Streitwertfestsetzung für ein durch Vergleich erledigtes Klageverfahren wegen Kosten des Widerspruchsverfahrens
Streitwertbeschwerde
Kostenprivilegierung
Ins Leere gehender Streitwertbeschluss
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Streitwertfestsetzung für ein durch Vergleich erledigtes Klageverfahren wegen Kosten des
Widerspruchsverfahrens.
Die Kläger legten gegen einen Bewilligungsbescheid des Beklagten Widerspruch ein, dem der Beklagte abhalf (Abhilfebescheid
vom 9. Februar 2017). Die Erstattung der notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren lehnte er ab, weil der Erfolg
des Widerspruchs allein darauf beruhe, dass die Kläger erst während des Widerspruchsverfahrens ihren Mitwirkungspflichten
nachgekommen seien.
Gegen diese Kostengrundentscheidung haben die Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid
vom 8. Mai 2017) Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben mit dem Antrag,
den Beklagten unter Aufhebung der Kostenentscheidung im Abhilfebescheid vom 9. Februar 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids
vom 8. Mai 2017 zu verurteilen, die ihnen im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 13. Oktober 2017 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen.
Darin hat sich der Beklagte zur Erstattung der Hälfte der notwendigen Kosten für das Widerspruchsverfahren verpflichtet, die
Kläger haben auf weitergehende Ansprüche aus diesem Rechtsstreit verzichtet. Die Beteiligten haben sich darauf geeinigt, die
Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 hat das Sozialgericht den Streitwert für das Verfahren auf 500,00 EUR festgesetzt. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass der Streitwert gemäß § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen sei, wie es sich um ein grundsätzlich gerichtskostenpflichtiges Verfahren handele. Die Kläger hätten nicht
in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfänger geklagt. Ihnen sei es nur um den Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegangen, der kein Sozialleistungsanspruch i.S. des §
11 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) sei und der in jedem Widerspruchsverfahren für jeden Widerspruchsführer gleichermaßen bestehe, unabhängig davon, ob er Leistungsempfänger,
Versicherter oder behinderter Mensch i.S. des §
183 SGG sei oder nicht. Der Streitwert sei nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 GKG festzusetzen, weil davon auszugehen sei, dass die von der Rechtsanwältin für ihre Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nach
den gesetzlichen Bestimmungen zu beanspruchenden Gebühren diesen Betrag zumindest nicht überstiegen. Das Sozialgericht hat
die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen diesen Beschluss haben die Kläger am 2. November 2017 Beschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Begründung machen sie geltend, dass ein Streitwert nicht festzusetzen gewesen sei, weil sie als Leistungsempfänger zu
dem in §
183 SGG genannten kostenprivilegierten Personenkreis gehörten. Dass sie mit der Klage nur noch den Kostenerstattungsanspruch nach
§ 63 Abs. 1 SGB X geltend machten, ändere nichts daran, dass der Rechtsstreit seine Grundlage in einem Sozialleistungsverhältnis mit ihnen
als Leistungsempfängern habe.
Sie beantragen,
1.
den Beschluss des Sozialgerichts vom 16. Oktober 2017 aufzuheben.
2.
ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Streitwertbeschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
II.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat, nachdem der Berichterstatter, der über Beschwerden gegen die Streitwertfestsetzungen
grundsätzlich als Einzelrichter zu entscheiden hat (§§ 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GKG), das Verfahren mit Beschluss vom 16. Februar 2018 dem Senat zur Entscheidung übertragen hat (§§ 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger sind durch die angegriffene Entscheidung nicht beschwert.
Eine formelle Beschwer der Kläger scheidet schon deshalb aus, weil der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts ins Leere geht.
Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG hat das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren u.a. dann durch Beschluss festzusetzen, wenn sich das Verfahren
- wie hier durch gerichtlichen Vergleich (§
101 Abs.
1 SGG) - anderweitig erledigt. Einer solchen Streitwertfestsetzung hat es vorliegend nicht bedurft, weil keine Gebühren nach dem
Gerichtskostengesetz zu erheben sind. Das Verfahren ist vielmehr sowohl für die Kläger nach §
183 Satz 1
SGG (dazu sogleich) als auch für den - folglich ohnehin grundsätzlich allenfalls pauschgebührenpflichtigen (vgl. §
184 Abs.
1 SGG) und überdies nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X befreiten - Beklagten gerichtskostenfrei; diese Regelungen gehen den Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes vor (vgl. § 2 Abs. 3 GKG).
Die Kläger sind an dem Verfahren in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfänger i.S. des §
183 Satz 1
SGG beteiligt gewesen. Dass die Kläger das Widerspruchsverfahren als Leistungsempfänger in diesem Sinne betrieben haben, weil
sie einen sie betreffenden Bewilligungsbescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit dem Ziel angefochten
haben, höhere Leistungen zu erhalten, steht außer Frage. Die Eigenschaft als Leistungsempfänger haben die Kläger entgegen
der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht deshalb verloren, weil sie sich mit ihrer Klage nur noch gegen die im Rahmen
der Abhilfeentscheidung (§
85 Abs.
1 SGG) getroffene Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X wenden. Denn der aus § 63 Abs. 1 SGB X folgende Kostenerstattungsanspruch ist als Annex zum Grundanspruch zu sehen (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, § 63 Rn. 114); bezieht dieser sich - wie im vorliegenden Falle - auf Sozialleistungen i.S. des §
11 Satz 1
SGB I, teilt er diese rechtliche Qualität auch dann noch, wenn die Hauptleistung selbst nicht mehr in Streit steht.
Dementsprechend geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohne Weiteres davon aus, dass Versicherte und Leistungsempfänger
auch in Rechtsstreitigkeiten gegen einen aufgrund der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid ergangenen Festsetzungsbescheid
kostenprivilegiert sind (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 1 KR 23/06 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 8, vom 25. Februar 2010 - B 11 AL 24/08 R - BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, juris Rn. 33 und vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 62/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 19, juris Rn. 31). Umso mehr muss dies für Streitigkeiten über die Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid
gelten.
Es besteht für die Kläger auch kein anerkennenswertes Bedürfnis, die Aufhebung des ins Leere gehenden Streitwertbeschlusses
zu verlangen. Der Beschluss konstituiert - anders als etwa eine Kostengrundentscheidung nach §
197a SGG, die hier wegen der vergleichsweisen Erledigung des Verfahrens nicht ergangen ist - keine Gerichtskostenpflichtigkeit des
Verfahrens nach dem Gerichtskostengesetz, er setzt diese vielmehr voraus. Es dürfte zwar der herrschenden Praxis entsprechen, dass sich der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle
sowohl beim Ansatz der Gerichtskosten als auch bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten (§
197 Abs.
1 SGG) vom richterlichen Streitwertbeschluss leiten lassen und von einer Gerichtskostenpflichtigkeit des Verfahrens ausgehen wird.
Solche lediglich mittelbarfaktischen Wirkungen vermögen aber das Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des Streitwertbeschlusses
nicht zu begründen. Vielmehr wäre in diesem Fall im Erinnerungswege sowohl gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG) als auch gegen die Kostenfestsetzung (§
197 Abs.
2 SGG) geltend zu machen, dass es sich um kein gerichtskostenpflichtiges Verfahren handelt und dass deshalb keine Gerichtskosten
zu erheben und Rechtsanwaltskosten auf Basis von Betragsrahmengebühren (§§ 3, 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG]) zu erstatten sind.
Fehlt es daher schon aus Rechtsgründen an der Beschwer, kann offen bleiben, ob die Kläger vorliegend durch den angegriffenen
Beschluss überhaupt mittelbar-faktisch beschwert sind. Zweifel daran sind angebracht, weil eine streitwertbasierte Festsetzung
der Kosten bei einem Streitwert von 500,00 EUR im Hinblick auf die geschuldete Rechtsanwaltsvergütung für sie wirtschaftlich
(erheblich) günstiger sein dürfte als eine Festsetzung auf der Basis von Betragsrahmengebühren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG.
Prozesskostenhilfe ist für das Beschwerdeverfahren nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen
von vornherein keine hinreichenden Erfolgsaussichten gehabt hat (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung [ZPO]).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 2 Satz 7, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, §
177 SGG).