Kostenrecht - dieselbe Angelegenheit; Einigung; Mitwirkung; Vergleich; Rechtsanwaltsvergütung; Erledigung
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung einer Einigungsgebühr im Rahmen der Vergütung aus der Prozesskostenhilfe
im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau S 20 KR 29/13.
In dem Verfahren erhob der Beschwerdegegner am 14. Februar 2013 namens des Klägers Klage auf Verpflichtung einer Krankenkasse
auf Gewährung von Akteneinsicht. Dem entsprechenden, mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 bei der Beklagten gestellten Gesuch
lag ein Verfahren wegen Beitragsforderungen der Beklagten zu Grunde.
Das Sozialgericht gewährte mit Beschluss vom 18. April 2013 dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung
unter Beiordnung des Antragstellers.
Mit dem in vier Verfahren ergangenen, einheitlichen Beschluss vom 6. Mai 2013 stellte das Sozialgericht den gerichtlichen
Vergleich fest:
1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Kläger zuletzt noch einen Gesamtsozialversicherungsbeitrag nebst Säumniszuschlägen
von insgesamt 1135,46 EUR schuldete, der zwischenzeitlich durch Verrechnung mit der Altersrente des Klägers durch die Deutsche
Rentenversicherung Mitteldeutschland erfüllt wurde.
2. Weitere Forderungen (Gesamtsozialversicherungsbeitrag und Nebenforderungen) werden durch die Beklagte nicht mehr geltend
gemacht.
3. Die Beklagte und der Kläger tragen die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Verfahren S 20 KR 187/12, S 20 KR 29/13, S 20 KR 30/13 und S 20 KR 36/13 je zur Hälfte.
4. Damit sind die Verfahren S 20 KR 187/12, S 20 KR 29/13, S 20 KR 30/13 und S 20 KR 36/13 erledigt.
Mit Beschluss vom 11. Juni 2013 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 5000,- EUR festgesetzt.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 24. Mai 2013 eine Gebührenrechnung über 847,64 EUR gestellt, die sich wie folgt zusammensetzt:
Verfahrensgebühr 1,3
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391,30 EUR
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Einigungsgebühr 1,0
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301,- EUR
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Post- und Telefonpauschale
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20,- EUR
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19 % Mehrwertsteuer aus 712,30
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135,34 EUR.
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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 6. Februar 2014 die Kosten gegen die Antragsgegnerin mit 489,45
EUR fest. Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden. Im vorliegenden Verfahren
sei kein Vergleich im Sinne von §
779 BGB geschlossen worden. Vielmehr sei die Sache durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet worden.
Auf die Erinnerung des Antragstellers vom 27. Februar 2014 hat das Sozialgericht die Prozesskostenhilfevergütung nach der
Gebührenrechnung des Antragstellers festgesetzt. Es hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, eine Einigungsgebühr sei entstanden,
weil mit dem geschlossenen Vergleich auch der Streit über den Anspruch auf Akteneinsicht beseitigt worden sei. Daran habe
der Antragsteller auch besonders mitgewirkt, weil er den Einigungsvorschlag erst nach Besprechung mit dem Kläger angenommen
habe.
Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer am 16. Februar 2015 Beschwerde erhoben. Er ist der Auffassung, ein Vergütungsanspruch
des Beschwerdegegners sei überhaupt nicht entstanden, weil es sich um eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG handele. Dabei solle vor allem vermieden werden, dass im Hinblick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt rechtsmissbräuchlich
mehrere Verfahren geführt würden, um diese jeweils getrennt abzurechnen. In der Sache sei es allein um die zum Az. S 20 KR 30/13 erhobene Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Forderung gegangen, deren Gegenstand mit dem des hier betroffenen
Verfahrens eindeutig identisch sei. Die Berechtigung des Klägers zur Akteneinsicht sei überhaupt nicht streitig gewesen und
betreffe eine Vorbereitungshandlung des Antragstellers, die durch die Gebühren der Hauptsache kostenrechtlich abgedeckt sei.
Auch könne durch den Vergleich über das Recht auf Akteneinsicht keine Einigung erzielt worden und auch keine anwaltliche Mitwirkung
angefallen sein, weil der Antragsteller schon in dem Verfahren S 20 KR 187/12 Akteneinsicht erhalten habe.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Januar 2015 aufzuheben und den Antragsteller zur Rückzahlung der bereits
geleisteten Zahlung zu verurteilen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend und führt näher aus, weshalb es sich bei dem Begehren
auf Akteneinsicht und der negativen Feststellungsklage wegen eines Zahlungsanspruchs um verschiedene Streitgegenstände handele.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 6. Juli 2015 der Beschwerde nicht abgeholfen.
Dem Gericht haben bei der Entscheidung neben den Kostenvorgängen und der Beschwerdeakte die Gerichtsakten des Sozialgerichts
Dessau Az. S 20 KR 187/12, S 20 KR 29/13, S 20 KR 30/13 und S 20 KR 36/13 vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Beschwerdegegner hat gem. § 45 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) i.V.m. §§ 1 Abs. 1; 2 Abs. 1 RVG Anspruch gegen den Beschwerdeführer auf Vergütung nach dem rechtskräftig festgesetzten Gegenstandswert, deren Höhe sich gem.
§ 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anl. 1 bemisst.
Der Ansetzung von Gebühren in der vom Antragsteller geltend gemachten Höhe steht nicht § 15 Abs. 2 RVG entgegen, weil es sich nicht um dieselbe Angelegenheit gehandelt hat wie die Klage zum Az. S 20 KR 30/13. Es erscheint hier schon fraglich, ob der Einwand der Identität der Angelegenheit im Verfahren der Prozesskostenhilfefestsetzung
noch offen ist oder durch die Rechtskraft der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 48 Abs. 1 RVG ausgeschlossen ist. Denn das Sozialgericht hat bewusst die Verfahren kostenrechtlich - etwa bei der Streitwertfestsetzung
- getrennt behandelt. Für das fragliche Verfahren hat es ohne entsprechende Einschränkungen Prozesskostenhilfe bewilligt,
beispielsweise nicht Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nach §
114 S. 1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) abgelehnt.
Jedenfalls besteht bei einem Verfahren zur Durchsetzung eines formell subjektiv-öffentlichen Rechts im Verwaltungsverfahren
und eines materiellen Feststellungsanspruchs bezüglich einer Geldleistung keine sachliche Identität. So hängen beide Ansprüche
hinsichtlich ihrer Erfolgsmöglichkeiten nicht voneinander ab. Beide Ansprüche erfordern auch zu ihrer Entscheidung rechtlich
völlig unterschiedliche Erwägungen.
Mittelbar folgt diese Auffassung schon aus § 17 Nr. 1 RVG, wonach das Verwaltungsverfahren und das nachfolgende Gerichtsverfahren verschiedene Angelegenheiten betreffen. Denn es gibt
keinen Grund, eine Fallgestaltung anders zu behandeln, bei der Einwände aus der Führung des Verwaltungsverfahrens in einem
selbständigen Anspruch verfolgt und daneben der Hauptsacheanspruch gerichtlich geltend gemacht wird.
Bei der Berechnung der Gebühren ist eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 der Anl. 1 zum RVG in Ansatz zu bringen. Der Antragsteller hat hierfür durch seine Zustimmung zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs ausreichend
mitgewirkt. In dem Verfahren ist ausweislich des im Kopf des feststellenden Beschlusses genannten Aktenzeichens ein solcher
gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme auf §
278 Abs.
6 ZPO; die Vorschrift befasst sich eben mit gerichtlichen Vergleichen. Ob angesichts eines gerichtlichen Vergleiches überhaupt
noch Raum für eine Prüfung eines ausreichenden gegenseitigen Entgegenkommens ist, mag dahinstehen. Hier kommt jedenfalls noch
hinzu, dass das Sozialgericht ausweislich seines Prozesskostenhilfebeschlusses noch gut zwei Wochen vor Feststellung des Vergleiches
Aussichten für einen Erfolg in der Hauptsache gesehen hat. Aus den Akten ergeben sich keinerlei Indizien dafür, welche sachliche
Veränderung hinsichtlich des Anspruchs sich in der Zwischenzeit oder überhaupt nach Klageerhebung ergeben haben könnte. Eine
eigene sachliche Prüfung, ob dem Klageantrag Erfolg beschieden gewesen wäre, hat das Gericht bei dieser Fallgestaltung nicht
anzustellen. Es könnte auch die Überlegungen des Sozialgerichts nicht hinterfragen, weil sich den Akten darauf keine Hinweise
entnehmen lassen und nicht entnehmen lassen müssen.
Es reicht jedenfalls für den Tatbestand einer Einigungsgebühr aus, wenn der Kläger bei dieser Gesamtfallgestaltung im Hinblick
auf Zugeständnisse in Parallelverfahren seine Rechte im Zusammenhang mit der Akteneinsicht gegen eine teilweise Kostenübernahme
durch die Beklagte nicht mehr verfolgt.
Wegen aller weiteren Gesichtspunkte der Vergütung wird auf die Kostennote des Antragstellers, der die Kostenbeamtin insoweit
auch gefolgt ist und die der Beschwerdeführer nicht in Frage stellt, Bezug genommen.
Eine Kostenentscheidung ist gem. § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG nicht zu treffen.