Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte zu Recht eine Überzahlung der Rente der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar
2010 bis zum 30. Juni 2012 wegen nicht einbehaltener Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung
festgestellt hat.
Am 28. Oktober 2009 kündigte die am ... 1958 geborene Klägerin ihre Mitgliedschaft bei der Sch. BKK zum 31. Dezember 2009.
Ihr Ehemann beantragte am 26. Oktober 2009 die Aufnahme zur Beigeladenen zu 1. mit der Klägerin als Familienversicherter.
Die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. sollte zum 1. Januar 2010 wirksam werden.
Aufgrund eines Anerkenntnisses in einem beim Sozialgericht Dessau-Roßlau geführten Klageverfahren (S 1 R 565/09) gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22. September 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer mit
einem rückwirkenden Rentenbeginn am 1. Dezember 2007. Dabei wurde bei der laufenden Zahlung ab 1. November 2010 der Beitragsanteil
der Klägerin zur Krankenversicherung in Höhe von 56,41 EUR sowie der Beitrag der Klägerin zur Pflegeversicherung in Höhe von
13,92 EUR abgezogen, wobei dem Bescheid zu entnehmen ist, dass die Beklagte auch für Zeit ab 1. Januar 2010 von der Sch. BKK
als Versicherungsträger der Klägerin ausging. Im Rahmen eines am 7. Oktober 2010 eingelegten Widerspruchs gegen diesen Bescheid,
den die - anwaltlich vertretene - Klägerin später (am 28. Januar 2011) zurücknahm, teilte sie der Beklagten mit, dass sie
seit dem 1. Januar 2010 bei der Beigeladenen zu 1. familienversichert sei. Insoweit sei es nicht erklärlich, dass auch für
diesen Zeitraum Beiträge an die BKK abgeführt werden sollten. Es werde insoweit um Korrektur gebeten. Mit Schreiben vom 15.
Februar 2011 sowie Erinnerung vom 16. Mai 2011 bat die Beklagte die Beigeladene zu 1. um dringende maschinelle Übermittlung
des Kassenwechsels. Die Beigeladene zu 1. übersandte der Beklagten mit Fax vom 16. Juni 2011 schließlich einen maschinellen
Datensatz. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt II 4 und II 5 von Band I der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Daraufhin berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juni 2011 die Rente neu und zog für den Zeitraum ab Januar 2010 keine
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab. Sie stellte auch diesen Bescheid der Klägerin über ihre Bevollmächtigte zu.
Für die Zeit ab dem 1. Juli 2011 zahlte sie monatlich 721,20 EUR. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum
30. Juni 2011 in Höhe von 1.278,84 EUR überwies sie auf das Konto der Klägerin.
Mit Meldedatensatz vom 20. Dezember 2011, verarbeitet am 22. Dezember 2011, bat die Beigeladene zu 1. die Beklagte, ihren
Datenbestand im Hinblick auf den Kassenwechsel zum 1. Januar 2010 zu korrigieren und eine neue Meldung mit Beitragsabführung
zu erstellen. Die Beklagte reagierte hierauf nach Aktenlage zunächst nicht. Am 7. Mai 2012 bat die Beigeladene zu 1. die Beklagte
telefonisch um Überprüfung. Die Klägerin sei seit Januar 2010 versicherungspflichtig, von der Beklagten würden aber keine
Beiträge abgeführt. Daraufhin berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2012 die Rente wegen voller Erwerbsminderung
rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 neu. Für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 zahlte sie monatlich 662,63 EUR. Im Zeitraum vom 1.
Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 habe sich eine Überzahlung in Höhe von 2.157,24 EUR ergeben. Zur Begründung führte sie aus,
für die Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sei ein anderer Beitragssatz zu berücksichtigen oder es
bestehe nach Mitteilung der Krankenkasse der Klägerin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. in
der sozialen Pflegeversicherung. Die genannte Änderung führe dazu, dass die bisher von der Klägerin nicht geleisteten Beiträge
bzw. Anteile an den Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung auch rückwirkend von der Rente einzubehalten seien.
Diese Beitragspflicht entstehe kraft Gesetzes und unabhängig davon, ob die Klägerin gewusst habe, dass aus der Rente Beiträge
einzubehalten gewesen seien. Es sei vorgesehen, die Überzahlung aufgrund der rückständigen Beiträge bzw. Beitragsanteile für
die Kranken- und Pflegeversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Diese Einbehaltung sei nach §
255 Abs.
2 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Krankenversicherung -
SGB V), §
60 des
Elften Buches des Sozialgesetzbuches (Soziale Pflegeversicherung -
SGB XI) i.V.m. §
51 Abs.
2 des
Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (Allgemeiner Teil -
SGB I) bis zur Hälfte der laufenden Rente zulässig, es sei denn, die Klägerin weise durch die Vorlage des aktuellen Leistungsbescheides
nach, dass sie bereits Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Grundsicherung für
Arbeitsuchende beziehe.
Dagegen legte die Klägerin am 5. Juni 2012 Widerspruch ein. Der Verrechnung bzw. Einbehaltung werde ausdrücklich widersprochen.
Sie habe die Überzahlung nicht verursacht. Über den Krankenversicherungsstatus habe sie die Beklagte immer rechtzeitig informiert.
Aus dem Rentenbescheid vom 16. Juni 2011 sei für sie auch nicht erkennbar gewesen, dass hier Krankenversicherungs- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge
nicht abgeführt würden. Es sei von einem monatlichen Zahlbetrag die Rede. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich hierbei
um den korrekten Betrag handele und eine Rentenanpassung zu ihren Gunsten erfolgt sei. Zudem sei auch erklärt worden, dass
sich das Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis geändert habe. Es sei jedoch nicht darauf hingewiesen worden, dass entsprechende
Beiträge nicht mehr abgeführt würden. Folglich habe sie auch nicht erkennen können, dass sich möglicherweise in der Zukunft
für sie hieraus Nachzahlungen ergäben. Im guten Glauben auf einen berechtigten Rentenanspruch in der genannten Höhe bzw. die
errechnete Nachzahlung seien die Gelder auch verbraucht worden. Zum Zeitpunkt der Auszahlung seien diese auch dringend nötig
gewesen, da ihrem Ehemann Arbeitslohn verweigert worden sei. Sie sei ihren Mitwirkungspflichten grundsätzlich nachgekommen.
Sie habe darauf vertraut und habe auch darauf vertrauen dürfen, dass sämtliche Unterlagen und Informationen korrekt bearbeitet
und verwertet würden. Zu ihren Gunsten griffen folglich Vertrauensschutzgesichtspunkte ein. Darüber hinaus wies sie auf eine
Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz (L 4 R 288/11) hin, wonach in dem Fall, dass einem Rentner wegen Rechenfehlern zu viel Rente zugesagt werde, der Fehler rückwirkend nicht
korrigierbar sei. Es dürfe kein Geld vom Rentner zurückgefordert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei seit Rentenbeginn
(1. Dezember 2007) in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Die Beigeladene zu 1. habe am 16. August
(gemeint wohl: 16. Juni) 2011 mitgeteilt, dass ab dem 1. Januar 2010 Familienversicherung vorliege. Sie, die Beklagte, habe
davon ausgehen müssen, dass dieses Krankenversicherungsverhältnis auch gemäß den entsprechenden Hinweisen der Klägerin bestehen
geblieben sei. Die genannte Meldung sei von der Beigeladenen zu 1. am 7. Mai 2012 noch einmal korrigiert und ab 1. Januar
2010 doch wieder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bzw. Pflegeversicherung gemeldet worden.
Daraufhin sei der angefochtene Bescheid vom 14. Mai 2012 erteilt worden. Es obliege nicht ihr, der Beklagten, über Versicherungspflicht
oder Beitragshöhe in der Krankenversicherung zu entscheiden. Diese Entscheidung obliege ausschließlich der Krankenkasse. Sie,
die Beklagte, fungiere lediglich als Einzugsstelle für die Krankenkassenbeiträge und sei an die Meldung der Krankenkassen
gebunden. Die angekündigte Aufrechnung hinsichtlich der nicht geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab
1. Januar 2010 sei nach §
255 Abs.
2 SGB V rechtmäßig.
Dagegen hat die Klägerin am 14. November 2013 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Sie habe auf die Richtigkeit
der Berechnung der Beklagten vertrauen dürfen. Sie habe bereits außergerichtlich darauf hingewiesen, dass sie die behauptete
Überzahlung nicht verursacht habe. Über den "Krankenversicherungsstatus pp." habe sie die Beklagte immer rechtzeitig informiert.
Für die Zukunft habe sie sich dazu bereit erklärt, dass sich der Rentenanspruch verändere. Darüber hinaus hat die Klägerin
darauf hingewiesen, dass ihr von der Beklagten wiederholt Briefe an eine Frau Sabine H. an ihre Adresse übersandt worden seien,
obwohl sie Sylvia H. heiße. Sie habe die Beklagte wiederholt auf die Fehlerhaftigkeit hingewiesen. Möglicherweise resultiere
die umstrittene Problematik aus dieser durch die Beklagte verursachten "Verwechslung". Darüber hinaus hat die Klägerin vorgetragen,
ab dem 19. Dezember 2009 über kein eigenes Einkommen verfügt zu haben. Ab dem 1. Januar 2010 sei sie aufgrund dessen über
ihren Ehemann bei der Beigeladenen zu 1. familienversichert gewesen. Umgehend nach Erhalt des Rentenbescheides vom 22. September
2010 sei sie bei der Beigeladenen zu 1., bei einer Frau R., vorstellig geworden. Ihr Ehemann sei ebenfalls zugegen gewesen.
Frau R. sei mehrfach darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass rückwirkend eine Rente gezahlt werde. Nicht nur der Erlass des
Rentenbescheides sei Hintergrund der mehrfachen Vororttermine gewesen, sondern auch die Tatsache, dass ihre vorherige Krankenkasse,
die Sch. BKK, wiederholt Schreiben an sie versandt habe. Frau R. habe die zuständige Fachabteilung der Beigeladenen zu 1.
informieren wollen. Es sei vermutet worden, dass durch den Rententräger die Beiträge an die Sch. BKK und nicht an die Beigeladene
zu 1. abgeführt worden seien. Es treffe daher nicht zu, dass der Beigeladenen zu 1. der Rentenbescheid nicht bekannt gewesen
sei. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2011 sei die Beklagte nochmals darauf hingewiesen worden, dass sie ab dem 1. Januar 2010
bei der Beigeladenen zu 1. familienversichert gewesen sei. Insoweit sei es nicht erklärlich, dass laut Rentenbescheid für
diesen Zeitraum Beiträge an die BKK abgeführt werden sollten. Die Beklagte habe dies offenkundig wiederum nicht zum Anlass
genommen, die Angelegenheit zu klären. Jedenfalls habe sie, die Klägerin, erneut Post von ihrer ehemaligen Krankenversicherung
erhalten. Daraufhin habe sie mitgeteilt, dass sie Rente beziehe und nicht mehr bei der BKK versichert sei. Sie sei daher ihrer
Informationspflicht gegenüber der Beigeladenen zu 1. und der BKK nachgekommen. Es sei im Übrigen nicht nachvollziehbar, warum
die Beklagte und die Beigeladene zu 1. untereinander nicht entsprechende Datensätze ausgetauscht hätten. Es sei zu klären,
ob in der fraglichen Zeit auch manuelle Eingriffe vorgenommen worden seien. Dies betreffe nicht nur ihre Datensätze, sondern
auch die der Frau Sabine H ... Es sei jedenfalls Verwirkung des Rechts auf die Beitragsnacherhebung eingetreten. Die verspätete
Geltendmachung erscheine illoyal. Die Beklagte habe bei ihr ein Vertrauen dahingehend geschaffen, dass es bei der bisherigen
Entscheidung verbleibe, mithin Beiträge nicht nacherhoben würden.
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2014 hat das Sozialgericht die Beiladungen zu 1. und 2. bewirkt und mit Urteil vom 9. November
2016 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Streitgegenstand sei der Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2013. Die Klage richte sich nach dem ausdrücklich beschränkten Klageantrag
nur gegen die Feststellung der Überzahlung im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012. Die ab dem 1. Juli 2012 laufend
berechneten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge seien nicht streitig gestellt worden. Nicht Gegenstand des Verfahrens
sei eine Einbehaltung der festgestellten rückständigen Beiträge. Eine solche habe die Beklagte mit dem streitigen Bescheid
nicht ausdrücklich verfügt. Die Beklagte habe in dem Bescheid lediglich eine beabsichtigte Einbehaltung angekündigt und der
Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme und zum Nachweis einer möglicherweise durch eine Einbehaltung eintretende Hilfebedürftigkeit
gegeben. Der Bescheid beinhalte damit keine Regelung in dieser Hinsicht.
Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig. Das nach §
78 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erforderliche Vorverfahren sei insgesamt abgeschlossen. Denn der Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2013 befasse sich
nicht nur mit dem angekündigten Einbehalt, sondern auch mit dem Widerspruchsbegehren nach Aufhebung der festgestellten Überzahlung.
Dies lasse sich durch Auslegung der Begründung des Widerspruchsbescheides entnehmen. Der Widerspruchsbescheid setze sich mit
der Frage des Versicherungsstatus der Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung auseinander und erfasse damit mittelbar
die Rechtmäßigkeit der Feststellung der von der Beklagten nicht einbehaltenen Beiträge.
Die Klage sei unbegründet. Die Beitragsforderung der Beklagten bestehe zu Recht. Rechtsgrundlagen für die Nachforderung seien
§
255 Abs.
2 Satz 1
SGB V und §
60 Abs.
1 Satz 2
SGB XI. Danach seien für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- oder
Pflegeversicherung unterblieben sei, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin
zu zahlenden Rente einzubehalten. Zunächst sei der Bescheid der Beklagten nach seinem objektiven Erklärungswert dahin auszulegen,
dass keine Überzahlung im Sinne einer Rückforderung festgestellt werde, sondern, dass zu Unrecht die Einbehaltung von gesetzlichen
Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen unterblieben sei. Die Rechtsgrundlagen seien auf den vorliegenden Fall auch anwendbar.
Die Beklagte sei nach §
255 Abs.
2 Satz 1
SGB V als zuständiger Träger berechtigt, diese Feststellung über den Beitragstatbestand zu treffen. Das Sozialgericht folge nicht
der Auffassung des LSG B.-B. (Urteil vom 10. April 2014 - L 27 R 935/11 -). Vorliegend sei kein Fall einer "isolierten Feststellung einer Beitragsschuld" gegeben. Denn die Beklagte habe in dem
streitgegenständlichen Bescheid die Einbehaltung, die im Gesetz in §
255 Abs.
2 Satz 1
SGB V selbst angelegt sei, angekündigt. Hiermit sei die Beklagte einer Verpflichtung zur Anhörung und zur Wahrung des rechtlichen
Gehörs nachgekommen und habe der Klägerin die Gelegenheit gegeben, eine möglicherweise entstehende Hilfebedürftigkeit im Bereich
des Grundsicherungsrechts nachzuweisen. Allein in dieser Ankündigung der beabsichtigten Einbehaltung der rückständigen Beiträge
von der laufenden Rente liege eine Verknüpfung der Feststellung der zu Unrecht unterlassenen Einbehaltung und der künftigen
Einbehaltung. Damit werde gerade keine isolierte Beitragsschuld bei einem anderen Leistungsträger festgestellt. Letztlich
werde mit dieser Entscheidung die später zu treffende Entscheidung über die Einbehaltung der rückständigen Beitragsanteile
vorbereitet. Denn diese Entscheidung hänge wiederum von weiteren zu ermittelnden Voraussetzungen ab. Die §§ 44 ff. des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) fänden in diesen Fällen keine Anwendung (LSG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 12. Dezember 2013 - L 1 R 107/13 -; vom 12. April 2012 - L 1 R 21/10 -; vom 9. August 2012 - L 1 R 300/11 -). Diese würden von §
255 Abs.
2 Satz 1
SGB V verdrängt. Die Klägerin könne mit ihrem Vortrag bezüglich eines bestehenden Vertrauensschutzes nicht durchdringen.
Zutreffend sei die Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin seit 1. Januar 2010 in der Kranken- und Pflegeversicherung
der Rentner pflichtversichert sei. Für die gesetzliche Krankenversicherung folge dies aus §
5 Abs.
1 Nr.
12 SGB V und für die Pflegeversicherung aus §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
11 SGB XI. Die Berechnung der Beitragshöhe der geschuldeten Beiträge sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe diesbezüglich auch
keine Einwendungen vorgebracht. Die Beitragsnachforderung sei für den streitigen Zeitraum auch nicht verjährt. Es gelte die
vierjährige Verjährungsfrist des §
25 Abs.
1 Satz 1 des
Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -
SGB IV). Danach verjährten Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sein. Die
ab 1. Januar 2010 zu zahlenden Beiträge seien bei Erlass des Bescheides vom 14. Mai 2012 noch nicht verjährt gewesen.
Die Forderung der Beklagten sei ebenfalls nicht verwirkt. Vorliegend sei bereits fraglich, welchen Vertrauenstatbestand die
Beklagte geschaffen haben soll. Soweit dies in dem Erlass des Bescheides vom 16. Juni 2011 gesehen werden solle, mit dem die
Beklagte den ursprünglichen Einbehalt der Beiträge zurückgenommen und eine Nachzahlung bereits einbehaltener Beiträge verfügt
habe, liege hierin keine Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Denn diese Änderung sei aufgrund einer maschinellen Meldung
der Beigeladenen erfolgt. Auf deren Verschulden komme es aber nicht an, da die Beigeladene nicht unmittelbar die Berechtigte
des Anspruchs gewesen sei (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Dezember 2013 - L 1 R 107/13 -). Zum anderen habe die Klägerin selbst unzutreffend in ihrem Widerspruch gegen den ursprünglichen Bescheid angegeben, familienversichert
zu sein. Das zeitliche Element der Verwirkung liege ebenfalls nicht vor, da die Beklagte innerhalb eines Jahres seit Erlass
des Bescheides vom 16. Juni 2011 die Forderung geltend gemacht habe.
Gegen das ihr am 15. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Januar 2017 mit Schriftsatz vom selben Tag Berufung
beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt und ausdrücklich beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. November
2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2013
aufzuheben, soweit dieser für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2012 eine Überzahlung in Höhe von 2.157,24 EUR
feststellt. Ergänzend und vertiefend hat sie vorgetragen, sie - die Klägerin - habe bezüglich ihres Krankversicherungsstatus
in regelmäßigem Kontakt mit der Beigeladenen zu 1. - Frau R. - gestanden. Dies könne ihr Ehemann bestätigen, da er jedenfalls
zu den meisten Terminen mitgekommen sei. Im Rahmen solcher Gespräche sei auch thematisiert worden, dass wohl Beiträge nicht
an die Beigeladene zu 1., sondern an die vormalige Krankenversicherung (ihres Ehemannes) - die BKK - abgeführt worden seien.
Die Beigeladene zu 1. habe im Klageverfahren behauptet, erst am 20. Januar 2011 vom Rentenbezug Kenntnis erlangt zu haben,
was jedoch nicht den Tatsachen entspreche. Sie, die Klägerin, habe umgehend nach Erhalt des Rentenbescheides die Beigeladene
zu 1. entsprechend in Kenntnis gesetzt. Im Übrigen sei der Verwaltungsakte zu entnehmen, dass es zu einem Datenaustausch mit
der BKK gekommen sei. Die Verwaltungsakten der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. seien zum Teil nicht nachvollziehbar,
zum Teil widersprüchlich und zum Teil falsch. So sei beispielsweise ein nicht näher dargelegter manueller Eingriff durch die
Beklagte vorgenommen worden. Ungeklärt geblieben sei zudem die Tatsache, dass sie, die Klägerin, immer wieder Post erhalten
habe, die nicht an sie (Sylvia H.), sondern an Sabine H. gerichtet gewesen sei. Selbst auf entsprechende und konkrete Anfragen
seien hierzu keinerlei Auskünfte durch die Beklagte und die Beigeladene zu 1. erfolgt. Das Sozialgericht habe gemeint, dass
sich der Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2013 nicht nur mit der angekündigten Einbehaltung, sondern auch mit dem Widerspruchsbegehren
nach Aufhebung der festgestellten "Überzahlung" befasst habe, was sich durch Auslegung der Begründung des Widerspruchsbescheides
entnehmen ließe. Dem sei allerdings nicht zuzustimmen. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid lediglich dargelegt, dass
die angekündigte Aufrechnung hinsichtlich der nicht geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar
2010 nach §
255 Abs.
2 SGB V rechtmäßig sei. Sie befasse sich daher gerade nicht mit der Rechtmäßigkeit der Feststellung der von der Beklagten nicht einbehaltenen
Beiträge. Damit sei fraglich, ob über den Widerspruch diesbezüglich seitens der Beklagten überhaupt schon entschieden worden
sei. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte nicht die Befugnis gehabt habe, durch Verwaltungsakt eine verbindliche
Regelung zu ihrem Nachteil und zu Gunsten der Beigeladenen zu 1. zu treffen. Insoweit verweise sie auf das Urteil des LSG
B.-B. vom 10. April 2014 (L 27 R 935/11). Schließlich sei auf ein Urteil des Sozialgerichts D. vom 18. Mai 2016 (S 18 KR 668/13) hinzuweisen. Danach bestehe die Befugnis der Beklagten zur Neufestsetzung nur dann, wenn die früheren bestandskräftigen
Bescheide wirksam zurückgenommen worden seien, was vorliegend gerade nicht der Fall gewesen sei. Schließlich hätte es sich
der Beklagten aufdrängen müssen, dass mit der Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Familienversicherung
nicht mehr gelten könne. Familienversicherte blieben lediglich im Ausnahmefall als Rentner beitragsfrei kranken- und pflegeversichert.
Die Beklagte hätte daher ihren Status selbst (zutreffend) feststellen können und müssen. Es werde bereits jetzt darauf hingewiesen,
dass Amtshaftungsansprüche geltend gemacht würden, falls dieses Verfahren für sie nicht erfolgreich sei. Soweit die Beklagte
darauf verweise, dass sie, die Klägerin, ihr den Status familienversichert bei der Beigeladenen zu 1. mitgeteilt habe, treffe
dies zu, habe jedoch den seinerzeit gegenwärtigen Status - nämlich bis zum Abschluss des Klageverfahrens zur Rente wegen Erwerbsminderung
- beschrieben. Wenn die Beklagte darauf hinweise, dass die Beigeladene zu 1. am 16. Juni 2011 Daten gefaxt habe, die von ihrer
Sachbearbeitung nicht verstanden worden seien, sei zu bemerken, dass den Verwaltungsakten eine solche Faxmitteilung nicht
zu entnehmen sei. Fälschlicherweise habe die Sachbearbeitung der Beklagten dann den Meldesatz am 16. Juni 2011 in Familienversicherung
ab 1. Januar 2010 geändert und die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner verneint. Es sei nicht nachvollziehbar,
warum es nicht zu einem telefonischen Kontakt zwischen der Sachbearbeiterin der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. gekommen
sei, wenn doch ein Unverständnis vorgelegen habe. Außerdem habe sich die Beklagte noch immer nicht zum Datensatz der Frau
Sabine H. erklärt, insbesondere, ob insoweit eine Verwechslung mit ihr, der Klägerin, stattgefunden habe.
Die Klägerin stellt den Antrag aus der Berufungsschrift vom 13. Januar 2017.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Das Sozialgericht gehe umfassend auf alle Argumente ein,
die die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vortrage. Die Regelung zur Einbehaltung rückständiger Beiträge nach §
255 Abs.
1 und
2 SGB V, §
60 Abs.
1 SGB XI enthalte weder Vertrauensschutztatbestände noch handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein fehlerhaftes Handeln ihrerseits
sei insoweit nicht zu berücksichtigen. Dem Urteil des LSG B.-B. vom 10. April 2014 (L 27 R 39/11) sei das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 31. März 2017 (B 11 R 12/14, gemeint aber B 12 R 6/14 R) nicht gefolgt. Hinsichtlich der Frage der Verwirkung werde ausdrücklich dem Sozialgericht Dessau-Roßlau gefolgt. Allein
die fehlerhafte Berücksichtigung einer Familienversicherung begründe kein Vertrauen der Klägerin, das Recht werde nicht mehr
angewendet. Wenn dem so wäre, dürfte kein fehlerhafter Bescheid mehr zurückgenommen werden. Da der tatsächliche Ablauf des
Meldeverfahrens geklärt sei, spiele der Vorgang einer Frau Sabine H. (Versicherungsnummer 08271158G505) keine Rolle mehr.
Es handele sich um eine andere Person mit richtiger Versicherungsnummer.
Die Beigeladenen haben keinen ausdrücklichen Antrag gestellt und lediglich mitgeteilt, dem klägerischen Vorbringen sei kein
neuer rechtlicher Aspekt zu entnehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten (zwei Bände)
sowie auf die Verwaltungsakte der Beigeladenen (ein Hefter) verwiesen. Diese Akten haben bei der mündlichen Verhandlung und
der anschließenden Beratung des Senats vorgelegen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Senat verweist zwecks Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts
in seinem ausführlichen Urteil vom 9. November 2016 und macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen (§
153 Abs.
2 SGG). Der rückwirkende Beginn der Pflichtversicherung als Rentnerin ergibt sich aus §
186 Abs.
9 SGB V. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn im Fall der Klägerin ist für den Zeitraum vom 1. Januar
2010 bis zum 30. Juni 2012 wegen nicht einbehaltener Beiträge zur KVdR und zur Pflegeversicherung eine Überzahlung in Höhe
von 2.157,24 EUR eingetreten. Der dies feststellende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht
im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Dem von der Klägerin zitierten Urteil des LSG B.-B. vom 10. April 2014 (L 27 R 935/11) ist das BSG in seiner Revisionsentscheidung hierzu (Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 6/14 R - juris) nicht gefolgt. Die Klägerin war im umstrittenen Zeitraum seit 1. Januar 2010 Mitglied der Beigeladenen zu 1. als
Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung und der Beigeladenen zu 2. als Trägerin der sozialen Pflegeversicherung. Die
Beitragsnachforderung der Beklagten gegen die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 besteht dem
Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt. Rechtsgrundlagen dafür sind §
255 Abs.
2 Satz 1
SGB V und §
60 Abs.
1 Satz 2
SGB XI. Danach sind für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- oder
Pflegeversicherung unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin
zu zahlenden Rente einzubehalten. Auf die Frage, ob die Beklagte hinsichtlich der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein
Verschulden trifft, kommt es nicht an. Insbesondere finden auch die §§ 44 ff. SGB X in diesen Fällen keine Anwendung (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Dezember 2013 - L 1 R 107/13 -, juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Die Beitragsnachforderung der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni
2012 ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach §
255 Abs.
1 SGB V (und auch nach §
60 Abs.
1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV (BSG, Urteil vom 15. Juni 2000 - B 12 RJ 6/99 R -, juris, Rdnr. 19 f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig
geworden sind. Die aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 zu zahlenden
Beiträge waren deshalb bei Erlass des angefochtenen Bescheides vom 14. Mai 2012 noch nicht verjährt.
Ein solcher Verwirkungstatbestand, der bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde die
Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht erheben, liegt hier offenkundig nicht vor. Denn die Beklagte unterließ die
Feststellung der Überzahlung der Rente der Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 nicht während eines
längeren Zeitraumes. Ausgehend von dem fehlerhaften Bescheid vom 16. Juni 2011 war im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides
vom 14. Mai 2012 noch kein Jahr und damit offensichtlich kein längerer Zeitraum vergangen. Außerdem kommt es hinsichtlich
der nachträglichen Erhebung der Beiträge gerade nicht darauf an, ob die Beklagte ein Verschulden trifft. Insoweit hat die
Klägerin zudem selbst eine Mitursache für den unterbliebenen Beitragsabzug durch ihre fehlerhafte Mitteilung der Familienversicherung
im Januar 2010 gesetzt und die Umsetzung der von ihr - in anwaltlicher Vertretung - verlangten Korrektur der fehlerhaft an
die Sch. BKK abgeführten Beiträge nicht geprüft. Jedenfalls ist die Rechtsprechung nicht befugt, die gesetzgeberische Entscheidung
einer verschuldensunabhängigen Nacherhebung von Beiträgen über das Rechtsinstitut der Verwirkung in Frage zu stellen.