Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Ansprüche der Klägerin auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2010. Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Die Klägerin ist im ... 1951 geboren. Sie wohnt seit 1989 in einer 68,64 qm großen Mietwohnung (drei Zimmer, Küche, Bad) im
... in C ... Vermieterin ist eine Wohnungsgenossenschaft. Die Wohnung der Klägerin gehört zu einer Gebäudeeinheit mit insgesamt
2.212,24 qm Wohnfläche. Die Beheizung in dieser Gebäudeeinheit wird mit dem Brennstoff Erdgas sichergestellt. In einer Mietbescheinigung
vom 16. November 2007 konnte die Vermieterin bei der Frage nach der Heizungsart zwischen "Fernwärme", "Sammelheizung" und
"Einzelraumheizung" wählen und kreuzte "Fernwärme" an. Die Aufbereitung des Warmwassers in der Wohnung erfolgt zentral.
Bis einschließlich Juli 2009 wohnte auch die 1978 geborene Tochter der Klägerin in der Wohnung im ... Die Mietforderungen
für die Wohnung entwickelten sich wie folgt (Angaben in EUR):
(Tabelle)
Zu den Nebenkostenabrechnungen ab dem Jahr 2012 führte die Vermieterin aus: "Aufgrund der geringen Änderung wird auf eine
Anpassung der Vorauszahlungen verzichtet".
Die Klägerin hatte auf einem Sparbuch 13,01 EUR angespart und ihr Girokontostand zum 14. Dezember 2009 belief sich auf 4,50
EUR. Neben den Leistungen nach dem SGB II verfügte sie im streitgegenständlichen Zeitraum über kein Einkommen.
Die Klägerin erhält seit Januar 2008 Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten, weil C. nach einer kommunalen Gebietsreform in den Landkreis W. eingegliedert wurde. Zuvor hatte sie
bereits Arbeitslosengeld II durch die Kommunale Beschäftigungsagentur Z. und durch die Kommunale Beschäftigungsagentur B.
bezogen.
Bereits mit einer Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 2. Januar 2008 unterrichtete der Beklagte die Klägerin über die seines
Erachtens zu hohen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Ab dem 1. Juli 2008 begrenzte er die berücksichtigten Aufwendungen
für Heizung auf 84,60 EUR im Monat, wobei 42,30 EUR auf die Klägerin entfielen. In der Folgezeit führten die Beteiligten mehrere
Verfahren zur Höhe der Leistungen für (Unterkunft und) Heizung.
Mit einer Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Dezember 2008 unterrichtete der Beklagte die Klägerin erneut über deren seiner
Auffassung nach zu hohen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und teilte mit, angemessen seien 318 EUR Bruttokaltmiete
sowie 84,60 EUR Heizkosten. Für den Fall, dass eine Senkung nicht erfolge, werde die Klägerin den Differenzbetrag zwischen
den tatsächlichen und den angemessenen Kosten selbst tragen müssen. Hierauf teilte die Klägerin unter anderem mit, einer Person
stehe ein Wohnraum von 50 qm zu einem Preis von 4,20 EUR/qm Miete und 1,10 EUR/qm Betriebskosten zu. Weil sie als Erstbezieherin
der Wohnung nur 260,39 EUR zahle und eine günstigere Wohnung in der Region nicht vorhanden sei, sei ein Umzug wesentlich teurer.
Eine Senkung der Heizkosten sei nicht möglich. Sie wohne in der obersten Etage und überheize die Wohnung nicht. Es seien maximal
21°C. Der Beklagte half einem Widerspruch der Klägerin gegen die gekürzte Berücksichtigung von Aufwendungen für Unterkunft
und Heizung im April 2009 teilweise ab und berücksichtigte ab Januar 2009 die Hälfte von 260,39 EUR Bruttokaltmiete und 87,58
EUR (tatsächlicher Abschlag in Höhe von 99,53 EUR abzüglich 11,95 EUR Kosten der Warmwasseraufbereitung) Heizkosten, mithin
im Ergebnis die nach seiner Ansicht vollen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
Nach dem Auszug der Tochter der Klägerin zum 1. August 2009 teilte der Beklagte der Klägerin in einer Anlage zum Bewilligungsbescheid
vom 26. August 2009 mit, seines Erachtens seien die derzeitigen Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung zu hoch.
