60) durchgesehen habe. Bei diesen sei in insgesamt 35 Fällen eine Flüssigkeitsansammlung
im atlantoaxialen Gelenk nachweisbar, davon in 17 Fällen vergleichbar schwer oder (4 Fälle) schwerer als bei der Klägerin.
Von diesen hätten 13 keine Verletzung erlitten. Die 4 deutlicher ausgeprägten Ergussansammlungen seien allesamt ohne traumatische
Anamnese gewesen. Seiner Auffassung nach sprächen auch die klinisch wechselnden Befunde und unterschiedlichen Beschwerden
gegen eine traumatische Verursachung und für überwiegend degenerativ bedingte Beschwerden.
Auf Antrag der Klägerin gem. §
109 SGG ist anschließend wiederum Dr. T um ergänzende Stellungnahme gebeten worden (02.11.2016). In der Zusammenfassung hat Dr. T
insbesondere die Auffassung vertreten, dass die degenerativen Veränderungen als alterstypisch angesehen werden müssten und
nicht so deutlich ausgeprägt seien, dass sie die Beschwerdesymptomatik erklären könnten. Ödeme seien in der Regel bereits
drei Wochen nach einem Trauma üblicherweise zurückgegangen. Einen sicheren Ausschluss einer posttraumatischen Ursache der
Reizung hätte nur eine Kernspinaufnahme maximal 7-10 Tage nach dem Unfallereignis liefern können. Die Flüssigkeit in den Atlantoaxialgelenken
sei deutlicher als in den Facettengelenken. Die Befundkonstanz der Flüssigkeitsansammlung spreche für eine persistierende
Reizung, die auch traumatisch bedingt sein könne. Festzustellen sei, dass eine persistierende Reizflüssigkeit im Atlantoaxialgelenk
üblicherweise in seinem Patientenkollektiv nicht zu diagnostizieren sei und dies eher für eine posttraumatische Ursache spreche,
diese zumindest nach herrschender Meinung nicht auszuschließen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten der Beklagten sowie
der Akten L 8 LW 11/10 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 18.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2008 (§
95 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 S. 1
SGG). Diese hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich mit chronischer Instabilität und
einem Reizzustand im Atlantooccipitalgelenk und chronischen Kopfschmerzen sowie Gewährung einer Verletztenrente.
Die Klägerin hat - von der Beklagten mit dem streitigen Bescheid vom 18.03.2008 bindend festgestellt - am 29.05.2006 als Versicherte
bei einer den Versicherungsschutz im Sinne des
SGB VII begründenden Tätigkeit einen Arbeitsunfall gem. §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII mit den Folgen einer Sprunggelenksverrenkung mit Außenbandriss links sowie eine Schädelprellung mit Distorsion der HWS bei
im Zeitpunkt der Bescheiderteilung beseitigten Unfallfolgen erlitten.
Zu ihren Lasten nicht bewiesen ist hingegen, dass dieser Arbeitsunfall darüber hinaus ursächlich zu der geltend gemachten
Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich mit chronischer Instabilität und einem Reizzustand im Atlantooccipitalgelenk und chronischen
Kopfschmerzen geführt hat.
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für einen "Gesundheits(erst)schaden", dessen Anerkennung als Unfallfolge begehrt wird,
der Grad des Vollbeweises. Dieser muss entsprechend mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen.
Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheits(erst)schaden
der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit
(vgl. z. B. BSG Urt. v. 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris Rn. 12; Urt. v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - juris Rn. 28; Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris Rn. 34; Urt. v. 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 17 mwN; vgl. auch BSG Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 20 mwN; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rn. 10). Hinreichende Wahrscheinlichkeit
liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG Urt. v. 12.09.2012 - B 3 KR 10/12 R - juris Rn. 47 mwN; Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 20 mwN).
Eine Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich steht unter Würdigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. Vielmehr bestehen zur Überzeugung des Senats erhebliche Zweifel an einer strukturellen
Verletzung (hierzu I.). Darüber hinaus ist auch ein Ursachenzusammenhang zwischen der chronischen Instabilität, einem Reizzustand
im Atlantooccipitalgelenk und chronischen Kopfschmerzen nicht hinreichend wahrscheinlich (hierzu II.).
I. Die zeitnah erhobenen Befunde haben keine strukturelle Veränderung der Kapsel bzw. von Bändern zeigen können. So hat der
Chirurg Dr. P in seinem Bericht vom 30.06.2006 in Auswertung des MRT der HWS vom 20.06.2006 ausgeführt, dass kein Hinweis
für gröbere knöcherne / ligamentäre Läsionen bestehe. Diese Auffassung haben im Folgenden die Sachverständigen bzw. beratenden
Ärzte Dr. X1, Dr. F, Prof. Dr. S, Dr. L, Prof. Dr. G, Dr. Dr. X und Dr. I geteilt. Entsprechend ist von allen genannten Ärzten
sowie darüber hinaus den behandelnden Ärzten Dr. C (Unfallmeldung vom 02.06.2006), Dr. X (Bericht vom 12.06.2006), Prof. Dr.
N (z.B. Bericht vom 14.08.2006), Dr. T (Durchgangsarztbericht vom 28.08.2006), Dr. X und C (je Berichte vom 21.03.2007) bezüglich
der Kopfverletzung lediglich die Diagnose einer HWS-Zerrung bzw. -Distorsion gestellt worden. Auch die im Rentenverfahren
gehörten Sachverständigen Dr. Q, Dr. C1, Dr. H, Dr. T2 und Frau C1 haben sämtlich nicht über eine strukturelle Verletzung
berichtet.
Soweit allein die Sachverständigen Dr. T und Herr C den Nachweis einer strukturellen Schädigung als aus dem MRT von 2006 gegeben
ansehen, vermag dies in Anbetracht der Vielzahl der entgegenstehenden Auffassungen anderer Ärzte und Sachverständiger dem
Vollbeweis nicht zu genügen.
Im Übrigen kann die Auffassung von Dr. T und Herrn C aber auch in der Sache nicht überzeugen.
Dr. T führt selbst aus, dass eine wesentliche Verletzung der knöchernen Strukturen und eine Einblutung im Bereich der HWS
durch die damals gefertigte MRT-Untersuchung nicht nachgewiesen worden sei und wertet als Verletzung entsprechend (nur) "die
vermehrte Reizflüssigkeit im Bereich der linksseitigen Kopfgelenke". Auch bei seiner Anhörung im Termin des Rentenverfahrens
vor dem 8. Senat hat dieser Sachverständige ausweislich des Protokolls angegeben, es sei keine Bandverletzung zu sehen. Die
von ihm angenommene Gelenkkapselverletzung hat er auch hier sowie in seinen weiteren Stellungnahmen mit der erkennbaren Flüssigkeitsansammlung
begründet ("chronisch aktivierte Reizung im kraniozervikalen Übergang mit vermehrter Reizflüssigkeit im linken Atlantoaxialgelenk
als Zeichen der Kapsel-/Bandlockerung"). Das Vorliegen einer Flüssigkeitsansammlung selbst - hier noch dazu in mehreren Bereichen
- genügt jedoch allein für den Beweis einer strukturellen Verletzung der Kapsel nicht. So führt Dr. I nachvollziehbar aus,
eine Ergusssammlung sei für sich genommen ein unspezifisches Merkmal, das im Rahmen unterschiedlicher Erkrankungen (traumatisch,
entzündlich, degnerativ oder tumorös) auftreten könne. Lediglich dann, wenn die Flüssigkeit - hier nicht vorliegende - hämorrhagische
Beimengungen habe, bestehe eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit für posttraumatisch entstandene Veränderungen. Dem entspricht,
dass auch der Radiologe Prof. Dr. G dem Befund der Flüssigkeitsansammlung keinen Zusammenhang mit dem Trauma entnehmen konnte.
Darüber hinaus steht noch in Frage, ob der Befund der Flüssigkeitsansammlung, der auch von Dr. T und Herrn C selbst als "Minibefund"
bezeichnet wird, überhaupt als pathologischer Befund angesehen werden kann. Dies wird übereinstimmend von den Radiologen Dr.
I und Prof. Dr. G verneint.
Schließlich kann im Hinblick auf die letzte ergänzende Stellungnahme des Dr. T vom 02.11.2016 nicht einmal (mehr) davon ausgegangen
werden, dass dieser Arzt eine strukturelle Kapselverletzung als gesichert ansieht. Soweit er hier formuliert, dass eine persistierende
Reizflüssigkeit "eher" für eine posttraumatische Ursache spreche, "diese zumindest nach herrschender Meinung nicht auszuschließen"
sei, genügt dies den Anforderungen an einen Vollbeweis nicht.
Soweit Herr C gleichfalls bzw. letztlich Dr. T folgend eine "Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich" als nachgewiesen ansieht,
"besonders im linken Atlantooccipitalgelenk", begegnet dies gleichfalls Bedenken.
Bereits nicht erklärlich ist, dass und warum Herr C in Abweichung von Dr. T, auf den er sich gerade stützt, die wesentliche
Schädigung im Atlantooccipital- und nicht im Atlantoaxialgelenk sieht. Die Ausführungen des Herrn C sind darüber hinaus auch
deshalb in sich fragwürdig, weil er bezüglich des vermeintlichen strukturellen Schadens unterschiedliche Angaben macht. Während
er hier im Verfahren wie dargelegt angegeben hat, es sei eine "Kapselverletzung im Kopfgelenkbereich" nachgewiesen, hat er
vor dem 8. Senat (nur) die Aussage getätigt, dass ein "Gewebeschaden der Kopfgelenke, mindestens eine Dehnung der Gelenkkapsel"
aufgetreten sei. Eine Dehnung aber ist wiederum keine strukturelle Verletzung. Zum Anderen hat Herr C im Rentenverfahren ergänzend
angeführt, dass sich eine solche Verletzung klassischerweise nicht auf Röntgenaufnahmen, CTs oder herkömmlichen MRTs darstellen
lasse. Damit aber setzt er sich in Widerspruch zur hier im Verfahren genannten Auffassung, das MRT 2006 zeige die Schädigung.
Konkrete Befunde, die eine strukturelle Kapselverletzung belegen könnten, vermochte Herr C ebenso wenig aufzuzeigen wie Dr.
T. Auch hier ist zu beachten, dass die Flüssigkeitsansammlung allein als Beweis nicht genügt.
Soweit Herr C im Rentenverfahren einen strukturellen Primärschaden ergänzend aus dem Ablauf des Unfalls hergeleitet hat, ist
zu beachten, dass allein aus einem bestimmten Unfallverlauf regelmäßig nicht zwangsläufig auf einen hieraus resultierenden
Gesundheitsschaden geschlossen werden kann. Im vorliegenden Fall gilt dies um so mehr, als medizinisch-wissenschaftliche Erfahrungswerte
zum konkreten Geschehensablauf gerade nicht vorliegen, wie dies insbesondere der Sachverständige S ausdrücklich erläutert
hat.
Auch die Darlegung der Sachverständigen S und C, ihrer Auffassung nach liege weder ein Spannungskopfschmerz noch eine Fibromyalgie
bei der Klägerin vor, vermag nicht im Sinne quasi eines Negativausschlusses einen Beweis für eine strukturelle Schädigung
zu erbringen. Zu beachten ist hierbei zunächst, dass nach den Maßgaben der gesetzlichen Unfallversicherung nicht eine alternative
Ursache zu beweisen ist, sondern die Klägerin die Beweislast für das Vorliegen der tatbestandsbegründenden Voraussetzungen
trifft (vgl. zB. BSG Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 20 mwN).
Darüber hinaus begegnen die entsprechenden Einschätzungen dieser Sachverständigen aber auch in der Sache Bedenken. Soweit
die Sachverständigen S und C die Auffassung vertreten, die Klägerin zeige eine spezifische Schmerzhaftigkeit gerade unter
der Hinterhauptskuppe, was die Diagnostik bei ihr von der beim Spannungskopfschmerz unterscheide, ist bereits die getroffene
Unterscheidung fraglich. Die Klägerin hat im Juni 2006 und auch bei Dr. F im März 2011 Nackenschmerzen und vom Hinterkopf
hochziehende Kopfschmerzen und somit eher unspezifische Befunde, nicht hingegen konkret punktuelle Beschwerden der Hinterhauptskuppe
angegeben. Entsprechendes gilt auch für die Befunde, die mit Klopf- und Druckschmerzen vertebral und paravertebral entlang
der HWS links und rechts sowie einer seitengleichen Verspannung der Muskulatur im Schulter-Nackenbereich und diffusen Druckempfindlichkeit
niedergelegt worden sind.
Auch die Auffassung, es liege ein besonderer klinischer Befund vor, dürfte im Hinblick auf die weitere Aussage der Sachverständigen,
es fehle an einer Lehrmeinung zu Anpralltraumen wie bei der Klägerin, weil es sich um besondere Fälle handele, in Frage zu
stellen sein. Dem klinischen Befund maßgebliche Aussagekraft beizumessen, ist darüber hinaus im konkreten Einzelfall auch
deshalb nicht möglich, weil die übrigen im Verfahren begutachtenden vielfältigen Ärzte den klinischen Befunde eine besondere
Spezifizierung in Richtung eines durch Kapselbandlockerung verursachten Kopfschmerzes gerade nicht zu geben vermocht, sondern
diese vielmehr anderen Diagnosen/Ursachen zugeordnet haben. Auch Herr C selbst hat bei seiner ersten Begutachtung im Rentenverfahren
nach den klinischen Befunden eine strukturelle Verletzung nicht als bewiesen angesehen und sich in seiner Vermutung letztlich
erst durch den Kernspinbefund bestätigt gesehen.
II. Soweit nach den behandelnden Ärzten bzw. den Sachverständigen eine Instabilität im Kopfgelenkbereich, eine Flüssigkeitsansammlung
bzw. chronische Kopfschmerzen als bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörungen nachgewiesen angesehen werden können,
fehlt es für diese nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (jedenfalls) an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
mit dem Unfallereignis.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis
und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens, zB bei einem Sprunggelenksbruch, der
zu einer Versteifung führt, oder direkt, zB bei einer Amputationsverletzung, ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht
geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 12; vgl. auch BSG Urt. v. 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris Rn. 12; Urt. v. 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - juris Rn. 12; Urt. v. 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R - juris Rn. 14 mwN; Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 12 f.; Urt. v. 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris Rn. 16; Urt. v. 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - juris Rn. 21).
Ein direkter bzw. unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Instabilität, der Flüssigkeitsansammlung
und den chronischen Kopfschmerzen ist medizinisch-wissenschaftlich von keinem Sachverständigen behauptet worden. Die überwiegende
Zahl der Sachverständigen hat einen Unfallzusammenhang gänzlich verneint.
Soweit allein von den Sachverständigen C, S und Dr. T überhaupt ein Zusammenhang bejaht worden ist, haben diese eine strukturelle
Kapselverletzung als Primärschaden des Unfallereignisses und die genannten Befunde bzw. Beschwerden als dessen Folge angesehen.
Eine strukturelle Kapselverletzung als Gesundheitserstschaden ist jedoch - wie dargelegt - nicht nachgewiesen, so dass die
genannten weiteren Befunde bzw. Beschwerden auch nicht in deren Folge abgeleitet werden können.
Der bei der Klägerin bindend festgestellte Gesundheitserstschaden im Bereich des Kopfes, hier eine Schädelprellung mit Distorsion
der HWS, ist nach übereinstimmender Auffassung der weit überwiegenden Zahl der behandelnden Ärzte und Sachverständigen folgenlos
ausgeheilt. Eine Instabilität im Kopfgelenkbereich, eine Flüssigkeitsansammlung bzw. chronische Kopfschmerzen können entsprechend
nicht als Folge dieser Distorsion angesehen werden.
Soweit Dr. T ausführt, dass die Annahme, HWS-Distorsionen Grad I würden nach wenigen Wochen ausheilen, sich auf die Mehrzahl
der verletzten Patienten beziehe und nicht ausschließe, dass in Einzelfällen auch leichtgradige Distorsionen zu chronifizierten
Beschwerden führen könnten, wird hier ein Zusammenhang lediglich als möglich, nicht jedoch bereits nicht - wie es erforderlich
wäre - als hinreichend wahrscheinlich behauptet. Soweit Herr C einen Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich ansieht, fehlt
es auch hier an einer (schlüssigen) Begründung. Der Sachverständige verkennt die rechtlichen Anforderungen an den unfallrechtlichen
Kausalzusammenhang, wenn er diesen darauf stützen will, es gebe "keinen Grund zu der Annahme, dass die Gesundheitsstörungen
nicht durch den Unfall hervorgerufen worden" seien, weil kein anderes Ereignis oder Vorschädigung zur Diskussion stehe.
Die Gewährung einer Verletztenrente gem. §
56 SGB VII kommt nicht in Betracht, da die anerkannten Unfallfolgen folgenlos ausgeheilt sind und die von der Klägerin geltend gemachten
weiteren Gesundheitsstörungen nicht als Unfallfolgen anzuerkennen und entsprechend nicht bei der Bewertung der MdE zu berücksichtigen
sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) nicht als gegeben angesehen.