Prüfung der Berufsunfähigkeit nach Ausübung einer Tätigkeit als Unterhaltungskünstler
Soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs
Verweis auf das Mehrstufenschema des BSG
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der am ... 1956 geborene Kläger absolvierte ab September 1972 eine Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter, die er nach zwei Jahren
aus gesundheitlichen Gründen abbrach. Anschließend arbeitete er bis Ende 1997 als Glaserhelfer, Bühnenarbeiter, Lagerist,
Kirchenwart, Expedient, Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit, Arzthelfer und Missionsarbeiter. Zudem absolvierte er von April
1981 bis April 1984 eine dreijährige abgeschlossene Ausbildung zum Gartenbaufacharbeiter. Vom 01. Januar 1998 bis zum 30.
April 2003 war er arbeitslos. Ab 01. Mai 2003 machte er sich im Rahmen einer sogenannten Ich-AG selbständig. Dabei handelte
es sich um eine künstlerische Tätigkeit (Musik, Puppenspiel usw.). Während dieser Zeit war er pflichtversichert in der gesetzlichen
Rentenversicherung. Seit Anfang 2009 ist er nicht mehr berufstätig.
Am 02. Februar 2009 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte veranlasste
zunächst ein nervenärztliches und ein chirurgisches Gutachten. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. J.
stellte in ihrem Gutachten vom 17. März 2009 auf ihrem Fachgebiet folgende Diagnosen:
Restless Legs (unruhige Beine).
Insomnie (Schlaflosigkeit).
Akzentuierte Persönlichkeit.
Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit überwiegendem Stehen, Gehen oder Sitzen sechs Stunden und mehr
täglich verrichten. Der Facharzt f. Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. E. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 22. April
2009 Kreuzschmerzen. Er hielt den Kläger noch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Gehen, Stehen und Sitzen
sechs Stunden täglich leistungsfähig. Zu vermeiden seien ständiges schweres Heben und Tragen. Daraufhin lehnte die Beklagte
den Rentenantrag mit Bescheid vom 07. Mai 2009 ab, wogegen der Kläger am 04. Juni 2009 Widerspruch einlegte. Zur Begründung
führte er aus, seine wesentlichen Erkrankungen seien überhaupt nicht berücksichtigt worden. Er fügte etliche medizinische
Unterlagen bei, darunter eine Kurzepikrise über eine stationäre Behandlung im Fachklinikum für Neurologie, Psychiatrie und
Psychotherapie T. vom 25. bis 29. Mai 2009. Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für
Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 27. Oktober 2009 ein, dem die ausführliche Epikrise über die stationäre Behandlung vom
25. bis 29. Mai 2009 mit den Diagnosen schwere depressive Episode und Restless-Legs-Syndrom beigefügt war. Die Beklagte veranlasste
daraufhin eine weitere nervenärztliche Begutachtung. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. diagnostizierte in
seinem Gutachten vom 18. Januar 2010 eine akzentuierte Persönlichkeit sowie das bekannte Restless-Legs-Syndrom. Der Kläger
sei sowohl in Bezug auf seine letzte berufliche Tätigkeit als Unterhaltungskünstler als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vollschichtig einsetzbar. Gravierende Leistungseinschränkungen bestünden nicht. Sodann wies die Beklagte den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 19. April 2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 18. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht Stendal, seit 01. November 2010 in das Sozialgericht Magdeburg
(SG) eingegliedert, erhoben. Sein Hauptproblem sei seine akute und anhaltende Schlaflosigkeit bzw. das Restless-Legs-Syndrom
mit der nachweisbaren Tendenz der Verschlechterung.
Das SG hat zunächst Befundberichte eingeholt. Der Hausarzt des Klägers, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S., hat in seinem Bericht
vom 13. November 2010 folgende Diagnosen genannt: Insomnie, Restless-Legs-Syndrom, Allergische Reaktion (Atemwege) und Grübelzwang.
Der Kläger sei aus seiner Sicht in der Lage, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu
verrichten. Er weigere sich aber, auch kleinste Arbeiten zu übernehmen. In einem ergänzenden Schreiben vom 20. Februar 2011
hat er mitgeteilt, es übersteige seine Fachkompetenz, die Auswirkungen der Schlafstörung zu bewerten. Allerdings sei er davon
ausgegangen, dass auch ein schlecht Ausgeschlafener tagsüber kleine Verrichtungen im Ort gemeinnützig ausüben könne. Die Fachärztin
für HNO-Krankheiten Dipl.-Med. P. hat in ihrem Bericht vom 16. November 2010 die Diagnosen chronische Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung)
und Septumdeviation (Abweichung bzw. Verbiegung der Nasenscheidewand) gestellt. Aus HNO-ärztlicher Sicht bestünden keine Leistungseinschränkungen.
Die Ärztin für Innere Medizin Dr. J. hat im Befundbericht vom 24. November 2011 die Diagnosen Restless-Legs-Syndrom, depressives
Syndrom und Anpassungsstörung mit Somatisation genannt. Der Restless-Legs-Befund sei gebessert, die allgemeine psychische
Situation sei unverändert schlecht. Das Restless-Legs-Syndrom stelle keine so starke Einschränkung mehr dar, dass der Kläger
nicht noch einer leichten Tätigkeit nachgehen könne. Die Beeinträchtigung sei durch die sonstige Schlafstörung und das psychiatrische
Krankheitsbild hervorgerufen. Schließlich hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. in ihrem Befundbericht
vom 16. Dezember 2010 eingeschätzt, aufgrund des chronischen Schlafdefizits bei Restless-Legs-Syndrom und einer schweren depressiven
Episode mit Tagesmüdigkeit sei der Kläger nicht mehr in der Lage, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zu verrichten. In einem weiteren Bericht vom 14. April 2011 hat sie einen unveränderten Zustand beschrieben.
Das SG hat sodann ein Gutachten durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie St. veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten
vom 01. Juni 2012 in psychischer Hinsicht eine leichte depressive Symptomatik diagnostiziert. Der Kläger könne noch körperlich
mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sowie überwiegend im Sitzen, unter Vermeidung von Arbeiten in gebückter
Haltung und in Zwangshaltungen, ohne Wechselschicht, Akkord, Fließbandarbeit und Zeitdruck, mit geringer geistiger Belastung,
ohne Verantwortung für die Sicherheit anderer Personen unter Vermeidung von schwerem Heben und Tragen (über 10 kg) und unter
Vermeidung von Nachtschichttätigkeiten vollschichtig verrichten.
Anschließend hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2012 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne noch mindestens
sechs Stunden täglich mittelschwere Arbeiten verrichten. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Künstlers sei noch möglich.
Gegen den am 14. Dezember 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07. Januar 2013 Berufung beim SG eingelegt; das SG hat die Akten daraufhin dem Landessozialgericht vorgelegt. Der Kläger trägt ergänzend und vertiefend vor, der Gutachter H.
St. habe die erheblichen Auswirkungen des therapieresistenten Restless-Legs-Syndrom, insbesondere die Folgen des Schlafmangels,
nicht erkannt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Dezember 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07. Mai 2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Dezember 2012 zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. S. vom 11. Juni 2013 und Dr. G. vom 23. Juni 2013 eingeholt. Dr. G.
hat eine sechsstündige Leistungsfähigkeit verneint. Sie hat ausgeführt, aufgrund des Restless-Legs-Syndroms bestehe ein chronisches
Schlafdefizit. Wegen der ausgeprägten Tagesmüdigkeit und der depressiven Symptomatik sei die psychische Leistungsfähigkeit
deutlich eingeschränkt. Dr. S. hat dagegen die Auffassung vertreten, der Kläger könne jedenfalls noch leichte körperliche
Arbeiten sechs Stunden täglich verrichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und
Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des Senats
vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Der Berufungsschriftsatz ist zwar nicht unterschrieben. Allerdings greift
hier eine Ausnahme vom Unterschriftserfordernis ein. Denn der Berufungsschriftsatz ist mit Anlagen in einem Umschlag mit handschriftlicher
Angabe des Empfängers und des Absenders eingesandt worden. Er enthält zudem detaillierte Angaben zum Gegenstand des Rechtsstreits
(vgl. zur fehlenden Unterschrift auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2012, §
151 Rdnr. 5a).
Die zulässige Berufung ist aber unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 07. Mai 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19. April 2010 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§
157,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung noch auf eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Gemäß §
43 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist
derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die
jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
43 Abs.
3 Zweiter Halbsatz
SGB VI).
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger zumindest noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sowie
überwiegend im Sitzen, unter Vermeidung von Arbeiten in gebückter Haltung und in Zwangshaltungen, ohne Wechselschicht, Akkord,
Fließbandarbeit und Zeitdruck, mit geringer geistiger Belastung, ohne Verantwortung für die Sicherheit anderer unter Vermeidung
von schwerem Heben und Tragen (über 10 kg) und unter Vermeidung von Nachtschichttätigkeiten noch sechs Stunden und mehr täglich
leisten kann.
Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Urteilsbildung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Gutachter
D. J. (Gutachten vom 17. März 2009), Dr. E. (Gutachten vom 22. April 2009), Dr. W. (Gutachten vom 18. Januar 2010) und St.
(Gutachten vom 01. Juni 2012). Bei dem Kläger liegen insbesondere folgende Gesundheitsstörungen vor, die sein Leistungsvermögen
im Erwerbsleben beeinflussen:
Restless-Legs-Syndrom.
Insomnie (Schlaflosigkeit).
anhaltende, leichtgradige depressive Störung/Dysthymia.
Die eingeholten Gutachten haben, wie schon das SG, auch den Senat überzeugt. Die Lebensumstände des Klägers sprechen gegen ein rentenberechtigendes Absinken des Leistungsvermögens.
Er sieht sich in der Lage, seinen Ein-Personen-Haushalt vollständig selbst zu versorgen. Sein Alltag ist strukturiert, er
geht seinem künstlerischen Hobby mit regelmäßigem Üben auf mittelalterlichen und teils selbst gebauten Instrumenten nach.
Der Leistungseinschätzung der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. hat der Senat dagegen nicht folgen
können, da es keine belastbaren Anhaltspunkte für ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden gibt.
Im Ergebnis ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden
täglich ist der Kläger aber nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI.
II.
Ist der Kläger danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist er erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn dies
erfordert gemäß §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI, dass ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da der Kläger, wie dargelegt, noch mindestens
sechs Stunden täglich arbeiten kann, erfüllt er dieses Kriterium nicht.
Der Kläger ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil er wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder
einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
tätig sein könnte. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht nämlich noch für Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen,
leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten
aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44
SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris, Rdnr. 14 ff.).
Schließlich ist der Kläger auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Denn es besteht
kein Zweifel, dass der Kläger viermal täglich Fußwege von mehr als 500 Metern in jeweils weniger als 20 Minuten zurücklegen
und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen kann.
III.
Der Kläger erfüllt die medizinischen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit gemäß §
240 SGB VI ebenfalls nicht. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze
auch Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem ... 1961 geboren und berufsunfähig sind. Der Kläger
ist zwar vor dem ... 1961 geboren. Er ist aber nicht berufsunfähig (§
240 Abs.
2 SGB VI).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu prüfen, ob sie diesen
Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben können. Sind sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der
Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherten verwiesen werden
können (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1994 - 4 RA 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Urteil vom 16. November 2000 - B 13 RJ 79/99 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige
Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige,
die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985 - 4a RJ 53/84 - SozR 2200 § 1246 Nr. 130).
Bisheriger Beruf des Klägers in diesem Sinne ist dessen künstlerische Tätigkeit, die er zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt
hat. Es ist nicht erkennbar, dass er diese Tätigkeit mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen nicht noch mindestens sechs
Stunden täglich ausüben könnte. Damit ist er nicht berufsunfähig.
Aber selbst unterstellt, der Kläger könnte die letzte Tätigkeit als Unterhaltungskünstler aus gesundheitlichen Gründen nicht
mehr ausüben, läge keine Berufsunfähigkeit vor. Auf welche anderen Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen
und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - juris). Die soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs richtet sich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufs.
Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten Qualifikation normalerweise
erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten der im Verhältnis zum bisherigen
Beruf gleichen oder nächst niederen Stufe (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1991 - 5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17). Dabei werden folgende Stufen unterschieden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung
bis zu zwei Jahre (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikationen
oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion
gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung;
Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen
(Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht
(Stufe 6; zu diesen Stufen: BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des BSG wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren
Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten
und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten
zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs sowie
Ungelernten Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
SGB VI, §
240 Rdnr. 101, 102).
Für seine künstlerische Tätigkeit hat der Kläger keine spezielle Ausbildungs- oder Anlernphase durchlaufen. Vielmehr hat er
anscheinend sein Hobby für eine gewisse Zeit zum Beruf gemacht. Eine Zuordnung mindestens zur Gruppe der Angelernten des oberen
Bereichs kommt angesichts dessen nicht in Betracht. Deshalb muss auch keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden,
um Berufsunfähigkeit auszuschließen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1,
2 SGG bestehen nicht.