Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Kodierung - Grundkrankheit Multiple Sklerose - Spastik als Symptom - Hauptdiagnose
nach Nr D002f DKR 2012 - keine Behandlung der Grunderkrankung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Vergütungsanspruchs der Klägerin in vier gleich gelagerten stationären Behandlungsfällen
einer Patientin.
Die Patientin litt an einer seit 2001 diagnostizierten Multiplen Sklerose mit spastischer rechts- und beinbetonter Tetraparese.
Die Klägerin nahm die Patientin – wie auch schon früher – jeweils zur antispastischen Therapie für die Zeit vom 30. Januar
bis 7. Februar 2012, 7. bis 15. Mai 2012, 16. bis 24. August 2012 und 22. bis 30. November 2012 in stationäre Behandlung auf.
Dort nahmen die Ärzte Serien von Injektionen von Corticoiden in das Rückenmark (intrathekal) vor. Die Abrechnungen nahm die
Klägerin jeweils nach der DRG B60A vor, angesteuert durch die Hauptdiagnose nach ICD-10 GM G82.43 – spastische Tetraparese
und Tetraplegie: Chronische inkomplette Querschnittslähmung. Als eine Nebendiagnose verschlüsselte sie jeweils G35.20 – Multiple
Sklerose mit primär-chronischem Verlauf: Ohne Angabe einer akuten Exazerbation oder Progression.
Über die Behandlungen stellte die Klägerin Rechnungen über 3.529,12 €, 3.586,05 € und zweimal 3.559,18 €, die die Beklagte
unter Vorbehalt der Rechnungsprüfung beglich.
Mit sozialmedizinischen Stellungnahmen (vom 27. März, 14. August und 30. Oktober 2012 und 19. Februar 2013) beanstandeten
die Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung jeweils die Auswahl der Hauptdiagnose, die sie in der G35.20
sahen, die eine Abrechnung nach DRG B68D ansteuert. Zur Begründung führten sie an: „Grunderkrankung Ursache Aufnahmesymptomatik“,
„die zu Grunde liegende Erkrankung wurde auch behandelt“, „…Aufnahme…bei multipler Sklerose zur Besserung unter anderem der
spastischen Symptomatik“; eine Stellungnahme gibt wörtlich einen Auszug des Entlassungsbriefs ohne nähere Zuordnung sich daraus
ergebender Einwände gegen die Wahl der Hauptdiagnose wieder.
Auf den jeweils von der Klägerin erhobenen Widerspruch vertrat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in den drei
ersten Fällen, jeweils mit Stellungnahme vom 29. Januar 2013 die Auffassung, die intrathekale Prednisolon-Therapie solle gerade
am Ort des Geschehens antientzündliche Wirkung entfalten und sei daher als Schubtherapie bei Multipler Sklerose etabliert.
Die Enzephalomyelitis werde in ihrer Gesamtheit therapiert, nicht nur die Tetraspastik. Es handele sich um eine systemische
Therapie.
Die Beklagte forderte die Vergütungsdifferenzen in Höhe von 1.243,89 €, 1.264,48 €, 1.253.05 € und 1.194,04 € von der Klägerin
zurück und rechnete sie jeweils gegen die aus der Antragstellung hervorgehenden unstrittigen Vergütungsforderungen der Klägerin
auf.
Mit der am 31. Juli 2013 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Patientin sei jeweils
zur symptomatischen antispastischen Behandlung bei Multipler Sklerose mit intrathekaler Triamcinolon-Applikation aufgenommen
worden. Zur Behandlung der Multiplen Sklerose selbst sei das Medikament nicht zugelassen. Werde nur ein Symptom behandelt,
sei dieses als Hauptdiagnose und die Grunderkrankung als Nebendiagnose zu kodieren. In der mündlichen Verhandlung vom 10.
Januar 2017 hat der Arzt der Klägerin Dr. S. ausgeführt, mit dem Medikament sei eine verlaufsbeeinflussende Therapie nicht
möglich, weil die Grunderkrankung im Falle der Patientin an sich nicht therapierbar ist.
Die Klägerin hat weiterhin ein Sachverständigengutachten aus einem Parallelfall zur Akte gereicht, wegen dessen Inhalt im
Einzelnen auf Bl. 125 - 132 d. A. Bezug genommen wird.
Die Beklagte hat ausgeführt, das verabreichte Mittel werde bei chronisch-entzündlichen Prozessen eingesetzt. Darum handele
es sich auch bei einer Multiplen Sklerose. Nur über die Behandlung der entzündlichen Veränderung erfolge der Einfluss auf
die Parese als Auswirkung.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H., Direktor der Universitätsklinik für Neurologie M.,
vom 18. Januar 2018 nach Aktenlage eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 175 - 206 d. A. Bezug genommen wird.
Im Wesentlichen hat der Sachverständige ausgeführt, die Behandlung der Multiplen Sklerose bestehe aus drei Modulen. Die Basistherapie
als langfristige Vorbeugetherapie solle die Schübe der Multiplen Sklerose verringern und deren Fortschreiten aufhalten. Dafür
seien Kortisonpräparate, darunter das hier verabreichte, nicht zugelassen.
Die Therapie des akuten Schubes beziehe sich auf den Schub als Auftreten neuer oder Verstärkung vorhandener Symptome. Diese
würden durch neue, entzündliche Herde der Multiplen Sklerose im zentralen Nervensystem hervorgerufen. Dagegen würde Kortison
als entzündungshemmend und zur Schließung der Bluthirnschranke eingesetzt. Es erfolge eine intravenöse Gabe. Eine intrathekale
Gabe sei jedenfalls nicht möglich.
Bei der symptomatischen Therapie stehe neben anderen Symptomen häufig eine Spastik im Vordergrund. Ursache hierfür sei eine
Schädigung der für die Bewegung zuständigen Bereiche des zentralen Nervensystems, des Gehirns und des Rückenmarks. Die Spastik
selbst sei nicht heilbar; die damit verbundenen Beschwerden könnten gemindert werden. Studien der letzten 20 Jahre zur intrathekalen
Gabe von Steroiden in diesen Fällen stellten alle das Symptom Spastik in den Mittelpunkt. Die Aktivität der Erkrankung selbst
spiele hierfür keine Rolle. Daran werde deutlich, dass hier nicht die Grunderkrankung behandelt, sondern eine rein symptomatische
Therapie durchgeführt werde. Im klinischen Alltag laufe eine vorliegende Basistherapie auch parallel weiter und werde nicht
ersetzt.
Die Beklagte hat dem Gutachten entgegengehalten, das Sozialgericht Berlin habe die Frage anders entschieden. Danach sei nämlich
eine Kodierung des Symptoms als Hauptdiagnose dann nicht möglich, wenn die Dauermedikation während der Behandlung fortgesetzt
werde. So liege der Fall auch hier. Zudem habe das Gericht „in Übereinstimmung mit dem dortigen Sachverständigen“ entschieden,
aufgrund der Wirkweise des Cortisons werde jedenfalls lokal auch die Grunderkrankung behandelt. Aus dem beigefügten Urteilsabdruck
ergibt sich, dass im Verfahren Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und Vortrag einer bei der dortigen
Klägerin tätigen Ärztin verwertet worden sind; ein Sachverständigengutachten ist nicht eingeholt worden.
Die Klägerin hat dem entgegnet, im Falle ihrer Patientin habe auch die weiter verabreichte Dauermedikation allein der Symptombesserung
gedient. Sie hat weitere Ausführungen zum allgemeinen Einsatz und der Wirkweise des Triamcinolon gemacht, die nach ihrer Auffassung
gegen die Wirkung auf die Grunderkrankung sprechen (Bl. 234 - 237 d. A.).
Mit Urteil vom 12. Juni 2018 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe
keine Erstattungsansprüche, mit denen sie gegenüber den Vergütungsforderungen aus anderen unstrittigen Behandlungsfällen hätte
aufrechnen können. Die Klägerin habe zu Recht nach der ICD-10-Diagnose G82.43 als Hauptdiagnose abgerechnet, wonach sich die
DRG B60A ergebe. Die Voraussetzungen zu Abschnitt D002f der Deutschen Kodierrichtlinien 2012 seien erfüllt gewesen; es sei
nur das Symptom behandelt worden. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen. Die dreimonatliche, hier betroffene
Therapie erfolge bedingt durch die rechts- und beinbetonte spastische Tetraparese als Symptom der Multiplen Sklerose. Auch
die fortgesetzte Vormedikation werde – wie sich aus den Erläuterungen von Dr. S. ergebe – nicht zur Behandlung der Grundkrankheit
verabreicht. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §
288 Abs.
1 BGB i. V. m. der Budget- und Entgeltvereinbarung.
Gegen das ihr am 18. Juli 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 20. August 2018 Berufung eingelegt. Sie
trägt vor, maßgeblich im Sinne der Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes sei hier die Grunderkrankung. Das
verabreichte Medikament sei für die Behandlung einer Tetraparese und Tetraplegie überhaupt nicht zugelassen. Insoweit sei
auf den allgemeinen Wirkmechanismus abzustellen. Die fortlaufende Verabreichung der Dauermedikation im Sinne einer Mitbehandlung
der Grunderkrankung während der stationären Aufenthalte sei unberücksichtigt geblieben. Dem Gutachten lasse sich trotz ausdrücklich
gegenteiliger Meinung des Sachverständigen hinreichend deutlich entnehmen, dass die Injektionen auf die entzündliche Aktivität
im Rückenmark als Teil des Zentralnervensystems einwirkten. Damit enthielten sie immer auch eine kausale Behandlung der Entzündungsherde
der Grunderkrankung, „auch wenn die Injektionen im Ergebnis allein der Behandlung der Spastiken dienten.“ Das verabreichte
Mittel habe das Ziel, die Entzündungsaktivität herunterzudrücken, womit zugleich das Symptom abgemildert werde. Zur Behandlung
einer Spastik gebe es spezielle Präparate, die hier Verwendung hätten finden können, wenn nicht zugleich auf die Grunderkrankung
hätte Einfluss genommen werden sollen.
Nach der DKR 0603 sei in der akuten Phase einer Tetraplegie die zu Grunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren.
Um eine akute Phase habe es sich gehandelt, weil die Cortisonbehandlung ausschließlich dem akuten Schub vorbehalten sei.
Die Beklagte hat eine sozialmedizinisch-gutachtliche Stellungnahme des Allgemein- und Sozialmediziners S. vom 2. August 2018
vorgelegt, wegen deren Inhalt auf Bl. 316 – 319 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen vertritt er die Auffassung, die
intrathekal verabreichte Applikation von Triamcinolon stelle „rein medizinisch unstrittig“ eine symptomatische Behandlung
der Tetraparese und keine Dauer- oder Akutbehandlung der Multiplen Sklerose dar. Es sei aber auch zu berücksichtigen, dass
auch eine „Verlaufs- und Ausprägungsbewertung der Multiplen Sklerose“ im Hinblick auf Blasenentleerungsstörungen mit einem
urologischen Konsil erfolgt sei. Darin liege auch eine Mitbehandlung der Grundkrankheit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klagesumme in Höhe von 1243,89 € auf die Rechnung zu Nr. ...88, in Höhe
von 1264,48 € auf die Rechnung zu Nr. ...59, in Höhe von 1253,05 € auf die Rechnung zu Nr. ...56 und in Höhe von 1194,04 €
auf die Rechnung zu Nr. ...70 zu zahlen ist.
Sie stützt sich auf das ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des Sozialgerichts und verweist auf die Ausführungen des
Sachverständigen, wonach die vorgenommenen Injektionen ihrer allgemeinen Indikation nach gerade nicht an andere Entwicklungen
als allein die Spastik anknüpften. Dies werde durch – näher dargestellte – wissenschaftliche Ergebnisse untermauert.
Bei der Entscheidung haben dem Gericht neben den Gerichtsakten die Verwaltungsakten der Beklagten und Patientenakten der Klägerin
in jeweils einem Heft je Behandlungsfall vorgelegen und waren Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat Anspruch auf die unstrittigen Vergütungen, die sie mit den aus ihrem Antrag hervorgehenden Rechnungen für
Behandlungen zu Gunsten von Versicherten der Beklagten geltend gemacht hat. Die insoweit zustehenden Beträge sind in der geltend
gemachten Höhe nicht erloschen, weil die Beklagte dagegen nicht wirksam nach §
387 des
Bürgerlichen Gesetzbuches die Aufrechnung erklärt hat. Denn der Beklagten stand der zur Aufrechnung geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
nicht zu. Sie hatte nämlich zuvor Zahlungen auf die hier umstrittenen Behandlungsfälle in der Höhe der jeweiligen Aufrechnung
nicht ohne rechtlichen Grund geleistet. Auf diese Zahlungen hatte die Klägerin Anspruch.
Dieser Vergütungsanspruch der Klägerin entstand dem Grunde nach durch die im Sinne von §
39 Abs.
1 S. 2
SGB V unstrittig erforderliche stationäre Versorgung der Versicherten in ihrem zugelassenen Krankenhaus. Ihrer Höhe nach bemisst
sich die Vergütung nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Dies ergibt sich aus §
109 Abs.
4 S. 3
SGB V (i. d. F. v. 23.4.2002, BGBl. I S. 1412) i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG – i. d. F. v. 22.12.2010, BGBl. I S. 2309) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (i. d. F. v. 22.11.2011, BGBl. I S. 2983). Näheres regeln die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 KHEntgG durch einen Fallpauschalenkatalog
und Abrechnungsbestimmungen in Fallpauschalenvereinbarungen. Die danach zu ermittelnde DRG-Position bestimmt sich u.a. nach
der ICD-10 in der jeweiligen Fassung des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information – hier für das
Jahr 2012 (ICD-10 GM 2012) – und den von den Vertragsparteien auf Bundesebene vereinbarten Deutschen Kodierrichtlinien für
dieses Jahr.
Alleinige Hauptdiagnose im Sinne von Abschnitt D002f der Deutschen Kodierrichtlinien 2012 (abgerufen über https://www.gdrg.de/content/download)
ist die unter dem Code G82.43 erfasste spastische Tetraparese und Tetraplegie: chronisch inkomplette Querschnittslähmung,
die unstreitig in die DRG B60A führt.
Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dieser Diagnose um ein Symptom im Sinne von D002f handelt, weil es im Sinne der dortigen
Regelung „nur“ behandelt worden ist. Denn die fortgesetzte Behandlung anderweitiger Erscheinungen der Grundkrankheit mit der
schon ambulant verordneten und eingenommenen Dauermedikation stellt nicht die zum Ausschluss des Symptoms als Hauptdiagnose
erforderliche Behandlung dar. Ob nur das Symptom behandelt wurde, richtet sich nach allen Behandlungsmaßnahmen, die Teil einer
spezifisch stationären Behandlung sind. Denn die Sonderregelung für die Zuordnung von Symptomen als Hauptdiagnose dient allein
der Gewichtung bei der Abgrenzung von Grunderkrankung und Symptom. Dabei bleibt aufrecht erhalten, dass ggf. das Symptom die
Eingangsvoraussetzung der hauptsächlichen Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes notwendig erfüllen muss (dazu allgemein
bei der Abgrenzung mehrerer in Frage kommender Diagnosen BSG, Urt. v. 5.7.16 – B 1 KR 40/ 15 R – Juris, Rn. 14 - 17). Diese Voraussetzung verschärft die Regelung für das Symptom noch
insoweit, dass es „nur“ behandelt werden muss. Denn nur, wenn die stationäre Behandlung gegenüber der Grunderkrankung allein
durch die Entwicklung des Symptoms bestimmt wird, ist es folgerichtig, die Grunderkrankung bei der Festlegung der Behandlungsursache
außer Betracht zu lassen. Umgekehrt wird aber keine Aussage zur Ursache der betroffenen Krankenhausbehandlung getroffen, wenn
man auch Gesichtspunkte in Betracht zieht, die sich in einer räumlichen Verlagerung einer ambulant erfolgenden Vorbehandlung
in ein Krankenhaus erschöpfen. Den Patientenakten ist dazu jeweils zu entnehmen, dass die angegebene Vormedikation vollständig
und in unveränderter Dosierung verabreicht worden ist.
Eine Behandlung der multiplen Sklerose oder gar darauf bezogene Diagnostik liegt auch nicht in der Diagnostik und Behandlung
von Blasenproblemen nur während des ersten Krankenhausaufenthaltes. Auch dabei handelt es sich allenfalls um ein Symptom der
Grunderkrankung, das seinerseits angesichts der dreimonatlich vorgeplanten stationären Aufnahme der Patientin jedenfalls nicht
die stationäre Behandlung veranlasst hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt eine Behandlung der Multiplen Sklerose auch nicht deshalb vor, weil sich eine
Injektion eines Cortisonpräparates in den Rückenmarkskanal zwingend auf Entzündungsherde als Befundbild einer Multiplen Sklerose
auswirkte. Eine solche Auswirkung ist jedenfalls nicht Gegenstand einer zielgerichteten Therapie, auf die es entgegen der
Auffassung der Beklagten als wenigstens geringsten Teil einer Veranlassung von stationärer Behandlung aber ankäme.
Dass eine Wirkung auf die Grunderkrankung bei den stationären Behandlungen der Patientin keine Rolle spielt, ergibt sich schlüssig
aus dem Gutachten des Sachverständigen. Denn dieser stellt der intrathekalen Injektion des Triamcinolon als Maßnahme zur Symptomminderung
der Spastik die Aussage gegenüber, in Fällen einer schon vorher durchgeführten Basistherapie bleibe diese im klinischen Alltag
unverändert. Dies wäre unstimmig, wenn die Injektion erkennbare Einflüsse auf die Grunderkrankung nähme. Schließlich führt
der Sachverständige in aller Klarheit aus, die Aktivität der Grunderkrankung, die Zahl und Schwere von Schüben oder das Auftreten
von Läsionen im MRT spielten für die durchgeführte Therapie „keine Rolle.“ Hingegen muss eine rein abstrakte Erkenntnis zu
einer allgemeinen Wirkweise außer Betracht bleiben, wenn sie nicht Gegenstand medizinisch-wissenschaftlich fundierter Therapieansätze
ist. Das Fehlen solcher Ansätze stellt der Sachverständige aber differenziert und überzeugend mit den Ausführungen dar, die
hier vorgenommenen Injektionen fänden seit Jahrzehnten eine wissenschaftliche Grundlage nur im Hinblick auf die Bekämpfung
der spastischen Symptome. Auch aus der Wiedergabe der Aufnahmegründe im Falle der hier betroffenen Patientin in den Patientenakten
ergibt sich kein Bezug zur Grunderkrankung. In den Entlassungsberichten ist durchgehend eine Aufnahme der Patientin zur symptomatischen
antispastischen intrathekalen Therapie benannt.
Gegen die Kodierung der spastischen Tetraparese unter G82.43 als solcher ergeben sich keine Bedenken. Die Hinweise zur Kategorie
G82.– der ICD-10 GM Version 2012 (zitiert nach https://dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm) verweisen für den
Gebrauch dieser Kategorie auf die Kodierrichtlinien, die unter Abschnitt 0603h der Speziellen Kodierrichtlinien Anweisungen
zur Kodierung der nicht traumatischen Tetraplegie und Paraplegie enthalten. Ob das jedenfalls nicht völlig identische Krankheitsbild
der Tetraparese der Patientin mit von dieser Speziellen Kodierrichtlinie erfasst ist, kann das Gericht offen lassen. Denn
gerade wenn die zur Tetraplegie getroffenen Regelungen auch die Tetraparese erfassen, ist die vorgenommene Kodierung dem Inhalt
und der Gewichtung als Hauptdiagnose nach einschlägig. Die in der Kodiervorschrift vorgenommene Abgrenzung betrifft allerdings
den Fall der hier betroffenen Patientin thematisch (auch) insoweit nicht, als davon zum Einen der akute Behandlungsfall der
Erstaufnahme anlässlich des entsprechenden Funktionsausfalls oder die Wiederkehr des gleich gewichtigen Funktionsausfalls
durch die verschlimmerte (Grund-)Erkrankung betroffen ist. Beides liegt bei der betroffenen Patientin nicht vor, weil die
Grunderkrankung auch mit dem Funktionsausfall der Lähmungserscheinungen schon länger bekannt und ein akuter Schub jeweils
nicht diagnostiziert ist. Schon im ersten Entlassungsbericht wird auf frühere Gaben von Triamcinolon aus gleichem Anlass hingewiesen.
Grundlage der Kodieranweisung für den Akutfall ist jedenfalls eine „akute Schädigung des Rückenmarks“, die im Fall der hier
betroffenen Patientin in keinem Behandlungsfall vorliegt; die Schädigung bei einer seit einem Jahrzehnt diagnostizierten Multiplen
Sklerose und fehlender Diagnose eines Krankheitsschubs ist chronisch. Die für die Fallgruppe gegebene Anweisung, die Grunderkrankung
als Hauptdiagnose zu verschlüsseln, betrifft jedenfalls nicht den Fall der Patientin.
Zum Anderen liegt bei der Patientin auch nicht der Fall einer chronischen Phase nach Abschluss der Behandlung der Grunderkrankung
vor. Denn die Behandlung einer schleichend verlaufenden Grunderkrankung kann nicht in diesem Sinne abgeschlossen sein. Zumindest
legt aber der Stillstand einer feststellbaren Entwicklung der Grunderkrankung bei turnusmäßiger Behandlung des Symptoms die
Behandlung als Fall der chronischen Phase nahe. Dafür ist die Anweisung gegeben, einen Code der Kategorie G82.– als Hauptdiagnose
zu verschlüsseln, wie es hier geschehen ist.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen nach §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i. V. m. §
154 Abs.
2 der
Verwaltungsgerichtsordnung der Beklagten zur Last, weil ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1,
2 SGG liegen nicht vor, weil der Senat die entscheidenden Rechtssätze durch die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
für hinreichend vorgeprägt hält.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs.
1 Halbs. 1
SGG i. V. m. § 3 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.