Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Angelegenheiten der Bundesagentur
für Arbeit
1. Die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach §
73a SGG i.V.m. §
124 Nr. 4
ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Zu Ermessenserwägungen besteht insbesondere dann Anlass, wenn der Betroffene zuvor sinngemäß
geltend gemacht, ausstehende Raten nicht zahlen zu können.
2. Liegt in einer Beschwerde gegen die Aufhebung der PKH-Bewilligung auch ein Antrag auf Überprüfung der Ratenhöhe, obliegt
die Entscheidung hierüber allein dem Sozialgericht, nicht dem Beschwerdegericht.
1. Die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach §
73a SGG in Verbindung mit §
124 Nr. 4
ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Zu Ermessenserwägungen besteht insbesondere dann Anlass, wenn der Betroffene zuvor sinngemäß
geltend gemacht, ausstehende Raten nicht zahlen zu können.
2. Liegt in einer Beschwerde gegen die Aufhebung der PKH-Bewilligung auch ein Antrag auf Überprüfung der Ratenhöhe, obliegt
die Entscheidung hierüber allein dem Sozialgericht, nicht dem Beschwerdegericht. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Gründe
I.
Der Kläger betreibt eine Arbeitsvermittlung. Für das unter dem Az. S 2 AL 15/08 geführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Itzehoe, in dem es um die Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins ging, hat
das Sozialgericht dem Kläger mit Wirkung vom 20. März 2006 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt S_____
bewilligt und ausgeführt, dass Ratenzahlungen nicht zu leisten seien (Beschluss vom 15. Februar 2008). Mit nicht angefochtenem
Urteil vom 15. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht
zu erstatten seien. Die an Rechtsanwalt S_____ aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten und Auslagen sind mit Beschluss
vom 30. April 2008 auf 740,18 EUR festgesetzt worden.
Mit Schreiben vom 11. August 2011 forderte das Sozialgericht den Kläger zwecks Überprüfung einer ggf. anzuordnenden Ratenzahlungsverpflichtung
wegen Veränderung seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse auf, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
unter Ausfüllung eines beigefügten Vordrucks und Beifügung etwaiger Belege nachzuweisen. Hierauf führte der Kläger mit Schreiben
vom 9. September 2011 aus, es sei ihm nicht möglich, den Betrag von 740,18 EUR in einer Summe zu zahlen. Er bitte, ihm eine
Ratenzahlung zu bewilligen. Sein Ratenvorschlag sei 30,00 EUR monatlich. Mit Schreiben vom 13. September 2011 erklärte das
Sozialgericht sein Einverständnis mit der vorgeschlagenen Ratenzahlung und forderte den Kläger auf, ab 1. November 2011 monatliche
Raten in Höhe von 30,00 EUR zu leisten. Nachdem der Kläger die Raten für November 2011 bis Januar 2012 nicht gezahlt hatte,
erfolgte unter dem 4. Januar 2012 die Aufforderung zum Ausgleich des Rückstands und zur künftigen Einhaltung der Zahlungstermine.
Hierauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 2012 mit, dass er die Rate für November am 30. Dezember 2011 angewiesen
habe. Gerne hätte er auch die weiteren ausstehenden Raten bereits gezahlt. Leider könne er jedoch nur zahlen, wenn auch seine
Honorare gebucht seien. Das sei bisher nicht der Fall. Zwischenzeitlich habe er einen Teil seiner Außenstände erhalten und
deshalb nunmehr die rückständigen Raten angewiesen.
Nachdem später auch die Raten für die Monate März bis Mai 2012 wiederum nicht eingegangen waren, erfolgte mit Schreiben des
Sozialgerichts vom 5. Juni 2012 eine erneute Zahlungsaufforderung sowie die Aufforderung zur Einhaltung künftiger Zahlungstermine.
Gleichzeitig wurde der Kläger auf §
124 Nr. 4 Zivilprozessordung (
ZPO) hingewiesen, wonach das Gericht berechtigt sei, die Bewilligung der PKH aufzuheben, wenn die Partei länger als drei Monate
mit einer Zahlung im Rückstand sei.
Bis zum 9. August 2012 sind keine weiteren Zahlungen des Klägers eingegangen. Mit Beschluss vom 10. August 2012 hob das Sozialgericht
die PKH-Bewilligung auf. Es stützte seine Entscheidung auf §
124 Nr. 4
ZPO und führte aus, dass der Kläger bislang trotz Mahnung mit der März-Rate im Rückstand sei und hierzu auch keine Hinderungsgründe
mitgeteilt habe. Auf die Folgen der Nichtzahlung sei er hingewiesen worden. Gegen diese ihm am 14. August 2012 zugestellte
Entscheidung richtet sich die am 14. September 2012 eingegangene Beschwerde des Klägers. Zur Begründung macht er geltend:
Wie bereits mitgeteilt, könne er die ausstehenden Raten nur zahlen, wenn seine Honorare gebucht seien. Hinzu komme, dass er
vor allen anderen Zahlungsverpflichtungen monatlichen Unterhalt für seine beiden Söhne in Höhe von 668,00 EUR leisten müsse,
des Weiteren die laufenden Kosten für sein Büro und seinen Lebensunterhalt. Er werde sich nach Kräften um weitere Zahlungen
bemühen, sofern ihm entsprechende Mittel zur Verfügung stünden.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig und insbesondere nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 18. Juli 2011, L 9 AL 60/10 B PKH, zitiert nach [...]). Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach §
73a SGG i.V.m. §
124 Nr. 4
ZPO kann das Gericht die Bewilligung von PKH aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate
im Rückstand ist. Das ist hier zumindest in Bezug auf die Rate für März 2012 - wahrscheinlich inzwischen auch für die danach
fällig gewordenen Raten bis zum Aufhebungsbeschluss - der Fall. Eine Aufhebung kommt allerdings nur bei schuldhaftem Verzug
in Betracht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juli 2012, L 19 AS 1949/11 B, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. September 2011, L 6 B SB 5000/09 A, Bayerisches LSG, a.a.O. - jeweils zitiert
nach [...]). Ob hier von einem schuldhaften Verhalten des Klägers auszugehen ist, wenn er - wie in der Beschwerde sinngemäß
geltend gemacht hat - zahlungsunfähig war, kann jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls ist die Aufhebungsentscheidung des Sozialgerichts
ermessensfehlerhaft.
Wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "kann" ergibt, steht die Aufhebung einer PKH-Bewilligung bei Zahlungsverzug im
gerichtlichen Ermessen. Dass das Sozialgericht dieses Ermessen ausgeübt hat, ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen.
Im vorliegenden Fall hätte besonderer Anlass zu Ermessenserwägungen bestanden, nachdem der Kläger bereits mit Schreiben vom
13. Januar 2012 sinngemäß geltend gemacht hat, er könne die (einvernehmlich) festgesetzten Raten nicht ohne Weiteres zahlen.
Insoweit hätte es auch nahe gelegen, dieses Schreiben als formlosen Antrag auf Änderung bzw. Überprüfung der Ratenhöhe zu
behandeln. Nach §
120 Abs.
4 Satz 1
ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die festgesetzten Raten ändern, wenn sich die für die PKH maßgebenden persönlichen
oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben; eine Änderung der nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchstabe b
und Nr. 2 maßgebenden Beträge ist allerdings nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine
Monatsrate zu zahlen ist. Ein Antrag nach §
120 Abs.
4 Satz 1
ZPO kann auch formlos gestellt werden. Bei verständiger Würdigung ist das Schreiben des Klägers vom 13. Januar 2012 in diesem
Sinne auszulegen.
In der Beschwerdebegründung liegt insoweit (auch) ein erneuter Überprüfungsantrag, zumal darin Gesichtspunkte geltend gemacht
werden, auf die der Kläger sich bisher nicht berufen hat (insbesondere Unterhaltszahlungen an seine Kinder). Hierüber ist
dem Senat im Beschwerdeverfahren die Entscheidung verwehrt, weil anderenfalls die nach §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG auf das Sozialgericht beschränkte Prüfung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen umgangen würde (vgl. Bayerisches
LSG, a.a.O.).
Im weiteren Verfahren wird das Sozialgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zu überprüfen
haben, wobei der Kläger eine entsprechende Erklärung nebst Belegen vorzulegen haben wird. Hierzu besteht in besonderem Maß
Anlass, nachdem der Kläger auf entsprechende Angaben trotz der gerichtlichen Aufforderung vom 11. August 2011 verzichtet und
stattdessen den in Rede stehenden Ratenzahlungsvorschlag gemacht hat, wobei er sich möglicherweise über die Tragweite seiner
Erklärung nicht im Klaren gewesen ist. Ob er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seinerzeit verpflichtet
gewesen wäre, monatliche Raten in Höhe von 30,00 EUR zu leisten, kann vor diesem Hintergrund nicht überprüft werden.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind in entsprechender Anwendung von §
127 Abs.
4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).