Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Ablehnung von Rehabilitationsleistungen; Keine
Verurteilung des beigeladenen Rehabilitationsträgers im Anwendungsbereich des § 14 SGB IX bei nicht rechtskräftig abgeschlossenem Leistungsverfahren
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht (SG) Münster hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die gegen
den Bescheid vom 31.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2014 gerichtete Klage, mit der der Kläger die Übernahme
der Kosten für seine stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung "W" in B ab dem 03.06.2013 aus dem Mitteln der Sozialhilfe
begehrt, zu Unrecht abgelehnt.
1. Nach §
73 a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §§
114 Abs. Satz 1, 115
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor.
a) Entgegen der Auffassung des SG bietet die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise
obsiegen wird. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 81, 347 (356 ff.)). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer
schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen
sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen
würden (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 -, [...] Rn. 12).
Nach diesen Grundsätzen kann der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden.
aa) Entgegen der vom SG und vom Beklagten vertretenen Auffassung ist die Klage offensichtlich zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage kann,
jedenfalls soweit es um die Gewährung von Leistungen für die Zukunft geht, die in Anbetracht der unbefristeten Ablehnung der
Leistungen im Bescheid vom 31.10.2013 durchaus Gegenstand der Klage sind (BSG Urt. v. 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -, [...] Rn. 8 m.w.N; Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R -, [...] Rn. 9), nicht deshalb
verneint werden, weil der Landkreis X in der Vergangenheit aufgrund des Bescheids vom 07.08.2013 die Kosten der stationären
Unterbringung vorläufig nach §
43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) übernommen hat.
Das SG und der Beklagten haben zunächst grundlegend verkannt, dass die vorläufige Leistungsgewährung gegenüber der endgültigen Leistungsgewährung
ein aliud darstellt (stRspr des BSG, vgl. statt vieler BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R -, [...] Rn. 20 m.w.N.; Wagner, in: jurisPK-
SGB I, §
43 Rn. 35). Der Anspruch auf die endgültige Bewilligung einer Sozialleistung wird deshalb durch die Gewährung vorläufiger Leistungen
grundsätzlich nicht berührt. Zwar führen die tatsächlich geleisteten vorläufigen Leistungen, wie sich aus §
43 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. §
42 Abs.
2 Satz 1
SGB I ergibt, grundsätzlich zur Erfüllung des Anspruchs auf die endgültigen Leistungen (vgl. Wagner, in: jurisPK-
SGB I, §
43 Rn. 36). Die Anrechnung der vorläufig erbrachten Leistungen auf die endgültigen Leistungen setzt jedoch schon begrifflich
die Feststellung der endgültigen Leistungen voraus (vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, §
42 SGB I Rn. 24). Soweit es um die Gewährung der endgültigen Leistungen mit Wirkung für die Zukunft geht, wird dieser Anspruch ohnehin
durch die vorläufige Leistungsgewährung nicht berührt. Allein deshalb muss es Sozialleistungsberechtigten möglich sein, die
endgültige Ablehnung einer Sozialleistung mit den im
SGG vorgesehenen Rechtsbehelfen anzufechten, auch wenn sie vorläufige Leistungen erhalten.
Auf diese Weise kann im Übrigen der in §
43 SGB I vorausgesetzte Zuständigkeitskonflikt zwischen den Sozialleistungsträgern materiell-rechtlich geklärt werden und damit die
für die Sozialleistungsberechtigten bestehende Rechtsunsicherheit dauerhaft beseitigt werden. Ohne Anfechtung des endgültigen
Ablehnungsbescheids liefe unter Umständen auch der etwaige Erstattungsanspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers ins
Leere, weil nach der ständigen Rechtsprechung des BSG jeder Träger im Rahmen eines Erstattungsverfahrens grundsätzlich die wirksamen Verwaltungsakte des anderen Trägers gegen
sich gelten zu lassen hat, mit der Folge, dass der an sich erstattungspflichtige Leistungsträger dem vorleistenden Leistungsträger
die Bestandskraft seiner endgültigen Leistungsablehnung entgegenhalten könnte (vgl. BSG, Urt. v. 26.06.2008 - B 13 R 37/07 R -, [...] Rn. 14 m.w.N.; zur vom BVerwG vertretenen Gegenauffassung Grube, in: jurisPK-SGB X, § 102 Rn. 50 ff.).
Hier kommt hinzu, dass der Beklagte die Gewährung der beantragten Leistungen nicht nur im Hinblick auf seine angeblich fehlende
Zuständigkeit, sondern in der Sache auch aus materiell-rechtlichen Erwägungen abgelehnt hat. So hat er in der Begründung des
Bescheids vom 31.10.2013 die Auffassung vertreten, der Kläger sei weder geistig noch seelisch wesentlich behindert und die
Gewährung von stationären Leistungen der Eingliederungshilfe sei nicht erforderlich. Da auch §
43 SGB I das Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach voraussetzt, liefe der Kläger im Hinblick auf diese Ausführungen des Beklagten
auch Gefahr, auch die vorläufigen Leistungen zu verlieren, wenn er sich gegen den Bescheid vom 31.10.2013 nicht zur Wehr setzen
würde.
Unabhängig davon ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auch daraus, dass der Kläger nicht sicher davon ausgehen
kann, auf Dauer vorläufig Leistungen vom Landkreis X zu erhalten. Der Bescheid vom 07.08.2013 steht unter dem Vorbehalt des
jederzeitigen Widerrufs. Zudem hat der Landkreis X angekündigt, die vorläufigen Leistungen einzustellen, wenn der Kläger die
vorliegende Klage zurücknimmt. Allein deshalb muss der Kläger die Möglichkeit haben, die endgültige Leistungsablehnung durch
den Beklagten vor Gericht anzugreifen. Auf ein Vorgehen gegen den Landkreis X hinsichtlich der Weitergewährung vorläufiger
Leistungen kann der Kläger nicht verwiesen werden. Die Gewährung vorläufiger Leistungen nach §
43 SGB I ist gegenüber der Gewährung endgültiger Leistungen nicht vorrangig. Bei §
43 SGB I handelt es sich um eine Schutzvorschrift, die der Betreffende in Anspruch nehmen kann, aber nicht muss (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen,
Urt. v. 30.07.2007 - L 20 SO 15/06 -, [...] Rn. 49).
Schließlich ist zu beachten, dass vorliegend §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) zur Anwendung kommt. Diese Vorschrift, die sowohl der Landkreis X als auch der Beklagte fortgesetzt ignorieren, verdrängt
nach überwiegender Meinung als lex specialis die Regelung des §
43 SGB I (vgl. BSG, Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -, [...] Rn. 11; Luik, in: jurisPK-
SGB IX, § 14 Rn. 20 m.w.N.; offen gelassen BSG, Urt. v. 10.07.2014 - B 10 SF 1/14 R -, [...] Rn. 18).
bb) Es spricht viel dafür dass die Klage zumindest teilweise begründet ist. In jedem Fall bedarf es zur Feststellung der Begründetheit
der Klage weiterer Ermittlungen von Amts wegen.
(1) Nach Aktenlage ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die angefochtenen Bescheide jedenfalls deshalb rechtswidrig und
aufzuheben sind, weil der Beklagte nach §
14 SGB IX über den Antrag des Kläger gar nicht hätte entscheiden dürfen. Ausweislich des Bescheids vom 10.09.2013 (Bl. 144 der Verwaltungsakte
des Beklagten), mit dem der Landkreis X die Gewährung von Hilfen für junge Volljährige gemäß § 41 i.V.m. § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) abgelehnt hat, hat der Kläger mit Schreiben vom 10.04.2013 beim Landkreis X einen Antrag gestellt, der dort am 15.04.2013
eingegangen ist. Wenn sich dieser Antrag auf die Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung
"W" in B bezogen haben sollte, wofür viel spricht, wäre der Landkreis X aller Voraussicht nach erstangegangener Rehabilitationsträger
im Sinne von §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX. Denn ausweislich der Akten des Beklagten ist der Antrag des Klägers auf einem Antragsformular auf Übernahme der Kosten für
die stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung "W" in B dort erst am 17.04.2013 eingegangen (Bl. 58 der Verwaltungsakten
des Beklagten). In diesem Fall wäre der Landkreis X gemäß §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX im Außenverhältnis zum Kläger umfassend, d.h. nicht nur für die Gewährung von Leistungen nach § 35a
SGB VII, sondern auch für die Gewährung von Teilhabeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), zuständig geworden, weil er den Antrag nicht fristgerecht (§
14 Abs.
1 Satz 1 und
2 SGB IX) an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat. Er wäre damit allein befugt gewesen, über den Antrag des Klägers
zu entscheiden. Der Bescheid vom 31.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2014 wäre dann allein deshalb rechtswidrig,
weil der Beklagte den Kläger auf eine Entscheidung des Landkreises X hätte verweisen müssen und den Antrag mangels Zuständigkeit
nicht selbst hätte ablehnen dürfen (vgl. insoweit auch den Terminbericht des BSG vom 27.05.2014 im Verfahren B 8 SO 29/12 R, http://[...].bundessozialgericht.de/cgibin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014-5&nr=13415).
Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 31.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2014 wäre dann begründet.
Vor diesem Hintergrund wird das SG zunächst die Akten des Landkreises X beizuziehen haben, um zu verifizieren, ob und wann der Kläger dort einen Antrag auf
Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung "W" in B für die Zeit ab dem 03.06.2013 gestellt
hat. Sodann wird es ggf. auch zu prüfen haben, ob frühere Eingaben des Klägers beim Beklagten vor Eingang des ausdrücklichen
schriftlichen Antrags vom 15.04.2013 am 17.04.2013, z.B. die E-Mail vom 13.03.2013 (Bl. 50 der Verwaltungsakte des Beklagten),
als Antrag auf Gewährung der streitgegenständlichen Kostenübernahme zu werten sind.
(2) Sollte der Antrag auf die Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung "W" in B für die
Zeit ab dem 03.06.2013 tatsächlich zuerst beim Landkreis X gestellt worden sein, wird das SG im Hinblick auf die vom Kläger ebenfalls erhobene Leistungsklage eine notwendige Beiladung des Landkreises X gemäß §
75 Abs.
2 2. Alt.
SGG sowie eine mögliche Verurteilung des Landkreises X nach §
75 Abs.
5 SGG zu prüfen haben.
(a) Insoweit ist zunächst zu klären, ob der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid des Landkreises X vom 10.09.2013, sofern dieser
sich auf die hier streitige Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung "W" in B bezog, Klage
beim Verwaltungsgericht Halle erhoben hat. Wenn dies der Fall sein und das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch nicht erledigt
sein sollte, wird das SG zu beachten haben, dass nach der im Termin vom 27.05.2014 im Verfahren B 8 SO 29/12 R geäußerten Auffassung des 8. Senats
des BSG eine Verurteilung des nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX im Außenverhältnis zuständigen Rehabilitationsträgers nach §
75 Abs.
5 SGG ausscheidet, wenn und solange das Leistungsverfahren gegen diesen nicht rechtskräftig abgeschlossen ist (vgl. http://[...].bundessozialgericht.de/cgibin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014-5&nr=13415).
Der Kläger wäre nach dieser Auffassung in diesem Fall hinsichtlich seines Leistungsbegehrens auf das verwaltungsgerichtliche
Verfahren gegen den Landkreis X zu verweisen. Sollte der Beklagte nach Maßgabe von § 10 Abs. 4 SGB VIII als Sozialhilfeträger sachlich und entgegen seinen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25.03.2014 örtlich zuständig
sein, wäre er in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als tatsächlich zuständiger Leistungsträger nach §
65 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) notwendig beizuladen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R -, [...] Rn. 15). Die Entscheidung in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber,
ob der geltend gemachte Anspruch nur nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) besteht und welcher Sozialhilfeträger örtlich zuständig ist, wäre nach entsprechender Beiladung des Beklagten nach Auffassung
des 8. Senats des BSG auch für die Frage, ob dem Landkreis X ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zusteht, bindend (vgl. BSG, Urt. v. 25.04.2013 - B 8 SO 12/12 R -, [...] Rn. 11 ff.).
(b) Sollte sich der Bescheid des Landkreises X vom 10.09.2013 auf die hier streitige Übernahme der Kosten für die stationäre
Unterbringung in der Wohneinrichtung "W" in B beziehen und bestandskräftig geworden sein, z.B. weil der Kläger gegen ihn keine
Klage erhoben oder eine zunächst erhobene Klage wieder zurück genommen hat, ist eine Verurteilung des Landkreises X nach §
75 Abs.
5 SGG in anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren nicht ausgeschlossen. Zwar steht der Verurteilung eines Beigeladenen nach der
allgemeinen Rechtsprechung des BSG ein von diesem erlassener bestandskräftig gewordener ablehnender Verwaltungsakt entgegen (vgl. BSG, Urt. v. 19.05.1982 - 11 RA 37/81 -, [...] Rn. 38). Der 8. Senat des BSG hat jedoch angedeutet, dass diese Rechtsprechung wegen des Schutzzwecks des §
14 SGB IX nicht auf Fälle der Geltendmachung von Rehabilitationsleistungen zu übertragen sein dürfte (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.2009 - B 8 SO 19/08 R -, [...] Rn. 24 m.N.; ablehnend insoweit Straßfeld, in: Roos/Wahrendorf, 2014, § 75
Rn. 300 a.E.). Der Anspruch des Klägers ist deshalb möglicherweise trotz der - hier unterstellten - Bestandskraft des Bescheids
vom 10.09.2013 in der Sache zu prüfen. Insoweit dürfte der Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen einer geistigen und/oder
seelischen Behinderung, deren Wesentlichkeit und die etwaige Erforderlichkeit (§
4 Abs.
1 SGB IX) der begehrten stationären Leistungen u.a. in medizinischer Hinsicht weiter aufzuklären sein. Der Träger der Wohneinrichtung
"W" ist nach §
75 Abs.
2 1. Alt.
SGG notwendig beizuladen (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R -, [...] Rn. 10 m.w.N.).
Sollte der geltend gemachte Anspruch des Klägers in der Sache bestehen, wird das SG allerdings weiter zu prüfen haben, ob eine Verurteilung des Landkreises X nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX i.V.m. §
75 Abs.
5 SGG nur dann möglich ist, wenn sich der geltend gemachte Anspruch aus den §§ 53 ff. SGB XII ergibt, denn in §
75 Abs.
5 SGG ist ein Träger der Sozialhilfe, nicht aber ein Träger der Jugendhilfe genannt. Eine analoge Anwendung von §
75 Abs.
5 SGG auf den Träger der Jugendhilfe hat der 8. Senat des BSG für zweifelhaft gehalten (vgl. BSG, Urt. v. 24.03.2009 - B 8 SO 29/07 R -, [...] Rn. 21). Der Schutzzweck des §
14 SGB IX könnte hier jedoch zu einer anderen Bewertung führen und eine Verurteilung des Landkreises X nach §
75 Abs.
5 SGG auch dann ermöglichen, falls sich der geltend gemachte Anspruch unter Beachtung von § 10 Abs. 4 SGB VIII aus Jugendhilferecht (§ 35a SGB VIII) ergibt. Die - hier unterstellte - Zuständigkeit des Landkreises X nach §
14 SGB IX ist im Außenverhältnis zum Kläger umfassend und unabhängig davon, aus welchen materiellen Rechtsvorschriften sich der Teilhabeanspruch
ergibt. Würde man im Rahmen von §
75 Abs.
5 SGG danach differenzieren, ob sich der Rehabilitationsanspruch materiell-rechtlich aus Sozialhilferecht oder aus Jugendhilferecht
ergibt, würde die Regelung des §
14 SGB IX faktisch ausgehebelt. Die Allzuständigkeit des nach §
14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträgers würde im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens wieder nach materiell-rechtlichen Gesichtspunkten
aufgespalten mit der Folge, dass der Kläger, wenn sich sein Anspruch nur aus Jugendhilferecht ergeben sollte, auf einen Verfahren
nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angewiesen wäre. Dies ist jedoch inkonsequent, wenn man im Rahmen von §
75 Abs.
5 SGG bei der Geltendmachung von Rehabilitationsleistungen eine Durchbrechung der Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden des nach
§
14 SGB IX im Außenverhältnis zuständigen Rehabilitationsträgers für möglich hält.
(3) Sollten die nach den Ausführungen zu (1) vom SG vorzunehmenden Ermittlungen allerdings ergeben, dass der Kläger den Antrag auf Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung
in der Wohneinrichtung "W" in B zuerst beim Beklagten gestellt hat, ist dieser nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX im Außenverhältnis zum Kläger umfassend zuständig geworden, weil auch er den Antrag nicht fristgerecht an einen anderen Rehabilitationsträger
weitergeleitet hat. Der Landkreis X wäre dann entsprechend den Ausführungen zu (1) seinerseits gehalten, seinen Bescheid vom
10.09.2013, sofern dieser sich auf die hier streitige Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung in der Wohneinrichtung
"W" in B bezog, aufzuheben. Ein etwaiges Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Halle (siehe oben (2) (a)) würde sich dann erledigen,
weil die
VwGO eine Verurteilung eines Beigeladenen nicht vorsieht. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers wäre dann im sozialgerichtlichen
Verfahren unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, d.h. nicht nur nach §§ 53 ff. SGB XII, sondern auch nach § 35a SGB VIII, zu prüfen. Insoweit dürfte, wie bereits ausgeführt, der Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen einer geistigen und/oder
seelischen Behinderung, deren Wesentlichkeit und die etwaige Erforderlichkeit (§
4 Abs.
1 SGB IX) der begehrten stationären Leistungen u.a. in medizinischer Hinsicht weiter aufzuklären sein. Der Träger der Wohneinrichtung
"W" wäre nach §
75 Abs.
2 1. Alt.
SGG notwendig beizuladen. Sollte der Landkreis X als Jugendhilfeträger nach Maßgabe von § 10 Abs. 4 SGB VIII sachlich oder als Sozialhilfeträger entsprechend den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25.03.2014 örtlich zuständig
sein, wäre auch er als tatsächlich zuständiger Leistungsträger nach §
75 Abs.
2 1. Alt.
SGG notwendig beizuladen.
b) Die Rechtsverfolgung ist in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen nicht mutwillig.
c) Der einkommens- und vermögenslose Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die
Kosten der Prozessführung auch nur in Raten aufzubringen (§
73a SGG i.V.m. §
115 ZPO), so dass ihm ratenfrei Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.
2. Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt aus §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
121 Abs.
2 ZPO.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§
73a SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG