Anspruch auf Asylbewerberleistungen
Verfassungswidrigkeit der Einbeziehung von Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in den Kreis der Leistungsberechtigten gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG und von § 2 Abs. 1 S. 1 AsylbLG
Tatbestand:
Der 1966 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 9. Dezember 2003 illegal
in das Bundesgebiet ein. Am Tag darauf, am 10. Dezember 2003, beantragte er beim damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (Bundesamt), ihm Asyl zu gewähren. Für das Verfahren verwendete er einen falschen Namen und gab einen unrichtigen
Geburtsort an. Zur Durchführung des Asylverfahrens erhielt er eine Aufenthaltsgestattung. Durch die Zentrale Ausländerbehörde
(ZAB) wurde der Kläger der Beklagten zugewiesen (Bescheid vom 12. Januar 2004), die ihm vom 14. Januar 2004 an Grundleistungen
nach §
3 Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) gewährte.
Während seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 12. Januar 2004 hatte der Kläger erläutert, verheiratet zu sein und mit seiner
Ehefrau für fünf gemeinsame minderjährige Kinder gesorgt zu haben. In seinem Dorf sei er der größte Landbesitzer gewesen und
habe Arbeiter beschäftigt. Da er eine bestimmte politische Partei nicht unterstützen wollte, sei er von der Polizei verfolgt
worden, weshalb er Pakistan verlassen habe, um sich in Europa in Sicherheit eine neue Existenz aufzubauen. Unterdessen bewirtschafte
seine Ehefrau die landwirtschaftlichen Flächen während seiner Abwesenheit. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers
ab (Bescheid vom 15. April 2004). Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik
Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen. Ansonsten werde er nach Pakistan abgeschoben. Die daraufhin erhobene Klage
wies das Verwaltungsgericht L. ab (Urteil vom 22. März 2005 - A 7 K 30300/04). Die Rechtskraft trat am 2. Juni 2005 ein. Die Abschiebungsandrohung war vollziehbar seit dem 4. Juli 2005. Der Aufenthalt
des Klägers im Bundesgebiet wurde fortan geduldet, weil er nicht über die zur Rückreise notwendigen Identitätspapiere verfügte.
Mit Schreiben vom 6. November 2007 informierte die örtliche Ausländerbehörde darüber, dass der Kläger bei der Passbeschaffung
nicht mitgewirkt habe. Die entsprechende Aufforderung erfolgte seitens der ZAB mit Bescheid vom 2. September 2005. Auf die
Mahnschreiben vom 17. Oktober 2006 und vom 12. September 2007 reagierte der Kläger nicht. Deshalb verfügte die Beklagte die
Ausweisung des Klägers mit Bescheid vom 10. Januar 2008. Weil er an einer Lungentuberkulose erkrankte, wurde der Kläger am
26. Februar 2008 im Fachkrankenhaus C ... stationär behandelt bis zum 18. März 2008. In der Folge waren häufiger Notfalleinsätze
wegen Luftnot aufgrund asthmatischer Beschwerden zu verzeichnen.
Am 10. August 2009 wurde die Tochter des Klägers geboren. Sie verfügt über die deutsche Staatsangehörigkeit, da ihre Mutter
Deutsche ist. Mutter und Tochter bezogen sodann Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seine Vaterschaft hatte der Kläger bereits am 20. Januar 2009 gegenüber der Beklagten anerkannt. Am 17. März 2009 beantragte
er sodann, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 23. März
2009 nochmals dazu auf, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Schließlich teilte die örtliche Ausländerbehörde mit Schreiben
vom 6. Oktober 2009 mit, dass der Kläger seine Identität nunmehr durch Vorlage des am 29. September 2009 ausgestellten Reisepasses
nachgewiesen habe. Bis dahin habe er einen falschen Namen benutzt. Am 17. August 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Vom 26. August 2010 bis zum 7. Oktober 2010 hielt sich der Kläger in Pakistan auf.
Der Kläger beantragte am 28. Juni 2011 bei der Beklagten, ihm Leistungen nach §
2 AsylbLG (analog der Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII]) zu gewähren. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 26. September 2011). Der Kläger habe die Dauer
seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, da er bis zum 6. Oktober 2009 unter falschem Namen unter Angabe
eines unrichtigen Geburtsorts in Deutschland gelebt habe. An der Passbeschaffung habe er zunächst nicht mitgewirkt, weshalb
er bis Oktober 2009 nur eingeschränkte Leistungen nach §
1a AsylbLG erhalten habe. Der Kläger sei daher dauerhaft von sogenannten "Analogleistungen" ausgeschlossen. Ab dem 1. November 2011
stellte die Beklagte die Leistungen nach dem
AsylbLG ein, da der Kläger mit seiner Tochter Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) erhielt.
In seinem Widerspruch vom 21. Oktober 2011 gegen den Ablehnungsbescheid vom 26. September 2011 führte der Kläger aus, er habe
Anspruch auf Leistungen nach §
2 AsylbLG, da er die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst habe. Die Geburt seiner Tochter mit deutscher
Staatsangehörigkeit verdränge ein gegebenenfalls vorwerfbares Verhalten. Die Beklagte hielt an ihrer Rechtsansicht fest und
erließ den Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2012.
Am 31. Januar 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Bescheide über die Bewilligung von Grundleistungen nach §
3 AsylbLG vom 13. Oktober 2009, 12. November 2009, 8. März 2010, 18. Mai 2010, 21. Mai 2010, 1. August 2010 (tatsächlich datiert der
Bescheid vom 27. Juli 2010) und 18. April 2011 zu überprüfen. Die Dauer seines Aufenthalts habe er nicht rechtsmissbräuchlich
beeinflusst. Aufgrund der Lungenerkrankung habe er nicht zur Pakistanischen Botschaft reisen können, um den angeforderten
Pass zu beschaffen. Wegen der Geburt seiner Tochter komme es darauf allerdings nicht an.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Überprüfungsbescheid vom 23. Mai 2012, Widerspruchsbescheid vom 24.September 2012). Der
Kläger habe das Asylverfahren unter falschen Namen betrieben und bis zur Geburt seiner Tochter nicht bei der Passbeschaffung
mitgewirkt. Deshalb sei er trotz vollziehbarer Ausreisepflicht im Bundegebiet verblieben, obwohl ihm die Ausreise tatsächlich
und rechtlich zuzumuten gewesen sei. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien wegen der ungeklärten Identität des Klägers ebenfalls
nicht möglich gewesen. Dieses Verhalten sei rechtsmissbräuchlich und habe die Dauer des Aufenthalts des Klägers beeinflusst
(Bezug auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R). Die Lungenerkrankung bestreite die Beklagte
nicht. Allerdings habe sich die Krankheit erst im Jahr 2008 verschlimmert. Zuvor sei nur für den 30. und 31. März 2006 eine
Arbeitsunfähigkeit vermerkt im Zuge einer gemeinnützigen Tätigkeit des Klägers. Die Geburt seiner (deutschen) Tochter ändere
nichts an der Einschätzung des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Denn zu beurteilen sei diesbezüglich das Verhalten des Asylbewerbers
während seines gesamten Aufenthalts in Deutschland. Wegen der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer sei
der Kläger nunmehr dauerhaft von Leistungen nach §
2 AsylbLG ausgeschlossen.
Mit der am 27. September 2012 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt,
im Wege der Überprüfung der von Oktober 2009 bis April 2011 ergangenen Bescheide Leistungen nach §
2 AsylbLG zu erlangen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. Mai 2014). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen
nach §
2 AsylbLG für die Zeit vom 10. August 2009 bis zum 27. Juni 2011, da er die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich beeinflusst
habe, indem er sein Asylverfahren unter falschem Namen und unrichtiger Angabe des Geburtsorts geführt habe. Zudem sei er der
Aufforderung der Ausländerbehörde zur Passbeschaffung trotz mehrfacher Mahnungen zunächst nicht nachgekommen. Jedenfalls bis
Ende 2007 sei nicht ersichtlich, dass der Kläger reiseunfähig gewesen sein könnte. Wegen des fehlenden Passes sei er schließlich
seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Die Geburt seiner Tochter im Jahr 2009 ändere daran nichts. Vielmehr dürften Leistungen
nach §
2 AsylbLG bereits dann nicht (mehr) gewährt werden, sofern überhaupt irgendwann die Aufenthaltsdauer rechtsmissbräuchlich beeinflusst
worden sei; erforderlich sei demgegenüber nicht, dass ein solches Verhalten noch andauere. Auf höhere Leistungen gemäß §
3 AsylbLG nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (Az.: 1 BvL 10/10 u.a.) habe der Kläger keinen Anspruch, da die Bescheide für Leistungszeiträume seit dem 1. Januar 2011 bestandskräftig seien.
Gegen das ihm am 4. Juni 2014 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 5. Juni 2014 beim Sächsischen Landessozialgericht
eingelegten Berufung. Der Kläger meint nach wie vor, dass die Geburt seiner Tochter sein rechtsmissbräuchliches Verhalten
verdrängt habe und verweist diesbezüglich auf den Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22. Februar 2011 (Az.: L 8 AY
62/10 B ER). Zu berücksichtigen sei ferner, dass sich der Aufenthaltsstatus des Klägers mit der Geburt der Tochter verfestigt
habe (Bezug auf BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2014 sowie den Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2012 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2012 aufzuheben und diese zu verpflichten, die Entscheidungen über die
Bewilligung von Grundleistungen nach §
3 AsylbLG vom 13. Oktober 2009, 12. November 2009, 8. März 2010, 18. Mai 2010, 21. Mai 2010, 1. August 2010 und 18. April 2011 insoweit
zurückzunehmen, dass dem Kläger für die Zeit vom 10. August 2009 bis zum 27. Juni 2011 Leistungen nach §
2 AsylbLG gewährt werden,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Da sich der Kläger weitestgehend allein um seine Tochter kümmerte, verpflichtete das Verwaltungsgericht L. die Beklagte dazu,
die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, ohne dass es der vorherigen Ausreise bedurfte (Urteil vom 19. Dezember 2013
- 3 K 1174/12). Am 28. Februar 2014 wurde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG erteilt. Die Tochter hält sich seit Sommer 2014 bei der Familie des Klägers in Pakistan auf. Der Kläger selbst reiste Anfang
Juni 2015 in sein Herkunftsland aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene
Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unzulässig und unbegründet. Nachdem der Kläger
im Jahr 2015 nach Pakistan ausgereist ist, sind mögliche Ansprüche nach dem
AsylbLG erloschen. Damit ist das Rechtschutzbedürfnis entfallen. Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu
ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtschutzbedürfnis voraus. Diese Sachentscheidungsvoraussetzung
begründet sich aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§
242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Prozessuale
Rechte dürfen nicht zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats missbraucht werden (Bundessozialgericht
[BSG], Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 35/12 R - SozR 4-1500 § 54 Nr. 28). Die Prozessvoraussetzungen sind in jeder Instanz zu prüfen. Sie müssen im Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung vorliegen. Ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen, darf nicht offengelassen werden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, Vor §
51 Rn. 20).
Der Sache nach ist die Berufung unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn dem Kläger steht der
im Rahmen des Überprüfungsverfahrens erhobene Anspruch auf Leistungen nach §
2 AsylbLG für die Zeit vom 10. August 2009 bis zum 27. Juni 2011 nicht zu, da er das Bundesgebiet verlassen hat und damit nicht mehr
leistungsberechtigt ist nach §
1 Abs.
1 AsylbLG. Allerdings bestehen nach der Ansicht des Senats verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Einbeziehung von Inhabern
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in den Kreis der Leistungsberechtigten gemäß §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG, da bei diesen Personen von einem verfestigten Aufenthaltsstatus auszugehen ist. Ebenso dürfte §
2 Abs.
1 Satz 1
AsylbLG gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verstoßen, da Leistungsberechtigte, die die Dauer ihres Aufenthalts
im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, unbegrenzt von sogenannten "Analogleistungen" ausgeschlossen
bleiben.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2012
(§
95 SGG), nachdem die Beklagte im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
AsylbLG in Verbindung mit § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) höhere Leistungen abgelehnt hat. Richtige Klageart ist damit die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage
(BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rn. 9). Mit der Verpflichtungsklage begehrt der Kläger die Abänderung der
bestandskräftigen Bescheide der Beklagten vom 13. Oktober 2009, 12. November 2009, 8. März 2010, 18. Mai 2010, 21. Mai 2010,
27. Juli 2010 (ergangen für August 2010) und 18. April 2011.
Nach §
9 Abs.
4 AsylbLG in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht
erhoben worden sind. Die Beklagte ist vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Sie hat auch das Recht richtig angewandt.
Der Kläger war als Inhaber einer Duldung während des streitgegenständlichen Zeitraums bis zum 16. August 2010 zunächst leistungsberechtigt
nach §
1 Abs.
1 Nr.
4 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 24. September 2008
(BGBl. I, S. 1856), gültig vom 1. Januar 2009 bis zum 25. November 2011. Anschließend war er leistungsberechtigt nach §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG a.F., weil er vom 17. August 2010 an Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG gewesen ist.
Mit den in §
1 Abs.
1 AsylbLG einleitenden Worten "Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz" wird der Rechtsgrund für die Hilfeleistungen an die von §
1 Abs.
1 AsylbLG erfassten Personengruppen bestimmt. Dieser liegt - wie sich aus §
9 Abs.
1 AsylbLG und § 23 Abs. 2 SGB XII ergibt - allein im
AsylbLG. Solange Ausländer aufgrund ihres formalen Aufenthaltsstatus einem der in §
1 Abs.
1 Nr.
1 bis 7
AsylbLG genannten Personengruppen zuzuordnen sind, also keinen anderen Aufenthaltsstatus als einen der darin aufgeführten besitzen,
nicht dem Anwendungsbereich des §
1 Abs.
2 AsylbLG oder §
1 Abs.
4 Satz 1
AsylbLG unterfallen und ihre Leistungsberechtigung nicht nach §
1 Abs.
3 AsylbLG beendet ist, sind sie allein nach dem
AsylbLG leistungsberechtigt und haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 1/11 R - juris Rn. 14). Denn Sinn und Zweck des Gesetzes ist es allein, Ausländern
mit dem erwähnten formalen Aufenthaltsstatus geringere Leistungen zur Existenzsicherung zu gewähren, als dies nach dem SGB II oder SGB XII geschehen würde.
Der Kreis der Leistungsberechtigten soll grundsätzlich all diejenigen Ausländer zusammenfassen, die sich typischerweise nur
vorübergehend - also ohne oder noch nicht verfestigten ausländerrechtlichen Status - im Bundesgebiet aufhalten (Hohm in: GK-
AsylbLG, Stand: Januar 2020, §
1 Rn. 22). Daher wird das
AsylbLG als ein die existenzsichernden Leistungen für Drittstaatsangehörige einschränkendes Sondergesetz bezeichnet (LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 30. Mai 2019 - L 20 AY 15/19 B ER - juris Rn. 29). Der Kläger hatte jedoch keinen Anspruch auf Leistungen nach
§
2 Abs.
1 AsylbLG a.F., da er die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hatte. Eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer
im Sinne dieser Vorschrift liegt bereits dann vor, wenn bei generell-abstrakter Betrachtungsweise das rechtsmissbräuchliche
Verhalten typischerweise die Aufenthaltsdauer verlängern kann, es sei denn, eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers
hätte unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht vollzogen
werden können (BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 - B 8 AY 1/08 R - juris Rn. 12; Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 43).
Der Kläger hat sich rechtsmissbräuchlich verhalten, in dem er während des Asylverfahrens einen falschen Namen verwendete und
einen unrichtigen Geburtsort bezeichnete sowie trotz entsprechender Aufforderung durch die Ausländerbehörde mit nachfolgenden
Mahnungen an der Passbeschaffung entgegen seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 3 AufenthG nicht mitgewirkt hatte. Seine Aufenthaltsdauer hat sich dadurch verlängert, da er ohne Pass weder freiwillig ausreisen konnte
noch aufenthaltsbeendende Maßnahmen möglich gewesen sind. Das Sozialgericht hat zutreffend dargestellt, dass der Kläger jedenfalls
bis Ende 2007 gesundheitlich dazu in der Lage gewesen ist, in sein Heimatland auszureisen. Im Jahr 2006 waren lediglich zwei
Tage mit Arbeitsunfähigkeit zu verzeichnen. Der längere stationäre Krankenhausaufenthalt erfolgte im Jahr 2008.
