Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Behandlung im Rahmen einer Studie - ohne Studienintegration keine
stationäre Behandlungsbedürftigkeit - kein Vergütungsanspruch
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Vergütungsanspruch der Klägerin und Berufungsklägerin (im weiteren Klägerin) für eine stationäre
Behandlung eines Versicherten der Beklagten und Berufungsbeklagten (im weiteren Beklagte) im Rahmen einer Studie.
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus, das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen worden ist. Der bei
der Beklagten versicherte H. Sch., geboren am ... 1941, (im weiteren der Versicherte) befand sich u.a. vom 6. bis 9. Januar
2011 zur stationären Behandlung in der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Klägerin. Beim Versicherten war eine Leberzirrhose
und ein bifokales hepatozelluläres Leberkarzinom (HCC) diagnostiziert worden. Seine Aufnahme erfolgte zur Vorbereitung einer
selektiven internen Radiotherapie (SIRT), die im Rahmen der SORAMIC-Studie (Sorafenib in Kombination mit lokaler Microtherapie
bei Patienten mit inoperablem HCC durchgeführt durch Gd-EOB-DTPA [Primovist] verstärktes MRT). Es erfolgte eine Angiographie.
Der Versicherte hatte der Einbeziehung in die Studie zugestimmt.
Hinsichtlich des genannten Aufenthalts stellte die Klägerin am 2. Februar 2011 gegenüber der Beklagten einen Betrag i.H.v.
4.960,05 € in Rechnung. Dabei ging sie von der DRG (Diagnosis Related Groups = diagnosebezogene Fallgruppen) H06B sowie dem
Zusatzentgelt ZE106.05 (selektive Embolisation mit Metallspiralen - Coils -, andere Lokalisationen, Anzahl der Metallspiralen:
5) aus. Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
Sachsen-Anhalt (MDK) mit der Prüfung des Behandlungsfalls. Dieser teilte den Prüfauftrag mit Schreiben vom 24. Februar 2011
der Klägerin mit. Nach Anforderung weiterer Unterlagen kam der MDK im Gutachten vom 19. Juli 2011 zum Ergebnis, dass es sich
bei der durchgeführten Behandlung (Radioembolisation) nicht um eine Standardtherapie des Leberkarzinoms gehandelt habe, sondern
um ein experimentelles Verfahren. Es sei nicht ersichtlich, dass alternative Medikamente zur Anwendung gekommen wären. Die
Vergütung des Zusatzentgelts könne daher nicht empfohlen werden.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2011 verwies die Beklagte auf das Gutachten des MDK. Daraus ergebe sich eine Rückforderung von
852,50 €, die von weiteren Rechnungen abgesetzt werde. Die Klägerin widersprach der Einschätzung des MDK mit Schreiben vom
13. September 2011 und verwies dabei darauf, dass der Versicherte im Rahmen einer Studie behandelt worden sei. Deren Voraussetzungen
zur Einbeziehung einschließlich eines positiven Votums der Ethikkommission hätten vorgelegen. Eine weitere inhaltliche Stellungnahme
gab der MDK nicht ab.
In weiteren stationären Aufenthalten vom 19. bis 22. Januar 2011, 23. bis 26. Februar 2011 sowie 26. bis 29. Oktober 2011
erfolgten die Behandlungen des Versicherten im Rahmen der Studie. Die Klägerin rechnete jeweils die DRG H16Z und das Zusatzentgelt
ZE 2011-65 ab (Rechnungen vom 3. Februar und 9. März 2011 über je 18.593,85 € und Rechnung vom 15. November 2011 über 18.602,05
€). Die Rechnungen beglich die Beklagte jeweils zunächst vollständig, leitete jedoch Begutachtungen durch den MDK ein. In
den Gutachten vom 26. August und 19. September 2011 verwies der MDK darauf, dass es sich bei der Behandlung im Rahmen der
Studie um ein experimentelles Verfahren gehandelt habe. Eine vorherige Standardbehandlung mit Zytostatika, vor allem Sorafenib,
habe nicht stattgefunden. Die Behandlung und damit Abrechnung im Rahmen der Studie könne vorliegend nicht empfohlen werden.
Im Gutachten vom 4. Oktober 2012 zum Aufenthalt des Versicherten im Oktober 2011 verwies der MDK auf die Therapieziele der
Studie. Für den Versicherten hätte hier standardmäßig eine transarterielle Chemoembolisation erfolgen können. Stattdessen
sei eine SIRT in Kombination mit der Gabe von Sorafenib durchgeführt worden. Der Versicherte sei inkorrekt in die Studie einbezogen
worden. Die Beklagte behielt die drei Rechnungsbeträge nach Mitteilung der Begutachtungsergebnisse des MDK von weiteren Rechnungen
ein (Schreiben der Beklagten vom 1. September 2011, 28. September 2011 und 12. Oktober 2012). Die Klägerin widersprach der
Einschätzung des MDK, der jedoch keine weitere Stellungnahme abgab.
Mit der am 31. August 2015 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin den aufgerechneten Differenzbetrag des ersten stationären Aufenthalts nebst Zinsen von
4 Prozent seit Rechtshängigkeit geltend gemacht. Das Zusatzentgelt sei zutreffend abgerechnet worden. Die Behandlung des Versicherten
sei im Rahmen einer Studie ordnungsgemäß erfolgt. Mit der Klageerweiterung vom 14. Oktober 2015 hat die Klägerin weitere 55.789,75
€ nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 Prozent seit Rechtshängigkeit für die drei weiteren stationären Aufenthalte geltend gemacht.
Sie hat darauf verwiesen, dass die Ein- bzw. Ausschlusskriterien im Hinblick auf den Versicherten für die Einbeziehung in
die Studie beachtet worden seien. Dieser sei in die palliative Behandlungsgruppe integriert worden. Die vom MDK angedachte
Standardbehandlung sei für diesen nicht mehr in Betracht gekommen.
Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme des MDK vom 30. August 2016 veranlasst. Dieser hat ausführlich zur SIRT-Behandlung
Stellung genommen. Es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Diese könne nur ausnahmsweise im Rahmen
einer stationären Behandlung durchgeführt werden. Vorliegend sei eine Behandlung im Rahmen einer Studie erfolgt. Die korrekte
Studienintegration könne nunmehr bestätigt werden. Die Behandlung habe insoweit nur unter stationären Bedingungen erfolgen
können. Die Abrechnung mit der DRG H16Z und dem Zusatzentgelt sei grundsätzlich zutreffend. Gegen die Durchführung der Behandlung
im konkreten Fall im Rahmen einer Studie spreche, dass der Versicherte nicht mit der Standardtherapie behandelt worden sei.
Aufgrund des Tumorstadiums wäre die Gabe von Sorafenib zutreffend gewesen. Diese Behandlung sei ambulant durchzuführen.
Die Beklagte hat unter Verweis auf das Gutachten des MDK darauf abgestellt, dass die Klägerin das Studienprivileg nicht in
Anspruch nehmen könne. Eine stationäre Versorgung des Versicherten sei nicht erforderlich gewesen. Eine Beteiligung der gesetzlichen
Krankenkassen an der Finanzierung von Studien greife nur ein, wenn die Patienten auch ohne die Studie stationär behandelt
werden müssten. Dies ergebe sich aus den Regelungen in § 8 Abs. 1 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Demgegenüber hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass allein relevant sei, ob die Studie selbst stationär
habe durchgeführt werden müssen. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. März 2018 abgewiesen. Die Klägerin könne keinen weiteren Vergütungsanspruch geltend machen.
Es seien weder die Voraussetzung einer stationären Krankenhausbehandlung im Rahmen einer Studie noch einer neuen Untersuchungs-
und Behandlungsmethode gegeben. Für den Versicherten habe eine ambulante Behandlungsalternative bestanden. Insoweit komme
es nicht darauf an, dass die Behandlung im Rahmen der Studie selbst nur stationär durchgeführt werden konnte.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 6. April 2018 zugestellte Urteil am 4. Mai 2018 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, dass die Erforderlichkeit der stationären Behandlung im Rahmen der Studie unstreitig sei. Der Versicherte sei
ordnungsgemäß in die Studie einbezogen worden. Es sei nicht Sinn und Zweck einer Studie, zunächst alle möglichen insbesondere
ambulant möglichen Behandlungsalternativen auszuschöpfen. Soweit die Gesetzesbegründung zu § 8 KHEntgG eine anderweitige Auslegung
nahelege, betreffe dies allein Arzneimittelstudien. Vorliegend sei jedoch ein zugelassenes Medizinprodukt eingesetzt worden.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die gesetzlichen Krankenkassen nicht am medizinischen Fortschritt beteiligen müssten.
Darüber hinaus wäre die ambulante Behandlung mit Sorafenib insgesamt kostenintensiver gewesen als die Behandlung im Rahmen
der SIRT-Studie. Die ambulante Behandlung sei auch aufgrund der mit ihr einhergehenden Nebenwirkungen nicht zumutbar gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. März 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 56.642,25 € nebst
Zinsen hieraus von 4 Prozent seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht sich die nach ihrer Auffassung zutreffende Begründung des SG zu eigen. Aufgrund der hier möglichen ambulanten Behandlung des Versicherten sei eine Kostenbeteiligung an der stationär
durchzuführenden Studie nicht möglich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung der Entscheidungsfindung
des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Klägerin macht ihr Begehren
zutreffend mit der (echten) Leistungsklage im Sinne des §
54 Abs.
5 SGG im hier vorliegenden Gleichordnungsverhältnis geltend (vgl. insoweit Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Dezember 2013
- B 1 KR 57/12 R, juris, Rn. 7).
2. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zurecht entschieden, dass die Klägerin keinen (weiteren) Vergütungsanspruch i.H.v. 56.642,25 € für die vier stationären
Aufenthalte hat. Die Beklagte hat jeweils mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen einer Überzahlung der
Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten wirksam gegenüber jeweils unstreitigen Forderungen im
Rechnungsverlauf aufgerechnet (vgl. zur insoweit eingeschränkten Prüfnotwendigkeit: BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R, juris, Rn. 7f.).
a) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach
vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter
in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus §
109 Abs.
4 Satz 3 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen [FPV]) konkretisiert.
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9
Abs. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien
nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer
und der in Abhängigkeit von dieser zusätzlich zu zahlende Entgelte oder vorzunehmende Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit
Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 3 KHEntgG.
Ein wie im Fall der Klägerin zugelassenes Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§
39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Nach §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich
ist, weil das Behandlungsziel nicht durch (vorrangige) teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich
häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Das Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch
Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur für eine „erforderliche“
Krankenhausbehandlung. Das folgt aus dem aufgezeigten Wortlaut und Regelungssystem sowie aus dem Zweck der Vergütung. Sie
dient als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht des zugelassenen Krankenhauses, Krankenhausbehandlung (§
39 SGB V) der Versicherten im Rahmen des Versorgungsauftrags zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses ist nämlich zur Erfüllung
des Leistungsanspruchs des Versicherten bestimmt (vgl. BSG Großer Senat, Beschluss vom 25. September 2007 - GS 1/06, juris).
b) Anknüpfend hieran sind die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung vorliegend nicht erfüllt. Zwischen
den Beteiligten ist unstreitig, dass die durchgeführte SIRT-Behandlung im Jahr 2011 keine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse war (vgl.
§ 137c Abs. 1 Satz 1 in der Fassung bis 31. Dezember 2011). So hat der MDK bereits in den Gutachten vom 19. Juli 2011 sowie
26. August 2011 und 19. September 2011 klargestellt, dass es sich bei dieser Behandlung um ein experimentelles Verfahren gehandelt
hat. Im Gutachten vom 30. August 2016 hat der MDK sodann dargelegt, dass es sich bei der Studie um eine Phase II-Studie gehandelt
hat. Auch im Jahr 2016 sei die SIRT-Behandlung noch keine Standardtherapie und es bestehe weiterhin Forschungsbedarf bei der
lokalen Therapie von Lebertumoren. Dem ist auch die Klägerin nicht entgegengetreten.
c) Es besteht auch kein Anspruch auf Vergütung außerhalb des Qualitätsgebots im Rahmen einer klinischen Studie.
Nach §
137c Abs.
2 Satz 2
SGB V in der Fassung bis 31. Dezember 2011 wird selbst bei Ausschluss einer Methode durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses
eine Durchführung im Rahmen einer klinischen Studie nicht berührt. So hat die Krankenkasse bei einer notwendigen stationären
Versorgung der in Studien einbezogenen versicherten Patienten eine Vergütung zu zahlen, wenn die Studienteilnahme der Verwirklichung
der Ziele der Krankenbehandlung dient. Dies gelte, solange der Patient notwendig stationär versorgt werden müsse (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R, juris, Rn. 33). Dies zeigt jedenfalls, dass die Krankenkassen nicht in jedem Fall einer Studienbehandlung (ganz oder teilweise)
für die anfallenden Kosten herangezogen werden können.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Versicherte ordnungsgemäß in die hier durchgeführte SORAMIC-Studie integriert
worden ist. Soweit der MDK noch im Gutachten vom 4. Oktober 2012 davon ausgegangen ist, dass der Versicherte in den therapeutischen
Teil der Studie nicht hätte einbezogen werden dürfen, hat er im späteren, ausführlichen Gutachten vom 30. August 2016 nach
Vorlage weiterer Studienunterlagen an dieser Auffassung nicht mehr festgehalten. Aufgrund des Tumorstadiums sei eine lokale
Chemotherapie über die Leberarterie als Ausschlusskriterium nicht mehr in Betracht gekommen. Der Versicherte sei auch über
die Studie aufgeklärt worden und habe der Integration zugestimmt (Einwilligungserklärung vom 6. Januar 2011).
Der MDK hat im genannten Gutachten grundsätzlich auch die abgerechneten DRGs und Zusatzentgelte bestätigt, so dass zwischen
den Beteiligten diesbezüglich kein Streit besteht. Zwischen den Beteiligten besteht auch Einigkeit darüber, dass die Durchführung
der Studie nur im stationären Umfeld möglich gewesen ist.
Die Abrechnung der stationären Behandlung im Rahmen einer Studie ist jedoch ausgeschlossen, da für den Versicherten ohne Integration
in die Studie keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat.
aa) Die Abrechnung einer stationären Leistung bei korrekter Studienintegration erfolgt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG. Danach
sind die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen nach § 7 KHEntgG zu berechnen, dies gilt auch bei klinischen Studien
mit Arzneimitteln. Die Abrechnung erfolgt damit nach den vereinbarten Fallpauschalen.
Hintergrund der Regelung ist, dass der Gesetzgeber auch die Beteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung an den Kosten
klinischer Studien vorgesehen hat (BT-Drs. 14/1245, S. 90). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Behandlungen
denknotwendig nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V entsprechen können (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 21/03 R, juris, Rn. 18). Zwar ist grundsätzlich zutreffend, dass Grundlagenforschung und klinische Studien nicht zulasten der gesetzlichen
Krankenversicherung durchgeführt werden sollen, hiervon hat jedoch der Gesetzgeber insbesondere in §
137c Abs.
1 Satz 2
SGB V und §
8 Abs.
1 Satz 2 KHEntgG Ausnahmen vorgesehen. Nach der Gesetzesbegründung zur Einführung des §
137c SGB V zum 1. Januar 2000 mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreform
2000) wird ausdrücklich aufgeführt, dass insbesondere bei Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die im Rahmen klinischer
Studien angewandt werden, es dabei bleibe, dass die Krankenkassen die notwendige stationäre Versorgung der in die Studie einbezogenen
Patienten mit Krankenhausentgelten vergüten (BT-Drs. 14/1245, S. 90). Die Vergütung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs.
1 Satz 1 Nr. 6 KHEntgG berücksichtigt dabei jedoch nicht den Zusatzaufwand für die Studien, da nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 KHG die Kosten für wissenschaftliche Forschung und Lehre, die über den normalen Krankenhausbetrieb hinausgehen, nicht im Pflegesatz
zu berücksichtigen sind. Die Vorschrift stellt damit klar, dass bei Patienten, die an klinischen Studien teilnehmen, die allgemeinen
Krankenhausleistungen abzurechnen sind. Dabei unterbleibt jedoch eine strenge Trennung zwischen Standardbehandlung und Forschungs-
oder Versuchsbehandlung, indem die Krankenkasse an der kompletten Krankenhausbehandlung über die Fallpauschale beteiligt wird
(BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03 R, juris, Rn. 25).
bb) Aus den obigen Grundsätzen kann jedoch nach Auffassung des Senats nicht abgeleitet werden, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung
auch dann abgerechnet werden kann, wenn der Aufenthalt im Krankenhaus allein aufgrund der Teilnahme an der Studie erfolgt
ist. Dies ist jedoch bezüglich der hier erfolgten vier stationären Aufenthalte der Fall.
Für den Versicherten stand die Therapie mit dem Medikament Sorafenib zur Verfügung. Hierzu hat der MDK im Gutachten vom 30.
August 2016 ausgeführt, dass die Zulassung des Präparats am 19. Juli 2006 erfolgt sei und davon ausgegangen werde, dass bei
dem vorliegenden Tumorstadium BCLC C die Behandlung mit diesem Medikament seit Ende 2007 als Standard anzusehen sei. Dem ist
die Klägerin nicht entgegengetreten. Vielmehr ist erkennbar, dass die Behandlung mit dem Präparat auch von dieser als Therapie
anerkannt wird. So ist aufgrund der Einbeziehung des Versicherten in die Studie und insbesondere in die konkrete Untergruppe
auch eine Behandlung mit dem Präparat erfolgt. Zudem hat sie in den Schriftsätzen vom 4. und 17. Mai 2018 die Möglichkeit
einer Therapie mit Sorafenib grundsätzlich bestätigt.
Allerdings wäre nach den Darlegungen des MDK im Gutachten vom 30. August 2016 die Behandlung allein mit dem Medikament Sorafenib
(orale Gabe) ohne Studienteilnahme ambulant möglich gewesen. Kontraindikationen für diese Therapie seien weder mitgeteilt
worden, noch aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich. Es sei als Nebenwirkung allerdings zu einem akuten Gichtanfall gekommen,
der stationäre Behandlungsbedürftigkeit vom 24. bis 25. März 2011 bedingt habe. Die Medikamentengabe habe daher pausiert werden
müssen und sei schließlich im Juni 2011 aufgrund eines Hand-Fuß-Syndroms 3. Grades beendet worden. Der genannte stationäre
Aufenthalt ist im vorliegenden Verfahren nicht streitig. Die Klägerin ist den Ausführungen des MDK nicht substantiiert entgegengetreten.
Sie hat im Schriftsatz vom 4. Mai 2018 zunächst pauschal darauf verwiesen, dass die Behandlung mit dem Medikament nicht uneingeschränkt
ambulant möglich sei. Im weiteren Schriftsatz vom 17. Mai 2018 hat sie angegeben, dass die weiteren Erkrankungen des Versicherten
(insbesondere Adipositas, Diabetes mellitus Typ II, diabetisches Fußsyndrom, Hypertonie) eine engmaschige stationäre Kontrolle
während der Sorafenib-Erstgabe erfordert hätten. Dies konnte vom MDK im genannten Gutachten nicht bestätigt werden, dem die
vollständige Patientenakte aller Aufenthalte zur Auswertung vorlag. Auch für den Senat ist eine zwingend erforderliche stationäre
Medikamentengabe nicht nachvollziehbar. Der Versicherte hat im Rahmen der Studiendurchführung das entsprechende Präparat auch
ambulant erhalten. So zeigt gerade der Behandlungsverlauf, dass erst bei einer Unverträglichkeit bzw. einer eingetretenen
Komplikation im Rahmen der Medikamentengabe eine umgehende stationäre Aufnahme angezeigt, aber auch ausreichend gewesen ist.
Aufgrund eingetretener Komplikationen ist die Medikamentengabe zunächst pausiert und im Juni 2011 ausgesetzt worden. Woraus
sich allgemein das Erfordernis einer stationären Behandlung im Sinne einer engmaschigen Kontrolle ergeben soll, hat die Klägerin
nicht zur Überzeugung des Senats dargelegt.
cc) Bei einer fehlenden stationären Behandlungsbedürftigkeit ohne Teilnahme an einer Studie entfällt der Vergütungsanspruch
der Klägerin nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG. Entsprechend der oben genannten Grundsätze stellt diese Regelung klar, dass die
Studienbehandlung im Rahmen einer (ohnehin) notwendigen stationären Aufnahme dem Vergütungsanspruch nicht entgegengehalten
werden kann. Dies entspricht auch der gesetzlichen Systematik, nach der zwar Forschung und Lehre nicht von den Krankenkassen
zu finanzieren sind, diese sich aber entsprechend ihrer Aufgaben an der stationären Behandlung beteiligen sollen. Ist jedoch
- wie im vorliegenden Fall - allein die Studie der Grund der stationären Behandlung, entfällt das Erfordernis einer finanziellen
Beteiligung der Krankenkasse.
So enthält bereits die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems
für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz) zur Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG die Vorgabe, dass damit klargestellt werden
soll, dass Mehrkosten der Behandlung infolge von Studien über Finanzmittel für Forschung und Lehre oder Drittmittel zu finanzieren
seien (BT-Drs. 14/6893, S. 44). Im Rahmen der späteren Ergänzung des § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes mit dem Zusatz „dies gilt auch bei klinischen Studien mit Arzneimitteln“ hat der Gesetzgeber den Hintergrund der gesamten
Regelung noch präzisiert. In der Entwurfsbegründung hat er ausgeführt, dass im Umkehrschluss auch bei Einbeziehung eines Patienten
in ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben alle Kosten, die normalerweise zur Versorgung des Patienten erforderlich werden,
pflegesatzfähig sind, also nur die forschungsbedingten Mehrkosten ausgenommen sind. Die Klarstellung in § 8 Abs. 1 Satz 2
KHEntgG zu klinischen Studien mit Arzneimitteln im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlungen gewährleiste somit, dass der
Versorgungsanteil auch bei klinischen Studien mit Arzneimitteln durch die Krankenkassen vergütet wird. Dies gelte freilich
nur, wenn und solange der Patient ohnehin stationär versorgt werden muss; dies wäre beispielsweise nicht der Fall, wenn die
medizinische Betreuung des Patienten ohne die Beteiligung an der Arzneimittelstudie ambulant erfolgen könnte (BT-Drs. 15/5316,
S. 48).
Soweit die Klägerin einwendet, die Gesetzesbegründung beziehe sich ausdrücklich nur auf Arzneimittelstudien und sei daher
für den vorliegenden Fall einer Studie zu einem zugelassenen Medizinprodukt nicht anwendbar, kann dem nicht gefolgt werden.
Hintergrund der Neuregelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG war der Umstand, dass das BSG im Urteil vom 22. Juli 2004 (B 3 KR 21/03 R) eine finanzielle Beteiligung der Krankenkassen an stationären Arzneimittelstudien grundsätzlich verneint hatte. Dies hat
das BSG damit begründet, dass es sich bei diesen Studien nicht um klinische Studien im Sinne des §
137c Abs.
1 Satz 2
SGB V und §
8 Abs.
1 Satz 2 KHEntgG handeln würde. Die Reaktion des Gesetzgebers mit der Ergänzung des § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG sollte daher
sicherstellen, dass Arzneimittelstudien anderen klinischen Studien im Hinblick auf die Finanzierung bzw. den Finanzierungsanteil
der Krankenkassen vollständig gleichgestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass zwischen den einzelnen Studienarten (weiterhin)
eine Unterscheidung vorgenommen werden sollte.
Diese Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG entspricht auch der Systematik der Finanzierungsregelungen. Wenn die Krankenkasse
für die Mehrkosten einer Studie nicht herangezogen werden soll, ist nicht nachvollziehbar, warum ein Finanzierungsanteil erbracht
werden müsste, wenn die stationäre Behandlung allein aufgrund der Studie erfolgt ist. Dies würde auch völlig dem Grundsatz
des §
39 Abs.
1 i.V.m. §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V und dem Vorrang der ambulanten Behandlung widersprechen. Soweit die Klägerin insoweit einwendet, dass dann eine Beteiligung
der gesetzlichen Krankenversicherung am medizinischen Fortschritt durch klinische Studien nicht mehr erfolgen müsste, da sich
immer irgendeine Alternativbehandlung, gegebenenfalls auch ambulant, begründen ließe, kann dem nicht gefolgt werden. Die Einbeziehung
von Versicherten in klinische Studien während einer stationären Behandlung bzw. anstelle einer alternativ notwendigen stationären
Behandlung ist ohne weiteres mit einem Finanzierungsanteil der Krankenkassen möglich.
Soweit die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 7. Januar 2016 (L 5 KR 249/14, nicht veröffentlicht) verweist, ergibt sich nichts Anderes. Das LSG hat zur Frage der stationären Behandlungsbedürftigkeit
ohne Teilnahme an der Studie keine Aussage getroffen. Aufgegriffen wurde lediglich die Frage, dass im Rahmen der Studie ein
Teil der Patienten mit der neuen Methode SIRT behandelt worden sei, während bei anderen Patienten die Standardtherapie angewandt
worden sei. Dass dies keine Auswirkungen auf die Vergütung haben kann, da es sich um eine Gruppenbildung nach den Vorgaben
der Studie gehandelt hat, liegt auf der Hand. Soweit eine Alternativbehandlung angesprochen worden ist, finden sich keine
Angaben, ob diese ambulant oder stationär durchzuführen gewesen wäre.
d) Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Auslegung der Regelungen des
SGB V. Er erfordert die kumulative Erfüllung der folgenden drei Voraussetzungen: (1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig
tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor. (2.) Bezüglich dieser Krankheit steht
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. (3.) Bezüglich der beim Versicherten
ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine „auf Indizien gestützte“, nicht
ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (Bundesverfassungsgericht
[BVerfG], Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 und dem folgend die ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 26/12 R, juris, Rn. 15; seit 1. Januar 2012 auch geregelt in §
2 Abs.
1a SGB V).
Bei dem beim Versicherten vorliegenden Leberkarzinom handelt es sich um eine schwerwiegende, regelmäßig tödlich verlaufende
Erkrankung, wie bereits die Einbeziehung des Versicherten in die palliative Studiengruppe zeigt. So hat auch der MDK im Gutachten
vom 30. August 2016 mitgeteilt, dass die Überlebenszeit ohne Therapie bei ca. sechs Monaten liege. Beim Versicherten liege
das Tumorstadium BCLC C vor, so dass eine palliative Therapie in Betracht komme.
Allerdings lag für die vorliegende Erkrankung des Versicherten eine Standardtherapie vor, wie der MDK im genannten Gutachten
festgestellt hat. Die Behandlung sei mit dem seit 19. Juli 2006 zugelassenen Medikament Sorafenib bei dem fortgeschrittenen
Tumorstadium angezeigt gewesen. Dies hat auch die Klägerin nicht grundsätzlich infrage gestellt. Vielmehr erfolgte im Rahmen
der Einbeziehung des Versicherten in die Studie neben der SIRT-Behandlung auch die Gabe von Sorafenib, da dieser in die entsprechende
Untergruppe integriert worden war. Auf die Frage der nicht ganz fernliegenden Aussicht auf spürbare positive Einwirkungen
auf den Krankheitsverlauf unter Anwendung der hier durchgeführten SIRT-Behandlung kommt es damit nicht an. Dies zeigt insbesondere
auch der Umstand, dass in einer weiteren Untergruppe der Studie eine Behandlung allein mit der Standardtherapie ohne die SIRT-Behandlung
erfolgt ist. Allein die Integration in die Studie kann daher keine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bedingen.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Da die Klägerin vorliegend einen Betrag von 56.642,25 € als Hauptforderung geltend gemacht hat, ist dieser Betrag im Berufungsverfahren
maßgeblich. Zinsen sind als Nebenforderung nach § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
5. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG). Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist nicht abschließend geklärt, ob für die Vergütungspflicht der Krankenkassen im Rahmen einer klinischen Studie allein die
stationäre Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der Studienintegration oder aber die stationäre Behandlungsbedürftigkeit auch
ohne Studienintegration zu fordern ist.