Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage; Ablehnung
eines unzulässigen Überprüfungsantrages beim Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein vor dem Sozialgericht Halle
(SG) geführtes Klageverfahren.
Der am ... 1971 geborene, alleinstehende Kläger bezieht seit Anfang 2005 von dem Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Mit einem Schreiben vom 22. Oktober 2010 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers für diesen bei dem Beklagten
"die Überprüfung der Leistungsgewährung in der Vergangenheit, insbesondere unter Berücksichtigung des § 41 II SGB II.". Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit einem Bescheid vom 13. Dezember 2010 mit, die Überprüfung habe ergeben, dass
die ergangenen Bescheide nicht zu beanstanden seien. Hiergegen erhob der anwaltlich vertretene Kläger am 13. Januar 2011 mit
der Begründung Widerspruch: Bei der Bescheidung in der Vergangenheit sei § 41 SGB II nicht richtig angewandt worden. Die Rundungsregel sei auch gesondert bei den Kosten der Unterkunft zu beachten. Der Beklagte
wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2011 zurück und führte aus: Ein höherer Anspruch des Klägers bestehe
auch unter Beachtung der Rundungsvorschrift nach § 41 Abs. 2 SGB II (a.F.) nicht.
Der Kläger hat am 25. Juli 2011 Klage beim SG erhoben. Mit einem am 2. September 2010 beim SG eingegangen Schriftsatz hat er zudem den Antrag gestellt, ihm PKH für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt
S. zu bewilligen. Zur Begründung haben die Prozessbevollmächtigen des Klägers ausgeführt: Dem Beklagten seien eine Vielzahl
von Fehlern unterlaufen. Er habe den Überprüfungsantrag rechtswidrig nicht zum Anlass genommen, sich nochmal eingehend mit
der Angelegenheit zu befassen.
Mit Beschluss vom 6. September 2012 hat das SG die Bewilligung von PKH abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Soweit der Kläger die Anwendung der Rundungsregelung beanstande,
mache er kein einklagbares Recht geltend. Weiterer Sachvortrag als der Verweis auf die Rundungsregelung sei mit dem Überprüfungsantrag
und auch im Widerspruchsverfahren nicht erfolgt.
Gegen den am 6. September 2012 zugestellten Beschluss hat der anwaltlich vertretene Kläger am 2. Oktober 2012 Beschwerde erhoben
und zur Begründung sinngemäß vortragen lassen: Der Überprüfungsantrag habe sich aufgrund der Formulierung "insbesondere unter
Berücksichtigung des § 41 II SGB II" nicht alleine auf den Gesichtspunkt der Rundungsregelung bezogen, sondern darüber hinausgehend auf alle infrage kommenden
Aspekte. Die Leistungsberechnung des Beklagten sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen. So seien Heizkosten pauschaliert
und nicht nach dem konkreten Bedarf bewilligt worden. Bei der Einkommensbereinigung seien keine Freibeträge für die beiden
unterhaltsberechtigten Kinder des Klägers berücksichtigt worden. Zudem hätten Fahrtkosten berücksichtigt werden müssen. Für
eine in den Monaten Juli bis Dezember 2010 vorgenommene Verrechnung fehle die Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 6. September 2012 aufzuheben und ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe
ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. zu bewilligen.
Der Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Für weitere Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten genommen.
II.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt.
Nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
114 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht
aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen,
wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - NJW 1991, 413). Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance
aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).
Die Klage bietet in dieser Hinsicht keine hinreichende Erfolgsaussicht. Angefochten wird der im Überprüfungsverfahren nach
§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ergangene Bescheid vom 13. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2011, mit dem der Beklagte
im Ergebnis festgestellt hat, es lägen keine zu einer Abänderung der Leistungsbewilligung für den Überprüfungszeitraum führenden
Fehler vor. Nach Auffassung des Senats konnte der Beklagte diese Feststellung im konkreten Fall im Ergebnis rechtsfehlerfrei
treffen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einer Entscheidung vom 12. Juli 2012 (Aktenzeichen: B 14 AS 35/12 R) überzeugend ausgeführt, ein alleine auf die Verletzung bzw. fehlerhafte Anwendung der Rundungsregel des § 41 Abs. 2 SGB II a.F. gestütztes Klagebegehren sei unzulässig. Für eine solche Klage fehle das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Auch unter
Berücksichtigung der Rechtsschutzgarantie des Art.
19 Abs.
4 des
Grundgesetzes dürfe die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzes selbst im Bereich der existenzsichernden Leistungen nicht durch Verfahren
in Frage gestellt werden, bei denen es um die Anwendung einer Regelung gehe, die der Gesetzgeber zur Vereinfachung verwaltungsinterner
Abläufe geschaffen habe und in den sich das Klagebegehren im Ergebnis auf Leistungen im Centbereich beschränke. Bei solchen
von vornherein unzulässigen Klagen brauche das angerufene Gericht nicht zu überprüfen, ob sich andere Sachverhalte oder Regelungen
finden ließen, die einen höheren Anspruch des Leistungsberechtigten stützen. Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass
auch ein auf die Verletzung der Rundungsregelung gestützter Überprüfungsantrag im Verfahren nach § 44 SGB X unzulässig ist und als solcher ohne eingehende Sachprüfung zurückgewiesen werden kann. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit
zu Gunsten letzterer aufzulösen (ständige Rechtsprechung des BSG, u. a. Urteil vom 5. September 2005, B 2 U 24/05 R). Die fehlerhafte Anwendung der Rundungsregel begründet aber nach den oben in Bezug genommenen Ausführungen des BSG keine einklagbare Rechtsverletzung, weil die Anwendung des § 41 Abs. 2 SGB II a. F. im Ergebnis der Verwaltungsvereinfachung diente und eine beanstandete für den Betroffenen ungünstige Anwendung auch
über längere Zeiträume nur zu Differenzen im Centbereich führen kann. Somit kann auch ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X nicht auf eine fehlerhafte Anwendung der Rundungsregelung gestützt werden. Gegen die Zurückweisung eines solchen Überprüfungsantrags
kann dann auch nicht vom Betroffenen eingewandt werden, die Behörde wäre zu einer tiefer gehenden sachlichen Überprüfung verpflichtet
gewesen.
