Gründe:
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100,00 EUR und gegen
die Auferlegung der durch ihr Nichterscheinen zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 1. November 2011 entstandenen
Kosten.
Die Klägerin begehrt in einem beim Sozialgericht Halle (SG) anhängigen Klageverfahren S 15 AS 1297/09 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende
(SGB II) für einen Zeitraum vom 1. März bis zum 31. August 2009. Für diesen Zeitraum bewilligte der beklagte Träger der Grundsicherungsleistungen
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II wegen der Notwendigkeit
einer aus medizinischen Gründen kostenaufwändigen Ernährung. Ein solcher Mehrbedarf war bei der Leistungsgewährung für vorangegangene
Bewilligungsabschnitte berücksichtigt worden. Die Klägerin erhob nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 20. März 2009 Klage
und führte zur Begründung aus: Sie sei chronisch an Diabetes mellitus erkrankt. Dies sei dem Leistungsträger bekannt und durch
fachärztliche Atteste nachgewiesen. Daraufhin habe sie (bisher) die Leistungen für den Mehrbedarf erhalten. Sie könne sich
nicht der Auffassung des Leistungsträgers anschließen, dass der Mehrbedarf bei ihr nach den neuen Empfehlungen des Deutschen
Vereins für öffentliche und private Fürsorge keine Berücksichtigung mehr finden solle. Der beklagte Leistungsträger übersandte
am 14. Mai 2009 die Leistungsakten und führte in einem Schreiben vom 3. Juni 2009 aus, die Klägerin habe keine nicht bereits
bekannten Gesichtspunkte vorgetragen. Daneben ist beim SG seit dem 9. September 2009 noch ein weiteres Klageverfahren der Klägerin mit dem Aktenzeichen S 15 AS 433/09 anhängig, in dem sie von dem Träger der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II die Übernahme der Kosten für eine Erstausstattung
ihrer Wohnung (einen Kleiderschrank) begehrt.
Am 30. August 2011 verfügte die beim SG zuständige Kammervorsitzende in dem Verfahren S 15 AS 1297/09 die Ladung der Klägerin zu einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts an und ordnete deren persönliches Erscheinen an.
In dem daraufhin gefertigten Ladungsschreiben vom 30. August 2011 erfolgte der Hinweis darauf, falls die Klägerin ohne genügende
Entschuldigung nicht erscheine, könnten ihr die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und zugleich könne ein
Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt werden. Dies unterbleibe, wenn die Klägerin glaubhaft mache, dass ihr die Ladung
nicht rechtzeitig zugegangen sei oder wenn ihr Ausbleiben vom Gericht als genügend entschuldigt angesehen werde. Ausweislich
einer in die Gerichtsakte gehefteten Postzustellungsurkunde wurde das Ladungsschreiben am 15. September 2011 in den zur Wohnung
der Klägerin in Halle gehörenden Briefkasten eingelegt, nachdem erfolglos versucht worden war, es zu übergeben.
Zum Termin am 1. November 2011 erschien die Klägerin nicht. Mit Beschluss vom 3. November 2011 wurden der Klägerin die durch
ihr Nichterscheinen verursachten Kosten auferlegt und zugleich wurde gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 EUR und
für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, ein Tag Ordnungshaft festgesetzt. Zur Begründung wird ausgeführt:
Die Klägerin sei trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne vorherige Entschuldigung nicht zum Termin erschienen. Auf die möglichen
Folgen sei sie hingewiesen worden. Bei der Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes sei zu berücksichtigen gewesen, dass zum
genannten Termin die Erörterung von zwei Klageverfahren habe erfolgen sollen. In der Rechtsbehelfsbelehrung erfolgte unter
anderem der Hinweis, die Klägerin könne bei nachträglicher genügender Entschuldigung die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses
verlangen. Die Zustellung dieses Beschlusses erfolgte am 12. November 2011 durch Einlegung in den zur Wohnung der Klägerin
in Halle gehörenden Briefkasten. In einem am 15. November 2011 beim SG eingegangenen Schreiben führte die Klägerin aus: Sie wolle sich für ihr Nichterscheinen entschuldigen. Von dem Termin habe
sie erst durch den Ordnungsgeldbeschluss erfahren und davor keine Ladung erhalten. In dem Haus, in dem sie wohne, seien schon
mehrfach Schriftstücke durch die Postzusteller in den falschen Briefkasten eingeworfen worden. Die Briefkästen seien auch
nicht gut verschließbar und es habe auch schon Diebstähle der eingeworfenen Post gegeben. Wenn ihr die Ladung zu dem Termin
zugegangen wäre, wäre sie "mit 100% Sicherheit" gekommen. Es gehe um einen zu klärenden Sachverhalt aus dem Jahre 2009 und
sie habe bereits "sehnlichst" gewartet. Die Klägerin wies zudem darauf hin, dass sie sich derzeit in Privatinsolvenz befindet
und legte die Kopie des Eröffnungsbeschlusses zu diesem Verfahren des Amtsgerichts Halle, Insolvenzabteilung, vom 7. Mai 2008
bei.
Die Kammervorsitzende vermerkte: Die Klägerin habe keine genügenden Entschuldigungsgründe vorgetragen, da sie verpflichtet
sei, einen für Zustellungen ordnungsgemäßen Briefkasten vorzuhalten. Zudem habe die Klägerin ja auch den Ordnungsgeldbeschluss
erhalten. Am 18. November 2011 verfügte die Kammervorsitzende die Abgabe der Sache als Beschwerde an das Landessozialgericht.
II. Das Schreiben der Klägerin an das SG vom 15. November 2011 kann als Beschwerde gegen den Beschluss vom 3. November 2011 gewertet werden. Zwar ist dieses Schreiben
vorrangig als Entschuldigung im Sinne des §
381 Abs.
1 Satz 3
Zivilprozessordnung (
ZPO) zu werden. Weil die Kammervorsitzenden beim SG aber auf die Entschuldigung hin die Sache dem SG vorgelegt hat, können die von der Klägerin gemachten Ausführungen, die auf Aufhebung des Beschlusses gerichtet sind, auch
als Beschwerde gewertet werden.
Rechtsgrundlage für die Verhängung von Ordnungsgeld ist §
202 SGG in Verbindung mit §
141 Abs.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO). Hiernach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld wie
gegen einen nicht erschienen Zeugen festsetzen, wenn er im Termin ausbleibt. Dies gilt gemäß §
141 Abs.
3 ZPO nicht, wenn der Beteiligte zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und
zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt ist. Der Beteiligte ist gemäß §
141 Abs.
3 Satz 3
ZPO auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes lagen hier vor. Die beim SG zuständige Richterin hatte mit der Ladung zu dem Termin das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet. Die Anordnung
des persönlichen Erscheinens der Klägerin zur Sachaufklärung steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Richterin. Ermessensfehler
sind hier nicht zu erkennen. Diese ergeben sich auch nicht daraus, dass die Richterin wohl beabsichtigte, mit den Beteiligten
auch noch über das andere anhängige, nicht geladene Klageverfahren zu sprechen.
Weiter ist davon auszugehen, dass die Ladung ordnungsgemäß im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Hausbriefkasten
der Klägerin erfolgt ist. Dies wird durch die vom Postzusteller ausgefüllte Postzustellungsurkunde nachgewiesen. Der Vortrag
der Klägerin ist nicht geeignet, die Beweiskraft dieser Urkunde zu erschüttern. Warum die Klägerin dann nach ihrem durchaus
plausiblen Vortrag die Ladung nicht zur Kenntnis genommen hat, ist bei ordnungsgemäßer Ladung nicht mehr relevant. Auch wenn
der Klägerin nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fiele, etwa weil sie dass Ladungsschreiben mit eingeworfener Werbepost weggeworfen
hätte, so hat sie dennoch das Nichtbefolgen der Ladung zu vertreten. Vor diesen Hintergrund sind die Erwägungen der Kammmervorsitzenden,
die Klägerin habe keine ausreichenden Entschuldigungsgründe vorgetragen, nicht zu beanstanden.
Der Senat hält jedoch die Höhe des vom SG festgesetzten Ordnungsgelds hier nicht für angemessen. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum
Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Dabei
sind in der Regel das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen Auswirkungen und die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung bedarf es dann, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren
Bereich des vorgegebenen Rahmens bewegt, in der Regel keiner eingehenden Begründung für die Ermessensentscheidung (vg. Bayerisches
Landessozialgericht, Beschluss vom 10. Januar 2012 - L 2 SB 267/11 B - zitiert nach juris). Dem schließt sich der Senat an, so dass in der Regel die Festsetzungen eines Ordnungsgeldes in Höhe
von 100,00 EUR nicht zu beanstanden sein wird. Im konkreten Fall liegen aber Besonderheiten vor, die eine Festsetzung in dieser
Höhe ausnahmsweise ermessensfehlerhaft erscheinen lassen. Bei der Ausübung des Ermessens hat das Gericht die Zwecksetzung
des §
141 Abs.
3 ZPO zu würdigen. Zweck der Vorschrift ist es nicht, eine vermeintliche Missachtung der gerichtlichen Anordnung zu ahnden, sondern
die Aufklärung des Sachverhalts und den Fortgang des Verfahrens sicherzustellen (so unter anderem OLG Düsseldorf - Beschluss
vom 14. März 1994 - 5 W 5/94 zitiert nach juris). Grundsätzlich hat das Gericht für seine Ermessensentscheidung die zum Zeitpunkt der Entscheidung über
die Verhängung des Ordnungsgeldes bekannten Umstände zu berücksichtigen. Im Falle einer nachträglichen Entschuldigung im Sinne
von §
381 Abs.
1 Satz 3
ZPO ist auch der nachträgliche Vortrag für die Frage zu berücksichtigen, ob der Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben ist. Die Klägerin
hat glaubhaft versichert, dass sie bei Kenntnis der Ladung dieser Folge geleistet hätte. Denn der Fortgang des Verfahrens
lag in ihrem eigenen Interesse. Vor diesem Hintergrund liegt bei dem einmaligen Übersehen bzw. dem Abhandenkommen der Ladung
zum einen nur ein ganz geringfügiges Verschulden der Klägerin im Sinne von Fahrlässigkeit vor und zum anderen ist deren grundsätzliche
Bereitschaft am Verfahren mitzuwirken nicht in Frage gestellt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei der Verhängung eines
Ordnungsgeldes gegen eine Partei des Verfahrens nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden soll (vgl. dazu OLG Düsseldorf aaO.
und Kammerbeschluss des Bundesverfasssungsgerichts - BVerfG - vom 10. November 1997 - 2 BvR 429/97 zitiert nach juris). Eine solche Zurückhaltung ist nach Auffassung des Senats insbesondere dann geboten, wenn (a) das Gericht
selbst über längere Zeit das Verfahren nicht erkennbar auf eine Entscheidungsreife hin gefördert hat und (b) der Fortgang
des Verfahrens erkennbar im Interesse desjenigen liegt, der erstmalig von einem Ordnungsgeld betroffen ist. Vor diesem Hintergrund
ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100,00 EUR ermessenfehlerhaft. Der Senat sieht sich bei dieser Fallkonstellation
nicht gehindert, eine den partiellen Ermessensausfall berücksichtigende Reduzierung des Ordnungsgelds vorzunehmen.
Der vollständigen Aufhebung unterliegen die ersatzweise Festsetzung von Ordnungshaft und die Auferlegung der durch das Nichterscheinen
zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 1. November 2011 entstandenen Kosten. Hierfür ergibt sich schon keine Rechtsgrundlage
aus §
202 SGG in Verbindung mit §
141 Abs.
3 ZPO. Die Norm ermöglicht nur die Verhängung eines Ordnungsgelds. Die gegenüber einem zum Termin nicht erschienenen Zeugen nach
§
380 Abs.
1 ZPO bestehende Möglichkeit, ihm die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten aufzuerlegen, wird nicht erwähnt. Anders als bei
einem Zeugen ist hier zudem die Festsetzung von Ordnungshaft vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und folglich unzulässig (vgl.
Sächsisches Landessozialgericht - Beschluss vom 28. April 1999 - L 1 B 38/97 m. w. N. - zitiert nach juris).
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Beschwerdeverfahren über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist kein gesondertes,
kontradiktorisch ausgestaltetes Verfahren (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - VI ZB 4/07; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 10. Dezember 2008, L 19 B 1829/08 AS; BAG, Beschluss vom 20. August 2007, 3 AZB 50/05, jeweils juris; a. A. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, §
111 Rn. 6c).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG.