Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII
Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige
Beschränkung auf Fälle der sog. Negativevidenz im Falle der ordnungsmäßigen Verwaltung eines Nachlasses
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer auf § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gestützten Überleitungsanzeige. Der am 00.00.1949 geborene L Q (Beigeladener) ist der Sohn des am 00.00.1992 verstorbenen
Dr. Q. Der Beigeladene lebte bis zum 07.10.2014 aufgrund einer erheblichen Behinderung in stationären Einrichtungen der Evangelischen
Stiftung W und erhielt hierfür ab dem 18.09.2001 vom Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII. Am 07.10.2014 wechselte der Beigeladene in ein Alten- und Pflegeheim, so dass nunmehr der örtliche Sozialhilfeträger (F-Kreis)
zuständig ist. Zur Betreuerin des Beigeladenen ist seine Schwester, die Ehefrau des Klägers bestellt.
Der am 00.00.1992 verstorbene Dr. Q hatte in seinem Testament vom 31.10.1991 den Beigeladenen als nicht befreiten Vorerben
über zwei Eigentumswohnungen in F, N-Straße 00, eingesetzt und hierüber Testamentsvollstreckung durch den Kläger angeordnet.
Das Testament enthält u.a. folgende Regelung:
Ich ordne für meinen Nachlass Testamentsvollstreckung an mit der Maßgabe, dass die Testamentsvollstreckung nur den Erbanteil
meines Sohnes L Q erfassen soll. Die Testamentsvollstreckung soll dauern bis zum Tod meines Sohnes L Q. Der Testamentsvollstrecker
soll den seiner Verwaltung unterliegenden Teil des Nachlasses unbeschränkt verwalten können und in jeder Beziehung alle gesetzlichen
Befreiungen genießen.
Der Testamentsvollstrecker soll nach billigem Ermessen dafür sorgen, dass unser Sohn L Q sowohl der Ertrag als auch die Substanz
seines Vermögens für seine ganz persönlichen Bedürfnisse zugute kommen. Der Testamentsvollstrecker soll insbesondere dafür
sorgen, dass für L jederzeit Ferienaufenthalte, Kuraufenthalte, Heimaufenthalte, Verwandtenbesuche und die Erfüllung der sämtlichen
übrigen angemessenen persönlichen Bedürfnisse möglich sind.
Nachdem der Beklagte in der Vergangenheit erfolglos versucht hatte, einen Kostenbeitrag aufgrund des ererbten Vermögens einzufordern,
führte er 2010 eine Vermögensprüfung durch. Mit Schreiben vom 08.05.2010 teilte die Betreuerin des Beigeladenen mit, dass
zwischenzeitlich aus den Erträgen der vermieteten Eigentumswohnungen ein Betrag von 65.000 EUR angespart worden sei, dieser
aber vollständig der Testamentsvollstreckung unterliege und bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen nicht berücksichtigt
werden dürfe. Daraufhin leitete der Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2012 einen möglichen Anspruch des Beigeladenen auf ordnungsgemäße
Verwaltung nach §
2216 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) gegen den Testamentsvollstrecker vom 01.01.2010 bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf sich über. In dem nach erfolglosem
Widerspruchsverfahren geführten Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 12 SO 228/13) hob der Beklagte die Überleitungsanzeige
nach einem Hinweis des Gerichts, dass es der Anzeige an inhaltlicher Bestimmtheit fehle, mit Schreiben vom 06.07.2015 auf.
Mit Bescheid vom 29.07.2015 leitete der Beklagte unter Hinweis auf § 93 SGB XII einen (möglichen) Anspruch des Beigeladenen gegen den Testamentsvollstrecker auf eine ordnungsgemäße Verwaltung erneut auf
sich über, nunmehr ab dem 01.01.2005 bis zur Höhe der Aufwendungen des Beklagten. Den Inhalt des übergeleiteten Anspruchs
umschrieb der Beklagte wie folgt: Der Testamentsvollstrecker sei nach §
2216 BGB zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung verpflichtet und habe daher für den angemessenen Unterhalt des Erben zu sorgen, soweit
dieser aus regelmäßigen Einkünften des Erben getragen werden könne. Sofern der Erblasser aber Anordnungen für die Verwaltung
getroffen (§
2216 Abs.
2 S. 1
BGB) und vorgegeben habe, dass die Erträge aus dem der Verwaltung unterliegenden Erbteil nur für solche Leistungen an den Behinderten
verwendet werden sollen, auf die der Sozialhilfeträger keinen Zugriff habe, werde anerkannt, dass für den Sozialhilfeträger
keine Möglichkeit bestehe, auf die Früchte zuzugreifen. Für die Nachlassfrüchte, die nach Erfüllung der zusätzlichen "Extra-Unterhaltsleistungen"
laut Testament übrig blieben, gelte das aber nicht. Es sei anerkannt, dass diese auf den Sozialhilfeträger überleitbar seien.
Da die Nachlassfrüchte dem Vorerben zustünden, könnten sie dem Vorerben nicht durch eine Verwaltungsanordnung an den Testamentsvollstrecker
völlig entzogen werden. Denn andernfalls würden sie nicht mehr dem Vorerben sondern dem Nacherben gebühren. Dies würde jedoch
im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehen. Der Beigeladene habe aus dem Erbe beispielhaft im Jahr 2010 Mieteinnahmen
in Höhe von 17.277,29 EUR gehabt. Die laufenden Kosten seien bisher ohne Nachweis auf ca. 6.859,33 EUR zuzüglich Testamentsvollstreckervergütung
jährlich beziffert worden. Da sich auf dem betreffenden Mietkonto mittlerweile ein Guthaben in Höhe von 65.000 EUR (Stand:
Mai 2010) angesammelt habe, sei davon auszugehen, dass es sich um Überschüsse handele, die über den bereits an den Beigeladenen
ausgezahlten "Extra-Unterhalt" hinausgingen. Die Gesamtsumme der Leistungen der Eingliederungshilfe bezifferte der Beklagte
mit 350.687,12 Euro.
Der Beklagte übe sein Ermessen dahingehend aus, den Nachrang der Sozialhilfe wiederherzustellen. Besondere Umstände, die ausnahmsweise
ein Absehen von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich, insbesondere nicht angesichts der Tatsache,
dass der Zweck des vorliegenden Testaments, dem Hilfeempfänger Erträge für die persönlichen Bedürfnisse außerhalb der Sozialhilfe
zukommen zu lassen, erfüllt worden sei. Es könne sozialhilferechtlich nicht anerkannt werden, dass darüber hinaus noch ein
Vermögen angespart werde, um es den Nacherben zu hinterlassen. Die Überleitung bewirke lediglich einen Gläubigerwechsel und
treffe keine rechtsverbindliche Feststellung darüber, ob und in welchem Umfang die übergeleiteten Ansprüche tatsächlich bestünden.
Dies unterliege einer gesonderten Feststellung. Hinsichtlich der erbrachten Leistungen enthielt der Bescheid eine exemplarische
Berechnung für die Monate Juli 2005 und Januar 2011; eine ausführliche Darstellung der Kosten für den gesamten Zeitraum erfolgte
in einer Anlage zum Bescheid.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 11.08.2015 Widerspruch. Dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, weshalb nunmehr rückwirkend
ab dem 01.01.2005 Ansprüche übergeleitet würden, nachdem der vorangegangene - zwischenzeitlich aufgehobene - Bescheid vom
17.12.2012 lediglich einen Zeitraum ab 2010 erfasst habe. Der Kläger sei nicht angehört worden. Die Ermessenserwägungen im
angefochtenen Bescheid seien formelhaft und nicht ausreichend und fehlten zur Gänze hinsichtlich des Zeitraums der Überleitung.
Dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche Gesichtspunkte seitens der Behörde bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt
und wie diese gewichtet worden seien. Auch dieser Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt. Es werde zwar ein Höchstbetrag
beziffert, der eigentliche Anspruchskern sei jedoch weiterhin nicht nachvollziehbar. Der Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung
nach §
2216 BGB sei als Erfüllungsanspruch nicht überleitungsfähig. Was der Beklagte sich unter "Nachlassfrüchten, die nach Erfüllung der
Extra-Unterhaltsleistungen übrig bleiben" vorstelle, bleibe offen. Der Argumentation des Beklagten, es sei sozialhilferechtlich
nicht anzuerkennen, dass Vermögen angespart werde, um dieses den Nacherben zu hinterlassen, werde widersprochen. Der Testamentsvollstrecker
habe die Pflicht, das Vermögen zu erhalten. Dieser Pflicht komme er mit der Ansparung nach; denn der Betrag gleiche allenfalls
den Wertverlust der Immobilien durch Alterung aus. Nach einem Zeitablauf von 23 Jahren nach dem Erbfall bestehe ein nicht
geringer Renovierungsaufwand, der nicht durch jährliche Sanierungsmaßnahmen erfüllt werden könne, sondern nur durch größere
Sanierungsvorhaben in größeren Zeitabständen. Insbesondere die Vorgaben zu energetischen Sanierung würden künftig nur durch
die angesparten Rücklagen zu bewältigen sein.
Mit einem weiteren - inhaltsgleichen - Bescheid vom 29.07.2015 zeigte der Beklagte die Überleitung dem Beigeladenen an. Die
Betreuerin erhob fristgerecht Widerspruch und verwies mit Schreiben vom 20.08.2015 zur Begründung auf die Ausführungen des
Klägers im parallelen Widerspruchsverfahren. Dieses Widerspruchsverfahren ruht im Hinblick auf das vorliegende Streitverfahren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der vom Kläger
behauptete Anhörungsmangel treffe nicht zu. Mit Schreiben vom 16.07.2013 sei Gelegenheit zur Anhörung gegeben worden, die
der Kläger mit Schreiben vom 20.07.2013 wahrgenommen habe. In materieller Hinsicht verwies der Beklagte auf die Rechtsprechung
zum Grundsatz der Negativevidenz. Für die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige sei ausreichend, dass der übergeleitete Anspruch
(nur) möglicherweise bestehe. Eine Überleitung sei nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der übergeleitete Anspruch nicht
bestehe oder etwa nicht fällig sei. Die Beschränkung der inhaltlichen Prüfung trage dem gegliederten Rechtsschutzsystem Rechnung.
Denn durch die Überleitung werde der zivilrechtliche Anspruch nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Anspruch, den die Behörde
durch Bescheid geltend machen könne, sondern müsse vor dem Zivilgericht eingeklagt werden. Die rechtliche Prüfung, ob der
Anspruch tatsächlich bestehe, müsse zur Vermeidung divergierender Entscheidungen dem Zivilgericht vorbehalten bleiben. Lediglich
dann, wenn der übergeleitete Anspruch nach materiellem Recht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen, die Überleitung
selbst also erkennbar sinnlos sei, könne die Rechtswidrigkeit der Überleitungsanzeige angenommen werden.
Der Beklagte habe die Überleitung nunmehr auf den Zeitraum ab 01.01.2005 erstreckt, um prüfen zu können, ob auch in dem vor
2010 liegenden Zeitraum Überhänge aus den Mieteinnahmen vorgelegen hätten. Der Bestimmtheitsgrundsatz sei gewahrt. Im angefochtenen
Bescheid sei dargelegt worden, dass die Leistungen vom 01.01.2005 bis zum 17.02.2014 insgesamt 350.687,12 EUR betragen hätten.
Der übergeleitete Anspruch sei grundsätzlich maximal bis zur Höhe dieser Kosten einzusetzen. Ob und in welcher Höhe hier Nachlassfrüchte
übrig seien, könne erst beurteilt werden, wenn die entsprechenden Nachweise über die Ein- und Ausgaben in den betreffenden
Jahren einschließlich der in diesen Jahren an den Beigeladenen gezahlten Vergünstigungen vorgelegt würden. Erst dann könne
auch die Höhe des übergeleiteten Anspruchs genau beziffert und das anhängige Zivilverfahren vor dem Landgericht F (xxx), welches
bis zur Bestandskraft des angefochtenen Bescheides ausgesetzt sei, fortgeführt werden. Der Bescheid sei nicht ermessensfehlerhaft.
Alle notwendigen Ermessenserwägungen seien eingestellt und entsprechend berücksichtigt worden.
Der Kläger hat am 25.10.2016 Klage bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag
aus dem Widerspruchsverfahren und hält Ansprüche hinsichtlich des Zeitraums 2005 bis 2010 für verjährt. Unabhängig von der
Frage der Verjährung der zivilrechtlichen Ansprüche nach §
199 BGB gelte im Sozialrecht §
45 SGB I. Der Beklagte könne mit der Überleitung daher allenfalls Ansprüche ab dem 01.01.2011 geltend machen. Zwar werde nun ein Höchstbetrag
von 350.687,12 EUR angegeben, es gebe aber keinen Anspruch, der übergeleitet werden könne. Der Fall sei ein Beispiel für Negativevidenz,
auf die der Beklagte verweise. Er sei als Testamentsvollstrecker den gesetzlichen Vorgaben der §§
2197 ff
BGB unterworfen und insbesondere zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung verpflichtet. Er habe das ihm anvertraute Vermögen zu
sichern und zu erhalten, Verluste zu verhindern und Nutzungen zu gewährleisten. Der Erbe könne den jährlichen Reinertrag nur
beanspruchen, wenn dies der Wille des Erblassers gewesen sei oder die Herausgabe den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung
entspreche. Bei der testamentarischen Verfügung des Erblassers handele es sich um ein rechtmäßiges Behindertentestament, welches
im Rahmen der Vorerbschaft vermachtes Vermögen ausschließlich dem Vorerben und gegebenenfalls den Nacherben zugewendet habe.
Ein Zugriff des Sozialhilfeträgers sei damit ausgeschlossen. Darüber hinaus gebe es auch keine überleitbaren Überschüsse.
Der erwirtschaftete Überschuss entspreche noch nicht einmal dem Renovierungsaufwand beider Wohnungen zusammen (je Wohneinheit
zwischen 30.000 EUR und 40.000 EUR Aufwand), kompensiere letztlich nur die Wertminderung der baulichen Substanz und müsse
für den Erhalt dieser Substanz auch wieder verwendet werden.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 29.07.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger könne sich nicht auf Negativevidenz berufen. Es sei keineswegs offensichtlich, dass der Beigeladene gegen den Testamentsvollstrecker
keinen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung habe. Die Auseinandersetzung um das Bestehen dieses Anspruchs mit allen Fragen
einschließlich zum wertmäßigen Inhalt des Anspruchs sei dem Zivilprozess vorbehalten. Dies gelte insbesondere für die Problematik
der Verjährung. Die Überleitung werde beschränkt auf den Zeitraum ab dem 01.01.2005, weil das EDV-System eine detaillierte
Aufstellung der Forderung erst ab diesem Zeitpunkt aufschlüsseln könne, entsprechend habe der Beklagte auf den davor liegenden
Zeitraum verzichtet.
Mit Urteil vom 13.07.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Überleitung sei rechtmäßig im Sinne von § 93 Abs. 1 SGB XII. Für die Wirksamkeit einer Anspruchsüberleitung nach § 93 SGB XII genüge bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht komme, dieser also nicht von vornherein objektiv
ausgeschlossen sei. Ob der Anspruch tatsächlich bestehe, sei dann vor dem zuständigen Fachgericht, bei zivilrechtlichen Ansprüchen
also vor den ordentlichen Gerichten, zu klären, indem die Behörde den übergeleiteten möglichen Anspruch einklage. Über die
Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen habe das Sozialgericht nicht zu befinden. Nur wenn offensichtlich sei, dass das
Ziel des Sozialhilfeträgers nicht verwirklicht werden könne, sei der Erlass einer Überleitungsverfügung sinnlos und trotz
Vorliegen aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig anzusehen (sog. Negativevidenz). Ein Fall der Negativevidenz
liege nicht vor. Es bestehe zumindest die Möglichkeit, dass dem Beigeladenen Ansprüche auf ordnungsgemäße Verwaltung nach
§
2216 BGB gegen den Kläger zustehen könnten. Der Erbe könne gegebenenfalls den Testamentsvollstrecker auf Erfüllung seiner Pflicht
verklagen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, die Vornahme bzw. ein Unterlassen einer Verwaltungsmaßnahme gerichtlich
durchzusetzen oder eine Abänderung von Verwaltungsverfügungen des Erblassers beim Gericht zu beantragen. Ein Anspruch auf
Auskehr der überschüssigen "Früchte" des Nachlasses komme daher grundsätzlich in Betracht; ob dieser tatsächlich bestehe,
obliege der Entscheidung des Zivilgerichts. Ermessensfehler seien nicht zu erkennen, zumal hier Anhaltspunkte für außergewöhnliche
Umstände des Klägers, die ein Absehen von der Überleitung geboten erscheinen ließen, nicht dargetan worden seien.
Gegen das ihm am 11.08.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.2017 Berufung eingelegt. Es bestehe kein Anspruch,
den der Beklagte überleiten könne. Als Testamentsvollstrecker sei er verpflichtet, das ihm anvertraute Vermögen zu sichern
und zu erhalten, Verluste zu verhindern und Nutzungen zu gewährleisten. Das Ansparen eines wirtschaftlichen Überschusses entspreche
diesem Auftrag; denn er müsse den Wertverlust des Nachlasses, der im Wesentlichen aus den zwei Eigentumswohnungen bestehe,
die im Jahr 1966 erbaut worden seien und bei denen bei einer Neuvermietung ein erheblicher Renovierungsaufwand anfallen werde,
ausgleichen. Soweit der Beklagte trotz Vorliegens eines Behindertentestaments mit besonderen Verwaltungsanordnungen für den
Testamentsvollstrecker durch den Erblasser einen Anspruch auf Auskehr von Nachlassfrüchten im Rahmen einer ordnungsgemäßen
Verwaltung für möglich halte, sei dies konstruiert und in der Rechtsprechung nicht anerkannt; die Literaturstellen, auf die
sich der Beklagte berufe, seien veraltet. Mangels Pflichtverletzung komme auch kein Schadensersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker
in Betracht. Es gebe keinen "möglichen" Anspruch, der rein objektiv in Betracht komme und daher für eine Überleitungsanzeige
ausreiche. Selbst wenn man einen Anspruch für möglich halte, sei dieser (teilweise) verjährt. Entgegen der Auffassung des
Sozialgerichts sei dies bei der Prüfung der Negativevidenz zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.07.2017 abzuändern und den Bescheid vom 29.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 18.10.2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Da die Überleitungsanzeige lediglich dazu diene, einen Gläubigerwechsel
herbeizuführen, setze die Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige nicht voraus, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich
bestehe. Dass der übergeleitete Anspruch des Beigeladenen offensichtlich ausgeschlossen sei, sei nicht ersichtlich. Der Anspruch
auf Herausgabe von Nutzungen oder Früchten des Nachlasses als Inhalt des Anspruchs auf ordnungsgemäße Testamentsvollstreckung
nach §
2216 BGB werde in der Literatur verschiedentlich diskutiert und auch im Falle eines Behindertentestaments für möglich gehalten. Unerheblich
sei, dass es keine Rechtsprechung dazu gebe. Wenn diskutiert werde, dass ein solcher Anspruch bestehen könne, reiche das für
eine Überleitung aus.
Der im Berufungsverfahren Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er ist zum Termin nicht erschienen und auch nicht vertreten
worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des
Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz der Abwesenheit des Beigeladenen im Termin verhandeln und entscheiden; der Beigeladene ist auf diese
Möglichkeit für den Fall des Nichterscheinens hingewiesen worden (§
110 Abs.
1 SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§
143,
144 SGG statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§§
151 Abs.
1,
64 Abs.
2 SGG).
Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. §
54 Abs.
1 Satz 1, 1. Fall
SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt im Sinne des §
54 Abs.
1 Satz 2
SGG. Bei dem angefochtenen Überleitungsbescheid handelt es sich für den Kläger als Drittschuldner des übergeleiteten Anspruches
um einen belastenden Verwaltungsakt, der in seine Rechte eingreift. Auch wenn die Verpflichtung des Klägers grundsätzlich
unabhängig von der Überleitung besteht, greift die Überleitungsanzeige als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt in das
zwischen dem Drittschuldner und dem Hilfeempfänger bestehende Rechtsverhältnis ein (BVerwG, Urteil vom 27.05.1993 - 5 C 7/91 - juris Rn. 10). Dem Drittschuldner wird durch die Überleitung ein anderer Gläubiger zugeordnet. Für den Fall einer rechtswidrigen
- insbesondere nichtigen - Überleitungsanzeige besteht für den Drittschuldner die Gefahr der Doppelleistung. Auch der Drittschuldner
ist deshalb durch die Überleitungsanzeige beschwert und zur Klage befugt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.12.2012 -
L 9 SO 22/09).
II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Überleitung rechtmäßig
ist.
1. Die angefochtene Überleitungsanzeige, für die als Ermächtigungsgrundlage allein § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Frage kommt, ist formell rechtmäßig.
Der Beklagte war für die Gewährung der Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe an den stationär untergebrachten Hilfeempfänger
und in der Folge auch für die Überleitung gemäß §§ 98 Abs. 2, 97 Abs. 2 und 4 SGB XII in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Buchstabe a) Landesausführungsgesetz zum SGB XII NRW in der bis zum 30.06.2016 gültigen Fassung und § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Ausführungsverordnung zum SGB XII NRW in der bis zum 30.06.2016 geltenden Fassung als überörtlicher Sozialhilfeträger zuständig.
Der Bescheid leidet nicht an einem Anhörungsmangel. Allerdings stellt die vom Beklagten behauptete Gelegenheit zur Äußerung
mit Schreiben vom 16.07.2013 keine wirksame Anhörung dar. Dieses Schreiben erging zum einen im Widerspruchsverfahren zum Bescheid
vom 17.01.2012 und eignet sich bereits aus diesem Grund nicht, der Anhörungspflicht vor Erlass des späteren, inhaltlich nicht
identischen Bescheides vom 29.07.2015 zu genügen. Im Übrigen enthielt dieses Schreiben, das in erster Linie die Frage der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs betraf, keinen umfassenden Hinweis zur beabsichtigten Überleitung mit Aufforderung
zur Stellungnahme, sondern gab lediglich Gelegenheit, zur möglichen Forderung aus den Überschüssen Stellung zu nehmen, indem
Unterlagen zu Ein- und Ausgaben für die Jahre 2010 - 2012 angefordert wurden. Da eine (weitere) Anhörung vor Erlass des Überleitungsbescheides
nicht erfolgte, hat der Beklagte hierdurch § 24 Abs. 1 SGB X verletzt, wonach einem Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu geben ist,
bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Dieser Mangel wird im Widerspruchsverfahren durch Nachholung
der Anhörung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt, wenn der Betroffene aus der Begründung des Verwaltungsaktes wissen kann, welche Tatsachen entscheidungserheblich
sind (BSG, Urteil vom 14.07.1994 - 7 Rar 104/93 -, juris Rn. 24; Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, juris Rn. 21), er durch die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wurde und sein Vorbringen
im Widerspruchsbescheid auch gewürdigt wird (Schneider-Danwitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 41 SGB X, Rn. 31). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der angefochtene Bescheid hat bereits alle entscheidungserheblichen
Tatsachen benannt. Soweit der Widerspruchsbescheid Rechtsausführungen zur Negativevidenz enthält, die im Bescheid vom 29.07.2015
nicht enthalten waren, steht dies einer Heilung nicht entgegen, da es sich hierbei nicht um neue Tatsachen handelt. Im Widerspruchsbescheid
ist der Beklagte auf die Widerspruchsbegründung und den Vortrag des Klägers ausführlich eingegangen. Der Umstand, dass der
Beklagte es zudem unterlassen hat, den Beigeladenen als von der Überleitungsanzeige ebenfalls Betroffenen anzuhören, führt
nicht bereits zur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Denn auch wenn die Überleitung zivilrechtliche
Wirksamkeit nur dann erlangen kann, wenn diese auch gegenüber dem Hilfeempfänger und Gläubiger des überzuleitenden Anspruches
bekanntgegeben wird (Armbruster in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 138), handelt es sich bei der Überleitung gegenüber dem Drittschuldner einerseits und dem Hilfeempfänger andererseits
formell um getrennte Verwaltungsverfahren, die zu selbständigen und selbständig angreifbaren Verwaltungsakten führen. Deshalb
ist der Hilfeempfänger in dem den Drittschuldner betreffenden Verwaltungsverfahren nicht "Beteiligter" im Sinne der §§ 24 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB XII (Senat, Urteil vom 20.12.2012 - L 9 SO 22/09). Soweit man eine Anhörung des Hilfeempfängers gleichwohl auch im Verwaltungsverfahren
des Drittschuldners für erforderlich hält, ist auch dieser Mangel durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren gemäß
§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt. Denn die Betreuerin des Beigeladenen hat in dessen Widerspruchsverfahren zur Begründung Bezug genommen auf den gesamten
Vortrag des Testamentsvollstreckers in dem ihn betreffenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Eine darüber hinausgehende
Anhörung des Beigeladenen war damit nicht mehr erforderlich.
2. Die Überleitungsanzeige ist auch materiell rechtmäßig.
Hat eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für welche Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen,
der kein Leistungsträger im Sinne des §
12 SGB I ist, kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe
seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überleitung gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind erfüllt
a. Der Beklagte hat dem Beigeladenen seit 2001 durchgängig Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe durch Übernahme der
Kosten, welche durch die Unterbringung in einer stationären Einrichtung entstehen, erbracht. Anhaltspunkte für eine unrechtmäßige
Leistungserbringung bestehen nicht.
b. Ob der Leistungsempfänger gegen den Kläger seit Januar 2005 den von der Überleitungsanzeige erfassten Anspruch auf ordnungsgemäße
Verwaltung nach §
2216 BGB innehat, bedarf hier keiner Entscheidung. Ausreichend für die Rechtmäßigkeit des Überleitungsbescheides ist, dass ein überleitungsfähiger
Anspruch nach materiellem Recht überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist (BSG, Beschluss vom 25.04.2013 - B 8 SO 104/12 B - juris Rn. 9; zur Negativevidenz bei einem Auskunftsverlangen nach § 117 SGB XII: BSG, Beschluss vom 20.12.2012 - B 8 SO 75/12 B - juris Rn. 7). In der Sozialhilfe dient die Überleitung eines Anspruchs - neben
den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens - dazu, den Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) zu realisieren. Wie beim Einsatz des Einkommens müssen die Vorschriften über die Überleitung von Ansprüchen bedarfsorientiert
gesehen werden. Entscheidend ist nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum
erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind (BSG aaO). Nur wenn offensichtlich ist, dass dieses Ziel nicht verwirklicht werden kann, ist der Erlass einer Überleitungsverfügung
sinnlos und trotz Vorliegens aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig aufzuheben. Die Überprüfung des übergeleiteten
Anspruchs ist daher auf Fälle der sog. Negativevidenz beschränkt (BVerwG in ständiger Rechtsprechung zur Vorgängernorm § 90 BSGH, u.a. Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 57/88; BSG aaO und Beschluss vom 20.12.2012 - B 8 SO 75/12 B - juris Rn. 7 m.w.N.; Senat, Urteil vom 20.12.2012 - L 9 SO 22/09 - juris
Rn. 31).
Eine solche erkennbar sinnlose Überleitungsverfügung liegt hier nicht vor. Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass
der Beigeladene gegen den Kläger als Testamentsvollstrecker einen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung nach §
2216 BGB hat. Dieser Anspruch kann im weiteren Inhalt darin bestehen, einen Anspruch auf Herausgabe derjenigen Nutzen oder Früchte
zu haben, die über dasjenige hinausgehen, was dem Beigeladenen als Erben aufgrund des Testaments vom 31.10.1991 zuzuwenden
ist und auf das eine Zugriffsberechtigung des Sozialhilfeträgers nicht besteht. Denn im Rahmen einer verfügten Vor- und Nacherbschaft
kann ein Anspruch des Vorerben gegen den Testamentsvollstrecker auf Herausgabe von Nutzungen bestehen, soweit dies den Grundsätzen
einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht.
Nach §
2216 Abs.
1 BGB ist der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet. Zur Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers
gehört auch, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft für die Erhaltung, Sicherung, Nutzung, Fruchtziehung und Vermehrung
des Nachlasses zu sorgen (§
2205 BGB). Da die Nutzungen des Nachlasses ihrerseits zum Nachlass gehören, hat der Testamentsvollstrecker auch diese in Besitz zu
nehmen und ordnungsgemäß zu verwalten, so dass er sie zunächst - abgesehen vom Fall des §
2338 Abs.
1 Satz 2
BGB und von besonderen Anordnungen des Erblassers - zu thesaurieren hat (RG, JR 1929 Nr. 1652; BGH, Urteil vom 14.05.1986 - IVa ZR 100/84 = FamRZ 1986, 900; Staudinger/Reimann (2016)
BGB §
2216 Rn. 17).
Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass der Erbe die Herausgabe der Nutzungen und Erträgnisse verlangen
kann, wenn das den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht (BGH aaO, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 04.11.1987
- IVa ZR 118/86; Zimmermann in Münchener Kommentar zum
BGB, 7. Aufl. 2017, §
2216 Rn. 7; Staudinger/Reimann, (2016)
BGB §
2216 Rn. 17; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2014, Rn. 453). Die Frage, inwieweit und in welchen Zeitabschnitten
der Testamentsvollstrecker dem Erben Nutzungen des Nachlasses herauszugeben hat, unterliegt der Prüfung nach §
2216 BGB (nicht nach §
2217 BGB: BGH aaO, FamRZ 196, 900 für den Fall der Vor- und Nacherbenschaft; Staudinger/Reimann,
BGB, Stand 2016, §
2216 Rn. 17). Ob der Testamentsvollstrecker tatsächlich berechtigt und verpflichtet ist, die Erträgnisse an den Erben auszukehren,
ist eine Frage des Einzelfalls und der Anordnungen des Erblassers, die gegebenenfalls auszulegen sind. Im Rahmen der Auslegung
soll auch berücksichtigt werden, dass eine Erbschaft durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht völlig ihres wirtschaftlichen
Sinns beraubt werden darf (RG, BayZ 1922, 123; RG, LZ 1918, 1268). Erträge und Nutzungen sind z.B. dann herauszugeben, soweit
dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden erforderlich ist
(RG Recht 1922 Nr. 615; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2016 - 8 W 59/15 - juris Rn. 30; Lange in BeckOK
BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Stand: 01.08.2018, §
2216 Rn. 15; M. Schmidt in Erman,
BGB, 15. Aufl. 2017, §
2216 Rn. 3; Staudinger/Reimann (2016)
BGB §
2216, Rn. 17). Eine Herausgabe von Erträgen kommt auch bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft in Betracht, da dem Vorerben im
Verhältnis zum Nacherben die vollen Nutzungen (§
100 BGB) der Vorerbschaft gebühren. Diesen sich aus der Kosten- und Nutzenverteilung ergebenden Interessengegensatz hat der Testamentsvollstrecker
bei Vor- und Nacherbschaft ebenfalls im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung unter Beachtung der testamentarischen Verfügungen
des Erlassers zu berücksichtigen.
Dass den Anordnungen zur Testamentsvollstreckung hier ein sog. Behindertentestament zugrunde liegt, führt nicht von vornherein
zum generellen Ausschluss eines Anspruchs auf Nutzungsherausgabe. Im Behindertentestament treffen Eltern eines behinderten
Kindes Verfügungen von Todes wegen, in denen sie die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft
sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass Erträge nur
für nicht auf die Sozialhilfe anrechenbare Leistungen zu verwenden und dem Behinderten aus den Erträgen zu bestimmten Anlässen
oder für bestimmte Zwecke dessen Lebensqualität verbessernde Zuwendungen zu machen sind. Es ist anerkannt, dass eine derartige
Regelung als Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus grundsätzlich
nicht sittenwidrig ist (zuletzt: BGH, Beschluss vom 27.03.2013 - XII ZB 679/11 -, juris Rn. 20). Aber auch im Fall des Behindertentestaments wird ein Anspruch des Behinderten (Vorerben) auf Herausgabe
von Nutzungen, die über das hinausgehen, was der Testamentsvollstrecker dem Behinderten aufgrund der testamentarischen Anordnung
des Erblassers (jährlich) zuwendet, für möglich gehalten. So wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass in Mangelfällen
der Überschuss der jährlich nicht verbrauchten Nutzungen an den Vorerben herauszugeben sei, so dass der Sozialhilfeträger
darauf zugreifen könne (Nieder, NJW 1994, 1264, 1267). Sollte der Wert der Vorerbschaft des Behinderten so groß sein, dass dessen Früchte zur Deckung seines Unterhalts
ganz oder teilweise ausreichten, komme eine Überleitung des nach Erfüllung der zusätzlichen Unterhaltsleistungen übrigbleibenden
Teils der Nutzungen in Betracht, da ein völliger Ausschluss des Anspruchs des Vorerben auf die Nutzungen zwecks Thesaurierung
zugunsten der Nacherben nicht wirksam sei (Nieder aaO, S. 1268; Meyer, DNotZ 1994, 347, 358). Anderes komme in Betracht, wenn die testamentarische Anordnung darauf ziele, dass der Überschuss nur als Rücklage
für spätere Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität des Behinderten zurückgelegt werden dürfe (Nieder/Otto in Münchener
Vertragshandbuch, 6. Aufl. 2010, Kap. 19 Ziff. 6). Nach einer weiteren Auffassung könne auch im Falle des Behindertentestaments
geprüft werden, ob Verwaltungsanordnungen des Erblassers durch eine Entscheidung des Nachlassgerichts nach §
2216 Abs.
2 Satz 2
BGB abgeändert werden können (Otte, JZ 1990, 1027/1028; Palandt/Edenhofer,
BGB, 77. Aufl. 2018, §
2216 Rn. 5)
Auch in der Rechtsprechung wird trotz Behindertentestament mit Vor- und Nacherbschaft und einschränkenden Verwaltungsanordnungen
der Herausgabe- oder Freigabeanspruch des Erben für möglich gehalten. So ist nach Auffassung des BGH (Beschl. vom 27.03.2013,
XII ZB 679/11) die Festsetzung einer Betreuervergütung zu Lasten der Betreuten aus deren Vermögen rechtmäßig, weil die durch ein Behindertentestament
auf die Betroffene übertragene (Vor-)Erbschaft auch bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht zwingend
zur Mittellosigkeit der Betroffenen führe und die Auslegung der an den Testamentsvollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen
ergab, dass die Betreuervergütung aus dem Nachlass entnommen werden könne. Die Erbin (Betreute) habe gegen den Testamentsvollstrecker
einen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung im Sinne des §
2216 BGB, der sich auf die Freigabe der zu entrichtenden Betreuervergütung richte. Die Auslegung des Testaments und der darin enthaltenen
Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker, für die die allgemeinen Auslegungsregeln (§§
133,
2084 BGB) gelten würden (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 10.05.2017, XII ZB 614/16), sei nicht zu beanstanden.
Die Ansicht des Klägers, es gebe in der Rechtsprechung kein Beispiel auf Nutzungsherausgabe im Falle eines Behindertentestaments,
ist in Anbetracht der zitierten Entscheidung (sowie ferner BGH, Beschluss vom 15.04.2015 - XII ZB 534/14 - juris Rn. 15) daher so allgemein nicht zutreffend. Die Frage, die sich im Rahmen des § 93 SGB XII stellt, ob ein Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Testamentsvollstrecker nach §
2216 BGB denkbar oder möglich ist, ist damit zu bejahen. Es ist nicht unter allen denkbaren Gesichtspunkten ausgeschlossen, dass ein
solcher Anspruch bestehen kann; allerdings ist es eine Würdigung des Einzelfalls und des konkreten Testaments, ob der Erbe
jenseits der ausdrücklich verfügten Nutzungsverwendung (vorliegend: u.a. Ferienaufenthalte und sämtliche übrigen angemessenen
persönlichen Bedürfnisse) Zugriff auf das Erbe hat bzw. haben soll. Im Rahmen dieser Prüfung wird die beabsichtigte - mittelbare
- Verwendung der Nachlassfrüchte, d.h. der Zugriff des Sozialhilfeträgers, vor dem das Behindertentestament den Betroffenen
schützen will, nicht unberücksichtigt bleiben. Die Prüfung, ob der Anspruch tatsächlich besteht, ist nicht Aufgabe der Sozialgerichte,
sondern als endgültige Entscheidung über das Bestehen des behaupteten Anspruchs im gegliederten Rechtsschutzsystem den zuständigen
Zivilgerichten vorbehalten.
Der Kläger kann im Rahmen der Negativevidenz auch nicht damit gehört werden, dass die angesparten Erträge zu dringenden Renovierungsarbeiten
zur Verfügung stehen müssten, auch um im Fall nachfolgender Vermietungen wieder angemessenen Nutzen ziehen zu können oder
weil es sich um grundsätzliche Sanierungsarbeiten am gesamten Objekt handele (Dachsanierung u.ä.). Denn dem Vorerben fallen
nach dem Gesetz außer den Fruchtziehungskosten (§
102 BGB) im Verhältnis zu den Nacherben nur die für den Nachlass aufgewendeten gewöhnlichen Erhaltungskosten (§
2124 Abs.
1 BGB) zur Last, zu denen umfangreiche Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen nicht gehören. Diese Abgrenzung zwischen den Rechten
des Vorerben und des Nacherben muss, sofern der Erblasser keine andere Verfügung getroffen hat, auch der Testamentsvollstrecker
beachten. Dafür reicht die allgemeine Erwägung, bei älteren Gebäuden seien Renovierungsmaßnahmen erforderlich, um die Substanz
auf Dauer zu erhalten, insoweit nicht aus (BGH, Urteil vom 14.05.1986 - IVa ZR 100/84 - juris Rn. 16f). Dies gilt hier umso mehr, da der Erblasser den Substanzerhalt zugunsten der Nacherben nicht zwingend vorgesehen,
sondern vielmehr angeordnet hat, dass der Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen dafür sorgen soll, dass dem Vorerben
sowohl Ertrag als auch Substanz seines Vermögens für seine ganz persönlichen Bedürfnisse zugute kommen. Auch dies unterliegt
jedoch der tatrichterlichen zivilgerichtlichen Prüfung.
c. Die Ansprüche sind auch zeitidentisch. Nach § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII kommt die Überleitung nur in Betracht, wenn für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, ein Anspruch gegen einen anderen
besteht. Der Zeitraum, für den Leistungen gewährt werden, muss mit der zeitlichen Leistungspflicht des Dritten übereinstimmen
(sog. Zeitraumidentität). Nicht erforderlich ist, dass der überzuleitende Anspruch gleichzeitig mit dem Sozialhilfeanspruch
entstanden oder fällig geworden ist. Ausreichend ist, dass er in dem in der Bewilligung ausgesprochenen Zeitraum noch fällig
und nicht erfüllt ist (BVerwG, Urteil vom 28.10.1999 - 5 C 28/98 zu § 90 BSHG; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2013 - L 7 SO 4209/09; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 93 Rn. 23; Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 33 Rn. 36 zum insoweit wortgleichen § 33 SGB II).
Der überzuleitende Anspruch ist gerichtet auf Herausgabe der Nutzungen und Erträge aus dem erworbenen Vermögen, sofern dies
den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Es kann offenbleiben, ob bereits hierzu eine Bezifferung oder
die Angabe einer bestimmten Höhe der Nutzungen erforderlich ist, denn das würde voraussetzen, dass der Testamentsvollstrecker
die Vermögensverwaltung umfassend offengelegt hat, so dass ein konkreter Zahlbetrag errechnet werden könnte unabhängig davon,
ob die Herausgabe der Nutzungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspräche. Da die Betreuerin des Beigeladenen jedoch mit
Schreiben vom 08.05.2010 dem Beklagten mitgeteilt hat, aus den aufgelaufenen Erträgen der Eigentumswohnungen sei ein Betrag
von 65.000 EUR angespart worden, ist die Zeitraumidentität ab diesem Zeitpunkt jedenfalls gewahrt. Anders als der Kläger ist
der Senat aber auch der Auffassung, dass Gleichzeitigkeit der Ansprüche bereits für den davor liegenden Zeitraum angenommen
werden kann. In Anbetracht der Höhe des im Mai 2010 zugestandenen Geldvermögens ist unter Berücksichtigung von jährlichen
Mieteinnahmen von rund 17.277 EUR nach Abzug von bezifferten laufenden Kosten von 6.859,33 EUR und nach weiterem Abzug der
jährlichen Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von 1 Prozent des jeweiligen Bruttonachlasswertes anzunehmen, dass der
Betrag von 65.000 EUR nicht kurzfristig in 2010, sondern kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg angespart worden ist. Nach
überschlägiger Berechnung der rund fünfeinhalb Jahre zwischen dem 01.01.2005 und Mai 2010 kann davon ausgegangen werden, dass
auch schon zum 01.01.2005 ein relevantes Vermögen (oberhalb des Vermögensschonbetrages) bestanden hat. Die verbliebenen Erträge
aus den Mieten nach Abzug der laufenden Kosten und der Vergütung des Testamentsvollstreckers, deren tatsächliche Höhe nicht
bekannt ist, dürften deutlich unter 10.000 EUR jährlich betragen haben, zumal noch die sozialhilferechtlich gesperrten Sonderzuwendungen
an den Hilfeempfänger zu berücksichtigen wären. Im Übrigen kann die fehlende Kenntnis über die konkrete Vermögensentwicklung
nicht dem Beklagten zum Nachteil gereichen, wenn diesbezüglich eine Mitwirkung des Klägers als Testamentsvollstreckers oder
der Betreuerin des Beigeladenen unterbleibt und ein Nachweis nicht vorgelegt wird.
d. Der angefochtene Bescheid ist hinreichend inhaltlich bestimmt nach § 33 Absatz 1 Satz 1 SGB X. Hinreichende Bestimmtheit liegt vor, wenn aus dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts für die Beteiligten vollständig, klar
und unzweideutig erkennbar ist, was die Behörde will (BSG, Urteil vom 07.09.2006 - B 4 RA 43/05 R). Eine Überleitungsanzeige ist hinreichend bestimmt, wenn sich aus ihr der überzuleitende Anspruch ergibt, die Anzeige
folglich erkennen lässt, dass der Übergang dieses Anspruches des Hilfeempfängers in Höhe der ihm gewährten Sozialhilfeleistungen
auf den Sozialhilfeträger bewirkt werden soll. Ferner ist die Angabe von Zeitraum und Höhe der gewährten Sozialhilfe erforderlich,
wegen der die Überleitung erfolgt (BSG, Urteil vom 24.08.1988 - 7 Rar 74/86; Senat, Urteil vom 20.12.2012 - L 9 SO 22/09).
Der Bescheid des Beklagten vom 29.07.2015 lässt den überzuleitenden Anspruch nach seiner Art (Herausgabe, §
2216 BGB), nach dem betroffenen Zeitraum (ab dem 01.01.2005 bis zum 07.10.2014) und seiner Höhe nach in der gebotenen Klarheit erkennen.
Aus dem Verfügungssatz des Verwaltungsaktes ergibt sich für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig, was die Behörde
will. Der Beklagte hat formuliert: "Herr L Q hat daher Ihnen gegenüber einen (möglichen) Anspruch auf eine ordnungsgemäße
Verwaltung nach §
2216 BGB. Diesen (möglichen) Anspruch gegen Sie leite ich hiermit vom 01.01.2005 an bis zur Höhe meiner Aufwendungen auf mich über
(§ 93 SGB XII)." In den Gründen des Bescheides hat der Beklagte den weiteren Inhalt des Anspruchs nach §
2216 BGB konkretisiert und dargelegt, dass es um die Herausgabe von Nutzungen gehe, die nicht zur Erfüllung der testamentarisch vorgesehenen
Unterhaltsleistungen verwendet würden bzw. nach Erbringung dieser übrigblieben. Weitere Angaben, insbesondere zur Höhe der
herauszugebenden Nutzungen, sind an dieser Stelle weder notwendig, da der konkrete Anspruch auf der zweiten Stufe (Durchsetzung
des behaupteten zivilrechtlichen Anspruchs) geprüft werden muss, noch möglich, solange der Testamentsvollstrecker die Verwaltung
nicht offengelegt hat.
Seine Aufwendungen hat der Beklagte im Bescheid sowohl exemplarisch für einzelne Monate (Juli 2005; Januar 2011) als auch
für den gesamten Zeitraum (01.01.2005 - 07.10.2014: 350.687,12 EUR) dargelegt und beziffert und zudem im umfangreichen Anhang
zum erlassenen Bescheid eine vollständige Berechnung sowohl der Ausgaben des Beklagten als auch der Einnahmen in Form von
Kostenbeiträgen, Unterhaltsbeiträgen der Eltern, Beihilfe, Wohngeld, Waisenrente und Pflegegeld (§
43a SGB XI) für die einzelnen Monate sowie für den gesamten Zeitraum vorgenommen.
e. Ob der Anspruch auf Nutzungsherausgabe teilweise verjährt ist, ist für die Rechtmäßigkeit der Überleitung ohne Bedeutung.
Selbst wenn der zivilrechtliche Anspruch verjährt wäre - was hier keineswegs offensichtlich ist -, wirkt dies nicht anspruchsvernichtend,
sondern ist lediglich auf Einrede zu beachten. Die Einrede hat der Schuldner im Zivilrechtsstreit, der die übergeleitete Forderung
zum Gegenstand hat, zu erheben (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.05.2016 - L 23 SO 109/14 - juris Rn. 62; Armbruster
in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 93 Rn. 80; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 93 Rn. 14).
f. Der angefochtene Bescheid ist nicht ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat von dem ihr nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Besondere Gründe, die aus Sicht des Hilfeempfängers gegen eine Überleitung sprechen,
sind der Akte und dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Die Betreuerin des Beigeladenen, die gegen den an den Beigeladenen
gerichteten Bescheid vom 29.07.2015 ebenfalls Widerspruch eingelegt hat, hat zur Begründung auf die Ausführungen des Klägers
verwiesen und keine weiteren Interessen vorgetragen. Der Vortrag des Klägers richtet sich aber in erster Linie darauf, dass
ein überleitungsfähiger Anspruch nicht bestehe und nicht im Besonderen auf Ermessensgesichtspunkte. Die Einwände des Klägers
sind bereits bei den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hinreichend gewürdigt worden, ergeben jedoch keine Gesichtspunkte, die eine andere Ermessensentscheidung begründen würden.
III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach den §
197a Abs.
1 SGG, §
154 Abs.
2 VwGO.
IV. Gründe, gemäß §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
V. Der Streitwert ist gemäß §
197a Absatz
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) endgültig auf 5.000 EUR festzusetzen (s. BSG, Beschluss vom 25.04.2013 - B 8 SO 104/12 B; Senat, Beschluss vom 24.06.2015 - L 9 SO 408/14 B; LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 23.02.2015 - L 20 SO 23/15 B).