Dem kann hier auch nicht entgegen gehalten werden, im konkreten Fall habe sich der Überprüfungsantrag nicht auf die Rüge einer
fehlerhaften Anwendung der Rundungsregelung beschränkt, sondern die Leistungsgewährung insgesamt zur Überprüfung gestellt.
Der Senat hält insofern die Verwendung des Worts "insbesondere" im Überprüfungsantrag vom 22. Oktober 2010 für unbeachtlich.
Im konkreten Fall kommt es nicht auf die Entscheidung der Rechtsfrage an, ob und wann sich eine Behörde ohne weitere Sachprüfung
im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X auf die Bestandkraft der ergangenen Bescheide berufen kann, wenn die oder der Betroffene keine neuen Angaben macht bzw. keine
Gründe für einen Überprüfungsantrag nennt. Zu dieser Frage hat der 2. Senat des BSG ausgeführt, im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X hätten Verwaltung und Gerichte auch ohne neues Vorbringen des Antragstellers zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen
Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt worden sei. Diese Entscheidung bezog sich auf die Überprüfung eines konkreten
Verwaltungsaktes über die Frage der Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Wenn wie hier im konkreten Fall nicht ein bestimmter
Verwaltungsakt zur Überprüfung gestellt wird, sondern nach § 44 SGB X undifferenziert die gesamte Leistungsgewährung für die zurückliegende Zeit, besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Vorbringen
des Antragstellers und dem notwendigen Umfang der vorzunehmenden Überprüfung. Der 4. Senat des BSG als einer der beiden für die Streitigkeiten aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate beim
BSG hat dazu ausgeführt: Es könne nicht zweifelhaft sei, dass ein derart weitreichendes Prüfungsbegehren - (dass sich auf den
gesamten Leistungszeitraum bezieht, für den nach § 44 SGB X noch Leistungen nachträglich erbracht werden könnten) - mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiere
(vgl. BSG; Beschluss vom 14. März 2012 - B 4 AS 239/11 B). Insofern reicht es für ein sich erkennbar auf die Anwendung der Rundungsregelung beziehendes Prüfungsbegehren nicht aus,
ohne auch nur anzudeuten, worin über die Anwendung der Rundungsregelung hinaus die fehlerhafte Rechtsanwendung bestehen könne,
alleine das Wort "insbesondere" der Antragsbegründung hinzuzufügen. Zumindest bei anwaltlicher Vertretung des Antragstellers
bei der Stellung des Überprüfungsantrags ist zu erwarten, dass zumindest angedeutet wird, von welcher ihn belastenden fehlerhaften
Rechtsanwendung der Betroffene ausgeht. Ansonsten ist er so zu behandeln, als habe er dezidiert nur die fehlerhafte Anwendung
der Rundungsregelung gerügt. Ein solcher Überprüfungsantrag ist im Kern unzulässig und könnte deshalb als unzulässig zurückgewiesen
werden. Er wird auch nicht dadurch zulässig, dass die Behörde ihn nach summarischer Prüfung mit einem Bescheid als unbegründet
zurückweist, der sich darauf beschränkt, zur Korrektur führende Rechtsanwendungsfehler im Hinblick auf die Anwendung der Rundungsvorschrift
zu verneinen und eine Abänderung der für den Überprüfungszeitraum relevanten Leistungsbescheide abzulehnen. So sind der Verfügungssatz
und die Gründe im angefochtenen Bescheid des Beklagten hier nämlich bei verständiger Würdigung zu verstehen. Im Hinblick darauf,
dass der Prüfungsantrag schon als solcher keine Verpflichtung zur umfassenden Prüfung auslösen konnte, wird die Unzulässigkeit
auch nicht dadurch geheilt, dass vom Antragsteller nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens neue sachliche Gründe für eine
inhaltliche Überprüfung vorgetragen werden. Dies kann zwar nach den Umständen des Einzelfalls als neuer Überprüfungsantrag
gewertet werden, ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit der auf den konkreten Überprüfungsantrag hin getroffenen Entscheidung
der Behörde.
Im Übrigen ergeben sich bei Durchsicht der Verwaltungsakten auch keine offensichtlichen Fehler bei der Leistungsgewährung
in dem Sinne, dass dem Kläger - bezogen auf den streitigen Zeitraum - im Ergebnis materiell zustehende Leistungen vorenthalten
wurden. Nach alledem sind daher dem Klagebegehren hier die für die Bewilligung von PKH erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten
abzusprechen.
Der Beschluss ist nach §
177 SGG unanfechtbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
73a SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO.