Anerkennung fiktiver Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine Hachscharah-Zeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) darüber, ob dem Kläger Altersrente zu gewähren ist.
Der 1921 in Deutschland geborene Kläger wanderte Anfang des Jahres 1938 in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. Seit 1943
ist er nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit dem 19. September 1988 ist er außerdem
israelischer Staatsangehöriger.
Am 11. August 1989 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt der Freien und Hansestadt Hamburg (LVA Hamburg)
die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei gab er an, im Jahr 1935 in der "Bahnhofsgarage
N_______" und vom 5. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker-Volontär eine Berufsausbildung in Deutschland absolviert
zu haben. Diese habe er aus Verfolgungsgründen abgebrochen. Der LVA Hamburg lag eine Mitgliedsbescheinigung der AOK Mittelfranken
vor, aus der hervorgeht, dass der Kläger vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 sowie vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar
1938 als Volontär bei J.H._____________ in N_______ tätig war. Nach dem Inhalt der Mitgliedsbescheinigung war der Kläger vom
9. Juni 1937 bis zum 30. August 1937 arbeitsunfähig. Der Beklagten lag ein Zeugnis des J.H._____________ vor, in dem dem Kläger
bescheinigt wird, dass er vom 6. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 "als Mechaniker-Volontär beschäftigt" gewesen war. Ferner
lag der Beklagten eine Lehrgangsbescheinigung vor, nach der der Kläger in der Zeit vom 17. Januar bis zum 4. Februar 1938
in Berlin-Charlottenburg an einem Schweißlehrgang teilgenommen hat. In einem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Versicherungsamts
der Stadt F____ vom 21. August 1989 wird mitgeteilt, dass in der dort vorliegenden Kartei, die infolge Kriegsereignissen nicht
vollständig erhalten sei, Aufzeichnungen über die Ausstellung oder den Umtausch einer Versicherungskarte für den Kläger nicht
habe ermittelt werden können. Nachforschungen bei der AOK Mittelfranken in F____ seien ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Die
AOK in N_______ habe eine Beitragszeit vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 und vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar
1938 als Volontär bei der Firma J.H._____________ bestätigt.
Mit Bescheid vom 22. Februar 1990 lehnte die LVA Hamburg den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, dass eine
Beitragsentrichtung zur deutschen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch hinreichend glaubhaft gemacht sei. In der Zeit
vom 6. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 sei der Kläger als "Mechaniker-Volontär" bei J.H._____________ in N_______ zur Erlernung
des Mechanikerhandwerks tätig gewesen. Volontärzeiten seien jedoch grundsätzlich keine Lehrzeiten, sondern Zeiten einer unentgeltlichen
Beschäftigung mit dem Ziel einer Ausbildung ohne Begründung eines Lehrverhältnisses. Während der Volontärzeit habe der Kläger
nicht der Versicherungspflicht zur deutschen Rentenversicherung unterlegen, so dass Beitragszeiten nicht anrechenbar seien.
Da kein anrechenbarer Beitrag in der deutschen Rentenversicherung vorhanden sei, könne auch keine Verfolgungszeit als Ersatzzeit
anerkannt werden.
Am 23. Dezember 1993 beantragte der Kläger bei der LVA Hamburg die Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 gemäß § 44 SGB X. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1998 im Wesentlichen
mit der Begründung abgelehnt, dass sich an der Sach- und Rechtslage, die zur damaligen Beurteilung geführt habe, nichts geändert
habe. Eine dagegen vor dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage (Aktenzeichen S 15 RJ 900/98) nahm der Kläger am 11. April 2002 zurück.
Einen erneuten Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 lehnte die LVA Hamburg mit Bescheid vom
27. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 ab und führte zur Begründung aus, dass eine Beitragsentrichtung zur
gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Auch die Anerkennung als Hachscharah-Zeit
komme nicht in Betracht. Sei der Auszubildende ausnahmsweise im Rahmen der Hachscharah wie ein Lehrling im Betrieb eingegliedert
und habe er im Rahmen dieser Lehrlingsausbildung Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichtet, stellten die Sach- und Barleistungen
Entgelt für geleistete Arbeit dar. In einem solchen atypischen Fall führten die Barbezüge, wenn sie die Taschengeldgrenze
überschritten, zur Versicherungspflicht. In diesem Ausnahmefall komme eine Beitragsfiktion nach § 12 WGSVG in Betracht. § 12 WGSVG finde hier jedoch keine Anwendung. Die Hachscharah-Zeiten könnten nur nach Maßgabe der Nr. 10 Schlussprotokoll zum Deutsch-Israelischen
Sozialversicherungsabkommen vom 17. Dezember 1973 berücksichtigt werden. Der Nachweis, dass es sich bei den Beschäftigungen
des Klägers um Hachscharah-Zeiten handele, sei nicht erbracht.
Am 28. August 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 sowie
aller nachfolgend ergangener ablehnender Überprüfungsbescheide. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. September
2006 ab und führte zur Begründung wiederum aus, dass eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten sei und es bei
den vorher getroffenen Entscheidungen verbleibe.
Zur Begründung des dagegen am 12. Dezember 2006 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er
von Sommer 1936 bis Ende des Jahres 1936 als Automechaniker und danach bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker tätig gewesen
sei. Vom 17. Januar 1938 bis zum 4. Februar 1938 habe er einen Schweißerlehrgang absolviert. Die Bezeichnung Volontär sei
damals für Juden, die zur Vorbereitung der Auswanderung hätten "umschichten" müssen, auch für Lehre und für Hachscharah verwendet
worden. Hachscharah und Lehre seien damals ungefähr dasselbe gewesen. Die Zeit müsse entweder als Lehre und Arbeit mit Entgelt
und damit als Beitragszeit oder als Hachscharah-Zeit mit Verfolgungsersatzzeit in der Rentenversicherung berücksichtigt werden.
Eine dritte Möglichkeit existiere nicht. Darüber hinaus sei die Zeit des Auslandaufenthalts bis 1949 sowie die Studienzeit
in den Vereinigten Staaten von Amerika als Verfolgungsersatzzeit in der Rentenversicherung zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und bezog sich zur Begründung
auf den vorangegangenen Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006. Da keine neuen Sachverhalte oder Unterlagen, die zu einer
Änderung der rechtlichen Beurteilung hätten veranlassen können, vorgebracht worden seien, bestehe keine Veranlassung, von
dem damaligen Rechtsstandpunkt abzuweichen. Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage werde festgestellt, dass bei
Erlass des Bescheides weder das Recht falsch angewendet noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.
Dagegen hat sich der Kläger mit der am 31. August 2007 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Klage gewandt und zur Begründung
im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Bereits aus seiner Mitgliedschaft bei der AOK folge,
dass er in Deutschland als Arbeitnehmer eingestuft worden und damit versicherungspflichtig gewesen sei.
Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 aufzuheben,
die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Februar 1990, den Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 15. Juli 1998 sowie den Bescheid vom 27. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2006 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen. Volontärszeiten hätten nicht
der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung unterlegen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, dass eine Anrechnung von Hachscharah-Zeiten nach Nr. 10 des Schlussprotokolls
zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen vom 17. Dezember 1973 u.a. voraussetze, dass der Verfolgte vor dem 1.
Januar 1950 nach Palästina bzw. Israel ausgewandert sei und sich am 1. Januar 1982 als israelischer Staatsangehöriger nicht
nur vorübergehend im Gebiet des Staates Israel aufgehalten habe. Dass der Kläger diese Voraussetzungen erfülle, sei nicht
belegt. Im Übrigen gehöre der vom Kläger benannte Arbeitgeber J.H._____________, N_______, nicht zu den handwerklichen Lehrwerkstätten
nach Nr. 10 des Schlussprotokolls zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den
Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie auf das Vorbringen der Beigeladenen Bezug genommen.
Gegen den ihm am 15. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 15. Juli 2010 beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und dem Widerspruchsverfahren
wiederholt und vertieft. Ergänzend macht er im Wesentlichen geltend, dass gerade in N_______ damals jeder versicherungspflichtige
Jude als Volontär bezeichnet worden sei. Durch die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft der AOK werde seine versicherungspflichtige
Beschäftigung bestätigt. Nach seiner Kenntnis seien außer ihm alle jüdischen AOK-Versicherten in der Rentenversicherung als
Versicherte anerkannt worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 4. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2006 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Februar
1990, den Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1998, den Bescheid vom 27. Mai
2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts und
trägt ergänzend vor: Nach der in den Jahren 1937 und 1938 geltenden Rechtslage habe die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
nur bestanden, wenn eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt worden sei. Dies habe auch für Lehrlinge gegolten. Eine Ausnahme
habe lediglich für Hausgewerbetreibende bestanden. Im Gegensatz dazu hätten Lehrlinge der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung
auch dann unterlegen, wenn sie kein Entgelt erhalten hätten. Nach der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte der AOK
Bayern sei der Kläger bei der Firma J.H._____________ als Volontär beschäftigt gewesen. Bei Volontären handele es sich um
Personen, die - ohne als Lehrling oder Anlernling angenommen worden zu sein - zum Zwecke ihrer Ausbildung unentgeltlich beschäftigt
würden. Aufgrund der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte der AOK Bayern sei anzunehmen, dass der Kläger dort versicherungstechnisch
als Lehrling angesehen worden sei, so dass er der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung unterlegen habe. Eine Entgeltzahlung
sei der Mitglieder- und Leistungskarte aber nicht zu entnehmen. Soweit schon Lehrlinge ohne Entgelt nicht rentenversicherungspflichtig
gewesen seien, könne für unentgeltlich beschäftigte Volontäre nichts anderes gelten. Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung seien daher nicht anzuerkennen. Da der Kläger kein Versicherter im Sinne der Rentenversicherung sei, seien
auch keine Anrechnungszeiten wegen Schul-, Fachschul- und/oder Hochschulausbildung anzuerkennen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an, wonach die Beschäftigung als Volontär
keine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung auslöst.
Der Senat hat Auskünfte der AOK Bayern vom 16. Februar 2011, vom 15. Juni 2011 und vom 6. Februar 2012 eingeholt. Wegen des
Inhalts der Auskünfte wird auf Blatt 118 bis Blatt 120, Blatt 131 und Blatt 160, 161 der Gerichtsakte verwiesen.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte haben dem Senat vorgelegen. Diese sind Gegenstand
der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend
entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Bescheide, mit denen die Beklagte die Gewährung einer Altersrente
abgelehnt hat, aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente.
Der Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bindenden Bescheide über die Ablehnung von Altersrente richtet sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb u.a. Sozialleistungen zu.U.nrecht nicht erbracht worden sind.
Die genannten Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der die Altersrente ablehnende Bescheid vom 22. Februar 1990 sowie die
nachfolgend ergangenen, die Rücknahme dieses Bescheides ablehnenden Bescheide rechtmäßig sind.
Die Rechtmäßigkeit des die Rente ablehnenden Bescheides vom 22. Februar 1990 beurteilt sich nach der zum Zeitpunkt seines
Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSG Urteil vom 25. Oktober 1984 - 11 RAz 3/83, BSGE 57, 209). Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Altersruhegeld ist danach § 1248 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 3 Rechtsversicherungsordnung (
RVO) i.d.F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1983, BGBl. I, 1532. Danach erhält ein Versicherter, der das 65. Lebensjahr vollendet
und die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat, Altersruhegeld. Als anrechnungsfähige Versicherungszeiten kommen Beitrags-
und Ersatzzeiten nach §§ 1250, 1251
RVO in Betracht, wobei die Anrechnung von Ersatzzeiten gemäß § 1251 Abs. 2
RVO das vorherige Bestehen einer Versicherung oder die spätere Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung innerhalb
der dort genannten Fristen voraussetzt. Die Anerkennung als Beitragszeit im Sinne von § 1250 Abs. 1 Buchstabe a
RVO setzt voraus, dass nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der deutschen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet
worden sind oder als entrichtet gelten.
Der Kläger hat geltend gemacht, dass er in Deutschland in den Jahren von 1935 bzw. 1936 bis 1938 tätig gewesen sei und dass
diese Zeiten entweder als Lehre mit Entgelt oder als Hachscharah ohne Entgelt zu bewerten seien. Im Einzelnen hat der Kläger
in seinem Antrag im Jahre 1989 zunächst angegeben, dass er im Jahre 1935 in der "Bahnhofsgarage N_______" tätig gewesen sei.
Später hat er eine Tätigkeit in der "Bahnhofs-Garage N_______" für die Zeit von Sommer 1936 bis Ende 1936 angegeben. Er habe
in diesem Privatunternehmen als Automechaniker gearbeitet. Es habe sich dabei mit Sicherheit um Lehre mit Entgelt oder Hachscharah
ohne Entgelt gehandelt. Versicherungskarten zu dieser Tätigkeit konnten nicht ermittelt werden und auch Nachforschungen bei
der AOK Bayern sind insoweit erfolglos geblieben. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Angaben des Klägers zum Zeitpunkt
der Tätigkeit und unter weiterer Berücksichtigung der Tatsache, dass die AOK Bayern über Unterlagen zur Tätigkeit des Klägers
in der Zeit ab dem 7. Juni 1937 verfügt, ist das Vorliegen einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers
bei der "Bahnhofs-Garage N_______" und eine Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft
und erst recht nicht nachgewiesen.
Soweit der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2005 angegeben hat, von etwa Mitte bis Ende des Jahres 1937 Büroarbeit bei
der Firma Siegfried Offenbacher, Schwabacher Straße in F____, verrichtet zu haben, steht dies im Widerspruch zu dem vorliegenden
Zeugnis des J.H._____________ vom 11. Januar 1938, nach der der Kläger in der Zeit von 7. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938
als Mechaniker-Volontär beschäftigt worden ist. Die Angabe in dem Rentenantrag des Klägers vom 11. August 1989, nach der er
in der Zeit vom 5. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker-Volontär beschäftigt worden sei, wird im Wesentlichen
durch den Inhalt der bereits im Verwaltungsverfahren vorliegenden und noch einmal in Kopie durch den Senat beigezogenen "Mitglieder-
und Leistungskarte" der AOK Bayern, Direktion Mittelfranken, bestätigt. Danach war der Kläger in der Zeit vom 7. Juni 1937
bis zum 15. Juni 1937 sowie vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar 1938 als Volontär bei J.H._____________ in N_______ tätig.
In der Zeit vom 9. Juni 1937 bis zum 30. August 1937 war er nach dem Inhalt der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte
arbeitsunfähig. Außerdem wird durch eine Lehrgangsbescheinigung vom 4. Februar 1938 bestätigt, dass der Kläger in der Zeit
vom 17. Januar bis 4. Februar 1938 als Mechaniker-Praktikant an einem Schweißlehrgang teilgenommen hat.
Der Senat hat aufgrund der durch die genannten Unterlagen bestätigten Angaben des Klägers keine Zweifel daran, dass dieser
in den genannten Zeiträumen als Volontär bei J.H._____________ bzw. Mechaniker-Praktikant (Schweißlehrgang) tätig war. Es
ist jedoch nicht glaubhaft und erst recht nicht bewiesen, dass für den Kläger in dieser Zeit Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
abgeführt worden sind oder dass er rentenversicherungspflichtig war. Zwar geht aus der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte
der AOK hervor, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Volontär krankenversichert war. Daraus kann jedoch nicht auf die Zahlung
von Beiträgen zur Rentenversicherung geschlossen werden, weil gerade für Ausbildungszeiten die Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Krankenversicherung und in der Rentenversicherung in den Jahren 1937, 1938 nicht einheitlich geregelt war. Nach
der damals maßgeblichen Fassung des § 165
RVO war die Versicherungspflicht von Lehrlingen zur gesetzliche Krankenversicherung nicht davon abhängig, dass diese gegen Entgelt
beschäftigt waren. Im Gegensatz dazu galt in der Rentenversicherung, dass auch Gehilfen und Lehrlinge nur versicherungspflichtig
waren, soweit sie gegen Entgelt beschäftigt waren (§ 1226 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
RVO).
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger in der Zeit seiner Tätigkeit als Volontär bei der Firma J.H._____________ und auch
als Mechaniker-Praktikant während des Schweißlehrgangs kein Entgelt bezogen hat. Konkrete Anhaltspunkte für eine Entgeltlichkeit
der Tätigkeit sind dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Dieser macht lediglich geltend, dass es sich entweder um
eine Lehre mit Entgelt oder um Hachscharah ohne Entgelt gehandelt haben müsse. Damit lässt er zumindest die Möglichkeit offen,
dass kein Entgelt gezahlt worden ist. Die Bezeichnung "Volontär" spricht für eine Ausbildung ohne Zahlung eines Entgelts.
Dabei geht der Senat davon aus, dass die Bezeichnung "Volontär" jedenfalls in den hier maßgebenden Zusammenhängen gerade gebraucht
worden ist, wenn eine Person zum Zwecke der Ausbildung unentgeltlich beschäftigt werden sollte. Diese Begrifflichkeit wurde
auch in Arbeitsbüchern verwendet (BSG Urteil vom 27. September 1979 - 4 RJ 77/78, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund spricht die Bezeichnung "Volontär" in der Mitgliederkarte der AOK für die Unentgeltlichkeit
der Tätigkeit. Damit übereinstimmend finden sich in der Mitgliederkarte der AOK keine Einträge zum Entgelt des Klägers. Der
Senat geht vor diesem Hintergrund - abweichend von den Angaben des Klägers - auch nicht davon aus, dass der Begriff des Volontärs
gerade in N_______ in einer speziellen Weise verwandt worden ist. Vielmehr sind im gesamten damaligen Reichsgebiet gerade
die von den Nationalsozialisten verfolgten Juden nicht selten ohne Entgelt in Volontärverhältnissen anstelle von Lehrverhältnissen
ausgebildet worden. Hintergrund war die Tatsache, dass die Nationalsozialisten in zunehmendem Maße Lehrverträge nicht mehr
genehmigten (vgl. V. Schmiedinger, Die Sozialversicherung 1976, 69, 70 f.). Daher wurden einerseits von den jüdischen Verbänden Ausbildungsmöglichkeiten zur Vorbereitung auf die Auswanderung
(Hachscharah) geschaffen und zum anderen wurde anstelle der Lehre auf andere Ausbildungsformen wie unentgeltliche Volontärverhältnisse
und Praktika ausgewichen. Vor diesem Hintergrund spricht aus Sicht des Senats sehr viel mehr dagegen als dafür, dass Beiträge
zur Rentenversicherung für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma J.H._____________ oder während Schweißerlehrgangs entrichtet
wurden. Eine Beitragszahlung ist daher nicht glaubhaft gemacht.
In Betracht käme danach allenfalls eine fiktive Beitragszahlung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (a.F.; entspricht § 12 WGSVG in der seit dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung). Danach gilt Folgendes: Hat der Verfolgte eine rentenversicherungspflichtige
Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt und sind aus Verfolgungsgründen für die Beschäftigung oder Tätigkeit keine Beiträge
entrichtet worden, so gelten für diese Zeiten Beiträge als entrichtet. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist
nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut, dass eine Beschäftigung verrichtet wurde, die nach dem seinerzeit geltenden deutschen
Recht konkret Versicherungspflicht begründet hat (ständige Rechtsprechung, BSG Urteil vom 23. August 2001 - B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17; BSG Urteil vom 14. Juli 1999 - B 13 RJ 75/98 R; BSG Urteil vom 9. November 1982 - 11 RA 7/82, SozR 5070 § 14 Nr. 16; BSG Urteil vom 28. November 1980 - 5 RJ 76/79; BSG Urteil vom 13. März 1979 - 1 RJ 24/78, SozR 5070, § 14 Nr. 8; BSG Urteil vom 27. September 1979 - 4 RJ 77/78; BSG Urteil vom 26. Mai 1976 - 4 RJ 359/74, SozR 5070 § 14 Nr. 4; BSG Urteil vom 14. Mai 1981 - 4 RJ 149/80). Daher setzt eine fiktive Beitragszeit im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 WGSVG die Entgeltlichkeit einer Beschäftigung voraus. Für einen unentgeltlich beschäftigten Praktikanten oder Volontär kann eine
entsprechende Beitragszeit dagegen nicht angerechnet werden (BSG Urteil vom 14. Mai 1981, a.a.O.; BSG Urteil vom 27. September 1979, a.a.O.). Auch kann § 14 Abs. 2 WGSVG nicht auf den Fall angewandt werden, dass der Versicherte gehindert war, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen
und deswegen in eine versicherungsfreie oder nicht versicherungspflichtige Beschäftigung ausgewichen ist (BSG Urteil vom 9. November 1982, a.a.O., m.w.N.). Gegen die fiktive Annahme einer tatsächlich nicht ausgeübten versicherungspflichtigen
Beschäftigung spricht der insoweit eindeutige Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 1 BGSVG. Im Übrigen spricht zwar aufgrund der
bekannten historischen Zusammenhänge viel dafür, dass der Kläger nicht als Volontär oder Praktikant tätig geworden wäre, wenn
er nicht der Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger ohne die Verfolgung eine versicherungspflichtige
Beschäftigung ausgeübt hätte. Ebenso ist denkbar, dass der Kläger, der im Oktober des Jahres 1937 16 Jahre alt geworden ist
und der nach seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika ein Hochschulstudium angeschlossen hat, in dieser
Zeit noch die Schule besucht hätte. Auch wenn der Kläger in dieser Zeit eine Lehre absolviert hätte, wäre diese aus den oben
genannten Gründen nur versicherungspflichtig, wenn er Bezüge in einer Mindesthöhe erhalten hätte. Dies war seinerzeit bei
Lehrlingen insbesondere in den ersten beiden Lehrjahren häufig nicht der Fall (vgl. BSG Urteil vom 27. September 1979, a.a.O., m.w.N.).
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 WGSVG nach ständiger Rechtsprechung (BSG Urteil vom 27. September 1979, a.a.O.; BSG Urteil vom 27. April 1982 - 1 RJ 114/80) neben dem Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses voraussetzt, dass die Unterlassung der Beitragszahlung
auf eine gegen eine bestimmte Person, nämlich den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer gerichtete Verfolgungsmaßnahme zurückzuführen
ist. Die Beiträge müssen "aus Verfolgungsgründen" nicht entrichtet worden sein. Dafür bestehen hier jedenfalls bezogen auf
die Tätigkeit des Klägers als Volontär bei der Firma Höflich keine Anhaltspunkte, da Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet
wurden.
Der Kläger hat eine Versicherungszeit in Deutschland auch nicht dadurch zurückgelegt, dass er an einer Hachscharah teilgenommen
hat. Bei der Hachscharah (wörtlich: Tauglichmachung) handelt es sich um Zeiten der beruflichen Ausbildung und Umschulung (damals
als "Umschichtung" bezeichnet), die von jüdischen Verbänden in der Zeit des Nationalsozialismus organisiert wurden, um die
Auswanderung vorzubereiten (vgl. dazu V. Schmiedinger, Die Sozialversicherung 1976, 69 ff.; H. Schmiedinger, Die Sozialversicherung 1984, 201 ff.; Költzsch, DAngVers 1986, 315 ff.). Nach Nr. 10 Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (vom 17. Dezember 1973, BGBl. 1975 II, S. 246, in der Fassung des Änderungsabkommens vom 7. Januar 1986, BGBl. 1986 II, S. 863) gilt die Zeit, in der ein Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem
Stande vom 31. Dezember 1937 zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 in einer landwirtschaftlichen Kollektivausbildungsstätte
oder in einer handwerklichen Lehrwerkstatt der Rechtsvertretung der Juden in Deutschland oder einer anderen jüdischen Organisation
durch eine berufliche Ausbildung auf die Auswanderung vorbereitet worden ist, als Zeit einer rentenversicherungspflichtigen
Beschäftigung, für die Beiträge entrichtet worden sind. Voraussetzung ist, dass
1. der Verfolgte vor dem 1. Januar 1950 nach Palästina oder in den Staat Israel
ausgewandert ist,
2. ein Schaden in der Ausbildung im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes
vorliegt,
3. keine Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit für eine Zeit vor dem 9. Mai 1945 entrichtet
sind oder als entrichtet gelten,
4. keine Beiträge nach § 10a WGSVG nachentrichtet sind oder von einer Nachentrichtungsmöglichkeit nach der genannten Vorschrift endgültig kein Gebrauch gemacht
worden ist und
5. der Berechtigte sich als israelischer Staatsangehöriger am 1. Januar 1982 nicht nur vorübergehend im Gebiet des Staates
Israel aufgehalten hat.
Die genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger bereits deshalb nicht, weil er sich nicht "als israelischer Staatsangehöriger"
am 1. Januar 1982 nicht nur vorübergehend im Gebiet des Staates Israel aufgeholten hat. Nach den durch die Vorlage einer entsprechenden
Urkunde belegten Angaben des Klägers ist dieser erst seit dem 19. September 1988 israelischer Staatsbürger. Lediglich ergänzend
weist der Senat darauf hin, dass auch die Voraussetzung nicht erfüllt sein dürfte, nach der der Kläger vor dem 1. Januar 1950
nach Palästina oder in den Staat Israel ausgewandert gewesen sein muss. Der Kläger hat angegeben, in die Vereinigten Staaten
von Amerika ausgewandert zu sein und dort ein Medizinstudium absolviert zu haben. Danach kann auch dahinstehen, ob es sich
bei der Tätigkeit des Klägers als Volontär bzw. als Mechaniker-Praktikant um eine Ausbildung gehandelt hat, die durch die
Reichsvertretung der Juden in Deutschland oder eine andere jüdische Organisation vorbereitet worden ist.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Kläger keine Beitragsentrichtung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung
nachgewiesen oder glaubhaft gemacht hat und dass Beiträge zur Rentenversicherung auch nicht als entrichtet gelten. Daher sind
auch keine Ersatzzeiten anzurechnen. Ohne Versicherungszeiten hat der Kläger keinen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung.
Die Revision wird nicht zugelassen.