Zusatz- oder Sonderversicherung der neuen Bundesländer; Geltendmachung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien
- Jahresendprämie; Glaubhaftmachung; Schätzung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage
1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger den Zeitraum vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990, der als Zeit der Zugehörigkeit zur
Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt ist, höhere Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien
festzustellen.
Der 1947 geborene Kläger ist seit dem 26. Juli 1969 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (vgl. Beurteilung
Bl. 14 VA). Ab dem 1. September 1969 war er als Programmierer und später als Projektant im Volkseigenen Betrieb Gerätewerk
K...-M...-S... (nachfolgend: VEB) beschäftigt. Von September 1970 bis November 1975 absolvierte er ein Fernstudium an der
Technischen Hochschule I... und erwarb den akademischen Grad "Diplomingenieur" für Informationstechnik. Nachdem die Beklagte
die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG zunächst abgelehnt hatte, stellte sie nach Abschluss eines Vergleichs im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz (Az.
S 23 R 593/05) mit Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 (Bl. 80 VA) die Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz für den Zeitraum vom 1. September 1969 bis 30. Juni 1990 mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest.
Mit Überprüfungsantrag vom 16. September 2010 (Bl. 85 VA) begehrte der Kläger die Feststellung höherer Entgelte unter Einbeziehung
von Prämien, Neuerervergütungen, Überstunden und sonstiger Überverdienste. Zum Nachweis legte er private Aufzeichnungen in
Form von Arbeits- und Stundenbüchern zur Einsicht vor. Eine Recherche der Beklagten bei dem Archivunternehmen "R." blieb hingegen
erfolglos (Bl. 106 VA). Mit Bescheid vom 30. August 2011 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2011 lehnte
die Beklagte die Feststellung höherer Entgelte ab. Die zusätzlichen Einkünfte könnten nicht als Arbeitsentgelte im Sinne von
§ 6 Abs. 1 AAÜG anerkannt werden, weil ihr Zufluss weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei.
Mit seiner am 5. Januar 2012 vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er
machte insgesamt 20.594,33 Mark zusätzliche Verdienste geltend (Bl. 15 ff. GA) und berief sich auf die chronologisch geführten
Notizen. Weiter legte er Erklärungen der ehemaligen Kollegen H... J... und G... V... vor, in denen diese angaben, zusätzliche
Zahlungen seien im Betrieb in bar gegen Unterschrift auf Kassenbelege geleistet worden. Weiter gaben sie an, der Kläger habe
Arbeits- und Stundenbücher geführt, die der Zeuge J... als ehemaliger Vorgesetzter ab und an - z.B. am 30. November 1971 und
23. Oktober 1972 - signiert habe (Bl. 13 f. GA). Mit Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Der Zufluss sei durch die selbst gefertigten Listen und Aufzeichnungen sowie durch die Zeugenerklärungen weder nachgewiesen
noch glaubhaft gemacht. Zudem sei zweifelhaft, ob für die Berücksichtigung von Jahresendprämien als Arbeitsentgelt überhaupt
eine Rechtsgrundlage bestehe.
Gegen den am 24. Juli 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. August 2012 Berufung eingelegt. Er machte nunmehr
insgesamt 33.035,33 Mark (21.654 Mark Jahresendprämien [9.994,00 Mark für die Jahre 1970 bis 1979 und 11.660,00 Mark für die
Jahre 1980 bis 1990], 1.020 Mark Treuegeld für die Jahre 1973 bis 1990, 1.793,80 Mark Brigadezuschlag für die Jahre 1971 bis
1990, 7.731,28 Mark (3.751,50 Mark und 3.980 Mark) Vergütung aus Neuerervereinbarungen für die Jahre 1970 bis 1985 sowie 836,25
Mark weitere Zuschläge für die Jahre 1972 bis 1989) geltend. Sämtliche Zahlungen seien in dem seit Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses
geführten Studentenbuches im Einzelnen aufgeführt, weshalb der Zufluss glaubhaft gemacht worden sei. Sein ehemaliger Vorgesetzter,
Herr J..., und seine damalige Arbeitskollegin, Frau V..., könnten die Richtigkeit der geführten Aufzeichnungen bestätigen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 3. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2011 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides
vom 18. Juli 2006 zu verurteilen, Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten
festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid im Ergebnis für zutreffend. Bezug und die genaue Höhe der Prämien seien weder
nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Der Senat hat schriftliche Aussagen der Zeugen J... und V... eingeholt sowie der Kläger eine schriftliche Stellungnahme des
Herrn Dr. K... H... (Direktor für Organisation und Datenverarbeitung) vorgelegt. In seinen Stellungnahmen vom 14. Oktober
2013 (Bl. 58 GA) und 31. Januar 2014 (Bl. 73 GA) gab der Zeuge J... an, in seiner Zeit als Leiter der Programmierung ab Juli
1971 seien Jahresendprämien, die zwischen 101 und 105 von Hundert eines Monatsgehaltes betragen hätten, gezahlt worden. Bei
der Auszahlung habe es keine Ausnahmen gegeben. Der Kläger sei einer der akribischsten Mitarbeiter gewesen und seine Arbeitsbücher
hätten Daten erfasst, die er auch gern bei anderen Kollegen gesehen hätte und bei gelegentlichen Kontrollen durch sein Signum
"J..." abgezeichnet habe. Die Zeugin V... gab in ihren Stellungnahmen vom 14. Oktober 2013 (Bl. 59 GA) und vom 6. Februar
2014 (Bl. 74 GA) an, sie habe sich mit dem Kläger einen Arbeitsraum geteilt. Er habe täglich ein Arbeitsbuch geführt, in dem
er alle firmenbezogenen Daten registriert habe. Jahresendprämien seien jährlich in bar gegen Quittierung ausgezahlt worden.
Die Höhe sei ihr nicht bekannt. Der Zeuge Dr. H... gab in seiner Erklärung vom 2. Februar 2013 (Bl. 61 GA) an, er habe ab
1970 die Funktion des Direktors für Organisation und Datenverarbeitung übernommen und im Vorfeld des Antrages des Klägers
dessen "persönliches Archiv" einsehen können. Ihm sei kein Jahr seiner Betriebszugehörigkeit ohne Zahlung einer Jahresendprämie
bekannt. Schließlich hat der Kläger die Arbeits- und Stundenbücher im Original übersandt.
In der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016 hat der Kläger sein Begehren nur hinsichtlich der Jahresendprämien aufrechterhalten
und die Berufung im Übrigen zurückgenommen.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Arbeits- und Stundenbücher
vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist (im aufrecht erhaltenden Umfang) begründet. Das Sozialgericht Chemnitz hat die Klage mit Gerichtsbescheid
vom 3. Juli 2012 zu Unrecht abgewiesen, soweit der Kläger im tenorierten Umfang die Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter
Berücksichtigung gezahlter Jahresendprämien begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28. Dezember 2011 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2006 ist dahingehend abzuändern,
dass für die Jahre 1970 bis 1990 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren
nach §
149 Abs.
5 des
Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996
- 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend
hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 18. Juli 2006 die Zeit vom 1. September1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit
der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§
256a Abs.
2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von §
14 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R -, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 - juris Rn. 25 m.w.N.).
1.
Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich
um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte,
wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen
ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 - juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§
256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des
BSG im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem
"aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen
unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall
mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen
der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, aaO. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv,
Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei
die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe
entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv.
Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch
für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben,
war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch"
auf Jahresendprämie, wenn
- die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart
war,
- der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte
und
- der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, aaO. Rn. 31).
Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen
der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich,
dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher
Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen
Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also
tatsächlich gezahlt worden ist.
Nach §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist
neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des
Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft
gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile
vom 21. Juli 2015 - L 5 RS 668/14 -, vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 424/14 - und vom 28. April 2015 - L 5 RS 450/14 - sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 - L 33 R 151/13 - juris Rn. 38).
Der Kläger hat den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1970 bis 1990 (für die Beschäftigungsjahre 1969 bis 1989) zwar
nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht. Die Höhe der Jahresendprämien hat er ebenfalls nicht nachgewiesen, jedoch für
die (Zufluss-)Jahre 1980 bis 1990 glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Höhe der in den Jahren 1970 bis 1979 zugeflossenen Jahresendprämien,
die er weder nachweisen noch glaubhaft machen konnte, macht der Senat von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
a)
Ihr Zufluss konnte nicht nachgewiesen, jedoch in den Jahren 1970 bis 1990 glaubhaft gemacht werden.
aa) Der Kläger verfügt nicht über die Quittungen, auf denen die Barauszahlung der jeweiligen Prämie - nach Angaben der Zeugen
J... und V... gängige Praxis im VEB - bestätigt wurde. Auch blieb die Anfrage der Beklagten bei der R. Office Systems GmbH
laut deren Auskunft vom 23. August 2011 erfolglos, weil dort keine Nachweise über Prämienzahlungen vorhanden sind. Andere
Nachweise in Form von Lohnunterlagen oder ähnlichen Materialien konnte der Kläger ebenfalls nicht vorlegen. Insbesondere sind
die von ihm (im Original) vorgelegten Arbeitsbücher nicht geeignet, den Zufluss der behaupteten Jahresendprämien in den Jahren
1980 bis 1990 nachzuweisen. Hierbei handelt es sich um vom Kläger selbst angefertigte Aufzeichnungen, aus denen sich jedenfalls
nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ihm die Prämien tatsächlich zugeflossen sind. Auch wenn
die Aufzeichnungen - trotz der zum Teil abweichenden Optik durch die Verwendung eines Kugelschreibers - aus den jeweiligen
Zuflussjahren stammen sollten, geht hieraus nicht mit der erforderlichen - an Sicherheit grenzender - Wahrscheinlichkeit hervor,
dass der Kläger die Prämien tatsächlich erhalten hat. Es könnte sich ebenso um die Aufzeichnungen von Erwartungen handeln.
Hierfür könnten etwa die zum Teil vorgenommenen Berechnungen sprechen, die der Kläger im Zusammenhang mit den Jahresendprämien
notiert hat. Für die (Zufluss-)Jahre 1970 bis 1979 konnten keinerlei Unterlagen vorgelegt werden, aus denen die Zahlung von
Prämien hervorgeht.
bb) Jedoch konnte der Kläger den Zufluss der Prämien in den Jahren 1970 bis 1990 glaubhaft machen.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf
sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun
überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus
gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 9 ff - juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 - 12 RK 42/80 - BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 - juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 - juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit
des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es,
wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten
ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht
zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben
- Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit - reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen
zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 - juris Rn. 5).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der
Jahresendprämien vorlagen und er sie jeweils erhalten hat.
(a) Ausweislich der Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war er während der gesamten Jahre 1970
bis 1989 im VEB Gerätewerk K...-M...-S... (Kombinatsbetrieb des Kombinats VEB Meßgerätewerk Z...) bzw. im Betriebsteil Gerätewerk
K...-M...-S... des VEB Meßgerätewerk Z... beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf
Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt war. Dies gilt zwar nicht für das Jahr 1969, in dem der Kläger (am 1. September)
seine Arbeit in dem Betrieb aufgenommen hat. Laut Eintragung im SV-Ausweis war er jedoch bis zum 31. August 1969 Student der
Ingenieur-Schule für Maschinenbau und Elektrotechnik Zwickau und ab dem 1. September 1969 als Programm-Assistent im VEB Gerätewerk
K...-M...-S... beschäftigt. Damit erfüllt er die Voraussetzungen der in § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe d) Halbsatz 2 AGB-DDR
geregelten Ausnahme für einen Anspruch auf anteilige Jahresendprämie, wonach er u.a. dann besteht, wenn eine Tätigkeit nach
Abschluss des Studiums aufgenommen wurde.
(b) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte,
im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie der Kläger und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien
in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.
Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen
Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung
abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen
Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR
auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung
von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich
zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung
und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972
- (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur-
und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2
der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe - Prämienfond-VO 1982 -
(BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2
Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren,
unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen
des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.
Aufgrund der schriftlichen Angaben der Zeugen J..., V... und Dr. H... ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das
Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117
Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). So gaben die Zeugen J... und V... mit Schreiben vom 29. bzw. 30. März 2012 übereinstimmend
an, zusätzliche Zahlungen seien im Betrieb in bar gegen Unterschrift auf Kassenbelege geleistet worden. Auf Nachfrage des
Gerichts erklärte der Zeuge J... in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2013 (Bl. 58 GA) detaillierter, in seiner Zeit als
Leiter der Programmierung ab Juli 1971 seien ausnahmslos Jahresendprämien, die zwischen 101 und 105 von Hundert eines Monatsgehaltes
betragen hätten, gezahlt worden. Die Zeugin V... bekräftigte in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2013 (Bl. 59 GA) nochmals,
Jahresendprämien seien jährlich in bar gegen Quittierung ausgezahlt worden, wobei ihr die Höhe nicht bekannt sei. Der Zeuge
Dr. H..., der ab 1970 die Funktion des Direktors für Organisation und Datenverarbeitung übernommen hatte, gab in seiner Erklärung
vom 2. Februar 2013 (Bl. 61 GA) an, ihm sei kein Jahr seiner Betriebszugehörigkeit bekannt, in dem keine Jahresendprämie gezahlt
worden sei. Für die Zahlung von Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1980 bis 1990 sprechen zudem die Aufzeichnungen des
Klägers in seinen Arbeitsbüchern. Die Blätter 420, 422, 425, 427, 429, 432, 434, 436, 437, 439 und 440 eines der vorgelegten
Bücher enthalten Eintragungen zu Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1980 bis 1990. Zwar sind diese - wie dargelegt - nicht
ausreichend, entsprechende Zahlungen nachzuweisen. Zur Glaubhaftmachung können persönliche Aufzeichnungen des Klägers jedoch
grundsätzlich - neben anderen Indizien - herangezogen werden. Hierzu gab die Zeugin V... an, sie habe sich mit dem Kläger
einen Arbeitsraum geteilt, weshalb sie aus eigener Erinnerung heraus bestätigen könne, dass er täglich ein Arbeitsbuch geführt
und in diesem "alle firmenbezogenen Daten" registriert habe. Auch der Zeuge J... gab an, der Kläger sei einer der akribischsten
Mitarbeiter gewesen und seine Arbeitsbücher hätten umfangreiche Daten erfasst, die er manchmal mit seinem Kürzel "J..." abgezeichnet
habe.
b)
Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte der Kläger - da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang (vgl. hierzu
die Ausführungen unter 1. a) aa)) - nicht nachweisen. Die konkrete Höhe der an ihn ausbezahlten Beträge konnte er jedoch für
die Zuflussjahre 1980 bis 1990 glaubhaft machen. Soweit er die Höhe für die Jahre 1970 bis 1979 nicht glaubhaft machen konnte,
macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
aa) Die Höhe der Prämien ist für die Zuflussjahre 1980 bis 1990 nach den o.a. Grundsätzen durch die Eintragungen in seinem
Arbeitsbuch glaubhaft gemacht. Dort ist im Abschnitt für das jeweilige Jahr hinter dem Kürzel "J..." ein bestimmter Betrag
aufgeführt, was zumindest die gute Möglichkeit beinhaltet, dass der Kläger damit die in diesem Jahr erhaltene Prämie vermerkt
hat. Auch die hierzu oftmals vermerkten Prozentzahlen, die zwischen 80,5 und 98,6 von Hundert schwanken und damit einem knappen
Durchschnittsmonatsgehalt entsprechen, sprechen für die Annahme, dass es sich um geleistete Jahresendprämien handelt, weil
dies der Höhe nach auch in etwa den Angaben des Zeugen J... entspricht. Da die Eintragung in dem Zuflussjahr 1986 geringfügig
von der Angabe des Klägers abweicht (1069 statt 1070 Mark), ist der eingetragene Betrag zugrunde zu legen. Danach sind die
vom Kläger glaubhaft gemachten Prämienzahlungen für das Jahr ihres Zuflusses zugrunde zu legen und hiervon jeweils ein Abzug
von einem Sechstel vorzunehmen, § 6 Abs. 6 AAÜG. Jahresendprämien sind somit wie folgt zu berücksichtigen.
Anspruchsjahr
|
glaubhaft gemachte JEP in Mark
|
davon 5/6 in Mark
|
Zuflussjahr
|
1979
|
1080
|
900
|
1980
|
1980
|
1060
|
883,33
|
1981
|
1981
|
1040
|
866,67
|
1982
|
1982
|
935
|
779,17
|
1983
|
1983
|
935
|
779,17
|
1984
|
1984
|
1060
|
883,33
|
1985
|
1985
|
1069
|
890,83
|
1986
|
1986
|
1140
|
950
|
1987
|
1987
|
1090
|
908,33
|
1988
|
1988
|
1130
|
941,67
|
1989
|
1989
|
1120
|
933,33
|
1990
|
bb) Für die (Zufluss-)Jahre 1970 bis 1979 ist eine Glaubhaftmachung indes nicht gelungen. Weder den Erklärungen der Zeugen
noch denen des Klägers selbst konnte die Höhe der Jahresendprämien entnommen werden. Die Zeugin V... und Dr. H... konnten
hierzu keinerlei Angaben machen und der Zeuge J... gab an, die Höhe habe zwischen 101 und 105 von Hundert eines Monatsgehalts
betragen. Bereits daraus wird ersichtlich, dass die Höhe jährlich differierte, weshalb diese Angaben nicht zugrunde gelegt
werden können. Auch besitzt der Kläger keinerlei Aufzeichnungen zur Höhe dieser Jahresendprämien. Seine Angaben hierzu beruhen
allenfalls auf seiner nicht belastbaren Erinnerung, wonach die Höhe der Jahresendprämien in den (Zufluss-)Jahren 1970 bis
1976 jeweils 105 von Hudnert, im Jahr 1977 104 von Hundert, im Jahr 1978 102 von Hundert, im Jahr 1978 101 von Hundert und
im Jahr 1979 101 von Hundert des monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes betragen haben soll. Dies ist bereits deshalb
nicht als wahrscheinlich im Sinne "einer guten Möglichkeit" anzusehen, weil die von ihm durch eigene Aufzeichnungen für die
Jahre 1980 bis 1990 glaubhaft gemachten Höhen hiervon wesentlich (nach unten) abweichen. Danach betrug die Höhe der Jahresendprämien
jeweils lediglich zwischen 80 und 100 von Hundert des monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes.
Hinsichtlich dieser Jahre macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach §
202 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §§
287 Abs.
2 und Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 - L 5 RS 462/13 - und vom 12. Mai 2015 - L RS 382/14). Gemäß §
287 Abs.
1 Satz 1 Alt. 2
ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes
Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen
Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig
ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung
des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es
sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit.
Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet.
Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen
Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold
in Thomas/Putzo,
Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage
für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl.
§ 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden
Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der jeweils im Planungsjahr erzielte durchschnittliche
Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2006 ergibt. Diese
Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen
festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an
den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO
1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem
Wert ist ein Abschlag von 30 von Hundert vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie
von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt
der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie
(nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR
bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden
oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter
nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung.
Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets
100 von Hundert oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist
ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger bereits den Zufluss der Jahresendprämie
lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten,
wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.
Hieraus ergeben sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämien:
Anspruchsjahr
|
Jahresarbeits-verdienst in Mark
|
Monatsdurch-schnittsverdienst
|
70vH
|
5/6
|
Zuflussjahr
|
1969
|
2960
|
246,67
|
172,67
|
143,89
|
1970
|
1970
|
10328,3
|
860,69
|
602,48
|
502,07
|
1971
|
1971
|
11020
|
918,33
|
642,83
|
535,69
|
1972
|
1972
|
11520
|
960,00
|
672,00
|
560,00
|
1973
|
1973
|
11520
|
960,00
|
672,00
|
560,00
|
1974
|
1974
|
11520
|
960,00
|
672,00
|
560,00
|
1975
|
1975
|
11520
|
960,00
|
672,00
|
560,00
|
1976
|
1976
|
11033,5
|
919,46
|
643,62
|
536,35
|
1977
|
1977
|
12960
|
1080,00
|
756,00
|
630,00
|
1978
|
1978
|
13046,7
|
1087,23
|
761,06
|
634,21
|
1979
|
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG. Da der Kläger die Berufung teilweise erst in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, hat die Beklagte seine notwendigen
außergerichtlichen Kosten lediglich in Höhe von 70 von Hundert zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.