Der Senat geht allerdings davon aus, dass es dem Kläger durchweg möglich gewesen ist, auszureisen. Denn nach Erteilung der
Aufenthaltserlaubnis hat sich der Kläger sogleich für einen mehrwöchigen Aufenthalt nach Pakistan begeben. Gesundheitliche
Beeinträchtigungen hat er nicht mitgeteilt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Erst die Geburt seiner Tochter im August
2009 lässt sich als Ausreisehindernis unabhängig vom Verhalten des Klägers bewerten. Für das ausnahmsweise Entfallen der kausalen
Verknüpfung zwischen dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten und der Beeinflussung der Aufenthaltsdauer (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen,
Beschluss vom 22. Februar 2011 - L 8 AY 62/10 B ER - juris Rn. 14) besteht jedenfalls im Falle des Klägers, wohl aber auch
nach der eindeutigen Formulierung des Gesetzes kein Anhalt. Nachdem der Kläger somit die Voraussetzungen des §
2 Abs.
1 AsylbLG nicht mehr erfüllen konnte, war er - worauf die Beklagte richtig hingewiesen hat - dauerhaft von Analogleistungen ausgeschlossen.
Aus der Anwendung des §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG in Verbindung mit §
2 Abs.
1 Satz 1
AsylbLG ergeben sich jedoch die erwähnten verfassungsrechtlichen Probleme mit Blick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums
aus Art.
1 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG.
Nach §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG a.F. sind Ausländer leistungsberechtigt, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die wegen des Krieges in ihrem
Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 AufenthG oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a oder Abs. 5 AufenthG besitzen, ohne dass ihnen für die betreffende Zeit ein anderer Aufenthaltstitel als einer der in §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG a.F. bezeichneten Aufenthaltserlaubnisse mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist (§
1 Abs.
2 AsylbLG a.F.).Nach der Ansicht des BSG haben die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ebenso wie die weiteren humanitären Aufenthaltstitel im Sinne von §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG a.F. statusbegründende Wirkung für die Zuordnung zum Existenzsicherungssystem des
AsylbLG und damit für den Leistungsausschluss nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in dem Sinne, dass den Sozialleistungsträgern eine eigenständige Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage verwehrt
ist.
Denn soweit es dazu auf den "Besitz" einer solchen Aufenthaltserlaubnis (§
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG a.F.) bzw. darauf ankommt, dass ein entsprechender Aufenthaltstitel erteilt worden ist (§
1 Abs.
2 AsylbLG) ist für zusätzliche Entscheidungen der Leistungsträger zum AufenthG schon sprachlich kein Raum. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber mit dieser Wortwahl der im Sozialrecht verbreiteten Regelungsmethode,
dem Besitz der jeweiligen Erlaubnis oder Entscheidung Tatbestandswirkung für den betreffenden Sozialleistungsanspruch derart
beizumessen, dass er für Behörden und auch Gerichte ohne Rücksicht auf die materielle Richtigkeit bindende Wirkung entfaltet
(BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 8/13 R - juris Rn. 12; vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 27. Februar 2019 - B 7 AY 1/17 R - SGb 2020, 53, 57 [Rn. 26]).
Dem Kläger wurde aufgrund der Geburt seiner Tochter eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. § 25 Abs. 5 AufenthG betrifft Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, die aber dennoch unverschuldet aus rechtlichen oder tatsächlichen
Gründen nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können. Unter 2Ausreise" im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise
Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen. Eine freiwillige Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich,
wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die die Ausreise ausschließen (darunter das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere
oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. derartige Hindernisse können sich
sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht
(etwa mit Blick auf Art.
6 Abs.
1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK]) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten (vgl. Bundesverwaltungsgericht
[BVerwG], Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14/05 - juris Rn. 15, 17).
Im Falle des Klägers ist das "Nichtverschulden" in Ansehung der Ausführungen zur rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der
Aufenthaltsdauer allein darauf zurückzuführen, dass er als Vater eines Kindes bis zum Eintritt der Volljährigkeit die elterliche
Sorge ausüben durfte und zugleich ein Anspruch des Kindes auf Umgang mit seinem Vater bestand. Dies ergibt sich aus Art.
6 Abs.
1 GG sowie Art. 8 der EMRK. Diese Normen schützen das Familien- wie auch das Privatleben. Beim Familienleben wird im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG insbesondere die Beziehung von Eltern und minderjährigen Kindern und damit auch die Vater-Kind-Beziehung geschützt (Marx,
Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl. 2017, § 5 Rn. 79). Bereits die nichteheliche Vaterschaft eines Ausländers
hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen kann einen Umstand darstellen, der unter dem Aspekt
des Schutzes der Familie nach Art.
6 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) in Verbindung mit Art.
6 Abs.
2 GG und der Pflicht des Staates, sich gemäß Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG in Verbindung mit Art.
1 Abs.
1 GG schützend und fördernd vor den nasciturus zu stellen, aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen entfaltet mit der Folge, dass Abschiebungen
unmöglich werden (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 2. Oktober 2009 - 3 B 482/09 - juris Rn. 5).
Vor diesem Hintergrund war mit der Geburt der Tochter abzusehen, dass dem Kläger ein verfestigtes Bleiberecht in Deutschland
zustehen würde. Diese Wertung gilt allerdings für alle Ausländer, die ein gemeinsames Kind mit deutschen Staatsangehörigen
aufziehen. Sie sind als "faktische Inländer" anzusehen. Dabei handelt es sich um eine Personengruppe, die unproblematisch
identifiziert werden kann. Ihre Zuordnung zu den Leistungsberechtigten nach §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG erscheint auch in der aktuellen Gesetzesfassung (hier: Buchst. c) fragwürdig.
Das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen
Voraussetzungen, die für seine physische Existenz und von einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen
und politischen Leben unerlässlich sind. Das Sozialstaatsgebot erteilt demnach dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges
Existenzminimum zu sichern und hält den Gesetzgeber dazu an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick
auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei
den unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Höhe des Existenzminimums verbunden sind. Da die Zuerkennung eines gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums zugleich verbunden ist mit einer reduzierten gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. Rothkegel, ZfSH/SGB
2010, 137), äußert sich diese im ersten Schritt in einer Evidenzkontrolle und in einem zweiten Prüfungsschritt in einer Verfahrens-
und nicht in einer Inhaltskontrolle. Die gesetzlich vorgesehenen Leistungen müssen nachvollziehbar sein auf der Grundlage
verlässlicher Zahlen und eines schlüssigen Berechnungsverfahrens. Der Gesetzgeber unterliegt einem Transparenzgebot; demnach
hat dieser die eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (Voßkuhle, SGb 2011, 185). Im existentiellen Kernbereich des menschlichen Existenzminimums besteht der prozedurale Kerngehalt des Grundrechts in der
Überprüfung, ob verfahrensmäßige Vorgaben durch den Gesetzgeber eingehalten worden sind. Dem gemäß hat der Gesetzgeber alle
existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf
zu bemessen. Das gefundene Ergebnis bedarf einer fortwährenden Überprüfung und Weiterentwicklung, insbesondere, wenn Festbeträge
vorgesehen sind (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - juris Rn. 139, 140).
Mit Urteil vom 18. Juli 2012 (Az.: 1 BvL 10/10 u.a.) hat das BVerfG dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum weitere Konturen verliehen. Dieses Grundrecht
steht demnach deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen
zu. Will der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen
berücksichtigen, so darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus
differenzieren. Eine Differenzierung ist nur insofern möglich, als deren Bedarf von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht
und die folgerichtig und transparent anhand des tatsächlichen Bedarfs belegt werden kann (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012
- 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 73). Ob und in welchem Umfang der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem
Aufenthaltsrecht in Deutschland gesetzlich abweichend von dem gesetzlich bestimmten Bedarf anderer Hilfebedürftiger bestimmt
werden kann, hängt allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern
mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob
durch die Kürze des Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert werden, die typischerweise gerade unter den Bedingungen
eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfallen. Auch hier kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung
der tatsächlichen Verhältnisse dieser Personengruppe wie auch die wertende Einschätzung ihres notwendigen Bedarfs umfasst,
aber nicht davon entbindet, das Existenzminimum hinsichtlich der konkreten Bedarfe zeit- und realitätsgerecht zu bestimmen
(BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 74).
Lassen sich tatsächlich spezifische Minderbedarfe bei einem nur kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt feststellen,
und will der Gesetzgeber die existenznotwendigen Leistungen für eine Personengruppe gesondert bestimmen, muss er sicherstellen,
dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig
nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Dies lässt sich zu Beginn des Aufenthalts nur anhand einer Prognose beurteilen.
Diese bemisst sich zwar nicht allein, aber auch am jeweiligen Aufenthaltsstatus. Dabei ist stets dessen Einbindung in die
tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Eine Beschränkung auf ein durch etwaige Minderbedarfe für Kurzaufenthalte geprägtes
Existenzminimum ist unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus und ohne Rücksicht auf die Berechtigung einer ursprünglich
gegenteiligen Prognose jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der tatsächliche Aufenthalt die Spanne eines Kurzaufenthalts
deutlich überschritten hat. Für diese Fälle ist ein zeitnaher, an den Gründen des unterschiedlichen Bedarfs orientierter Übergang
von den existenzsichernden Leistungen für Kurzaufenthalte zu den Normalfällen im Gesetz vorzusehen (BVerfG, Urteil vom 18.
Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 75, 76).
Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber jedenfalls bezogen auf die Gruppe der Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Abs. 5 AufenthG erhalten haben, weil sie mit einem deutschen Staatsangehörigen ein gemeinsames Kind aufziehen, offensichtlich nicht gerecht
geworden. Bei diesen Ausländern gestaltet sich der Aufenthalt regelmäßig nicht kurz, sondern bis zum Eintritt der Volljährigkeit
des Kindes über 18 Jahre. Bei diesem Personenkreis lässt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres davon sprechen, dass der Sache
nach kein verfestigtes Aufenthaltsrecht bestünde - auch wenn die gesetzgeberische Konzeption darauf abzielte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 24/07 R - juris Rn. 28). Anzumerken ist diesbezüglich, dass das BSG bei der Erfüllung der Vorbezugszeit im Falle der Gewährung von Analogleistungen davon ausgeht, dass eine "gewisse Verfestigung"
des Aufenthalts eingetreten sei (Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rn. 16) und annimmt, dass das
AsylbLG die Konzeption der nur begrenzten Integration verfolge. Demgemäß sollten für Ausländer weder Anreize für die Einreise noch
solche für ein Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen werden (BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 24/07 R - juris Rn. 31).
Das BVerfG geht demgegenüber davon aus, dass migrationspolitische Erwägungen von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards
unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen, da die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren
sei (Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 95).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber insoweit den gebotenen unverzüglichen Übergang zu den existenzsichernden Systemen
für Normalfälle nach dem SGB II oder SGB XII vorgesehen hätte. Nach der aktuellen Fassung des §
1 Abs.
1 Nr.
3 Buchst. c
AsylbLG müssen die Betroffenen 18 Monate von der Aussetzung der Abschiebung an warten. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung
für diese Wartefrist ist nicht ersichtlich (ebenso: Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, §
1 AsylbLG Rn. 43). Die Gegenansicht meint, dass erst nach Ablauf von 18 Monaten nach Aussetzung der Abschiebung typischerweise davon
auszugehen sei, der Aufenthalt des Ausländers sei nicht mehr nur vorübergehend (vgl. z.B. Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider,
SGB XII, 19. Aufl. 2015, §
1 AsylbLG Rn. 20).
Bereits aufgrund der Sachlage beim Kläger lässt sich zeigen, weshalb diese Annahme nicht zutrifft. Er hielt sich seit Dezember
2003 im Bundesgebiet auf. Die Abschiebungsandrohung erging im Juli 2005. Anschließend wurde der Aufenthalt des Klägers geduldet
bis August 2010. Ein über sieben Jahre andauernder Aufenthalt (davon fünf Jahre geduldet) ist nach der Ansicht des Senats
nicht mehr als nur "vorübergehend" bezeichnen, unabhängig davon, weshalb eine Ausreise unterblieben ist. Damit stellt sich
die Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Status der Duldung ein vorübergehender sei, in vielen Fällen als falsch heraus.
Ende Oktober 2009 lebten 58.500 geduldete Ausländer (63,5 Prozent der insgesamt Geduldeten) seit über sechs Jahren in Deutschland
(vgl. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., Stand: 18.11.2019, §
1 AsylbLG Rn. 19).
Die mit Blick auf das Menschenrecht aus Art.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG lang andauernde Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums wurde nach der während des streitgegenständlichen Zeitraums
erforderlichen Vorbezugszeit von Leistungen nach §
3 AsylbLG über 48 Monate auch nicht in jedem Fall dadurch gemildert, die sogenannten "Analogleistungen" nach §
2 Abs.
1 AsylbLG beziehen zu können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 24/07 R - juris Rn. 29). Zunächst ist anzumerken, dass die Betroffenen auch beim Bezug solcher Leistungen im System des
AsylbLG verblieben. In der aktuellen Fassung des §
1 Abs.
1 Nr.
3 Buchst. c
AsylbLG kommt ein Bezug von Leistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG wegen des Gleichlaufs der 18 Monate in beiden Vorschriften nicht in Betracht. Ein solcher Leistungsbezug ergibt sich aber
auch nicht in Fällen, in denen der Betroffene aufgrund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens die Dauer seines Aufenthalts selbst
beeinflusst haben sollte, wie es der Kläger getan hat. Dann besteht auf Dauer keine Möglichkeit, Analogleistungen zu erhalten
(ebenso: Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., Stand: 18.11.2019, §
1 AsylbLG Rn. 109). Es handelt sich um ein anspruchsausschließendes (rechtshinderndes) Tatbestandsmerkmal (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R; Cantzler,
AsylbLG, 2019, §
2 Rn. 28).
Auch dieser pauschale Leistungsausschluss erscheint verfassungsrechtlich bedenklich. Im Urteil vom 5. November 2019 hat das
BVerfG betont, dass der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
allen zusteht. Er ist dem Grunde nach unverfügbar und geht selbst durch vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren.
Die Menschenwürde kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind. Das Sozialstaatsprinzip
verlangt staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher
Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind. Diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums
ist auch durch die Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu relativieren (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 120). Das menschenwürdige Existenzminimum erstreckt sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel als einheitliche
Gewährleistung zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben.
Die Verankerung des Gewährleistungsrechts im Grundrecht des Art.
1 Abs.
1 GG bedeutet, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung (Art.
1 Abs.
3 GG) den Menschen nicht auf das schiere physische Überleben reduzieren dürfen, sondern mit der Würde mehr als die bloße Existenz
und damit auch die soziale Teilhabe als Mitglied der Gesellschaft gewährleistet wird. Es widerspräche dem nicht relativierbaren
Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum
normiert hat; insbesondere lässt sich die Gewährleistung aus Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG nicht in einen "Kernbereich" der physischen und einen "Randbereich" der sozialen Existenz aufspalten. Der Gesetzgeber kann
auch weder für einen internen Ausgleich noch zur Rechtfertigung einer Leistungsminderung auf die Summen verweisen, die in
der pauschalen Berechnung der Grundsicherungsleistungen für die soziokulturellen Bedarfe veranschlagt werden, denn die physische
und soziokulturelle Existenz werden durch Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG einheitlich geschützt (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 119).
Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie
weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im
Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags verpflichtet,
dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen (BVerfG,
Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 120). Zwar hat das BVerfG entschieden, dass Hilfebedürftige für Leistungszeiträume vor 2011 nicht deshalb höhere
Leistungen erhalten, weil die gesetzlichen Vorschriften über die Höhe der Grundleistungen mit dem
Grundgesetz unvereinbar gewesen sind (vgl. Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - juris Rn. 113). Der Kläger begehrt jedoch Leistungen nach §
2 AsylbLG, so dass die vom BVerfG angesprochene Fallgestaltung von dem Ausschluss nicht erfasst wird.
Zu berücksichtigen ist im Falle des Klägers, sofern Leistungen nachzuzahlen wären im Rahmen dieses Zugunstenverfahrens, dass
§ 116a SGB XII über §
9 Abs.
4 AsylbLG zumindest entsprechend heranzuziehen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 6/12 R; ebenso: Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, §
9 AsylbLG Rn. 20, 21). Die entsprechende Regelung wurde mit Gesetz zur Änderung des
Asylbewerberleistungsgesetzes und des
Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 (BGBl I, S. 2187) eingeführt und befindet sich in der aktuellen Fassung in §
9 Abs.
4 Satz 2 Nr.
2 AsylbLG. Ausgehend vom Überprüfungsantrag vom 31. Januar 2012 könnten Leistungen vom 1. Februar 2011 bis zum 27. Juni 2011 begehrt
werden. Darüber hinaus müsste der Kläger seine Bedürftigkeit ununterbrochen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten
Tatsacheninstanz nachweisen. Ist die Bedürftigkeit nur temporär oder auf Dauer entfallen, scheidet eine Nachzahlung in der
Regel aus (BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rn. 20).
Soweit ersichtlich, haben die für das Sozialhilfe- und Asylbewerberleistungsrecht zuständigen Senate des BSG an dieser Auffassung festgehalten, ohne den Überlegungen des 4. Senats im Urteil vom 4. April 2017 (Az.: B 4 AS 6/16 R) näher zu treten. Demnach kommt es für die Nachzahlung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zugunstenverfahren auf die bis zur letzten Tatsacheninstanz fortbestehende Hilfebedürftigkeit nicht an, da diese zusätzliche
Anspruchsvoraussetzung dem geltenden Recht nicht zu entnehmen sei. Der erkennende Senat verbleibt bei der Ansicht, dass die
nachträglich zu erbringende Asylbewerberleistung den Zweck der Existenzsicherung noch erfüllen muss. Die nicht ununterbrochen
fortbestehende Hilfebedürftigkeit steht demgemäß einem Anspruch auf die Rücknahme rechtswidrig zu geringer bestandskräftiger
Leistungsbewilligungen entgegen. Das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verlangt es nicht, dem früher einmal Hilfebedürftigen
eine Leistung zu gewähren, der er nicht mehr bedarf. Ausnahmen sind nur in Einzelfällen denkbar, wenn es schlechthin unbillig
wäre, wenn der Sozialhilfeträger wegen zwischenzeitlichen Bedarfswegfalls die Rücknahme der rechtswidrigen Ablehnung bzw.
die Zahlung zu Unrecht vorenthaltener Sozialhilfeleistungen verweigern dürfte. Mit dieser Auslegung des § 44 SGB X ist sichergestellt, dass die nachträglich zu erbringende Leistung nicht den Charakter einer Entschädigung erhält (BSG, Urteil vom 20. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - juris Rn. 15).
Demnach spricht viel dafür, dass der Kläger nach seiner Ausreise in sein pakistanisches Heimatdorf zurückgekehrt ist und dort
als größter Grundbesitzer seine landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaftet. Im Verfahren vor dem Familiensenat des OLG L.
hat der Kläger mitgeteilt, dass er bei seiner Familie in Pakistan lebe. Die Tochter werde dort von seiner Ehefrau erzogen
(Beschluss vom 27. März 2015 - 22 UF 176/15). Es ist daher davon auszugehen, dass keine Notlage mehr besteht. Der Vorsitzende hat den Prozessbevollmächtigten des Klägers
auf die erwähnte Rechtsprechung des BSG hingewiesen. Dieser geht unter Bezugnahme auf das zitierte Urteil des 4. Senats des BSG (Urteil vom 4. April 2017 - B 4 AS 6/16 R) davon aus, dass der nähere Vortrag zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers seit seiner Ausreise
entbehrlich sei. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl. dazu Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
103 Rn. 19a) nimmt der Senat vor diesem Hintergrund an, dass der Kläger nicht mehr bedürftig ist. Der Senat geht abschließend
davon aus, dass dem Kläger keine Leistungen nachzuzahlen sind. Die Gewährung von Leistungen nach dem
AsylbLG setzt den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet voraus (§
1 Abs.
1 AsylbLG). Ein Leistungsbezug aus dem Ausland ist damit ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelungen des
AsylbLG, welche die Existenzsicherung der Leistungsberechtigten bei einem - sei es nur vorübergehenden, sei es auch längerfristigen
(aber ohne Daueraufenthaltsrecht) - Aufenthalt im Bundesgebiet gewährleisten sollen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris Rn. 6 ff und Rn. 63), wobei die Höhe der Leistungen an die Dauer des Aufenthalts anknüpft. Dass die Leistungsgewährung
vom tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet abhängt, kommt augenscheinlich in der Regelung des §
3 Abs.
5 Satz 1
AsylbLG zum Ausdruck. Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen demnach dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten
Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Zudem bestimmt §
3 Abs.
5 Satz 3
AsylbLG, dass die Geldleistungen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden dürfen. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass
die bewilligten Leistungen ausschließlich zweckentsprechend zur Bedarfsdeckung während des Aufenthalts im Bundesgebiet Verwendung
finden. Soweit das Gesetz die Erbringung von Sachleistungen anstelle von Geldleistungen vorsieht, knüpft diese Leistungsart
ohnehin ihrer Natur nach unmittelbar an den Aufenthalt im Bundesgebiet an. Da die Leistungen nach dem
AsylbLG wie die der Sozialhilfe der Existenzsicherung dienen, müssen sie im Falle der nachträglichen Erbringung für einen zurückliegenden
Zeitraum noch dazu geeignet sein, den ihnen innewohnenden Zweck zu erfüllen. Es kommt daher maßgeblich darauf an, dass die
Bedürftigkeit - hier nach dem
AsylbLG - ununterbrochen bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz fortbesteht (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R; Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rn. 20). Daran fehlt es in Bezug
auf den Kläger, da die Leistungsberechtigung mit dem Verlassen des Bundesgebiets entfallen ist und der mit der Leistungsgewährung
verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werden kann (vgl. dazu SächsLSG, Beschluss vom 18. Februar 2020 - L 8 AY 2/20 B ER; Urteil
vom 6. Dezember 2017 - L 8 AY 9/17 - juris Rn. 19, 20). Der Senat teilt nicht die Ansicht des Hessischen LSG im Beschluss
vom 21. Dezember 2007 (Az.: L 6 AY 4/07 NZB). Demnach könnten Asylbewerber nach ihrer Ausreise die bis dahin geltend gemachten
Ansprüche weiter verfolgen. Denn nach der Ermittlung der neuen Anschrift im Ausland sei es möglich, Leistungen durch einen
Bevollmächtigten in Empfang zu nehmen und sodann durch diesen an die Betroffenen weiter zu leiten. Der Senat geht demgegenüber
davon aus, dass Leistungsansprüche nach dem
AsylbLG mit der Ausreise erlöschen. Es geht bei den Leistungen nach dem
AsylbLG nicht darum, die Existenz des Betroffenen überhaupt zu sichern, sondern nur, sofern einer der in §
1 Abs.
1 AsylbLG erwähnten Fallgestaltungen vorliegt. Diese knüpfen an den Aufenthaltsstatus und den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet
an. Die Leistungsberechtigung endet nach §
1 Abs.
3 AsylbLG mit der Ausreise. Die Ausreise hat nach § 60a Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wonach die Aussetzung der Abschiebung mit der Ausreise des Ausländers erlischt, auch das Ende des von §
1 Abs.
1 Nr.
4 AsylbLG geforderten Aufenthaltsstatus zur Folge. Unter Ausreise versteht das AufenthG das - auch nur vorübergehende - Verlassen der Bundesrepublik Deutschland durch Überschreiten der Grenze zum Nachbarstaat
im Sinne eines tatsächlichen Verlassens. Dies ergibt sich auch aus § 13 AufenthG, der den Grenzübertritt regelt und die Begriffe der Ein- und Ausreise lediglich an das Passieren der zugelassenen Grenzübergangsstellen
knüpft, während die Regelung über das Erlöschen von Aufenthaltstiteln - anders als in § 60a Abs. 5 AufenthG - deren Erlöschen zusätzlich von Grund oder Dauer der Ausreise abhängig macht. So erlischt nach § 51 Abs. 1 AufenthG der Aufenthaltstitel nur, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausreist (Nr. 6)
oder wenn der Ausländer ausreist und nicht innerhalb von sechs Wochen oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren
Frist wieder eingereist ist (Nr. 7). Deshalb sind für das Erlöschen einer Duldung nach § 60a Abs. 5 AufenthG durch den Grenzübertritt in einen Nachbarstaat weder die Dauer des Aufenthalts noch die mit der Ausreise verbundenen Motive
von Bedeutung. Angesichts der engen Verknüpfung zwischen dem AufenthG und dem
AsylbLG, insbesondere zwischen dem Aufenthaltsstatus und der Leistungsberechtigung, gilt für den Begriff der "Ausreise" in §
1 Abs.
3 AsylbLG grundsätzlich nichts anderes. Für eine funktionsdifferente Auslegung ist schon deshalb kein Raum, weil der Gesetzgeber in
§
1 Abs.
1 AsylbLG bewusst den Begriff des "tatsächlichen Aufenthalts" in der Bundesrepublik verwendet hat, dessen Kehrseite die Ausreise im
Sinne des Überschreitens der Grenze in ein Nachbarland ist, weil hierdurch der tatsächliche Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland - und sei es gegebenenfalls nur vorübergehend - endet (BSG, Urteil vom 24. März 2009 - B 8 AY 10/07 R - juris Rn. 15, 16). Das BSG hat zugleich ausgeführt, dass im Falle der Wiedereinreise ein neuer Leistungsfall nach dem
AsylbLG eintritt. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach §
2 AsylbLG müssen in einem solchen Fall erneut erfüllt werden, wobei dies insbesondere auch für die (seinerzeit) darin geregelte Vorbezugszeit
gilt, selbst wenn bereits Leistungen nach §
2 AsylbLG bezogen wurden (BSG, Urteil vom 24. März 2009 - B 8 AY 10/07 R - juris Rn. 17). Durch das normative Erfordernis des tatsächlichen Aufenthalts
von Ausländern im Bundesgebiet für die Gewährung von Leistungen nach dem
AsylbLG sind Ausländer, die sich außerhalb des Staatsgebietes der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, von Leistungen nach dem
AsylbLG ausgeschlossen. Relevant ist dies etwa für Ausländer, die ihre auf ungekürzte Leistungsbewilligung gerichtete Klage nach
erfolgter Abschiebung fortführen oder für Ausländer, die ihre Klage auf Verpflichtung des Leistungsträgers zur Verbescheidung
ihres Widerspruchs gegen die Ablehnung der Gewährung höherer Leistungen nach dem
AsylbLG nach erfolgter Abschiebung aufrechterhalten (Hohm in: GK-
AsylbLG, Stand: Januar 2020, §
1 Rn. 26). Da es nur auf das tatsächliche Verlassen des Bundesgebiets ankommt, sind die Motive oder Absichten des Ausländers
bei der Ausreise oder die Dauer seines Aufenthalts außerhalb des Bundesgebiets ohne Bedeutung. Unerheblich ist es daher auch,
ob der Ausländer mit Erlaubnis der Ausländerbehörden ausreist. Dafür spricht auch, dass kein Grund dafür ersichtlich ist,
weshalb der deutsche Staat dazu verpflichtet sein sollte, die Existenz eines Ausländers auf fremdem Staatsgebiet durch Sozialleistungen
sicherzustellen (Cantzler,
AsylbLG, 2019, §
1 Rn. 72). Vor diesem Hintergrund meint der erkennende Senat, dass dem Kläger nach seiner Ausreise trotz der aufgezeigten verfassungsrechtlichen
Bedenken keine Leistungen nach dem
AsylbLG mehr zustehen und im Falle seiner erneuten Einreise ein neuer Leistungsfall einträte. Die Berufung war deshalb nicht erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision hat der Senat wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG).