Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit einer Verwaltungsmaßnahme der Beklagten aus dem Jahr 2002.
Der am 00.00.1950 geborene Kläger bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe von der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt
C (fortan: BA).
Mit Schreiben vom 06.03.2002 beantragte die Beklagte bei der BA, den angemessenen Teil der dem Kläger gewährten Arbeitslosenhilfe
nach §
48 Abs.
1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (
SGB I) abzuzweigen und an die Stadtkasse C zu überweisen. Nach den Angaben in dem Antrag geschehe die Abzweigung im Interesse der
getrennt lebenden Ehegattin K G sowie zweier Kinder des Klägers, B (geb. am 00.00.1987) und B1 G (geb. am 00.00.1989), als
Unterhaltsberechtigte. Diese würden seit 01.03.2002 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten, weil der Kläger als Leistungsberechtigter den laufenden Unterhaltsanspruch nicht erfülle. Ein vollstreckbarer Unterhaltstitel
bestehe nicht.
Mit Schreiben vom 29.07.2002 hörte die BA den Kläger wegen einer beabsichtigten täglichen Abzweigung der Arbeitslosenhilfe
in Höhe von 19,35 Euro an. Mit Bescheid vom 26.09.2002 verfügte die BA gegenüber dem Kläger zunächst eine tägliche Abzweigung
der ihm gewährten Leistungen in Höhe von 18,89 Euro ab 16.09.2002 wegen gewährter Leistungen der Sozialhilfe an die Ehefrau
und die beiden Kinder. Mit weiterem Bescheid vom 04.12.2004 setzte die BA die tägliche Abzweigung, nunmehr nur noch für die
Kinder, ab 16.09.2002 auf 11,68 Euro herab. Die gegen die Bescheide vom Kläger fristgerecht eingelegten Widersprüche wies
die BA mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2003 zurück. Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht
Dortmund (Az.: S 31 AL 54/03) erließ die BA einen weiteren Bescheid vom 19.08.2003, wonach der Abzweigungsbetrag auf täglich 3,12 Euro herabgesetzt wurde.
Das Sozialgericht gab der Klage durch Urteil vom 16.10.2006 wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot statt, soweit eine
Abzweigung angeordnet worden war. Die von dem Kläger gegen das Urteil eingelegte Berufung nahm er im Rahmen eines Erörterungstermins
am 10.12.2007 zurück. Die BA hob alle Bescheide über die Abzweigungen auf und zahlte die Beträge an den Kläger aus.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts C vom 08.01.2004 wurde der Kläger verurteilt, an seine von ihm getrennt lebende
Ehefrau für die beiden Söhne ab 01.12.2003 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von je 284,- Euro zu zahlen, mit der Maßgabe
der Zahlung für Dezember 2003 und Januar 2004 an das Sozialamt der Stadt C.
Der Kläger hat am 02.01.2015 Klage bei dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass es
sich bei dem Abzweigungsantrag um einen Verwaltungsakt handele, der aufgrund in ihm enthaltener falscher Tatsachenbehauptungen
nichtig sei. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass der an das Arbeitsamt C gerichtete Abzweigungsantrag der Beklagten
vom 06.03.2002 nichtig ist. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Abzweigungsantrag nicht um einen Verwaltungsakt
handele und dieser insoweit auch nicht nichtig sein könne. Es handele sich um einen Abzweigungsantrag zwischen Behörden.
Mit Urteil vom 04.03.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass
die Klage bereits unzulässig sei. Der Kläger begehre die Feststellung der Nichtigkeit des Abzweigungsantrages. Die Nichtigkeit
unterscheide sich nicht prinzipiell von der Rechtswidrigkeit, sondern allein durch die Schwere und Offensichtlichkeit der
rechtlichen Mängel. Insoweit stelle die "schlichte" Rechtswidrigkeit ein Minus zur Nichtigkeit dar. In dem Begehren des Klägers
auf Feststellung der Nichtigkeit des Abzweigungsantrages sei demnach die Feststellung der Rechtswidrigkeit enthalten. Die
Feststellung der Nichtigkeit des Abzweigungsantrages setze voraus, dass es sich bei diesem um einen Verwaltungsakt im Sinne
des § 31 SGB X handelt. Als statthafte Klageart für die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts komme generell nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage,
hier bei Erledigung vor Klageerhebung (§
131 Abs.
1 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) analog) bzw. eine Nichtigkeitsfeststellungsklage (§
55 Abs.
1 Nr.
4 SGG) in Betracht. Zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung beider Klagearten sei unter anderem das tatsächliche Vorliegen eines Verwaltungsaktes
im Sinne von § 31 SGB X; allein eine entsprechende Behauptung des Klägers genüge nicht. Der streitgegenständliche Abzweigungsantrag stelle keinen
Verwaltungsakt dar, da es jedenfalls an dem Merkmal "Regelung" fehle. Dieses liege nur dann vor, wenn ohne weiteren Umsetzungsakt
Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt würden oder dies (jeweils) abgelehnt würde. Auf den Abzweigungsantrag
treffe keine dieser Voraussetzungsvarianten zu. Es habe vielmehr an dem Adressaten des Antrags, dem Arbeitsamt, gelegen, über
diesen nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen und Anhörung des Klägers zu entscheiden. Erst ein und hier in der
Folge vom Arbeitsamt auch erlassener Abzweigungsbescheid stelle einen Verwaltungsakt dar. Schon mangels einer Regelung und
dem Erfordernis eines Umsetzungsaktes - hier in Gestalt eines Abzweigungsbescheides - könne der Abzweigungsantrag auch keinen
Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 2 SGB X darstellen. Stelle demnach der Abzweigungsantrag keinen Verwaltungsakt dar, sei eine (insoweit) allein in Betracht kommende
Fortsetzungs- bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage schon deshalb unzulässig. Dem stehe - den Vortrag des Klägers als zutreffend
unterstellt - nicht entgegen, dass der Abzweigungsantrag falsche Tatsachenbehauptungen enthalte. Zwar sei (auch) eine antragstellende
Behörde - wie hier die Beklagte - gemäß Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) an Gesetz und Recht gebunden. Allein diese Bindung vermöge jedoch die Behörde, die über einen Antrag zu entscheiden hat
- wie hier seinerzeit das Arbeitsamt -, nicht von ihrer eigenen Prüfungskompetenz und -Verantwortung bzw. Ermittlungspflicht
zu entbinden. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der entscheidenden Behörde die Prüfung antragsbegründender Umstände kraft
Gesetzes untersagt sei, wie dies beispielsweise bei Verfahren im Sinne des §
322 Abgabenordnung (
AO) der Fall sei. Dort habe die antragstellende Behörde zu bestätigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung
vorliegen (§
322 Abs.
3 Satz 2
AO), wobei diese Fragen nicht der Beurteilung der entscheidenden Behörde(n) unterliegen würden (§
322 Abs.
3 Satz 3
AO). In einem solchen Fall stelle bereits der Antrag fest, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, so dass
ihm ein Regelungscharakter im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zukomme und in ihm ein Verwaltungsakt gesehen werden könne. Entsprechende Regelungen sehe das Gesetz für einen Abzweigungsantrag
nach §
48 SGB I bzw. die Entscheidung über einen solchen Antrag (jedoch) nicht vor. Im Gegenteil, ob die entscheidende Behörde einem Abzweigungsantrag
stattgebe und eine entsprechende Abzweigung verfüge, habe gemäß dem Wortlaut des §
48 Abs.
1 SGB I (vgl. Satz 1: "kann"; Satz 4: "können") in ihrem Ermessen gestanden. Allein dies verdeutliche, dass die entscheidende Behörde
selbst bei tatsächlichem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abzweigung nach §
48 SGB I eine solche nicht zwingend verfügen müsse. Sei dies aber der Fall, könne (auch deswegen) der Begründung eines Abzweigungsantrages
keine regelnde Wirkung im oben genannten Sinne zukommen. Denn weder binde eine solche die entscheidende Behörde, noch entfalte
sie eine andere Wirkung. Bei dem Abzweigungsantrag handele es sich vielmehr um eine das Abzweigungsverfahren einleitende,
unselbstständige Verfahrenshandlung, die als bloße Verfahrenshandlung rechtswidrig sein könne. Einer Feststellung einer (etwaigen)
Rechtswidrigkeit einer bloßen bzw. unselbstständigen Verfahrenshandlung im Nachgang einer Sachentscheidung - wie hier im Nachgang
der Abzweigungsbescheide - stehe jedoch entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Regelung des §
44a Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) §
56a SGG entgegen. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung
zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1); dies gelte nur dann nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen
vollstreckt oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen können (Satz 2). Weder läge hier der letztgenannte Ausnahmefall noch
ein Fall des §
56a Satz 2
SGG vor. Zum einen sei zwischenzeitlich eine Sachentscheidung - hier die Abzweigungsbescheide - ergangen und auch eine gerichtliche
Überprüfung dieser, weshalb Rechtsschutz gegen die Sachentscheidung nicht (mehr) zu spät kommen könne. Und zum anderen könne
weder ein Abzweigungsantrag vollstreckt werden, noch sei dieser gegen einen Nichtbeteiligten ergangen. Denn Nichtbeteiligte
im Sinne des §
56a Satz 2
SGG seien nur solche Personen, die nicht zur gerichtlichen Überprüfung der Sachentscheidung berechtigt seien. Hier aber sei der
Kläger zur Überprüfung der Sachentscheidung und also der Abzweigung als von dieser unmittelbar Betroffener berechtigt gewesen.
Es wäre an dem Kläger gewesen, gegen den Abzweigungsantrag im Rahmen seiner Anfechtung der Abzweigung vorzugehen. Insbesondere
gelte §
56a Satz 1
SGG in zeitlicher Hinsicht nicht nur bis zum Ergehen der Sachentscheidung, sondern auch im Nachgang zu dieser. Denn der in §
56a SGG zum Ausdruck gekommene Grundsatz der Prozessökonomie verbiete es, einen "nur" gleichzeitig mit dem gegen die Sachentscheidung
zulässigen Rechtsbehelf geltend zu machenden Rechtsbehelf nach rechtskräftigem Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens über
die Sachentscheidung weiter zu verfolgen, weil in diesem die Rechtswidrigkeit der behördlichen Verfahrenshandlung bereits
habe geltend gemacht werden können. Nach alledem sei das Begehren der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abzweigungsantrages
(als unselbstständige Verfahrenshandlung) ebenfalls unzulässig. Etwas anderes ergebe sich auch nicht mit Blick auf etwaige
Amtspflichtverletzungen durch die Beklagte aufgrund möglicher falscher Tatsachenbehauptungen. Denn insoweit falle die Prüfung
möglicher Amtshaftungsansprüche, in deren Rahmen das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung zu prüfen wäre, gemäß Art.
34 GG in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Gegen dieses ihm am 15.03.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.04.2016 Berufung eingelegt.
Zur Begründung seiner Berufung wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Klagevorbringen und trägt insbesondere erneut
vor, dass es sich bei dem Abzweigungsantrag der Beklagten vom 06.03.2002 um einen Verwaltungsakt handele. Er habe daher einen
Anspruch auf die gerichtliche Feststellung, dass der die falschen und ihn in seiner Ehre kränkenden unwahren Tatsachenbehauptungen
beinhaltende Abzweigungsantrag der Beklagten vom 06.03.2002 rechtswidrig sei und für nichtig erklärt werde. Das Sozialgericht
habe ihm den effektiven Rechtsschutz verweigert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.03.2016 abzuändern und 1. festzustellen, dass der Verwaltungsakt der Beklagten
vom 06.03.2002 rechtswidrig gewesen ist, 2. festzustellen, dass die Beklagte mit der behördlichen Maßnahme vom 06.03.2002
den Kläger in seinen Rechten verletzt hat und 3. der Verwaltungsakt der Beklagten vom 06.03.2002 für nichtig erklärt wird,
sowie ferner hilfsweise Beweis zu erheben, dass "meine Ehefrau und meine beiden jüngsten Kinder im März 2002 (Zeitpunkt der
Verwaltungsmaßnahme) mit mir in einem gemeinsamen Familienhaushalt zusammen lebten und ich alle Kosten getragen habe durch
Vernehmung der Kinder Alexander und Andreas sowie meiner damaligen Ehefrau".
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die nach ihrer Auffassung zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 04.03.2016 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie bereits unzulässig
ist.
[ ...] Das Berufungsvorbringen des Klägers ist nicht geeignet, eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage anzunehmen. Es
erschöpft sich trotz umfangreicher, weit ausschweifender Schriftsätze im Wesentlichen in einer Wiederholung des Klagevorbringens,
indem der Kläger wiederholt auf die Verwaltungsaktqualität des Abzweigungsantrages abstellt, welche vom Sozialgericht bereits
umfassend geprüft und zutreffend verneint worden ist.
Aber auch sein sonstiges Vorbringen ist nicht geeignet, hinreichende Erfolgsaussichten der Berufung zu begründen. Soweit er
im Rahmen des Berufungsverfahrens wiederholt etwaige Amtspflichtverletzungen durch die Beklagte aufgrund möglicher falscher
Tatsachenbehauptungen geltend macht, ist er hinsichtlich der Prüfung möglicher Amtshaftungsansprüche auf die Zuständigkeit
der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verweisen.
Diesen Ausführungen ist nichts mehr hinzuzufügen.