Tatbestand
Im Streit steht die Feststellung der anerkennungsfähigen Aufwendungen für die stationäre Pflegeeinrichtung Altenzentrum X.
Die Klägerin ist die Trägerin des vorgenannten Altenzentrums, welches im Mai 1983 erstmalig in Betrieb genommen wurde.
Im Oktober 2015 beantragte die Klägerin auf der Grundlage des am 16.10.2014 in Kraft getretenen Alten- und Pflegegesetz NRW
(APG) und der am 02.11.2014 in Kraft getreten Verordnung zur Ausführung des Alten- und Pflegegesetzes NRW und nach §
92 SGB XI (APG DVO) die Feststellung der anerkennungsfähigen Investitionsaufwendungen für das Altenzentrum. Den Antrag nahm die Klägerin
zurück und stellte ihn unter dem 07.11.2016 erneut. Sie gab hierbei an, dass sie bei der Errichtung des Altenzentrums 1.140.616,57
€ an Eigenkapital eingesetzt habe. Hiervon seien bislang 0,00 € anerkannt worden. Die Feststellung solle ab dem 01.07.2016
erfolgen.
Mit Bescheid vom 09.11.2016 stellte der Beklagte die anerkennungsfähigen Aufwendungen für das Altenzentrum gemäß § 11 APG
DVO fest. Den Einsatz von Eigenkapital erkannte er hierbei nicht an. Mit Bescheid vom 10.11.2016 setzte der Beklagte sodann
die anerkennungsfähigen Aufwendungen für das Altenzentrum nach § 12 APG DVO für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.12.2017
fest. Der Berechnung legte er die Feststellungen aus dem Bescheid vom 09.11.2016 zugrunde.
Sowohl gegen den Feststellungsbescheid vom 09.11.2016 als auch gegen den Festsetzungsbescheid vom 10.11.2016 erhob die Klägerin
Widerspruch. Zur Begründung des Widerspruchs gegen den Feststellungsbescheid führte sie im Wesentlichen aus, sie habe im Jahr
der Erstinbetriebnahme 1.140.616,47 € an Eigenkapital eingesetzt. Dieses Eigenkapital sei nach § 5 Abs. 6 APG DVO zu verzinsen.
Hierfür gebe es keine zeitliche Beschränkung. Es sei unerheblich, dass die Berechnung von Eigenkapitalzinsen erst 1996 in
das Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen (PfG NW) aufgenommen worden sei.
Unter dem 29.11.2016 beantragte die Klägerin - anlässlich einer Reduzierung der Platzzahl nach dem sogenannten "Dortmunder
Modell" von 122 auf 110 Plätze - die erneute Feststellung der anerkennungsfähigen Investitionsaufwendungen zum 01.10.2016.
Die Angaben zum ursprünglich eingesetzten Eigenkapital blieben unverändert. Anschließend beantragte die Klägerin die erneute
Festsetzung ab dem 01.10.2016 aufgrund der Platzzahlreduzierung.
Mit Bescheid vom 14.12.2016 stellte der Beklagte die anerkennungsfähigen Aufwendungen nach § 11 APG DVO erneut fest und verneinte
hierbei wiederum das Vorliegen von Eigenkapital. Mit Bescheid vom 15.12.2016 setzte der Beklagte die anerkennungsfähigen Aufwendungen
für das Altenzentrum nach § 12 APG DVO für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 31.12.2017 dem Feststellungsbescheid gemäß fest.
Gegen die Bescheide vom 14.12.2016 und 15.12.2016 erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch. Sie wandte sich wiederum gegen
die unterbliebene Anerkennung des Eigenkapitals und dessen fehlende Verzinsung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2017 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen den Bescheid vom 09.11.2016
und 10.11.2016 als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass allein die Eigenkapitalverzinsung streitig sei. Erst auf der Grundlage
von § 2 Abs. 2 Ziff. 1 der Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderter Investitionsaufwendungen von vollstationären
Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege (Gesonderte Berechnungsverordnung - GesBerVO)
in der Fassung von 1996 würden in NRW die Zinsen für Eigenkapital refinanziert, welches nach dem 30.06.1996 zur Herstellung
und Anschaffung abschreibungsfähiger Anlagegüter eingesetzt worden sei. Für zuvor errichtete Pflegeeinrichtungen seien hingegen
nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 GesBerVO die bereits zwischen überörtlichem Träger der Sozialhilfe und Träger der Einrichtung vereinbarten
Aufwendungen für Bau und Einrichtungskosten maßgeblich. Grundlage hierfür sei die Allgemeine Vereinbarung zwischen den Spitzenverbänden
der Freien Wohlfahrtspflege NRW, der kommunalen Spitzenverbände NRW und der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen vom
01.03.1983 (AV 1983). Die AV 1983 habe keine Eigenkapitalverzinsung vorgesehen. Die nachfolgenden Fassungen der GesBerVO bis
zu deren Außerkrafttreten am 01.11.2014 hätten ebenfalls keine rückwirkende Verzinsung geregelt, sondern stets auf die bisherigen
Vereinbarungen abgestellt. Schließlich enthalte auch die APG DVO keine Regelung, die eine Verzinsung der bislang unverzinst
eingebrachten Eigenmittel vorsehe. Die Rechtsprechung des BSG stehe dieser Sichtweise nicht entgegen. Das BSG habe zwar festgestellt, dass aus Art.
14 Grundgesetz (
GG) ein Anspruch auf Refinanzierung einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung herzuleiten sei. Diese Aufwendungen seien allerdings
den Entgelten für Pflege, Unterkunft und Verpflegung im Sinne des §
82 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI) zuzuordnen. Der Bundesgesetzgeber habe erst daraufhin durch Einfügung der Worte "einschließlich Kapitalkosten" zum 28.12.2021
durch das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegbedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen Eigenkapitalzinsen
zum Gegenstand der Investitionsaufwendungen gemacht.
Die Klägerin hat am 28.02.2017 gegen den Feststellungsbescheid vom 09.11.2016 sowie den Festsetzungsbescheid vom 10.11.2016,
jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2017, Klage bei dem Sozialgericht Köln erhoben. Der Feststellungsbescheid
ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, der Festsetzungsbescheid hingegen Gegenstand des Klageverfahrens S 9 P 51/17 SG Köln, welches mit Blick auf das vorliegende Verfahren ruht.
Zur Begründung der vorliegenden Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, dass sie bei der Inbetriebnahme des Altenzentrums
im Jahr 1983 Eigenkapital in Höhe von 1.140.616,57 € für anerkennungsfähige Aufwendungen nach §
82 Abs.
2 Nr.
1, Abs.
3 SGB XI i.V.m. §§
10 APG, §§
2-
4,
6 APG DVO eingesetzt habe, welches nach § 11 APG DVO festzustellen sei.
Dieser Annahme stehe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2011 nicht entgegen. Das BSG habe aus Art.
14 GG einen Anspruch des Einrichtungsträgers auf Eigenkapitalverzinsung abgeleitet, die entsprechende Refinanzierung über die gesonderte
Berechnung im Sinne des § 82 Abs. 3 SGX XI jedoch verneint. Vielmehr habe das BSG diese Refinanzierung bei der Pflegevergütung und den hierbei zu führenden Pflegesatzverhandlungen verortet.
Der Bundesgesetzgeber habe die Rechtsprechung des BSG zum Anlass genommen, in der Vorschrift des §
82 Abs.
2 Nr.
1 SGB XI nach dem Wort "Maßnahmen" die Wörter "einschließlich Kapitalkosten" einzufügen. Zur Begründung dieser Änderung des Wortlautes
heiße es in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 17/11396, S. 17):
"(...) Diese systematische Trennung und unterschiedliche Behandlung von Eigen- und Fremdkapitalzinsen ist problematisch, da
Finanzierungsentscheidungen über das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital vom Einrichtungsträger in einem einheitlichen
und systematischen Zusammenhang vorgenommen werden. Die Änderung sieht deshalb vor, dass die Kapitalkosten für Maßnahmen nach
§ 82 Abs. 2 Nummer 1 künftig einheitlich unabhängig von der Art ihrer Finanzierung zu behandeln sind. Dabei sind die Zinsen
für Fremdkapital bzw. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen nur refinanzierbar, wenn sie betriebsnotwendig sind, also bei der
Realisierung des Betriebszwecks entstehen. (...)"
Im Rahmen der Länderzuständigkeit nach §
9 SGB XI seien dann entsprechende Änderungen in der APG DVO eingefügt worden, wonach eine Eigenkapitalverzinsung als betriebsnotwendige
Aufwendung sowohl bei der Feststellung als auch bei der Festsetzung anerkennungsfähig sei.
Die Annahme des Beklagten sei nicht richtig, dass das von der Klägerin unstreitig vor Inkrafttreten der GesBerVO im Jahr 1983
aufgewendete Eigenkapital nunmehr keiner Eigenkapitalverzinsung zugeführt werden könne, weil die zum Zeitpunkt des Einbringens
des Eigenkapital geltende AV 1983 keine Eigenkapitalverzinsung vorgesehen habe. Aus der zum 01.07.1996 in Kraft und zum 01.11.2014
außer Kraft getretenen GesBerVO lasse sich eine Fortgeltung der AV 1983 über den Geltungszeitraum der GesBerVO hinaus nicht
ableiten.
Eine Regelung zur "rückwirkenden" Verzinsung sei nicht erforderlich, da die Regelung des § 5 APG DVO NRW eindeutig sei. Die
Regelung treffe gerade keine Aussage darüber, dass eine Verzinsung von Eigenmitteln, die in früheren Jahren eingebracht worden
seien, nicht erfolgen solle. Der Verordnungswortlaut stelle ab auf Eigenkapital, das zur Deckung von tatsächlich erbrachten
und als betriebsnotwendig anerkannten Aufwendungen nach §§ 2 bis 4 und 6 APG DVO NRW eingesetzt worden sei. Sofern der Verordnungsgeber
eine Einschränkung auf bestimmte Zeiträume hätte vornehmen wollen, so hätte er dies im Rahmen der Verordnung regeln müssen.
Genau dies sei jedoch durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nicht erfolgt. Es finde sich weder im APG noch in der APG DVO
eine Regelung, die den Zeitpunkt der Einbringung der Eigenmittel thematisierte oder gar eine Eigenkapitalverzinsung für zu
bestimmten Zeitpunkten eingebrachte Mittel ausschließe.
Diese Sichtweise entspreche dem Willen des Verordnungsgebers. Der Begründung zur APG DVO (S. 5) sei zu entnehmen:
"(...) Gerade die Vorgabe des Bundessozialgerichts, eine von seinen Feststellungen zum aktuellen Bundesrecht abweichende Rechtslage
oder Verwaltungspraxis bis Ende 2012 zu beenden, machen zukünftig in wesentlichen Regelungsbereichen der APG DVO NRW eine
einheitliche Rechtsanwendung erforderlich. Das APG beendet daher mit der Neufassung des § 22 APG die bisherige Rechtspraxis
in NRW, nach der vor allem zur Finanzierung der sog. Investitionskosten für Einrichtungen jeweils die Rechtslage im Jahr ihrer
Inbetriebnahme verbindlich blieb. Diese parallele Geltung verschiedener Normkomplexe ersetzen das APG und die APG DVO durch
einheitlich für alle Einrichtungen ab Inkrafttreten gültige Regelungen."
Die Begründung führe zu § 5 APG DVO weiterhin aus:
"Absatz 6 trägt dem Umstand Rechnung, dass durch eine Änderung des §
82 SGB XI seit Ende 2012 auch Eigenkapitalzinsen anerkennungsfähig sind. Durch den Einsatz von Eigenkapital verlieren die Trägerinnen
und Träger die Möglichkeit, mit diesem Kapital anderweitig Gewinne zu erzielen. Diese Verluste sind Ihnen als "Kapitalkosten"
im Sinne des §
82 Abs.
3 SGB XI zu refinanzieren."
Die Klägerin begehre lediglich eine Bemessung der Eigenkapitalverzinsung auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage. Wenn
der Beklagte formuliere, dass eine "rückwirkende" Anerkennung von Eigenkapitalzinsen nicht vorgesehen sei, so sei dies missverständlich.
Es gehe nicht um den rückwirkenden Ausgleich von in der Vergangenheit nicht erhaltenen Eigenkapitalzinsen, sondern vielmehr
darum, die aktuelle Rechtslage ab Inkrafttreten des APG sowie der APG DVO umzusetzen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 09.11.2016 und vom 14.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
01.02.2017 zu verurteilen, die anerkennungsfähigen Aufwendungen für die Einrichtung Altenzentrum X, S 21, X, unter Berücksichtigung
von Eigenkapital nach der APG DVO NRW, hilfsweise unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts, neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zunächst darauf hingewiesen, dass der Feststellungsbescheid vom 14.12.2017 im Widerspruchsbescheid vom 01.02.2017 lediglich
versehentlich nicht benannt worden sei. Der Beklagte hat sodann über die Begründung des Widerspruchsbescheides hinaus vertiefend
im Wesentlichen ausgeführt, dass die APG DVO nach ihrem Wortlaut zwar Bestandsschutz für die Angemessenheitsgrenze und den
Abschreibungszeitraum einräume, jedoch keine Regelung getroffen habe, die eine Verzinsung der bislang unverzinst eingebrachten
Eigenmittel vorsehe. Die Klägerin könne keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Dieser könne sich immer nur auf die zum damaligen
Zeitpunkt maßgeblichen Umstände beziehen, die der Finanzierung zugrunde gelegen hätten, sei es nun für den Einrichtungsträger
günstige oder ungünstige Regelungen. Die damalige Investitionsentscheidung für das Objekt sei seinerzeit ohne eine Verzinsung
der Eigenmittel getroffen worden.
Mit Urteil vom 26.10.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen den Vertrauensschutzerwägungen
des Beklagten angeschlossen. Vertrauensschutzregelungen fänden sich in § 10 Abs. 7 APG, wonach für stationäre Pflegeeinrichtungen
einheitliche Anforderungen an die Anerkennungsfähigkeit von Aufwendungen gälten, es sei denn, in der Vergangenheit seien abweichende
Angemessenheitsgrenzen und Verteilzeiträume anerkannt worden. Für Aufwendungen, die vor Inkrafttreten der APG DVO erfolgten,
gälten nach § 2 Abs. 4 APG DVO die Angemessenheitsgrenzen gemäß Anlage 1. In der Vergangenheit anerkannte Überschreitungen
der Angemessenheitsgrenzen gälten fort, soweit sie durch tatsächliche, belegbare Aufwendungen begründet gewesen seien. Auch
ein in der Vergangenheit zugrunde gelegter kürzerer Zeitraum zur linearen Verteilung der Aufwendungen gelte fort, § 2 Abs.
6 APG DVO. Eine Regelung, wie mit bislang unverzinst eingebrachten Eigenmitteln zu verfahren ist, finde sich dort nicht. Eine
solche Regelung sei aber erforderlich, um diese Mittel als erstmals verzinslich anzusehen.
Gegen das ihr am 02.04.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.04.2019 Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertiefend im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verzinsung
mit Inkrafttreten von APG und APG DVO aufgrund der bundesgesetzlichen Änderungen vom Landesgesetz- und -verordnungsgeber nun
ausdrücklich gewollt gewesen sei, auch wenn auf der Grundlage früherer Regelungen eine Verzinsung des Eigenkapitals nicht
erfolgt sei. Es bedürfe insoweit gerade keiner Sonderregelung für bislang unverzinstes Eigenkapital, da eben nicht mehr auf
die frühere Rechtslage abgestellt werden könne. § 5 APG DVO treffe keine Regelung dazu, wann das Eigenkapital eingebracht
worden sein müsse, um zu einer Verzinsung zu gelangen. Diese Option habe der Gesetz- und Verordnungsgeber gehabt, sich aber
anders - namentlich für eine Gleichbehandlung aller Einrichtungen, gleich wie lange sie bereits in Betrieb seien - entschieden.
Dass es sich insoweit nicht um ein Versehen im Sinne einer Regelungslücke handele, verdeutliche insbesondere die bereits zitierte
Begründung zu § 5 Abs. 6 APG DVO. Die in der Begründung angesprochene Möglichkeit, mit seinem Eigenkapital anderweitig Gewinne
zu erzielen, sei dem Träger einer Pflegeeinrichtung unabhängig vom Zeitpunkt der Einbringung der Mittel genommen und damit
über die gesonderte Berechnung nach §
82 Abs.
3 SGB XI auszugleichen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.10.2018 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 09.11.2016
und vom 14.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2017 zu verpflichten, die anerkennungsfähigen Aufwendungen
für die Einrichtung Altenzentrum X, S 21, X, unter Berücksichtigung von Eigenkapital in Höhe von 1.140.616,57 € festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Zur Begründung hat er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und
vertiefend im Wesentlichen ausgeführt, die Einrichtung der Klägerin sei bereits 1983 in Betrieb gegangen. Für die vor dem
01.07.1996 bestehenden oder im Bau befindlichen Maßnahmen sei bis zum Außerkrafttreten der GesBerVO zum 01.11.2014 immer nur
auf die zuvor bestehenden Vereinbarungen abgestellt worden, die keine Verzinsung des Eigenkapitals vorgesehen hätten. Die
2014 in Kraft getretene APG DVO regele nach ihrem Wortlaut zwar einen Bestandsschutz für die Angemessenheitsgrenze und den
Abschreibungszeitraum, sie enthalte aber keine Regelung, die eine Verzinsung der bislang unverzinst eingebrachten Eigenmittel
vorsehe.
Der gesamte Duktus der Regelungen laufe darauf hinaus, den bis zum Inkrafttreten des APG geltenden Rechtszustand für die Bewertung
von Altinvestitionen aufrechtzuerhalten und die Wirkung der neuen Vorschriften erst ab deren Inkrafttreten gelten zu lassen.
Der Bestandsschutz für Investitionen vor dem APG führe also lediglich zu einer Fortschreibung des alten Rechtszustandes, nicht
jedoch zu einer Generierung neuer Ansprüche für alte, vor dem Inkrafttreten der APG DVO liegende Zeiträume. Es könne nicht
unterstellt werden, dass mit Inkrafttreten der APG DVO eine Eigenkapitalverzinsung für das eingebrachte Eigenkapital in der
Vergangenheit bzw. für bereits früher in Betrieb genommene Einrichtungen erfolgen solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten
des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht mit Urteil vom 26.10.2018 die Klage abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Feststellungsbescheid vom 09.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2017.
Ebenfalls Gegenstand ist der Feststellungsbescheid vom 14.12.2016. Dieser ist nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zum Gegenstand des im November 2016 eingeleiteten Widerspruchsverfahrens geworden. Der Beklagte hat hierüber auch konkludent
im Widerspruchsbescheid vom 01.02.2017 entschieden. Nicht Gegenstand ist hingegen der Festsetzungsbescheid vom 10.11.2016
in der Fassung des Bescheides vom 15.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2017. Die Festsetzung ist Gegenstand
des ruhenden Verfahrens S 9 P 51/17 SG Köln.
Einer notwendigen Beiladung (§
75 Abs.
2 Alt. 1
SGG) der in der Einrichtung lebenden Heimbewohner und des für sie ggf. eintrittspflichtigen Sozialhilfeträgers bedarf es mangels
deren unmittelbarer Beteiligung an dem hier zu beurteilenden Rechtsverhältnis nicht. (BSG - B 3 P 2/11 R - Rz 13)
Der Feststellungsbescheid vom 09.11.2016 in der Fassung des Bescheides vom 14.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 01.02.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit er Eigenkapital unberücksichtigt läßt.
Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass der Beklagte die anerkennungsfähigen Aufwendungen für die Einrichtung Altenzentrum
X, S 21, X, unter Berücksichtigung von Eigenkapital in Höhe von 1.140.616,57 € feststellt.
Der Anspruch ergibt sich aus §
82 Abs.
2,
3 SGB XI i.V.m. §
10 APG, §
11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 APG DVO.
Nach §
82 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB XI in der Fassung vom 20.12.2012 erhalten durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen für die allgemeine
Pflegeleistung eine leistungsrechte Vergütung (Pflegevergütung). Stationäre Pflegeeinrichtungen erhalten nach §
82 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB XI darüber hinaus ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.
Die Pflegevergütung nach §
82 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB XI ist von den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern zu tragen, §
82 Abs.
1 Satz 2
SGB XI. Für Unterkunft und Betreuung hat der Pflegebedürftige selbst aufzukommen, §
82 Abs.
1 Satz 4
SGB XI.
§ 82 Abs. 2 gibt diejenigen Aufwendungen vor, die nicht über die Pflegevergütung bzw. das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung
zu finanzieren sind.
Die Aufwendungen nach §
82 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
3 SGB XI gehören im Rahmen der dualen Finanzierung gemäß §
9 SGB XI in die Finanzierungszuständigkeit der für die jeweiligen Pflegeeinrichtung zuständigen Länder. Die Aufwendungen nach Nr.
1 umfassen hierbei u.a. Maßnahmen einschließlich Kapitalkosten, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung
notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungspflichtigen Anlagegüter herzustellen bzw. anzuschaffen. Soweit betriebsnotwendige
Investitionsaufwendungen nach Abs. 2 Nr.
1 oder Aufwendungen nach Abs.
2 Nr.
3 durch öffentliche Förderung gemäß §
9 SGB XI nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen,
§
82 Abs.
3 Satz 1
SGB XI. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde, §
82 Abs.
3 Satz 3
SGB XI.
Das Nähere hierzu wird durch Landesrecht bestimmt. In NRW erfolgt diese Regelung durch das APG. Die Ermittlung der anerkennungsfähigen
Aufwendungen stationärer Pflegeeinrichtungen ist in § 10 APG geregelt, welcher in seiner Fassung vom 02.10.2014 in Abs. 9
eine Verordnungsermächtigung enthält, auf deren Grundlage Regelungen zur gesonderten Berechnung in der APG DVO mit Wirkung
zum 02.11.2014 erlassen wurden. Mit Inkrafttreten der APG DVO traten die zuvor für die Berechnung maßgeblichen Verordnungen
außer Kraft.
§ 11 APG DVO regelt das Verfahren zur Feststellung anerkennungsfähiger Investitionsaufwendungen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 APG
DVO stellt der zuständige überörtliche Träger der Sozialhilfe auf Antrag die Gesamtbeträge der anerkennungsfähigen Aufwendungen
für die langfristigen, die sonstigen Anlagegüter und die sonstigen finanzierungsrelevanten Rahmendaten der Einrichtung durch
Bescheid fest. Dieser Bescheid hat gegebenenfalls nach § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 APG DVO in der hier maßgeblichen Fassung vom
11.08.2016 (zuvor in Satz 2) auch die Feststellung von Eigenkapital zu enthalten, das für Maßnahmen u.a. nach §§ 2 bis 4 APG
DVO aufgewandt wurde. § 2 DVO erfasst die Aufwendungen für langfristige Anlagegüter, § 4 APG DVO diejenigen für sonstige Anlagegüter.
Die Klägerin hat bei Inbetriebnahme der Einrichtung im Jahr 1983 einen Betrag von 1.140.616,47 € an Eigenkapital für langfristige
und sonstige Anlagegüter eingesetzt. Dieses Eigenkapital hatte die Klägerin zuvor selbst erwirtschaftet. An der Richtigkeit
des entsprechenden Vorbringens der Klägerin besteht (auch seitens des Beklagten) kein Zweifel.
Der Senat kann offenlassen, ob schon dieser Umstand allein den Anspruch auf Feststellung des Eigenkapitaleinsatzes nach §
11 APG DVO begründet, oder ob dieser Anspruch zusätzlich voraussetzt, dass die eigentlich auf der Festsetzungsebene angesiedelten
Voraussetzungen für die Anerkennung einer Eigenkapitalverzinsung nach § 5 Abs. 6 APG DVO vorliegen müssen. Denn auch letzteres
ist der Fall.
Nach § 5 Abs. 6 APG DVO sind Eigenkapitalzinsen als Finanzierungsaufwendungen anerkennungsfähig, wenn (und soweit) die Finanzierung
der Aufwendungen nach §§ 2 bis 4 APG DVO durch den Einsatz von Eigenkapital erfolgt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend in Höhe des geltend gemachten Betrages von 1.140.616,57 € erfüllt.
Die Vorschrift des § 5 Abs. 6 APG DVO ist auch anwendbar. Es ist entgegen der Sichtweise des Beklagten nicht erforderlich,
dass eine Vertrauensschutzregelung die Verzinsung von Eigenkapital für Alteinrichtungen eröffnet. Vielmehr entfaltet § 5 Abs.
6 APG DVO als geltendes Recht unmittelbare Wirkung für alle Einrichtungen im Trägereigentum. Für den Ausschluss der Klägerin
von dieser Regelungswirkung bedürfte es einer gesetzlichen bzw. verordnungsmäßigen Ausnahme. Eine solche ist weder in der
APG DVO bzw. im APG unmittelbar enthalten noch wird der bis zum 01.11.2014 tatsächlich geregelte Ausschluss der Eigenkapitalverzinsung
von Alteinrichtungen im Gesetzes- bzw. Verordnungswege ab dem 02.11.2014 fortgeschrieben.
§ 5 Abs. 6 APG DVO enthält keine Ausnahme für Alteinrichtungen hinsichtlich der Verzinsung von Eigenkapital. Vielmehr enthält
§ 5 Abs. 1 APG DVO einen ausnahmslosen Normanwendungsbefehl, indem er regelt, dass als Finanzierungsaufwendungen ... Zinsen
für Eigenkapital anerkennungsfähig sind, wenn und soweit ... das Eigenkapital zur Finanzierung von tatsächlich erbrachten
und als betriebsnotwendig anerkannten Aufwendungen nach §§ 2 bis 4 und 6 APG DVO eingesetzt wurde.
Es handelt sich um eine bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers. Dieser führt in der Begründung aus, dass Abs. 6 dem Umstand
Rechnung trage, dass durch eine Änderung des §
82 SGB XI seit Ende 2012 auch Eigenkapitalzinsen anerkennungsfähig seien. Durch den Einsatz von Eigenkapital verlören die Trägerinnen
und Träger die Möglichkeit, mit diesem Kapital anderweitig Gewinne zu erzielen. Diese Verluste seien ihnen als "Kapitalkosten"
i. S. d. §
82 Absatz
3 SGB XI zu refinanzieren.
Eine Einschränkung hinsichtlich des Zeitpunkts des Kapitaleinsatzes ist der Begründung nicht zu entnehmen. Dies wäre zu erwarten,
wenn die Sichtweise der Beklagten zutreffend wäre. Denn in den Fällen, in denen die Verordnung ausnahmsweise einen - ggf.
für die Trägerseite ungünstigen - alten Rechtszustand in das ab dem 02.11.2014 geltende Recht überträgt, wird dies ausführlich
begründet, wie dies beispielsweise bei der Fixierung der Angemessenheitsgrenzen für Bestandseinrichtungen nach § 2 Abs. 4
APG DVO durch die Anlage 1 zur APG DVO der Fall ist.
Auch die Übergangsregelung des § 33 APG DVO (später § 35 APG DVO) enthält keine Ausschlussregelung für die Verzinsung des
Eigenkapitals von Alteinrichtungsträgern.
Weder das APG noch die APG DVO enthalten schließlich hinsichtlich der Eigenkapitalverzinsung eine Rückanknüpfung an das bis
zum 01.11.2014 geltende Recht. Das PfG NW und die GesBerVO sind zu diesem Zeitpunkt außer Kraft getreten, § 23 Abs. 1 S. 2
APG und § 33 Abs. 2 APG DVO in der damaligen Fassung.
§ 2 GesBerVO in der Fassung vom 04.06.1996 sah zwar in Abs. 2 Nr. 3 eine Eigenkapitalverzinsung nur für Neueinrichtungen vor
und fixierte nach Abs. 1 Nr. 1 (i.V.m. § 20 Abs. 2 PfG NW in der Fassung von 1996) die bisher nach der AV 1983 getroffenen
Vereinbarungen. Diese Anknüpfung an die AV wurde in den nachfolgenden Fassungen der GesBerVO von 2003 und 2008 auch jeweils
ausdrücklich fortgeschrieben. Dass weder im APG noch in der APG DVO eine solche Fortführungsregelung enthalten ist, verdeutlicht,
dass es sich nicht um eine unbeabsichtigte Regelungslücke handelt. Die bisherige Regelungstechnik lag dem Gesetz- und Verordnungsgeber
klar vor Augen. Er hat bewusst auf eine Fortführung verzichtet, wie auch die Begründung zu der Übergangsvorschrift des § 22
APG verdeutlicht. Mit dessen Neufassung sollte ausdrücklich die bisherige Rechtspraxis in NRW beendet werden, nach der die
Rechtslage im Jahr der Inbetriebnahme hinsichtlich der Finanzierung der Investitionskosten für die Einrichtungen jeweils verbindlich
blieb. Diese parallele Geltung verschiedener Normkomplexe sollte durch einheitlich für alle Einrichtungen ab Inkrafttreten
von APG und APG DVO gültige Regelungen ersetzt werden.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere die Voraussetzungen nach §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG sind nicht erfüllt. Die Entscheidung beruht ausschließlich auf der Auslegung landesrechtlicher Vorschriften, die der Revision
zum BSG nicht zugänglich ist.