In der tabellarischen Aufstellung der angemessenen Kosten waren die Kosten für 1-Personen Haushalte (265 EUR Bruttokaltmiete
sowie 70,50 EUR Heizkosten) bis 5-Personen-Haushalte und mehr aufgeführt. Die Kosten für einen 2-Personen-Haushalt (318 EUR
Bruttokaltmiete sowie 84,60 EUR Heizkosten) waren fettgedruckt. Im Erläuterungstext der Kostensenkungsaufforderungen sind
konkrete Angemessenheitswerte für die Wohnung der Klägerin nicht dargestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Gestaltung
der Kostensenkungsaufforderung wird auf Blatt 235 der Verwaltungsakten verwiesen.
Am 3. September 2009 reichte die Klägerin eine Nebenkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2008 (Betriebskosten) beziehungsweise
die Zeit von Juli 2008 bis Juni 2009 (Heizkosten) ein. Hiernach hatte die Klägerin ab Oktober 2009 271,04 EUR Bruttokaltmiete
und 107 EUR Heizkosten zu zahlen. In einer Anlage zum Änderungsbescheid vom 11. September 2009 teilte der Beklagte mit, er
werde ab Oktober 2009 die Kaltmiete in Höhe von 291,89 EUR und Heizkosten in Höhe von 79,36 EUR (mit dem Abschlag für die
Heizkosten vertauschter tatsächlicher Abschlag für kalte Betriebskosten in Höhe von 86,15 EUR abzüglich 6,79 EUR Kosten der
Warmwasseraufbereitung) gewähren. Ab März 2010 werde er nur noch eine Kaltmiete von 265 EUR und Heizkostenvorauszahlungen
von 70,50 EUR berücksichtigen.
Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 Arbeitslosengeld II
für die Monate Januar bis Juni 2010, dabei in Höhe von monatlich 730,25 EUR für Januar und Februar 2010 sowie in Höhe von
monatlich 694,50 EUR für März bis Juni 2010. Ab März 2010 berücksichtigte er Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von
335,50 EUR, die wegen fehlenden Einkommens der Klägerin voll ausgezahlt wurden. Gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2009 legte
die Klägerin am 12. Januar 2010 Widerspruch ein: Sie lebe seit August 2009 allein in der Wohnung. Damit habe sie zwar die
Möglichkeit gehabt, die Nebenkosten zu senken. Allerdings erfolge eine Abrechnung seitens der Vermieterin erst Ende des 3.
Quartals. Damit sei eine Kürzung der Nebenkosten ab dem 1. März 2010 für sie nicht zumutbar. Der Beklagte erließ einen Änderungsbescheid
für die Monate Januar und Februar 2010 und wies den Widerspruch dann mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2010 zurück: Angemessen
seien 265 EUR Bruttokaltmiete und 70,50 EUR Heizkosten. Ab März 2010 könnten nur noch diese Kosten übernommen werden.
Mit Änderungsbescheid vom 29. April 2010 berücksichtigte der Beklagte bei unveränderter Leistungshöhe eine Änderung der Bankverbindung
der Klägerin zum Juni 2010.
Bereits am 8. April 2010 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Sie hat schriftsätzlich zunächst
die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 730,57 EUR für die Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2010 beantragt: Zu berücksichtigen seien die tatsächlichen
Wohnkosten in Höhe von 271,04 EUR für die Bruttokaltmiete und 107 EUR für die Heizkosten. Sie sei zur Zahlung einer Miete
in Höhe von insgesamt 371,57 EUR verpflichtet. Die Herabsetzung des Leistungsanspruchs hätte zur Folge, dass ein sich ergebendes
Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung als ihr Einkommen berücksichtigt würde. Dabei bliebe ihre Eigenleistung unberücksichtigte,
so dass die Möglichkeit bestehe, dass der Betrag von 36,07 EUR (371,57 EUR - 335,50 EUR) von ihr letztendlich doppelt gezahlt
würde. Außerdem sei es ihr unter Beachtung des Wohnumfelds nicht möglich, eine Wohnung zu einem Angemessenheitswert von 335,50
EUR zu finden. Die Heizkosten seien so hoch, weil sie eine Dachgeschosswohnung bewohne und die Wohnung unter ihr leer stehe.
Sie habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine schriftlich nachweisbaren Bemühungen zur Suche einer neuen Wohnung unternommen.
Auf Nachfrage bei einer Wohnungsgenossenschaft sei ihr erklärt worden, dass ihr eine kleinere Wohnung nichts bringe, weil
die Grundmiete dann wesentlich höher sei. Ihre Eltern, die dann später sehr pflegebedürftig geworden seien, hätten etwa 5
Minuten von ihr entfernt gewohnt. Der Beklagte hat erklärt, dass die Klägerin seiner Ansicht nach schon überzahlt sei. Ausgehend
von einer Beheizung mit Gas und einer Gesamtwohnfläche des Mietobjekts von 2.013,32 qm errechne sich nach dem bundesweiten
Heizspiegel 2009 ein angemessener Heizkostenabschlag von 60,84 EUR (14,60 EUR x 50 qm = 730 EUR./. 12 Monate). Hiervon sei
noch der Kostenabzug für die Warmwasseraufbereitung vorzunehmen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau am 19. August 2014 hat die Klägerin neben der Aufhebung
der angefochtenen Bescheide des Beklagten die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (abzüglich der Kosten der Warmwasseraufbereitung)
beantragt.
Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Klage mit Urteil vom 19. August 2014 unter Zulassung der Berufung abgewiesen: Die
kalten Unterkunftskosten der Klägerin seien im streitigen Zeitraum voll mit 271,89 EUR zu berücksichtigen und nicht auf 265
EUR zu kürzen. Der Beklagte verfüge über kein sog. schlüssiges Konzept. Wegen ausfallender anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten
sei auf die Tabellenwerte nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung zurückzugreifen. Diese Werte übersteige die Bruttokaltmiete der Klägerin
nicht. Hingegen seien nur Heizkosten in Höhe von monatlich 60 EUR anstatt tatsächlicher 100,53 EUR zu übernehmen. 60 EUR seien
der maximal angemessene Wert nach dem bundesweiten Heizspiegel bei einer Beheizung mit Erdgas und einer Gesamtwohnfläche des
Gebäudes von 2.212,24 qm. Der Klägerin habe die Senkung der Heizkosten oblegen. Sie sei im Bescheid vom 26. August 2009 hinreichend
deutlich über die Unangemessenheit ihrer Kosten belehrt worden. Mehr als sechs Monate nach der Kostensenkungsaufforderung
(also bis Februar 2010) habe der Beklagte die unangemessenen Kosten nicht berücksichtigen müssen. Denn bei Erlass des Bescheids
vom 26. August 2009 hätten die Heizkosten mit monatlich 100,53 EUR so deutlich über den maximal angemessenen Werten gelegen,
dass eine Absenkung auf die angemessenen Werte durch eine Veränderung des Verbrauchsverhaltens nicht zu erwarten gewesen sei.
Das gelte auch im Hinblick auf die ungünstigen energetischen Gegebenheiten der Wohnung und deren unangemessene Gesamtgröße.
Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie sich innerhalb der Regelfrist von sechs Monaten um angemessenen Wohnraum bemüht
habe.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 17. September 2014 zugestellte Urteil haben diese für die Klägerin am 17. Oktober
2014 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, es sei ihr nicht möglich gewesen, eine kostengünstigere Wohnung zu finden.
Hierzu hat sie auf vier Wohnungsangebote für Wohnungen von 47 bis 49 qm Größe verwiesen, für die monatlich zwischen 212 und
243 EUR Grundmiete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen verlangt wurden, so dass die monatliche Gesamtmiete zwischen 321 EUR
und 337 betrug. Sie habe sich Anfang Oktober 2009 bei ihrer Vermieterin und der Wohnungsbaugesellschaft mbH C. gemeldet. Zumindest
bei ihrer Vermieterin sei sie persönlich vorbeigegangen, um über alternative Angebote zu sprechen. Man habe ihr mitgeteilt,
dass keine Mietwohnung mit einer niedrigeren Warmmiete als derjenigen ihrer bisher bewohnten Wohnung zu erhalten sei. Sie
meine sich zu erinnern, auch nach Erhalt des Bescheids vom 9. Dezember 2009 nochmals zu Beginn des Jahres 2010 bei beiden
Wohnungsgenossenschaften gefragt zu haben, ob sich etwas Neues ergeben habe. Die privaten Vermieter seien zumeist teurer gewesen.
Das wisse sie, weil sie immer wieder einen Blick in die Zeitungsanzeigen geworfen habe. Hier habe sich keine Alternative gefunden.
Ihre Vermieterin sei nach dem Auszug ihrer Tochter nicht bereit gewesen, die Heizkostenvorauszahlungen zu senken. Sie habe
erst die Nebenkostenabrechnung abwarten wollen.
Die Berichterstatterin hat unter anderem auf die Möglichkeit der Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze aus den Tabellenwerten
nach dem WoGG zuzüglich 10 vom Hundert (vH) und den von dem Beklagten für angemessen erachteten Heizkosten hingewiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, den Ausführungen des Sozialgerichts Dessau-Roßlau zu einer fehlenden Auswirkung der Verlängerung
des sechsmonatigen Kostensenkungszeitraums könne nicht gefolgt werden, denn die Abrechnungen der Nebenkosten der letzten Jahre
zeigten eine tatsächliche Absenkung der Verbrauchskosten. Letztlich seien die Kosten in der Abrechnung für 2012/2013 auf 768,84
EUR und damit auf 65,57 EUR monatlich verringert worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. August 2014 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember
2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010 sowie für Juni 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom
29. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. März 2010 bis zum 30. Juni 2010 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (abzüglich der
Kosten der Warmwasseraufbereitung) sowie unter Anrechnung der bisher geleisteten Zahlungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Frist von sechs Monaten gelte nur für Leistungsberechtigte, die mit einer zu teuren Wohnung
"erstmals" in den Leistungsbezug gerieten. Diese sollte nicht sogleich mit gekürzten Unterkunftskosten zu rechnen haben. Gesonderte
Erwägungen zu einem ungünstigen energetischen Standard seien nicht anzustellen. Solche Umstände würden bereits bei den Werten
des bundesweiten Heizspiegels berücksichtigt. Das Urteil des BSG im Verfahren B 14 AS 60/12 R gelte nur für eine Verlängerung der Auszugsfrist und auch nur für allein in der Person des Leistungsbeziehers liegende
Gründe. Er halte § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II erst ab dem 1. Januar 2011 für anwendbar. Außerdem ergebe sich aus der Vorschrift kein subjektives öffentliches Recht, wie
die Begründung des Gesetzentwurfs zeige. Zudem gelte die Regelung nur, wenn absehbar sei, dass der Leistungsberechtigte aus
dem Bezug ausscheide. Die vorgelegten Wohnungsangebote seien nicht zu berücksichtigen, weil sie sich nicht auf den verfahrensgegenständlichen
Zeitraum bezögen. Letztendlich sei nochmals die unangemessene Größe der von der Klägerin bewohnten Wohnung zu betonen.
Auf Anforderung vom 28. August 2017 hat die C. gemeinnützige GmbH die Veröffentlichungsdaten der bundesweiten Heizspiegel
2009 (1. Oktober 2009) und 2010 (18. Mai 2010) mitgeteilt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Zwar betrifft die Klage eine Geldleistung und der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt den Betrag von 750 EUR nicht.
Die Klägerin begehrt die Zahlung weiterer Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 144,28 EUR. Denn ihr Antrag richtet sich auf die Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung
in Höhe von monatlich 36,07 EUR für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum. Das ist die Differenz zwischen den bislang berücksichtigten
Bedarfen in Höhe von monatlich 335,50 EUR und den tatsächlichen Aufwendungen (abzüglich eines Kostenabzugs für die Warmwasseraufbereitung
in Höhe von monatlich 6,47 EUR). Weil die Klägerin über kein Einkommen verfügt, entspricht ihr geltend gemachter weiterer
Bedarf der Höhe nach den begehrten weiteren Leistungen. Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Berufung aber wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassen und der Senat ist an die Zulassung gebunden, §
144 Abs.
3 SGG.
Im Übrigen ist die Berufung form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. August 2014 und der Bescheid des
Beklagten vom 9. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010, für Juni 2010 in der Fassung des
Änderungsbescheids vom 29. April 2010. Letzterer war Kraft gesetzlicher Anordnung nach §
96 SGG bereits in das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau einbezogen und trifft im Hinblick auf die Höhe der Leistungen
eine im Vergleich zu den vorangegangenen Verwaltungsentscheidungen unveränderte Regelung. Die Klägerin hat den Gegenstand
des Verfahrens nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt, so dass die angefochtenen Entscheidungen insgesamt
zu prüfen sind.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
4 SGG), weil die Klägerin für die streitgegenständlichen Monate höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes begehrt,
als sie ihr bislang durch die verfahrensgegenständlichen Bescheide des Beklagten zugesprochen worden sind.
Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf monatlich höhere Leistungen nach dem SGB II. Die Begrenzung ihrer im Rahmen der Leistungsbewilligung berücksichtigten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auf die
vom Beklagten für angemessen erachteten Bedarfe sowie die diese Begrenzung umsetzenden Verwaltungsakte sind rechtswidrig und
verletzten die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin erfüllte in der Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2010 die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II dem Grunde nach.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben
(erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Die Klägerin ist im August 1951 geboren und hatte daher im streitgegenständlichen Zeitraum das 58. Lebensjahr vollendet. Ihr
Alter lag damit auch unter der nach § 7a Satz 2 SGB II maßgeblichen Altersgrenze für ihren Geburtsjahrgang von 66 Jahren. Die Klägerin war erwerbsfähig und mangels Einkommens und
den Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II übersteigenden Vermögens hilfebedürftig. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte sie in C., also in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Leistungsanspruch der Höhe nach richtet sich nach § 19 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359 EUR für eine alleinstehende Person gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Juli 2009 vom 17. Juni 2009 (BGBl I, 1342) hat der Beklagte in voller Höhe bewilligt
und bezahlt.
Der Anspruch der Klägerin auf die Kosten für Unterkunft und Heizung richtet sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach dieser Regelung werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit
diese angemessen sind.
Die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft der Klägerin beliefen sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf monatlich
271,04 EUR. Hiervon hat der Beklagte 265 EUR als Bedarf berücksichtigt. Er hat also monatlich 6,04 EUR als die den nach seiner
Auffassung angemessenen Unterkunftskostenbetrag übersteigenden Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterkunft nicht anerkannt.
Bereits das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die fehlende Berechtigung des Beklagten zu einer solchen Verringerung erkannt.
Die Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung im Vergleich zu den tatsächlichen Aufwendungen geringerer Bedarfe für Unterkunft (und
Heizung) setzt voraus, dass der Beklagte über ein der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsprechendes sog. schlüssiges
Konzept verfügt. Liegt ein solches Konzept nicht vor, ist der Beklagte gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage
zu verschaffen und gegebenenfalls eine unterbliebene Datenerhebung- und Aufbereitung nachzuholen. Sind dennoch keine ausreichenden
Daten vorhanden, brauchen nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden, wenn ein schlüssiges Konzept
auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht (mehr) entwickelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R - juris, Rn. 19). In diesem Fall ist auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 vH als abstrakte Angemessenheitsgrenze abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R - juris).
Der Beklagte ist im Klage- und Berufungsverfahren selbst nicht davon ausgegangen, über ein sog. schlüssiges Konzept im Sinne
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu verfügen. Das ist insoweit nachvollziehbar, als die Mietwerterhebungen für
sein erstes Konzept erst zum Stichtag 1. Juli 2010 und damit nach dem Ende des hier verfahrensgegenständlichen Zeitraums erfolgt
sind. Insofern kann auch der Senat dem Beklagten nicht auferlegen, Daten für eine Entscheidungsgrundlage im verfahrensgegenständlichen
Zeitraum zu verschaffen; da solche Daten nicht vorhanden sind.
Der Erkenntnisausfall hinsichtlich der angemessenen Referenzmiete führt zum Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG einschließlich des Sicherheitszuschlags von 10 vH für die Bestimmung des abstrakt angemessenen Betrags der Unterkunftskosten
(vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R - juris, Rn. 25). Zwar kann auch bei diesem methodischen Ansatz nicht auf die Festlegung eines örtlichen Vergleichsraums
verzichtet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R - juris; Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R - beide zitiert nach juris). Fest steht insoweit allerdings, dass entweder der Landkreis W. ein einziger Vergleichsraum
ist (wovon auch der Beklagte ausgeht, wobei er in seiner im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht geltenden Verwaltungsvorschrift
zur Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung mehrere "Wohnungsmarkttypen" bildet) oder die Kreisstadt W.
ein eigener Vergleichsraum ist, während die anderen Gemeinden innerhalb des Kreisgebiets und ausgenommen der Kreisstadt W.
gegebenenfalls einen oder mehrere weitere örtliche Vergleichsräume bilden. Hier fehlt es aber sowohl für einen Gesamtvergleichsraum
Landkreis W. als auch für mehrere Vergleichsräume im Kreisgebiet an einer hinreichenden Datengrundlage, so dass die Entwicklung
eines schlüssigen Konzepts für alle hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R - juris, Rn. 17).
Die Festlegung auf einen konkreten Vergleichsraum ist für den streitgegenständlichen Zeitraum im Fall der Klägerin aus tatsächlichen
Gründen auch nicht geboten. Denn in der Folge eines Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG gibt es kein rechnerisches Ergebnis, nach dem die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterkunft als unangemessen bewertet
werden könnten. Offen gelassen werden kann nämlich, ob in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Maßgeblichkeit
der Mietenstufe einer anderen Gemeinde im Vergleichsraum bei Begrenzung der Unterkunftsleistungen durch die Werte der Wohngeldtabelle
und fehlender eigener Mietenstufe der Wohnortgemeinde (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R - juris) im Vergleichsraum in Anbetracht der konkreten örtlichen Gegebenheiten auf die Mietenstufe I (die für den Landkreis
W. mit Ausnahme der Gemeinden W. und J. gilt) oder die Mietenstufe II (denen W. und J. zugeordnet sind) abzustellen ist. Denn
bei einer Orientierung auf die Mietenstufe II ergibt sich ein Höchstbetrag von 387,20 EUR (352 EUR + 35,20 EUR) und bei der
Anwendung der Mietenstufe I ein Höchstbetrag von 321,90 EUR (292 EUR + 29,20 EUR). Beide Beträge liegen deutlich unter den
tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen Klägerin von 271,04 EUR, weshalb bei der Bedarfsermittlung der Klägerin eine Kürzung
der Aufwendungen für Unterkunft nicht vorzunehmen ist.
Außerdem sind im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch die vollen Aufwendungen der Klägerin für Heizung zu berücksichtigen.
Die tatsächlichen Aufwendungen für Heizung beliefen sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auf monatlich 100,53 EUR.
Die der Vermieterin geschuldeten monatlichen Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser in Höhe von insgesamt 107 EUR waren
nämlich um den in der Regelleistung enthaltenen Kostenanteil für die Warmwasseraufbereitung zu mindern. Dieser belief sich
in der Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2010 auf 6,47 EUR (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R - juris, Rn. 26; Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 8/09 R - juris, Rn. 30). Nicht diese tatsächlichen Aufwendungen für Heizung von 100,53 EUR, sondern nur monatlich 70,50 EUR hat
der Beklagte als Bedarf berücksichtigt. Der monatliche Differenzbetrag beläuft sich damit auf 30,03 EUR.
Der Beklagte hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum weitere Leistungen für Heizung in dieser Höhe zu gewähren. Denn eine
Absenkung der berücksichtigten Aufwendungen für Heizung kam bis zum 30. Juni 2010 trotz ihrer schon vom Sozialgericht Dessau-Roßlau
erkannten Unangemessenheit nicht in Betracht.
Ausgangsgrundlage für die Ermittlung - abstrakt - unangemessen hoher Heizkosten ist das Produkt aus dem Wert des kommunalen
oder - wenn wie hier ein solcher kommunaler Heizspiegel nicht existiert - des bundesweiten Heizspiegels. Dessen Werte zu "extrem
hohen" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage (= rechte Spalte) indizieren unangemessen
hohe Heizkosten. Weitere Bezugsgröße der Berechnung ist der Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt
angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) beziehungsweise §
5 Abs.
2 Wohnungsbindungsgesetz a.F. (
WoBindG) ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 33/08 R - juris, Rn. 32).
Die angemessene Wohnfläche für allein stehende Hilfebedürftige in Sachsen-Anhalt beträgt 50 qm (Richtlinie über die Gewährung
von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt, RdErl. des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und
Wohnungswesen [MRS] vom 23. Februar 1993, MBl. für Sachsen-Anhalt Nr. 27/1993, S. 1285 sowie RdErl. des Ministeriums für Wohnungswesen,
Städtebau und Verkehr [MWV] vom 10. März 1995, MBl. für Sachsen-Anhalt Nr. 31/1995, S. 1133).
Wegen des Heizmaterials ist der Wert aus dem bundesweiten Heizspiegel für Erdgas zugrunde zu legen. Dass die Vermieterin der
Klägerin am 16. November 2007 die Versorgung mit "Fernwärme" bescheinigt hat, führt nicht zur Anwendung der Tabellenwerte
für dieses Heizmedium. Denn in dieser Bescheinigung kam es nur darauf an, die Heizungsart von derjenigen der Sammelheizung
(also der Beheizung über eine zentrale, aber hausinterne Heizanlage = Zentralheizung) und derjenigen der Einzelheizung (also
der Beheizung einzelner Zimmer durch einen Ofen oder ähnliches) abzugrenzen. Hingegen ist Erdgas nach allen Heizkostenabrechnungen
das Heizmaterial, mit dem die Wärmeversorgung der Wohnung der Klägerin erfolgt.
Der Wert des am 1. Oktober 2009 veröffentlichten bundesweiten Heizspiegels 2009, bei einer Gebäudefläche von mehr als 1.000
qm und "zu hohe" Kosten beläuft sich auf 14,60 EUR. Auf den Heizspiegel 2009 und nicht auf denjenigen aus 2010 ist abzustellen,
weil es auf den zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung veröffentlichten Heizspiegel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 25). Die Tabellenwerte aus dem Heizspiegel für 2009 beziehen sich auf reine Raumwärme, so dass wegen der zentralen
Warmwasseraufbereitung in der Wohnung der Klägerin keine rechnerische Korrektur vorzunehmen ist. Das Produkt von 14,60 EUR
und 50 qm sind 730 EUR; aufgeteilt auf 12 Monate ergeben sich 60,83 EUR. Diesen Betrag überschreiten die Heizkosten der Klägerin
um monatlich 39,70 EUR.
Das Überschreiten der oberen Grenzwerte eines Heizspiegels kann aber lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit der
Heizkosten angesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 70/08 R - juris, Rn. 19). Der Feststellung des Umstands nach dem bundesweiten Heizspiegel zu hoher Kosten schließt sich die Prüfung
der konkreten Angemessenheit beziehungsweise Unangemessenheit der Kosten an. Im Rahmen dieser Prüfung ist eine Beschränkung
auf personenbezogene Ursachen nicht vorgesehen (vgl. BSG, a.a.O.: "Hierzu gehören z.B. die besonderen klimatischen Bedingungen des Wohnortes."), aber in erster Linie erheblich (vgl.
BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 26). Der Rückgriff auf Heizspiegelwerte für "extrem hohe" Heizkosten (ungünstigste Verbrauchskategorie) trägt
nämlich im Grundsatz bereits dem Gesichtspunkt Rechnung, dass die im Einzelfall entstehenden Heizkosten von Faktoren abhängen,
die dem Einfluss des Hilfesuchenden weitgehend entzogen sind (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R - juris, Rn. 23). Hingegen ist der von der Klägerin angeführte ungünstige energetische Standard einer Unterkunft für sich
genommen kein Grund im Einzelfall, der den Träger der Grundsicherung zur dauerhaften Übernahme von hohen Heizkosten als "angemessene"
Aufwendungen verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 27).
Vorliegend hat die Klägerin bis auf den ungünstigen energetischen Standard und die Lage der Wohnung im Haus allerdings keine
konkreten Umstände vorgetragen, die die Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Heizung mit fast 40 EUR über dem Grenzwert
für "zu hohe" Kosten nach dem bundesweiten Heizspiegel als konkret angemessen erscheinen lassen. Vielmehr steht die Höhe der
Heizkosten auch zur Überzeugung des Senats im Zusammenhang mit der Größe der bewohnten Wohnung von 68,64 qm.
Dennoch folgt im Fall der Klägerin aus der Unangemessenheit der Heizkosten keine Obliegenheit zur Kostensenkung, die schon
für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Kappung der berücksichtigten Aufwendungen für Heizung rechtfertigen kann.
Eine Beschränkung der Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung kommt nämlich nur unter den Voraussetzungen des
§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles
angemessenen Umfang übersteigen, sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange
zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten
ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens
für sechs Monate.
Die Absenkung auf die nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten setzt ein Kostensenkungsverfahren voraus,
das den Hilfebedürftigen in die Lage versetzt, seinen Kostensenkungsobliegenheiten nachzukommen. Dieses Verfahren hat der
Beklagte hier frühestens mit seinem Hinweis im Bescheid vom 26. August 2009 eingeleitet. Den vorangegangenen Kostensenkungsverfahren
kam keine Wirkung mehr zu, nachdem der Beklagte ab Januar 2009 die vollen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigt
hatte. Nach einer solchen vollen Übernahme können Hilfebedürftige berechtigt davon ausgehen, dass der "Dialog" (vgl. zuletzt
BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 36/15 R - juris, Rn. 15) im Ergebnis zu ihren Gunsten beendet worden ist. Für die beabsichtigte (gegebenenfalls erneute) Absenkung
der berücksichtigten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist die Eröffnung eines neuen Dialogs - und damit eine neue Kostensenkungsaufforderung
- erforderlich.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es für die Obliegenheit der Klägerin zur Kostensenkung außerdem darauf an, ob die
Klägerin bei einer - wohl vom Beklagten favorisierten - Kostensenkung durch Umzug ohne leistungsrechtliche Folgen eine Unterkunft
hätte anmieten müssen, deren Kosten unter denjenigen für die Wohnung im Beethovenring 9 gelegen hätten. Denn ein Umzug im
Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II muss immer eine Kostensenkungsmaßnahme sein, also zur Verringerung der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und/oder
Heizung führen.
Der Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
- der sich der Senat anschließt - nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten
als bisher anfallen. Nur ein Wohnungswechsel, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist das von dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger
geforderte "wirtschaftliche Verhalten". Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren
Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten
individuellen Interesse des hilfebedürftigen Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der
Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 30). Abzustellen ist bei einem solchen "Mehrkostenvergleich" wegen der Kosten der Unterkunft auf den Wert,
der sich für die jeweilige Größe der Bedarfsgemeinschaft als abstrakt angemessen ergibt. Wegen der Kosten der Heizung kann
im Ausgangspunkt auf die vom örtlich zuständigen Träger der Leistungen nach dem SGB II (oder der gemeinsamen Einrichtung) in seiner Verwaltungspraxis als angemessen angesehenen (durchschnittlichen) Heizkosten
zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 32).
Die angemessenen Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft betrugen bis zum 30. Juni 2010 387,20 EUR/321,90 EUR (vgl. S. 12,
Mietenstufe I oder II). Zusammen mit den vom Beklagten als angemessen erachteten Heizkosten von 70,50 EUR ergibt sich ein
Betrag von 457,70 EUR/392,40 EUR. Beide Beträge liegen jeweils über den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin in Höhe von
371,57 EUR. Daher scheidet eine Obliegenheit zur Kostensenkung bis zum 30. Juni 2010 und damit bis zum Ende des streitgegenständlichen
Zeitraums aus.
Selbst wenn der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum die Senkung ihrer Heizkosten oblegen hätte, wirkte sich ein in
Verstoß hiergegen bis zum 30. Juni 2010 letztlich nicht aus.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Zeitraum von sechs Monaten aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht im Sinne einer "Höchstfrist" zu verstehen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, der die Frist von
sechs Monaten als Regelfrist vorgibt. Daher bleibt die Möglichkeit eröffnet, unangemessene Aufwendungen im Fall einer "Ausnahme"
(in Abgrenzung zur "Regel") einen längeren Zeitraum zu übernehmen. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht bereits im Jahr
2008 formuliert, im Fall der Unangemessenheit der tatsächlichen Heizkosten seien diese "jedenfalls" für einen Übergangszeitraum
von sechs Monaten zu übernehmen (Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R - juris, Rn. 22).
Ein Abweichen von der Sechs-Monats-Frist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zur Kostensenkung kommt vor allen Dingen in Betracht, wenn die Kostenunangemessenheit einer Unterkunft auf durch geändertes
Verbrauchsverhalten beeinflussbaren Faktoren beruht (vgl. auch BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris). Insoweit kommt bei zu hohen Heizkosten zunächst die Kostensenkung durch Energieeinsparung in Betracht.
Die Kostensenkung durch Energieeinsparung kann regelmäßig nur bei Selbstversorgung mit Heizmaterial und Kostenanfall im Zeitpunkt
des Erwerbs neuen Heizmaterials unmittelbar gesteuert werden. Ist demgegenüber die vom Vermieter oder Energieversorger bestimmte
Höhe der Abschlagszahlungen an das Ergebnis jährlicher Abrechnungen gekoppelt, können durch Energieeinsparung erfolgreich
durchgeführte Kostensenkungen erst nach Ablauf der Abrechnungsperiode und erfolgter Abrechnung wirksam werden (vgl. §
560 Abs.
4 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB], danach kann, soweit Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart worden sind, jede Vertragspartei nach einer Abrechnung
durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen). Welche Folgen in diesem Zusammenhang in nachfolgenden
Abrechnungszeiträumen unterlassene Anpassungen von Vorauszahlungen - die ebenfalls ein im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II mögliches Kostensenkungsinstrument darstellen - haben können, kann für den streitgegenständlichen Zeitraum dahingestellt
bleiben. Denn es geht um die Obliegenheit der Klägerin zur Kostensenkung frühestens aufgrund der Kostensenkungsaufforderung
des Beklagten vom 26. August 2009. Damit konnte die Klägerin Kostensenkungsmaßnahmen durch Änderung des Verbrauchsverhaltens
erst in der Abrechnungsperiode von Juli 2009 bis Juni 2010 ergreifen. Wirksam werden konnten ihre Einsparungsmaßnahmen erst
mit der Nebenkostenabrechnung für diesen Zeitraum nach Ablauf des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums. Erst dann
- und damit nach dem Monat Juni 2010 - wäre eine Kostensenkung durch den nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gegebenenfalls vorzunehmenden Wohnungswechsel als Maßnahme zur Kostensenkung in Betracht zu ziehen gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris, Rn. 29).
Nach alledem ergibt sich in den Monaten März bis Juni 2010 ein monatlicher Bedarf von 730,57 EUR (359 EUR Regelleistung +
271,04 EUR Kosten der Unterkunft + 100,53 EUR Kosten der Heizung). Die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von monatlich
insgesamt 731 EUR wegen der Anwendung der Rundungsregelung gemäß § 41
Abs. 2 SGB II scheidet wegen des erstinstanzlich schriftlich formulierten Klageantrags aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne von §
160 SGG liegt nicht vor; es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage.