Rechtmäßigkeit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Anpassung des Behandlungsbedarfs im Vergleich zum Vorjahr; Vereinbarung
der jeweils jahresbezogenen Veränderungen der Morbiditätsstruktur
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtsmäßigkeit von Schiedssprüchen zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen
für das Jahr 2013.
Mit einem Schreiben vom 26. September 2012 bat die Beigeladene den Beklagten um Durchführung eines Schiedsverfahrens zur Festsetzung
der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für die Jahre 2012 und 2013. Dabei gab sie an, die diesbezüglichen Verhandlungen
mit den Klägerinnen seien aufgrund unterschiedlicher inhaltlicher Positionen gescheitert. Die Klägerinnen führten dazu in
einer Stellungnahme vom 28. September 2012 aus, sie widersprächen der Zusammenlegung der beiden Jahre in einem Schiedsverfahren.
Für das Jahr 2013 sei der Bewertungsausschuss noch nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, Vorgaben und Empfehlungen zu beschließen.
Es seien insoweit noch überhaupt keine Verhandlungen mit der Beigeladenen geführt worden. Die Beigeladene teilte mit einem
Schreiben vom 12. Oktober 2012 mit, sie hätte zu zwei Verhandlungen betreffend die Vergütungen für die Jahre 2012 bis 2013
eingeladen, die am 10. Januar 2012 und am 18. September 2012 stattgefunden hätten. In beiden Verhandlungen seien die gegenseitigen
Forderungen an die Weiterentwicklung der Vergütung für die Jahre 2012 und 2013 ausgetauscht worden. Die Klägerinnen teilten
dem Beklagten mit Schreiben ebenfalls vom 12. Oktober 2012 mit, zu Verhandlungen über die Vergütung für das Jahr 2013 sei
es nicht gekommen.
Am 22. Oktober 2012 fasste der auf Bundesebene nach §
87 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) gebildete Bewertungsausschuss einen Beschluss zu den Empfehlungen zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur
nach §
87a Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB V gemäß §
87a Abs.
5 Satz 1 Nr.
2 SGB V für das Jahr 2013. Dabei empfahl er für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt eine Veränderungsrate
auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen in Höhe von 2,6931 % und eine Veränderungsrate auf der Grundlage
der demografischen Kriterien in Höhe von 0,7247 %.
Mit einem Schreiben vom 24. Oktober 2012 forderte der Schiedsamtsvorsitzende die Klägerinnen und die Beigeladene auf, Schiedsanträge
für die Durchführung des Schiedsverfahrens zur Festsetzung der vertragsärztlichen Vergütung für das Jahr 2012 und zur wirksamen
Anrufung des Schiedsamts zur Feststellung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für das Jahr 2013 bis spätestens
zum 12. November 2012 zu stellen; die Schiedsamtsverhandlungen fänden am 6. Dezember 2012 statt. Die Klägerinnen erhoben daraufhin
mit einem Schriftsatz vom 29. Oktober 2012 eine Verfahrensrüge und stellten einen Antrag auf Aussetzung des Schiedsamtsverfahrens
für das Jahr 2013. Zur Begründung führten sie aus: Die Beratungen im Bewertungsausschuss hätten sich bis zum 22. Oktober 2012
hingezogen und seien nun abgeschlossen. Die schriftliche Beschlussfassung, die Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen
sei, läge noch nicht vor. Der Gesetzgeber habe den Vertragsparteien auf Landesebene zwei Monate für die Verhandlungen eingeräumt.
Dieser Zeitraum werde auch für eine seriöse Vorbereitung benötigt. Wenn die Verhandlungen bisher noch nicht mit der gebotenen
Ernsthaftigkeit geführt worden seien, könnten diese nicht als gescheitert angesehen werden und das Schiedsverfahren sei auszusetzen.
Die Beigeladene teilte dem Beklagten am 6. November 2012 mit, sie habe die Klägerinnen am 25. Oktober 2012 für den 30. Oktober
2012 bzw. für den 2. oder 5. November 2012 zur Verhandlung der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 eingeladen. Die Klägerinnen
hätten die Termine abgelehnt, weil ihnen diese als zu frühzeitig erschienen wären. Die Beigeladene stellte mit einem Schriftsatz
vom 12. November 2012 bei dem Beklagten den Antrag, festzustellen, dass das Schiedsamt zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher
Leistungen für das Jahr 2013 wirksam angerufen worden sei. Zur Begründung führte sie aus: Die Aussage der Klägerinnen, dass
Verhandlungen erst nach einer eingehenden Bewertung der Beschlüsse des Bewertungsausschusses/Erweiterten Bewertungsausschusses
stattfinden könnten, zeige, dass diese kein ernsthaftes Interesse an einer zeitnahen Vereinbarung über die morbiditätsbedingte
Gesamtvergütung für das Jahr 2013 hätten. Um die von Gesetzgeber vorgegebene Frist für Verhandlungen auf Landesebene von höchstens
zwei Monaten einhalten zu können, hätten erste Verhandlungen schon vor den Beschlussfassungen des Bewertungsausschusses/Erweiterten
Bewertungsausschusses stattfinden können. Aus der Sicht der Beigeladenen müssten die Verhandlungen als endgültig gescheitert
angesehen werden. Die gesetzlichen Regelungen zum Schiedsamt seien dahin auszulegen, dass vertragslose Zustände zu verhindern
seien. Weiter stellte die Beigeladene mit einem Schriftsatz vom 12. November 2012 Anträge auf Festsetzung der vertragsärztlichen
Leistungen für die Jahre 2012 und 2013. Dabei war dem Antrag für das Jahr 2013 eine umfangreiche Begründung unter anderem
mit Angaben zur Morbidität und zur Alterstruktur der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum Bundesdurchschnitt beigefügt.
Die Klägerinnen wiederholten in einem Schreiben vom 21. November 2012 an den Beklagten ihre Auffassung, dass bislang ernst
gemeinte Verhandlungen mit der Beigeladenen bezogen auf die Festsetzung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für
das Jahr 2013 noch gar nicht hätten geführt werden können. Der Antrag der Beigeladenen von 12. November 2012 habe erstmals
eine Übersicht der Forderungen und eine ernsthafte Begründung enthalten.
Am 6. Dezember 2012 fand dann eine mündliche Verhandlung bei dem Beklagten zu den gestellten Schiedsanträgen statt. Auf diese
mündliche Verhandlung erging am 6. Dezember 2012 zunächst der Schiedsspruch:
"... dass das Landesschiedsamt zur Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2013 wirksam angerufen worden ist."
In den Gründen dazu wird ausgeführt: Die maßgeblichen Beschlüsse des Bewertungsausschusses zur Gesamtvergütung 2013 seien
am 22. Oktober 2012 erfolgt. Danach hätten keine Hinderungsgründe mehr bestanden, über die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
für das Jahr 2013 zu verhandeln. Für die Klägerinnen habe noch ausreichend Gelegenheit bestanden, auf den eingereichten Antrag
der Beigeladenen bis zur mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2012 zu reagieren.
Weiter erging am 6. Dezember 2012 neben einem Schiedsspruch zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2012,
der - soweit es sich aus den Akten ergibt - nicht angefochten wurde, ein Schiedsspruch zur Festsetzung der Vergütung für das
Jahr 2013. Darin wird zunächst feststellt:
"... dass zusätzlich zu den Anpassungen (auf Basis der Veränderungsraten) gem. §
87a Abs.
4 SGB V eine sockelwirksame Anpassung auf der Grundlage von §
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V vorzunehmen ist."
Weiter werden unter anderem die Regelungen getroffen:
"1. Den Vertragsparteien wird aufgegeben, die Höhe der Steigerung auf der Grundlage von §
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V ab 2013 bis zum 15.12.2012 zu vereinbaren. Erfolgt keine Vereinbarung, wird das Schiedsverfahren am 19.12.2012 fortgesetzt.
2. Die Veränderungsrate für 2013 gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 Ziffer 2 wird auf 2,6931% festgeschrieben."
Wegen des genauen Inhalts des Schiedsspruches wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Auf eine mündliche Verhandlung am 19. Dezember 2012 erging dann ein weiterer Schiedsspruch unter anderem mit den inhaltlichen
Regelungen:
"§ 3 Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
"(1) Die Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2013 richtet sich nach §
87a Abs.
3 SGB V, nach §
87a Abs.
4 SGB V und nach den für das Jahr 2013 geltenden Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 22. Oktober 2012.
Der so ermittelte Behandlungsbedarf wird sockelwirksam um
insgesamt 12 %, davon 4 % in 2013, 4 % in 2014 und 4 % in 2015 erhöht.
2. 2,6931 % gem. §
87a Abs.
4 Satz 1 Ziffer 2
SGB V."
In den Gründen wird unter anderem ausgeführt:
Es habe geprüft werden müssen, ob die Ausgangslage beim Aufsatzwert für die Veränderungsrate adäquat berücksichtigt werde.
Die Beigeladene habe in ihrer Schiedsschrift vom 12. November 2012 durch plausible Studienergebnisse und Berechnungen nachgewiesen,
dass die für den Bereich Sachsen-Anhalt gezahlte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung nicht der vorhandenen Morbidität der
Bevölkerung entspreche. Die vorgelegte Berechnung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung habe ergeben, dass
rechnerisch eine 10 % über dem Durchschnitt liegende Morbiditätslast für die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt feststellbar sei.
Demgegenüber liege die vertragsärztliche Vergütung im ambulanten Bereich je Versicherten unter dem Bundesdurchschnitt. Nach
Auffassung des Beklagten sei es angemessen und gerechtfertigt, unter Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel in §
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung um 12 % verteilt auf die Jahre 2013, 2014 und 2015 sockelwirksam zu steigern. Damit
werde der Intention des Gesetzgebers bei der Einführung des §
87a SGB V Rechnung getragen, dass die Krankenkassen das Morbiditätsrisiko zu übernehmen hätten. Die Verteilung der Steigerung auf einen
Dreijahreszeitraum erfolge unter Abwägung der Interessenlage der Krankenkassen. Dabei habe sich der Beklagte von der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) leiten lassen, dass dem Landesschiedsamt die gleiche Gestaltungsmacht zukomme wie den Vertragsparteien selbst. Obwohl nur
die Festsetzung des Vertrages zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 beantragt worden sei, stehe es
dem Beklagten frei, fakultative Gestaltungsoptionen zu ergreifen. Es müsse ein angemessener Ausgleich zwischen einerseits
dem Interesse der Vertragsärzte, eine dem morbiditätsbedingten Behandlungsbedarf entsprechende Gesamtvergütung zu erhalten,
und anderseits dem Interesse der Krankenkassen, nicht sofort eine zusätzliche Steigerung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung
von 12 % verkraften zu müssen, gefunden werden. Der Beklagte lasse sich bei seiner Entscheidung auch davon leiten, dass die
Krankenkassen aufgrund der Morbiditätsstruktur in Sachen-Anhalt höhere Zuweisungen aus dem morbiditätsbedingten Risikostrukturausgleich
erhielten.
Aufgrund der im Schriftsatz der Beigeladenen dargestellten Morbidität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt einerseits und der
im Vergleich zum Bundesdurchschnitt niedrigeren Vergütung je Versicherten anderseits habe sich der Beklagte veranlasst gesehen,
entsprechend der Empfehlung des Bewertungsausschusses für den KV-Bereich Sachsen-Anhalt vom 22. Oktober 2012 für das Jahr
2013 die Veränderungsrate gemäß §
87a Abs.
4 Satz 1 Ziffer 2
SGB V in Höhe von 2,6931 % festzuschreiben.
Wegen des genauen Inhalts des umfangreichen Schiedsspruches wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten des Beklagten Bezug
genommen.
Die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 6. Dezember 2012 und 19. Dezember 2012 sowie die schriftlich abgesetzten Schiedssprüche
mit Begründungen gingen den Klägerinnen am 5. bzw. 6. März 2013 zu.
Die Klägerinnen haben am 2. April 2013 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Klage gegen die Schiedssprüche betreffend die
Feststellung der wirksamen Anrufung des Schiedsamts zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr
2013 und die Festsetzung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für das Jahr 2013 erhoben. Zur Begründung haben sie
unter anderem ausgeführt: Der feststellende Schiedsspruch über die Zulässigkeit des Schiedsverfahren betreffend die Vergütung
für das Jahr 2013 sei als Zwischenentscheidung, für die die gesetzliche Grundlage fehle, unzulässig. Die Zwischenentscheidung
sei auch nicht sachdienlich. Es gebe in der Schiedsordnung keine Rechtsgrundlage für eine solche Zwischenentscheidung. Es
habe auch einer Grundlage für den Schiedsspruch gefehlt, weil die vorangegangenen Verhandlungen zwar nicht mit der notwendigen
Ernsthaftigkeit geführt worden, aber nicht gescheitert seien. Der Beklagte hätte das Verfahren aussetzen und den Beteiligten
aufgeben müssen, die Verhandlungen nachzuholen. Aufgrund der zeitlich unmittelbar nacheinander erfolgten Schiedssprüche für
die Jahre 2012 und 2013 habe für die Verhandlung über die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für das Jahr 2013 die
Basis gefehlt. Auch der Schiedsspruch mit den inhaltlichen Festsetzungen für das Jahr 2013 sei rechtswidrig. Der Beklagte
sei schon nicht befugt gewesen, die inhaltliche Entscheidung zu treffen, weil die dafür erforderlich Voraussetzung einer Nichteinigung
nicht vorliege. Die Festsetzung des Erhöhungsbedarfs um 12 % zusätzlich zu der diagnosebezogenen, vom Bewertungsausschuss
empfohlenen Veränderungsrate um 2,6931 % für das Land Sachsen-Anhalt, mit der die Morbiditätsentwicklung im Vergleich zum
Vorjahr bereits vollständig und mit allen denkbaren Morbiditätskriterien abgebildet werde, sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig.
§
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V enthalte keine generelle Öffnungsklausel, die eine unabhängig von den Vorgaben in §
87a Abs.
4 Satz 1 bis
3 SGB V festzusetzenden Korrektur des Behandlungsbedarfs ermögliche. Die Vorschrift erlaube ausschließlich die Berücksichtigung weiterer
relevanter Morbiditätskriterien für die Bestimmung der Veränderungsrate im Vergleich zum im Vorjahr vereinbaren Behandlungsbedarf,
nicht aber eine "Basiskorrektur" des nach der Konzeption des Gesetzes als angemessen vermuteten Bedarfs des Vorjahres. Im
Ergebnis habe der Beklagte mit seinem Schiedsspruch die vom Bundesgesetzgeber mit dem §
87c Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzliche Krankenversicherung (GKV-WSG) getroffene Entscheidung korrigiert, dem neuen Vergütungssystem als angemessenen Behandlungsbedarf die im jeweiligen KV-Bezirk
historisch gewachsene - und nach Maßgabe gesetzlicher Vorgaben für das Jahr 2009 erheblich gesteigerten - Leistungsmengen
zugrunde zu legen.
Aus der Begründung zum Gesetzesentwurf des §
87c Abs.
4 SGB V in der Fassung GKV-WSG ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Leistungsmenge des Jahres 2008 nach sachlichrechnerischer Richtigstellung und honorarwirksamen
Begrenzungsregeln als Basis für den ab 2009 weiterzuentwickelnden Behandlungsbedarf zugrunde gelegt habe. Die erweiterte Vertragskompetenz
der regionalen Verhandlungspartner begründe nicht die Befugnis zu einer Neufestsetzung des Behandlungsbedarfs, sondern ermögliche
die Verhandlung der Gewichtung der vom Bewertungsausschuss mitgeteilten jahresbezogen Veränderungsraten sowie erforderlichenfalls
die Heranziehung zusätzlicher Kriterien zur Ermittlung der Veränderungen. Das Prinzip der Vorjahresanknüpfung sei vom Gesetzgeber
selbst in §
87d SGB V für die Jahre 2011 und 2012 bei den Vorgaben für die Anpassung des Behandlungsbedarfs für diese Jahre zugrunde gelegt worden.
Dass die gesetzliche vorgesehene Anknüpfung im Jahre 2009 an den historisch tatsächlich abgerechneten Leistungsbedarf und
den Anpassungen in den Folgejahren eine hinreichende Morbiditätsorientierung zugrunde gelegen habe, ergebe sich daraus, dass
die Versorgung der Versicherten habe sichergestellt werden können und auch ein ausreichendes Vergütungsniveau erreicht worden
sei. Die Anknüpfung des Gesetzgebers an den historisch gewachsenen Behandlungsbedarf und die Entscheidung zugunsten einer
jahresbezogenen Anpassung des im jeweiligen KV-Bezirk vorgefundenen und dann nach gesetzlichen Maßgaben gesteigerten Behandlungsbedarfs
erkläre sich dadurch, dass es schon zum Start des neuen vertragsärztlichen Vergütungssystems im Jahr 2009 und auch jetzt unverändert
keine Information zu dem objektiv für eine bestimmte Morbidität der Versicherten notwendigen Behandlungsbedarf gebe. Unabhängig
davon, dass der Gesetzgeber selbst für das Jahr 2012 die anzuwendende Veränderungsrate für die Anpassung des Behandlungsbedarfs
in §
87d Abs.
2 SGB V vorgegeben habe, sei die Vereinbarung für das Jahr 2012 ein geeigneter Anknüpfungspunkt für den Vorjahresbezug gewesen. Aus
dem Wortlaut des §
87a Abs.
4 SGB V mit dem Wort "insbesondere" lasse sich nicht die Schlussfolgerung ziehen, die Norm enthalte keine abschließende Regelung.
Der Wortlaut erlaube keine Abweichung von dem Vorjahresbezug. Gesetzliche Vorgaben für die - vom Vorjahresbezug losgelöste
- Neubestimmung des Behandlungsbedarfs durch die regionalen Vertragspartner fehlten. Eine solche "Basiskorrektur" unter Bestimmung
der "wahren" Morbidität der Versicherten würde aber eine gesetzliche Grundlage mit konkreten Vorgaben voraussetzen.
Den gesetzlichen Krankenkassen sei das "Morbiditätsrisiko" durch §
87a Abs.
3 Satz 2 und
4 und Abs.
4 SGB V vom Gesetzgeber (nur) insoweit übertragen worden, als Veränderungen der Morbiditätsstruktur der Versicherten im Vergleich
zum Vorjahr unmittelbar zu Erhöhungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung führten, auch wenn die Veränderungen der Morbiditätsstruktur
die Veränderungsrate nach §
71 Abs.
3 SGB V überstiegen. Der Bundesgesetzgeber habe zu keinem Zeitpunkt geregelt, dass die Morbidität, die sich in dem Faktor des Behandlungsbedarfs
bei der Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung niederschlage, von den Vertragspartnern frei festgelegt werden
könne. Auch im Rahmen der Neufassung des §
87a Abs.
4 SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz zum 1. Januar 2012 seien die Bindungen an die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs
im Vergleich zum Vorjahr nicht entfallen. Die Anpassung aufsetzend auf den im Vorjahr vereinbaren Behandlungsbedarf sei in
§
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V zwingend vorgeschrieben. Es sei zwar zutreffend, dass die Krankenkassen Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds entsprechend
der Risikostruktur ihrer Versicherten enthielten. Diese Zuweisungen erfolgen aber nicht regionalspezifisch für einzelne Versicherte,
sondern entsprechend dem Durchschnitt der Morbidität der Versicherten einer Krankenkasse. Der morbiditätsbedingte Risikostrukturausgleich
regle alleine die Mittelverteilung unter den gesetzlichen Krankenkassen, nicht aber den Umfang der verfügbaren Mittel. Die
festgesetzte Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12% entsprechend des Schiedsspruchs gegenüber dem Jahre 2012 bedinge eine
Kürzung des Behandlungsbedarfs in anderen KV-Bezirken. Eine solche Festsetzung setze demnach eine Umverteilung voraus, für
die die gesetzliche Grundlage fehle.
Aufgrund der eindeutigen Unzulässigkeit der sockelwirksamen Anpassung des Behandlungsbedarfs komme es auf die Tatsachenfrage,
ob und aufgrund welcher Daten eine Neubestimmung des absoluten Morbiditätsniveaus möglich sei, (eigentlich) nicht an. Es sei
aber festzustellen, dass das vom Beklagten seiner Entscheidung zugrunde gelegte Ergebnis einer versuchten Neubestimmung des
absoluten Morbiditätsniveaus im bundesweiten Vergleich auch aus tatsächlichen Gründen nicht auf die Bestimmung der Höhe des
vereinbarten Behandlungsbedarfs übertragen werden könne. Eine direkte Übertragung der anhand des vom Institut des Bewertungsausschusses
entwickelten Klassifikationsmodells KM87a gewonnenen Erkenntnisse sowie der Daten aus dem Risikostrukturausgleich zur Feststellung
eines vermeintlich zutreffenden absoluten Morbiditätsniveaus der Versicherten in Sachsen-Anhalt für die Vereinbarung der Höhe
des Behandlungsbedarfs sei nicht möglich. Der Vergleich von errechneten Brutto-Leistungsmengen mit netto vereinbaren Behandlungsbedarfen
führe zu unzutreffenden Ergebnissen. Es fehlten detaillierte gesetzliche Regelungen zur Erfassung der Morbidität und zur Art
und Weise des Vergleichs. Der Schiedsspruch sei auch deswegen rechtswidrig, weil die Festsetzung der zusätzlichen Erhöhung
von 12 % auf einem unzutreffend festgestellten Sachverhalt beruhe. Zwischen den Beteiligten habe - anders als vom Beklagten
angenommen - Uneinigkeit über die Datengrundlage für das Klassifikationsverfahren zur Ermittlung des Morbiditätsniveaus im
KV-Bezirk Sachsen-Anhalt gegenüber dem Bundesdurchschnitt bestanden. Weiter sei die von dem Beklagten getroffene "Mehrjahresfestsetzung"
mit §
87a SGB V unvereinbar.
Rechtswidrig sei auch die unter Ziffer 2 (des Beschluss vom 19. Dezember 2012) erfolgte Anhebung der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung um weitere 2,6931 % zusätzlich zur vorgenommenen Basisanpassung. Die vom Bewertungsausschuss festgestellte,
auf demografischen Kriterien beruhende Veränderungsrate liege deutlich unter der ebenfalls festgestellten diagnosebezogenen
Veränderungsrate. Die vorgenommene Berücksichtigung ausschließlich der diagnosebezogenen Veränderungsrate sei nicht mit §
87a Abs.
4 Satz 3
SGB V vereinbar. Es liege insoweit auch ein Begründungsmangel vor. Es stelle keine gewichtete Zusammenfassung dar, wenn die diagnosebezogene
Veränderungsrate mit 100 zu 0 festgesetzt werde. Eine Zusammenfassung schließe aus, dass eine der Raten vollständig unberücksichtigt
bleibe. Der Bundesgesetzgeber habe die gewichtete Zusammenfassung der demographischen Veränderungsrate und der diagnosebezogenen
Veränderungsrate gerade deshalb angeordnet, weil er Zweifel an der Aussagekraft der diagnosebezogenen Veränderungsrate als
ausschließlich von den Vertragsärzten beeinflussbarer Größe gehabt habe. Im Gegensatz dazu sei die demographiebezogene Veränderungsrate
an objektiven, nicht von einer Vertragspartei beeinflussbaren Kriterien angeknüpft. Selbst zu Regelungen, die lediglich die
Berücksichtigung verschiedener Belange anordneten, sei anerkannt, dass die komplette Ausblendung einzelner zu berücksichtigender
Umstände den gesetzlichen Vorgaben nicht gerecht werde.
Die Klägerinnen beantragen,
die Schiedssprüche des Beklagten vom 6. Dezember 2012 und vom 19. Dezember 2012 betreffend die Vergütung vertragsärztlicher
Leistungen für das Jahre 2013 aufzuheben und den Beklagten zur erneuten Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu verpflichten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Schiedssprüche für rechtmäßig.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene meint unter Hinweis auf ein von ihr eingeholtes Rechtsgutachten: Der Beklagte sei befugt gewesen, seine wirksame
Anrufung und das Scheitern der Verhandlungen festzustellen. Die Klägerinnen seien auch nach der Anrufung des Beklagten auf
die Einladung zu weiteren Verhandlungen nicht eingegangen, so dass von einem Scheitern der Verhandlungen auszugehen gewesen
sei. Jedenfalls nach dem Vorliegen des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 22. Oktober 2012 hätten Gespräche zwischen
den Beteiligten stattfinden können, denen sich die Klägerinnen aber verweigert hätten. Die Feststellung der Zulässigkeit der
Anrufung des Beklagten durch Erlass einer Zwischenentscheidung sei zulässig gewesen. Es sei unstreitig, dass das Landesschiedsamt
vorab über die Unzulässigkeit seiner Anrufung entscheiden könne. Ebenso müsse die Feststellung der Zulässigkeit der Anrufung
möglich sein. Inhaltlich seien die Schiedssprüche nicht zu beanstanden. §
87a Abs.
4 SGB V erlaube es nicht nur, Veränderungen gegenüber der im Vorjahr getroffenen Vereinbarung zu berücksichtigen, sondern ermögliche
auch, eine Basiskorrektur vorzunehmen. Dies entspreche dem Bestreben des Gesetzgebers, das Verfahren nach §
87a SGB V insgesamt regional zu flexibilisieren. Dafür, dass der Bezugspunkt der Veränderungen nicht bloß die Vorjahreswerte seien,
sondern auch andere tatsächliche Änderungen berücksichtigt werden könnten, spreche, dass der Gesetzgeber die Bestimmung der
morbiditätsbedingten Gesamtvergütung auch für andere Kriterien öffne, die überhaupt noch keine Abbildung in der Bewertung
des Aufsatzjahres erhalten hätten.
Zudem seien die Anpassungskriterien in §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V nicht zwingend an die Vorjahreswerte des eigenen KV-Bezirks geknüpft. §
87 Abs.
4 SGB V räume den Kollektivverhandlungspartner auf Landesebene einen eigenständigen und originären Gestaltungsanspruch ein, der über
eine bloße Vorjahresanknüpfung hinausgehe. Wenn §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V vorschriebe, dass die Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs auf dem für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf
aufsetzen solle, könne sich dies nur auf einen durch die Kollektivvertragsparteien vereinbarten, aber nicht auf einen gesetzlich
festgelegten Behandlungsbedarf, wie er im Jahre 2012 vorgelegen habe, beziehen. Im §
87d Abs.
2 Satz 1
SGB V seien für das Jahr 2012 Vorgaben gemacht worden, mit denen der den Vertragsparteien eigentlich zukommende Gestaltungsspielraum
befristet außer Kraft gesetzt worden sei. Vereinbarungen im Sinne des §
87 Abs.
3 Satz 2
SGB V hätten nicht getroffen werden können. Nur ein vereinbarter Behandlungsbedarf sei nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers
geeignet für eine Vorjahresanknüpfung.
Aus der Formulierung des §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V, wo es "insbesondere Veränderungen" und nicht "Veränderungen insbesondere" heiße, werde deutlich, dass nicht nur Veränderungen
im Vergleich zum Vorjahr möglich seien, sondern auch eine Basiskorrektur. Auch ergebe sich aus der zum 1. Januar 2012 erfolgten
Anfügung des Satzes 4 an den §
87a Abs.
4 SGB V, dass der Gesetzgeber den Vertragsparteien weitere Spielräume geschaffen habe. Es sei nicht ersichtlich, warum davon nicht
auch die Möglichkeit einer Basiskorrektur umfasst sein solle. Die Norm werde damit für weitere Klassifikationsmodelle geöffnet,
die eine realitätsgerechtere Messung der regionalen Morbiditätsstruktur ermöglichten. Dem könne auch nicht entgegengehalten
werden, §
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V erlaube nur die Berücksichtigung weiterer in der demographiebezogenen und diagnosebezogenen Veränderungsrate nicht berücksichtigter
Morbiditätskriterien. Es werde nicht klar, welche dies dann sein sollten.
Bei einer Auslegung des §
87a SGB V nach Sinn und Zweck der Bestimmung sei zu beachten, dass im Jahre 2007 ein Paradigmenwechsel des vertragsärztlichen Vergütungssystems
begonnen habe, der 2013 zu einem vorläufigen Abschluss gekommen sei. Es sei zum Problem geworden, dass die Nachfrage nach
Leistungen steige, weil die Morbidität der Versicherten steige. Die Regelungen in §
87a Abs.
2 bis
4 SGB V hätten die beiden zusammenhängenden Zielsetzungen der Morbiditätsorientierung und der Regionalisierung zusammengeführt. Bis
einschließlich 2012 hätten Übergangsregelungen geschaffen werden müssen, um die Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die
Krankenkassen ohne allzu große Verwerfungen zu realisieren. Der dadurch geschaffene Rechtszustand im Jahre 2012 könne nicht
Grundlage der Fortschreibung des Behandlungsbedarfs werden. Denn dann würde ein regional differenziertes überholtes Vergütungssystem
zur maßgeblichen Grundlage für die Ausgestaltung des neuen Vergütungssystems erhoben. Es gehe somit im Jahre 2013 darum, die
Basis für ein morbiditätsorientiertes Vergütungssystem zu legen, welches dann in den Folgejahren nach §
87a Abs.
4 SGB V fortzuschreiben sei. Zu einer entsprechenden Auslegung sei etwa auch das Landesschiedsamt in Sachsen in einem Schiedsspruch
vom 15. April 2013 gekommen.
Die Aufteilung der Erhöhung von 12 % auf drei Jahre sei nicht zu beanstanden, weil dies im Ergebnis einer Stundung gleichkomme,
die den Krankenkassen entgegenkomme. Die Gesamterhöhung um 12 % sei auch sachlich zutreffend. Das Klassifikationsmodell KM87a
sei geeignet, auch die für den vorliegenden Sachverhalt notwendige Abbildung der absoluten Morbidität zu leisten. In einem
gesonderten Gutachten zu "Möglichkeiten und Notwendigkeit der Berücksichtigung des Klassifikationsmodells des Bewertungsausschusses"
werde festgestellt, dass ein Anpassungsbedarf der Gesamtvergütung in Sachsen-Anhalt von 14,2 % allein aus dem Demographie-Modell
resultiere.
Auch die Festlegung des Schiedsspruchs, mit dem der ermittelte Behandlungsbedarf um 2,6931 % gemäß §
87a Abs.
4 Satz 1 Ziffer 2
SGB V erhöht werde, sei rechtmäßig. Nach der Gesetzesbegründung sei eine additive oder gar überadditive Veränderung über die höchste
der beiden Raten ausgeschlossen. Jeglicher Wert innerhalb des Korridors, wie er von den beiden Werten vorgegeben werde, sei
aber möglich. Es erscheine auch nicht nachvollziehbar, dass eine Gewichtung von 100 % zu 0 % unzulässig, eine Gewichtung von
99,9 % zu 0,1 % aber zulässig sein solle. Von dem Beklagten sei auch begründet worden, dass der festgestellte Wert als Abbild
der überdurchschnittlichen Morbidität in Sachsen-Anhalt gewählt worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klage- und des Antragsverfahrens sowie die beigezogen Akten des
Beklagten verwiesen. Die Akten lagen bei der mündlichen Verhandlung vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des
Senats.
Entscheidungsgründe:
Für die Entscheidung über die Klage gegen den Schiedsspruch des Beklagten ist das Landessozialgericht zuständig, welches nach
§
29 Abs.
2 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) im ersten Rechtszug zur Entscheidung über Klagen gegen die Entscheidungen der Landesschiedsämter nach dem
SGB V berufen ist.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Bescheidungsklage nach §
54 Abs.
1 in Verbindung mit §
131 Absatz
2 Satz 2 und Abs.
3 SGG statthaft. Dies berücksichtigt, dass es sich bei Entscheidungen des Schiedsamts gegenüber den Vertragspartnern um einen Verwaltungsakt
handelt (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21. März 2012 - B 6 KA 21/11 R - zitiert nach juris, Rdnr. 20). Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (BSG, aaO., Rdnr. 21).
Soweit die Klägerinnen die gesonderte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs des Beklagten über die Zulässigkeit
des Schiedsverfahrens zur Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2013 vom 6. Dezember 2012 begehren, ist ein solcher Antrag
unzulässig. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte unselbständige Zwischenentscheidung, die nur gemeinsam mit der Entscheidung
in der Hauptsache überprüfbar ist. Nach §
56a SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen
Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, es sei denn die Verfahrenshandlungen können vollstreckt werden oder ergehen gegen einen
Nichtbeteiligten. Diese Vorschrift ist aufgrund von Art. 7 Nr. 4, 17 Nr. 1 des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I 2013,
S. 3836, 3847, 3852) im Wirkung vom 25. Oktober 2013, also erst nach der Klageerhebung in Kraft getreten. Sie drückt aber einen allgemeinen
Rechtsgedanken aus, der auch zuvor bereits für das Sozialverwaltungsverfahren galt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Dezember 1988 - 9/4 b RV 55/86 - SozR 1500 § 144 Nr. 39; LSG Hamburg, Beschluss vom 20. November 2008 - L 2 KA 25/08 KL ER, zitiert nach juris; siehe auch §
172 Abs.
2 SGG und §
44a Verwaltungsgerichtsordnung), so dass es auf die Frage der Rückwirkung der Norm nicht ankommt. Die Klägerinnen können die Verletzung ihrer Rechte insoweit
nur zusammen mit dem Angriff gegen den Inhalt des Schiedsspruchs geltend machen. Die gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs
schließt stets die Frage ein, ob dieser auch formell einwandfrei zustande gekommen ist. Andernfalls könnte im konkreten Fall
auch die Beschwer der Klägerinnen kaum festgestellt werden. Umgekehrt wäre die isolierte Aufhebung des Beschlusses zur Zulässigkeit
des Schiedsverfahrens aus verfahrensrechtlichen Gründen bei gleichzeitiger Bestätigung der Entscheidungsbefugnis des Beklagten
für die Klägerinnen offensichtlich sinnlos.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und auch zum Teil begründet, soweit die Festsetzung des Behandlungsbedarfs für das Jahr
2013 betroffen ist.
Der Beklagte war grundsätzlich berechtigt, das Schiedsverfahrens zur Festsetzung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen
auch für das Jahr 2013 durchzuführen. Nach §
89 Abs.
1 Satz 1
SGB V setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von drei Monaten den Vertragsinhalt fest. Sofern bis zum
Ablauf eines Vertrages ein neuer Vertrag nicht zustande kommt, setzt das Landesschiedsamt innerhalb von drei Monaten seinen
Inhalt fest.
Bei den Vereinbarungen zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen nach §
87a SGB V handelt es sich schiedsamtsfähige Verträge im Sinne des §
89 SGB V. Denn schiedsamtfähig sind die Verträge zu deren Abschluss die Beteiligten nach dem
SGB V verpflichtet sind (Wenner in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
89 Rdnr. 6). Die Vereinbarungen nach §
89 SGB V sind nach dem Wortlaut des Gesetzes zu treffen, ohne dass dies im Belieben der Beteiligten steht.
Die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten sind auch verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Das Schiedsverfahren wurde
durch den Antrag des Beigeladenen vom 26. September 2012 eingeleitet. Die Entscheidungen ergingen innerhalb des im Gesetz
genannten Dreimonatszeitraums.
Das Schiedsverfahren leidet nicht deshalb unter einem Mangel, weil der Vorsitzende das Verfahren nicht ausgesetzt und die
Beteiligten zu weiteren ernsthaften Verhandlungen aufgefordert hat. Eine solches Erfordernis ergibt sich weder aus §
89 SGB V noch aus der Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung. Allerdings wird
dies in der Literatur für den Fall gefordert, dass die Verhandlungen bisher nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit geführt
worden sind (Kingreen in Becker/Kingreen,
SGB V, 2. Aufl., §
89 Rdnr. 11). Sinnvoll ist ein solches Vorgehen aber nur für den Fall, dass weitere ernsthafte Verhandlungen - die grundsätzlich
auch noch zwischen den Beteiligten parallel zu einem anhängigen Schiedsverfahren geführt werden können - zu erwarten sind.
Davon war im konkreten Fall nicht auszugehen. Die als Verhandlungsgrundlage maßgeblichen Beschlüsse des Bewertungsausschusses
lagen mit der Beschlussfassung vom 22. Oktober 2012 vor. Auch danach kam aber trotz entsprechender Einladungen der Beigeladenen
an die Klägerinnen keine Verhandlung zustande. Der Schiedsamtvorsitzende konnte deshalb bei verständiger Beurteilung des Verhaltens
der Beteiligten davon ausgehen, dass diese nicht Willens oder in der Lage waren, im Verhandlungswege eine Einigung herbeizuführen,
so dass die Verhandlungen entsprechend der Beurteilung der Beigeladenen als gescheitert anzusehen waren. Aus der Regelung
im §
87a Abs,
3 SGB V, wonach die Vereinbarung der morbiditätsabhängigen Gesamtvergütung jeweils für das Folgejahr bis zum 31. Oktober des Vorjahres
zu erfolgen hat, ergibt sich die gesetzgeberischen Intention, rechtzeitig Planungssicherheit zu schaffen und vertragslose
Zustände zu vermeiden. Dies konnte im konkreten Fall nur durch die Entscheidungen des Beklagten gesichert werden. Der Beklagte
war deshalb auch berechtigt, in die inhaltlichen Schiedsverhandlungen betreffend die Vergütung für das Jahre 2013 unmittelbar
nach der Festsetzung der Vergütung für das Jahr 2012 einzutreten.
Der Beklagte hat aber in dem sich aus dem Tenor ergebenden Rahmen Regelungen getroffen, die so nicht mit geltendem Recht vereinbar
sind.
Grundsätzlich sind Schiedssprüche gemäß §
89 SGB V nur in eingeschränktem Umfang einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich (Urteil des BSG vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 25/04 R - zitiert nach juris - Rdnr. 12 m. w. N.). Das Schiedsamt hat einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind - ebenso
wie Vertragsvereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien - auf Interessenausgleich angelegt
und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen
Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird
geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen
Gehörs ermittelt hat und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die Gründe
für das Entscheidungsergebnis müssen jedenfalls andeutungsweise erkennbar sein (Urteil des BSG vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 29/02 R - zitiert nach juris - Rdnr. 21). Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte
Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dass heißt insbesondere die
maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat.
Hier hat der Beklagte bei den von ihm getroffenen Regelungen zur Festsetzung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 die
zu beachtenden Rechtsmaßstäbe verkannt.
Die Festsetzung des Behandlungsbedarfes für das Jahr 2013 kann rechtswirksam nur unter Beachtung der dafür im §
87a SGB V in der hier maßgeblichen, mit Wirkung vom 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der
Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz/GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2983) gemachten Vorgaben erfolgen. Diese Regelungen sind abschließend. Allgemeine Prinzipien, wie die Vorgabe im §
72 Abs.
2 SGB V, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, können nur im Rahmen der
speziellen Vorgaben umgesetzt werden. Ein Verhandlungs- bzw. Entscheidungsspielraum ist den für die Vereinbarung der Verträge
zur Regelung der vertragsärztliche Vergütung zuständigen Beteiligten bzw. im Fall der Nichteinigung dem Schiedsamt nur eingeräumt,
soweit nicht gegen zwingende gesetzliche Vorgaben verstoßen wird.
§
87a SGB V wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz/GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I 2007, S. 378) mit Wirkung zum 1. April 2007 in das
SGB V eingefügt. Die Regelungen ersetzen ab dem 1. Januar 2009 die bisher im Verhältnis der Krankenversicherungen zu den Kassenärztlichen
Vereinigungen geltenden Regelungen des vertragsärztlichen Vergütungssystems. Der Behandlungsbedarf ist als Teil des neuen
Vergütungssystems nach §
87a Abs.
3 Satz 2
SGB V von den Vertragspartnern auf Landesebene zur Festsetzung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu vereinbaren. Die morbiditätsbedingte
Gesamtvergütung bestimmt sich aus dem morbiditätsbedingten Behandlungsbedarf, einem regionalen Orientierungswert und der Anzahl
der Versicherten jeder Krankenkasse (Motz in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
87a Rdnr. 10). Für die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB enthält Abs. 4 der Vorschrift nähere
Vorgaben. Dort wird die Anpassung des Behandlungsbedarfs geregelt.
Nach §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V in der hier maßgeblichen Fassung durch das GKV-VStG erfolgt die Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten
mit Wohnort im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr nach Absatz 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten
Behandlungsbedarf. Grundlage der Vereinbarung sind insbesondere Veränderungen, die in den folgenden Ziffern 1 bis 5 genannt
werden, wobei jeweils die Empfehlungen und Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß Absatz 5 zu berücksichtigen sind. Die
Vorjahresanknüpfung war so auch schon bereits im §
87a Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das GKV-WSG enthalten.
Die Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs gem. §
87a Abs.
4 SGB V kommt erst bzw. erstmals im Jahr 2012 zum Tragen (Motz in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
87a Rdnr. 22). Denn die erstmalige Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2009 war nach den detaillierten
Vorgaben des §
87c Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das GKV-WSG auf der Basis der im Jahr 2008 voraussichtlich erbrachten Menge der vertragsärztlichen Leistungen zu treffen. Die Anwendung
des §
87a Abs.
4 SGB V war dann in der Folgezeit für die Jahre 2011 und 2012 durch §
87d Abs.
2 SGB V teilweise ausgesetzt; auch insoweit hatte der Gesetzgeber die Anpassung detailliert geregelt.
Nach der ab dem 1. Januar 2012 maßgeblichen Fassung des §
87a Abs.
4 SGB V legt - anders als nach der vorher geltenden Fassung - nicht mehr der Bewertungsausschuss die Anpassung des Behandlungsbedarfs
fest, sondern die in §
87 Abs.
2 Satz 1
SGB V genannten regionalen Vertragspartner haben die Anpassung des Behandlungsbedarfs nach Abs. 4 unter Beachtung der dort genannten
Kriterien zu vereinbaren. Die Vorgaben des Bewertungsausschusses haben nur noch Empfehlungscharakter (Motz in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
87a Rdnr. 24). Nach dem klaren Wortlauf des §
87a Abs.
4 SGB V bezieht sich die zu treffende Vereinbarung aber nicht darauf, den Behandlungsbedarf für jedes Jahr völlig neu zu regeln.
Ziel ist die "Anpassung des Behandlungsbedarfs jeweils aufsetzend auf dem für das Vorjahr nach Absatz 3 Satz 2 vereinbarten
und bereinigten Behandlungsbedarf". Der Gesetzgeber wollte den Vertragspartnern mit der Neufassung des §
87a Abs.
4 SGB V durch das GKV-VStG zwar eine höhere Flexibilität und Kompetenz bei der Vereinbarung der Gesamtvergütung ermöglichen. Unverändert sollte aber
Inhalt der jährlichen Vereinbarungen nach §
87a Abs.
4 SGB V die notwendige Anpassung des Behandlungsbedarfs auf der Grundlage des für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarfs sein
(vgl. die Begründung für die Neufassung im Gesetzesentwurf - BT-Drs. 17/6906, S. 63 f.). Deshalb scheidet eine "sockelwirksame
Basiserhöhung" losgelöst von dem Umfang des Behandlungsbedarfs des Vorjahres und unabhängig von zwischenzeitlichen Veränderungen
aus.
Dem kann auch nicht überzeugend entgegengehalten werden, bei der Vereinbarung für das Jahr 2013 habe nicht im Sinne des §
87a Abs.
4 SGB V an einen für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf angeknüpft werden können. Weil eine Anwendung des §
87a Abs.
4 SGB V erstmals für das Jahr 2009 möglich war, konnte in diesem Jahr naturgemäß nicht an einen für das Vorjahr vereinbarten Bedarf
angeknüpft werden. Der Gesetzgeber hatte aber im §
87c Abs.
4 SGB V in der Fassung durch das GKV-WSG genaue Regelung für die erstmalige Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2009 getroffen und
dabei auch die Bestimmung des xBehandlungsbedarfs geregelt. Insofern lag ein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine spätere
Anpassung vor. An der Systematik der Vorjahresanknüpfung hielt der Gesetzgeber auch mit den Regelungen in der jeweils anzuwenden
Fassung des §
87d Abs.
2 SGB V fest, in denen für die Jahre 2011 und 2012 die Festsetzung des Behandlungsbedarf jeweils anknüpfend an den Vorjahreswert
geregelt war. Insofern lag auch eine Basis für die Vorjahresanknüpfung bei der für das Jahr 2013 vorzunehmenden Anpassung
des Behandlungsbedarfs vor. Nirgendwo findet sich in der Gesetzesbegründung zu den einzelnen Fassungen der §§ 87a oder 87c
SGB V oder der Regelungssystematik ein Anhaltpunkt dafür, dass erstmals im Jahre 2013 eine vom Vorjahreswert unabhängige Basiskorrektur,
die der Neufestsetzung eines Ausgleichswerts gleichkommt, erfolgen kann. Es wäre auch kaum verständlich, dass der Gesetzgeber
zwar für die Anpassung des Behandlungsbedarfs im §
87a Abs.
4 SGB V klare Vorgabe unter Benennung der zu berücksichtigenden Veränderungen gemacht hat, die "Basiskorrektur" aber ohne gesetzliche
Vorgaben völlig den Vertragsparteien überlassen sein sollte.
Auch aus dem Wortlaut des §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V, wonach "insbesondere Veränderungen" die dann einzeln aufgezählt werden, zu berücksichtigen sind, ergibt sich nicht anderes.
Daraus auf die Zulässigkeit einer Basiskorrektur schließen zu wollen, ist in keiner Weise überzeugend. Gerade weil der Gesetzgeber
in §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V eine detaillierte Reglung zu den bei der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs zu berücksichtigenden Änderungen
getroffen hat, ergibt sich daraus ohne weiteren Hinweis im Wortlaut, der Systematik oder der Gesetzesbegründung nicht, dass
er zugleich für das Jahr 2013 eine davon völlig abweichende Vereinbarung ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulassen
wollte. Sofern dies dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, hätte es nahe gelegen, dies in das Gesetz aufzunehmen.
Selbst wenn ein solcher Wille beim Gesetzgeber vorhanden gewesen sein sollte oder wenn er zumindest eine Basiskorrektur für
möglich gehalten haben sollte, hat dies jedenfalls keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Inwieweit sich das von der Beigeladenen
erstrebte Ziel einer besseren Berücksichtigung der regionalen Morbiditätsstruktur ggf. auf einem anderen gesetzlichen Wege
- etwa über §
87a Abs.
3 Satz 2 i.V.m. Abs.
2 Satz 2
SGB V - erreichen lässt, hatte der Senat nicht zu beurteilen, weil der Beklagte sein Entscheidung allein auf § 87a Abs. 4 gestützt
hat. Nach dem Wortlaut der maßgeblichen Fassung des §
87a Abs.
4 Satz 1
SGB V ("insbesondere") können zwar auch andere Veränderungen als die im Gesetz aufgezählten berücksichtigt werden, aber immer nur
"aufsetzend" auf den Vorjahreswert.
An dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung hat sich auch nichts durch die Anfügung des Satzes 4 an die bisherige Fassung des
§
87a Abs.
4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2012 durch das GKV-VStG geändert. Danach können, falls erforderlich, weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbiditätskriterien herangezogen
werden. Diese Regelung soll nach der Begründung zum Gesetzesentwurf die Spielräume der gemeinsamen Selbstverwaltung bei der
Gestaltung der Vergütung zusätzlich erhöhen (BT-Drs. 17/6906, S. 64). Dies gilt aber nach dem Wortlaut des Abs. 1 Satz 1 und
der Systematik des gesamten Abs.
4 des §
87a SGB V nur insoweit, als die Anpassung des Behandlungsbedarfes im Vergleich zum Vorjahr unter Berücksichtigung von relevanten Veränderungskriterien
ermöglicht wird. Auch §
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V bietet keine Grundlage für eine nicht auf Veränderungen beruhende Basiserhöhung, mit der eine auch schon vor dem Jahre 2009
bestehende, im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ungünstige Morbiditätsstruktur berücksichtigt werden soll.
Die vom Beklagten getroffene Regelung, wonach die Veränderung der Morbiditätsstruktur für 2013 mit einer Erhöhung des Behandlungsbedarfs
von 2,6931 % berücksichtigt wird, ist ebenfalls rechtswidrig. Nach §
87a Abs.
4 Satz 3
SGB V ist die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage
der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen gem. §
295 Abs.
1 Satz 2
SGB V einerseits sowie auf der Grundlage demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) anderseits durch eine gewichtete Zusammenfassung
der vom Bewertungsausschuss als Empfehlungen mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Der Bewertungsausschuss hatte entsprechend
der Beschlussfassung vom 22. Oktober 2012 eine Veränderungsrate auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen
in Höhe von 2,6931 % und eine Veränderungsrate auf der Grundlage der demografischen Kriterien in Höhe von 0,7247 % mitgeteilt.
Dem Gesetz sind keine Kriterien dafür zu entnehmen, was unter einer gewichteten Zusammenfassung zu verstehen ist. Nach der
Begründung im Gesetzesentwurf zur Neufassung des §
87a Abs.
4 SGB V (BT-Drs. 17/6906, S. 63) wird zur Bedeutung des Satzes 3 ausgeführt: "Die konkrete Höhe der Steigerungsrate zur Berücksichtigung
der Veränderungen der Morbiditätsstruktur aller Versicherten mit Wohnort im KV-Bezirk und damit die wesentliche Bestimmungsgröße
für die Höhe der Gesamtvergütung basierte auf einer regional auszuhandelnden Festlegung einer konkreten zusammenfassenden
Gewichtung der als Verhandlungsempfehlungen zur Morbiditätsentwicklung den regionalen Vertragspartners mitgeteilten Raten.
Eine Addition der demographischen Rate und der diagnosebezogenen Rate sowie eine Veränderung der einzelnen Raten ist ausgeschlossen."
Dies lässt darauf schließen, dass den Vertragsparteien bei der konkreten Festlegung ein großer Verhandlungsspielraum zukommt.
Der Begriff der "Gewichtung" meint schon der allgemeinen Wortbedeutung nach eine Entscheidung, bei der den zu beachtenden
Entscheidungsfaktoren je nach den Umständen des Einzelfalls eine unterschiedliche Bedeutung zukommen kann. Die Gewichtung
beruht insofern auf einer wertenden Beurteilung, bei der den dafür Zuständigen in der Regel ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen
ist. Dass nach §
87a Abs.
4 Satz 4
SGB V eine "auszuhandelnde Festlegung" erfolgen soll, erweitert die Spielräume der Beteiligten nochmals deutlich. Eine Aushandlung
beinhaltet ein auf einen Interessenausgleich gerichtetes gegenseitiges Aufeinanderzugehen, wobei verschiedene Faktoren für
das erreichte Ergebnis maßgeblich sein können.
Vor diesem Hintergrund kann es im konkreten Fall offen bleiben, ob es zwingend rechtswidrig ist, wenn die Vertragsparteien
bei der zusammenfassenden Gewichtung im Ergebnis zu einer vollständigen Ausschöpfung der höheren der beiden als "Verhandlungsempfehlung"
mitgeteilten Rate kommen. Im konkreten Fall ergibt sich nämlich aus der Begründung der Entscheidung des Beklagten, dass die
gebotene Gewichtung überhaupt nicht stattgefunden hat. Der Beklagte hat sinngemäß ausgeführt, dass er die von ihm getroffene
Festlegung aufgrund der regionalen Gegebenheiten in Sachsen-Anhalt (Morbidität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt und Höhe
der Vergütung je Versicherten) für interessensgerecht und damit geboten hielt. Ein Eingehen auf die Bedeutung der beiden vom
Bewertungsausschuss mitgeteilten Werte und eine Bewertung der Beziehung der beiden Werte zueinander im Sinne einer Gewichtung
ist nicht zu erkennen. Damit hat der Beklagte nicht einmal versucht, der "jeweils jahresbezogenen Veränderung der Morbiditätsstruktur
im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung" Rechung zu tragen, sondern hat die Regelung des §
87a Abs.
4 SGB V stattdessen für eine Berichtigung von aus seiner Sicht länger bestehenden Ungleichgewichten benutzt. Die Norm eröffnet aber
keine allgemeine Korrekturmöglichkeit einer als zu niedrig oder zu hoch empfundener Vergütung. Umgekehrt blieben zwingende
gesetzliche Vorgaben dagegen bei der Entscheidungsfindung unbeachtet; es wurde nicht versucht, die tatsächliche Veränderungsrate
wertend festzustellen. Damit hat der Beklagte den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten (vgl. Urteil des BSG vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 29/02 R - zitiert nach juris - Rdnr. 21; siehe zur gerichtlichen Kontrolle eines Gestaltungsspielraums auch BSG, Urteil vom 12. September 2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 ff; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2012 - B 1 KR 34/12 R - juris). Der Beklagte wird dies bei einer neuen Beschlussfassung zu beachten haben.
Die sonstigen Regelungen der angefochtenen Schiedssprüche sind von den Klägerinnen inhaltlich nicht angegriffen worden. Es
sind auch für den Senat keine Verfahrens- oder Rechtsfehler zu erkennen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend §
197a SGG in Verbindung mit §
155 Verwaltungsgerichtsordnung. Sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Es findet dabei Berücksichtigung, dass die Klägerinnen die Festsetzungen des
Beklagten für das Jahr 2013 insgesamt mit der Klage angegriffen haben und insofern zum Teil unterlegen sind. Der Senat hat
die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen auf insgesamt 2/5 (jeweils 1/5 durch den Beklagen und die Beigeladene)
begrenzt. Denn er hat die Klägerinnen trotz ihres teilweisen Unterliegens nicht zur Erstattung von außergerichtlichen Kosten
der anderen Beteiligten verpflichtet und dies bei der Bildung der Erstattungsquote berücksichtigt.
Die Revision ist zulassen, weil eine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.