Mobilitätshilfe; Trennungskostenbeihilfe; Referendariat; Bescheidungsklage; Ermessensausübung; Ermessensentscheidung; Neubescheidung;
Notwendigkeit; doppelte Haushaltsführung; Arbeitsaufnahme; Mobilitätshilfe; Familienheimfahrt; Förderung; Beschäftigungsverhältnis;
berufliche Eingliederung; Tatbestandsvoraussetzung; Prognoseentscheidung
Gründe:
I.
Streitig ist die Neubescheidung eines abgelehnten Antrags auf Trennungskostenbeihilfe für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008
bis 31. März 2009 i.H.v. 260 EUR/Monat.
Der am ... 1971 geborene Kläger hatte erfolgreich die Erste Juristische Staatsprüfung abgelegt. Er bezog von dem Beklagten
bis 30. September 2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) i.H.v. zuletzt 576,18 EUR/Monat. Er bewohnte seit Dezember 2006 gemeinsam mit seiner Mutter eine 88 m² große Wohnung in
M. und überwies dieser anteilige Miete. Bereits seit 1. April 2003 war er Hauptmieter einer 61,98 m² großen Dreizimmerwohnung
in H., in der er nach seinen Angaben ein 7,6 m² großes Zimmer bewohnte. Zwei der Zimmer waren untervermietet.
Der Kläger war vom 1. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2010 beim H. Oberlandesgericht H. sozialversicherungspflichtig als
Rechtsreferendar (öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis) angestellt und erhielt Unterhaltsbeihilfe i.H.v. 900 EUR/Monat
brutto. Er hat angegeben, die Einstellungszusage für H. Ende August 2008 erhalten zu haben. Für eine Referendarstelle in Sachsen-Anhalt
habe er sich nicht beworben.
Auf seine Anträge vom 21. August 2008 hatte der Beklagte dem Kläger zum Zwecke des Dienstantritts Reisekostenbeihilfe i.H.v.
46,80 EUR, Ausrüstungsbeihilfe i.H.v. 260 EUR sowie als Übergangsbeihilfe ein Darlehen i.H.v. 1.000 EUR mit einer Rückzahlungspflicht
von 100 EUR/Monat bis September 2009 bewilligt (Bescheide vom 10. September 2008).
Der Kläger hatte am 21. August 2008 auch Trennungskostenbeihilfe ab 1. Oktober 2008 beantragt. Es liege wegen der auswärtigen
Arbeitsaufnahme eine getrennte Haushaltsführung vor. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. November 2008 ab.
Entstandene Kosten für eine getrennte Haushaltsführung seien nicht nachgewiesen worden. Nach eigenen Angaben des Klägers entstünden
am Arbeitsort in H. keine Mietkosten.
In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe Mehrkosten durch die getrennte Haushaltsführung.
Es bestünde daher die Gefahr des Vermögensverfalls mit der drohenden zwangsweisen Beendigung des Referendariats.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2008 als unbegründet zurück. Die Gewährung von
Mobilitätshilfe stehe in seinem Ermessen. Es sollten nur die für eine Arbeitsaufnahme notwendigen und unerlässlichen Hilfen
bewilligt werden. Die Wohnung in H. sei nicht erst im Rahmen des Referendariats angemietet worden und damit zur Aufnahme einer
Beschäftigung nicht notwendig gewesen. Der Kläger habe nach eigenen Angaben keine Mietkosten. Auch bei weiterer Zahlung des
Mietanteils an seine Mutter verbliebe ihm mehr zum Leben als während des Bezugs von SGB II-Leistungen. Für einen Ledigen sei eine doppelte Haushaltsführung nicht nachvollziehbar, und es bestehe auch keine Notwendigkeit
für Familienheimfahrten. Da bereits im Vorfeld Leistungen bewilligt worden seien, sei von der Eigenleistungsfähigkeit des
Klägers auszugehen.
Dagegen hat der Kläger am 21. Dezember 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Er habe Anspruch auf die beantragte
Trennungskostenbeihilfe. Die Kosten für die in H. bewohnte Wohnung würden im Wesentlichen von den Untermietern getragen. Er
habe seiner Mutter für die Wohnung in M. anteilige Miete zu entrichten. Sein Lebensmittelpunkt liege in M. und er pendelte
jedes Wochenende.
Bereits am 21. November 2008 hat der Kläger ohne Erfolg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Magdeburg
gestellt sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt (Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Januar 2009,
S 4 AS 3519/08 ER). Die dagegen gerichteten Beschwerden sind erfolglos geblieben (Beschluss des erkennenden Senats vom 20. April 2009, L
5 AS 61/09 B ER und L 5 AS 68/09 B).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2011 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte
Trennungskostenbeihilfe, da die Tatbestandsvoraussetzungen von § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §
53 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (
SGB III) nicht erfüllt seien. Die Gewährung von Trennungskostenbeihilfe sei für eine Beschäftigungsaufnahme des Klägers nicht notwendig
gewesen. Ebenso hätte dieser in M. als Rechtsreferendar des Landes Sachsen-Anhalt tätig werden können. Warum er sich nicht
dort beworben habe, sei nicht relevant. Es sei aber gerichtsbekannt, dass die Wartezeiten für Referendarstellen in H. grundsätzlich
wesentlich länger seien als in Sachsen-Anhalt. Von daher hätte der Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach zum gleichen Zeitpunkt
wie in H. das Referendariat in M. antreten können. Es könne daher dahinstehen, ob der Beklagte das Ermessen ordnungsgemäß
ausgeübt habe.
Gegen das ihm am 12. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Februar 2012, einem Montag, Berufung eingelegt.
Der Beklagte habe sachfremde Erwägungen geprüft, etwa dass er in H. keine Miete zahlen müsse und dass er Einkommen habe. Ob
die Voraussetzungen der Gewährung vorlägen, könne offen bleiben. Denn der Beklagte habe sich bei der Ermessensentscheidung
hinsichtlich des "ob" der Förderung festgelegt und dies bejaht, indem er ihm schon andere Leistungen bewilligt habe. Bei allen
bewilligten Leistungen handele es sich um Mobilitätshilfen. Sein Antrag auf Mobilitätshilfen sei auch umfassend gestellt worden
und hätte nicht unterschiedlich beschieden werden dürfen. Zudem habe das Sozialgericht unzutreffend angenommen, dass die Wartezeit
in H. länger sei als in Sachsen Anhalt. Er habe seine Bedürftigkeit in Eigeninitiative beendet. Der Beklagte habe es hingegen
zwei Jahre lang unterlassen, ihm einen solchen Dienst in Sachsen-Anhalt anzubieten. Mobilitätsbeihilfen hätten auch in Sachsen-Anhalt
bewilligt werden müssen, etwa zur Absolvierung von Stationen bei Dienststellen außerhalb von M. Hätte ihn die Ablehnungsentscheidung
des Beklagten vor Dienstantritt erreicht, hätte er seinen Dienst in H. nicht angetreten. Ohne die Mobilitätshilfe wäre es
ihm unmöglich gewesen, seine Hilfebedürftigkeit zu beenden. Ihm könne nicht vorgeworfen werden, dass er es dennoch geschafft
habe. Er habe die durch das Pendeln entstandenen Schulden bis heute nicht abgetragen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 3. November 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2008 aufzuheben und diesen zu verurteilen, den Antrag auf Trennungskostenbeihilfe
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Notwendigkeit einer Mobilitätshilfe sei zu verneinen, wenn die Beschäftigung
- wie hier - völlig unabhängig von der Mobilitätshilfe aufgenommen werde. Daher sei gar kein Ermessen auszuüben gewesen.
Der Beklagte ist unter dem 24. November 2015 und der Kläger unter dem 24. Januar 2016 zur beabsichtigten Entscheidung durch
Beschluss nach §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hingewiesen worden.
Der Kläger hat daraufhin ergänzend vorgetragen: Erforderlich sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er beantrage
eine Beweiserhebung durch Parteivernehmung, dass auf seinen streitigen Antrag hin Leistungen gewährt worden seien. Bereits
daraus ergebe sich die Notwendigkeit der begehrten Förderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten
Bezug genommen. Die Gerichtsakten L 5 AS 61/09 B ER und L 5 AS 68/09 B sowie die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
1.a.
Die Berufung des Klägers ist form - und fristgerecht eingelegt worden (§
151 Abs.
1 SGG). Sie ist auch statthaft nach §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet hier 750 EUR (6 Monate x 260 EUR).
b.
Der Senat durfte die Berufung nach §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Die Beteiligten sind gehört worden.
Der Einwand des Klägers, es müsse eine mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme durch Parteivernehmung durchgeführt werden,
ändert nichts an der fehlenden Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung. Denn es ist unstreitig und aktenkundig, dass
der Beklagte dem Kläger im Rahmen des Dienstantritts Reisekostenbeihilfe, Ausrüstungsbeihilfe sowie als Übergangsbeihilfe
ein Darlehen i.H.v. 1.000 EUR mit einer Rückzahlungspflicht bewilligt hat. Ein weiterer Ermittlungsbedarf hinsichtlich des
tatsächlichen Geschehensablaufs besteht nicht. Welche Folgen diese Leistungsbewilligung für den streitigen Anspruch hat, ist
eine Rechtsfrage, für deren Klärung eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.
2.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Trennungskostenbeihilfe. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Magdeburg
und der Bescheid des Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §
53 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung können Empfänger von Leistungen nach dem SGB II, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, durch Mobilitätshilfen gefördert werden, soweit dies zur Aufnahme
der Beschäftigung notwendig ist. Nach §
53 Abs.
2 Nr.
3 c, §
54 Satz 5
SGB III können als Trennungskostenbeihilfe bei auswärtiger Arbeitsaufnahme die Kosten für getrennte Haushaltsführung für die ersten
sechs Monate bis zu einem Betrag von monatlich 260 EUR übernommen werden.
Die Notwendigkeit von Mobilitätshilfen zur Aufnahme der Beschäftigung setzt voraus, dass das angestrebte Ziel der Arbeitsaufnahme
ohne Fahrtkostenbeihilfe nicht zu verwirklichen ist, und dass die Beschäftigungsaufnahme ohne diese Leistungen nicht erfolgt
wäre. Bei der zum Zeitpunkt der Antragstellung erforderlichen Prognoseentscheidung ist darauf abzustellen, ob das Beschäftigungsverhältnis
ohne Gewährung von Mobilitätshilfen wahrscheinlich nicht zu Stande gekommen wäre. Eine berufliche Eingliederung muss ohne
die begehrte Maßnahme prognostisch nicht möglich sein (vgl.: Beschluss des erkennenden Senats vom 20. April 2009, a.a.O.,
Seite 9).
a.
Die Gewährung von Trennungskostenbeihilfe war für eine Beschäftigungsaufnahme des Klägers als Rechtsreferendar ab 1. Oktober
2008 nicht notwendig. Insoweit verweist der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Magdeburg sowie
seines Beschlusses vom 20. April 2009 (a.a.O.) und macht sich diese vollumfänglich zu eigen (§
153 Abs.
2 SGG).
Die Einwendungen des Klägers im Berufungsverfahren lassen keine andere Beurteilung zu.
Er meint, ohne die begehrte Trennungskostenbeihilfe wäre es ihm unmöglich gewesen, seine Hilfebedürftigkeit - also das Referendariat
in H. - zu beenden. Diese Behauptung betrifft jedoch nicht die hier zu prüfende Notwendigkeit einer Trennungskostenbeihilfe
zur Überwindung von Arbeitslosigkeit überhaupt. Denn der Kläger hätte auch in M. das Referendariat absolvieren können. Keinesfalls
wäre dies allein in H. möglich gewesen.
Die Behauptung, bei Kenntnis der Ablehnungsentscheidung hätte er das Referendariat in H. gar nicht angetreten, führt ebenfalls
nicht zu einer anderen Einschätzung. Die Einstellungszusage hatte der Kläger bereits Ende August 2008 erhalten. Bei Antragstellung
stand für ihn also bereits fest, dass er zum 1. Oktober 2008 die Ausbildung aufnehmen werde. Er hat dies auch getan, obwohl
er noch keine positive Bescheidung seines Antrags auf Trennungskostenbeihilfe erhalten hatte. Der Kläger hat nach Erhalt des
Ablehnungsbescheids vom 3. November 2008 das Referendariat auch nicht beendet und etwa in M. fortgesetzt, wo ihm keine Kosten
für doppelte Haushaltsführung entstanden wären. Eine Kausalität zwischen der Aufnahme der Ausbildung und einer Bewilligung
von Trennungskostenbeihilfe ergibt sich für den Senat schon deshalb nicht.
Völlig fehl geht die Behauptung, auch bei Durchführung des Referendariats in M. wären Mobilitätshilfen für Stationen außerhalb
der Stadt zu bewilligen gewesen. Denn angesichts der in Sachsen-Anhalt zu erwartenden Entlohnung im öffentlich-rechtlichen
Ausbildungsverhältnis wäre der Kläger nicht mehr hilfebedürftig im Sinne des SGB II gewesen und hätte von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §
53 SGB III gehabt.
b.
Ein Anspruch auf Neubescheidung mit pflichtgemäßer Ermessensausübung allein hinsichtlich des "wie" der begehrten Leistungen
ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte die zeitgleichen Anträge auf weitere Mobilitätshilfen mit Bescheiden
vom 10. September 2008 positiv beschieden hatte.
Eine Selbstbindung des Beklagten aus den Bescheiden vom 10. September 2008 hinsichtlich des "ob" für die hier streitige Trennungskostenbeihilfe
besteht nicht. Allenfalls bei Verwaltungsvorschriften oder Dienstanweisungen ist es zulässig, dass die Verwaltung sich selbst
im Rahmen der im Einzelfall durchzuführenden Ermessensentscheidung an ihre Vorgaben bindet. Aber selbst dies führt nicht zu
einem zulässigen Ersatz oder der Fiktion des Vorliegens einer gesetzlich zu prüfenden Anspruchsvoraussetzung (BSG, Urteile vom 6. Dezember 2007, B 14/7b AS 50/06 R und vom 7. Juli 2011, B 14 KG 2/09 R). Keinesfalls kann der Beklagte daher an - aus heutiger Sicht fehlerhaft begünstigenden - Verwaltungsakten für die weitere
seinerzeit beantragte Leistung festgehalten werden.
Auch die Gerichte haben die Verwaltungsentscheidungen in vollem Umfange zu überprüfen, selbst wenn eine Bindung vorliegt.
Fehlen jedoch schon - wie hier - die tatbestandlichen Voraussetzungen, kommt es auf die Frage von nicht mehr ausübendem Ermessen
hinsichtlich der Entscheidung für eine Leistungsbewilligung gar nicht mehr an. Daher kann der Umstand, dass der Beklagte für
drei der beantragten Mobilitätshilfen die Notwendigkeit bejaht hat, für die hier streitige Trennungskostenbeihilfe das Fehlen
des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals nicht ersetzen.
Daran ändert auch nichts, dass der Kläger die Anträge auf Mobilitätshilfen zeitgleich am 21. August 2008 gestellt hatte. Die
verschiedenen begehrten Leistungen haben unterschiedliche Voraussetzungen und sind von dem Beklagten jeweils getrennt geprüft
worden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte mit verschiedenen Bescheiden über die bewilligten Leistungen
und die nicht bewilligte Leistung entschieden hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war mangels Vorliegen von Revisionsgründen nicht zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG).