Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014. Strittig
ist dabei vor allem die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bzw. ob der zwischen ihm und dem insolvenzbedrohten Betrieb abgeschlossene
Arbeitsvertrag wirksam ist.
Der 1979 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum selbstständig als Unternehmensberater tätig und hat sich dabei
auf "Turnaround - Management" spezialisiert. Darunter werden Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenz in insolvenzbedrohten
Betrieben verstanden.
Der Kläger hat in den Jahren 2013 und 2014 mit den insolvenzbedrohten Betrieben P und O bereits Anstellungsverträge als Arbeitnehmer
geschlossen und im Fall der P und der Firma O über die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld auch Insolvenzgeld erhalten. Im Fall
der n wurde die Gewährung von Insolvenzgeld abgelehnt.
Der Kläger schloss mit auf den 14. September 2014 datiertem Vertrag mit der Firma H Konditorei und Bäckerei einen Anstellungsvertrag
für leitende Angestellte. Darin wird er als Angestellter im Bereich Marketing und Vertrieb bezeichnet und ein Monatsgehalt
in Höhe von 3.500,- € brutto vereinbart. Arbeitsbeginn sollte der 1. Oktober 2014 sein.
Bereits am 28. April 2014 hatte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt. Am 26. September 2014 beauftragte das Amtsgericht Pinneberg als Insolvenzgericht
den späteren Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. B mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Vorlage von Tatsachen,
die den Schluss auf Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung rechtfertigen und zum Vorhandensein einer kostendeckenden Masse.
In seinem Zwischenbericht von 10. Oktober 2014 stellte Dr. B Aktiva in Form von liquiden Mittel in Höhe von etwa 1500,- €,
eines Kraftfahrzeuges vom Typ Ford Transit - Baujahr 2007 - und eines Kassenbestandes in Höhe von etwa 100,- € fest, die Verbindlichkeiten
in Höhe von etwa 80.000 € gegenüber 32 Gläubigern gegenüberstanden. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 wurde Dr. Böhm als
vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt und nachdem dieser in einem weiteren Gutachten die Zahlungsunfähigkeit des Betriebes
festgestellt hatte mit Beschluss vom 1. Januar 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet.
Den Arbeitsvertrag des Klägers hat dieser mit Wirkung zum 31. Dezember 2014 gekündigt. Ab 14. Dezember 2014 war der Kläger
zusätzlich bei der Firma S in B beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma ist im Februar 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet
worden. Der Kläger beantragte später auch dort die Gewährung von Insolvenzgeld.
Mit Antrag vom 15. Januar 2015 beantragte der Kläger im hiesigen Verfahren gegenüber der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld
und gab dabei an, ab Oktober 2014 kein Arbeitsentgelt erhalten zu haben.
Die Beklagte befragte den Arbeitgeber im Antragsverfahren schriftlich zu den Umständen des Vertragsschlusses. Dieser gab mit
am 25. März 2015 verfassten Schreiben an, er habe die drohende Zahlungsunfähigkeit am 14. September 2014 nicht gekannt. Das
Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.500,- € hätte er aus den vorhandenen Umsätzen aufbringen können. Er sei auch nicht über
einen Gläubigerantrag auf Insolvenzeröffnung informiert gewesen. Dass sich die Situation so entwickle wie geschehen, sei nicht
absehbar gewesen.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2015 lehnte der Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab und verneinte zur Begründung die Arbeitnehmereigenschaft
des Klägers. Dabei stellte die Beklagte auf die selbstständige Tätigkeit des Klägers als Unternehmensberater bzw. Turnaround
Manager ab und führte weiter aus, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in die Firma bereits festgestanden habe, dass
Arbeitsentgelt aus Gründen der Insolvenz nicht gezahlt werden könne, sondern über Insolvenzgeld abgegolten werden solle. Ein
solcher Arbeitsvertrag widerspräche eindeutig der Vertragstypik gemäß §
611 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) und ziele von vornherein auf die Belastung des umlagefinanzierten Insolvenzgeldfonds ab.
Der Kläger meldete sich anwaltlich vertreten erst am 18. Juni 2016 wieder bei der Beklagten, teilte mit, dass er keinen Ablehnungsbescheid
erhalten habe und legte am 24. Juni 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er sei als Arbeitnehmer und nicht
als Unternehmensberater in der Firma tätig gewesen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe auch nicht festgestanden, dass
Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016 wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch zurück und führte zur Begründung
aus, der Insolvenzgeldgewährung stehe §
166 Abs.
1 SGB III entgegen. Der Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger sei gemäß §
166 Abs.
1 Nr.
1 und
2 SGB III i. V. m. §
132 der
Insolvenzordnung anfechtbar. Deshalb stehe dem Kläger kein Anspruch auf Insolvenzgeld zur Seite. Außerdem bestehe bei erheblichen Umsatzrückgängen
und absehbarer Zahlungsunfähigkeit kein erhöhter Personalbedarf für die Tätigkeiten des Klägers. Ein Beschäftigungsverhältnis
würde nicht begründet, wenn nicht die Absicht bestehe, den Arbeitsvertrag auch tatsächlich zu erfüllen (Scheinarbeitsverhältnis).
Es sei davon auszugehen, dass der Widerspruchsführer durch Abschluss eines Scheinarbeitsverhältnisses seine Kosten, die durch
die selbständige Tätigkeit als Unternehmensberater entstünden, decken wollte.
Am 17. Oktober 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dem Arbeitgeber
sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages eine Zahlungsunfähigkeit nicht bekannt gewesen. Es sei auch keine Insolvenzanfechtung
erfolgt, die Voraussetzungen einer Anfechtung hätten auch nicht vorgelegen. Es habe sich auch nicht um ein Scheinarbeitsverhältnis
gehandelt, denn er habe tatsächlich für die Firma gearbeitet. Dabei sei er nicht als Unternehmensberater tätig gewesen. Der
Arbeitgeber habe Mitte September 2014 eine gute Auftragslage gehabt und sei frohen Mutes gewesen, diese noch erheblich zur
Steigerung seiner Gewinne ausweiten zu können, indem er den Kläger eingestellt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Juni 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September
2016 zu verurteilen, ihm - dem Kläger- Insolvenzgeld anlässlich seiner Tätigkeit für H für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis
31. Dezember 2014 in Höhe von insgesamt 6.468,54 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2020 sowohl den Kläger ergänzend befragt, als auch den
Rechtsanwalt C als verantwortlichen Mitarbeiter des Insolvenzverwalters zeugenschaftlich vernommen.
Der Kläger hat dabei seine Tätigkeit geschildert und eingeräumt, ab 15. Dezember 2014 zusätzlich bei der Firma S in B beschäftigt
gewesen zu sein.
Der Beklagtenvertreter hat daraufhin telefonische Rücksprache mit seiner Behörde gehalten und mitgeteilt, dass auch bei der
Tätigkeit des Klägers für jene Firma nicht von einem Beschäftigungsverhältnis ausgegangen worden sei und kein Insolvenzgeld
gezahlt worden sei.
Der Zeuge gab an, er hätte sich am Vortrag die im System zum Stichtag 14. September 2014 hinterlegten Aktiva und Passiva noch
mal angeschaut. Danach hätten fällige Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 44.000 € bestanden. Damit sei wahrscheinlich davon
auszugehen, dass bereits am 14. September 2014 ein Insolvenzgrund vorgelegen habe. Er erinnere sich daran, dass der Kläger
die Restrukturierung des Betriebes seinerzeit durchaus stark unterstützt habe. Er sei auch der Ansprechpartner für den Insolvenzverwalter
gewesen. Ab der Bestellung des Insolvenzverwalters am 26. September 2014 habe die Expertise für die Restrukturierung des Unternehmens
dann natürlich bei ihnen, der Kanzlei des Insolvenzverwalters, gelegen. Ab diesem Zeitpunkt sei der Kläger für diesen Zweck
dann nicht mehr gebraucht worden.
Mit Urteil vom 19. Februar 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch
auf Insolvenzgeld setze einen Anspruch auf Arbeitsentgelt voraus. Dieser habe aber nicht bestanden, da der auf den 14. September
2014 datierte Anstellungsvertrag sittenwidrig und daher unwirksam gewesen sei. Für ein gegen die guten Sitten verstoßendes
Rechtsgeschäft im Sinne von §
138 Abs.
1 BGB spreche die finanzielle Situation des Arbeitgebers zum Abschluss des Anstellungsvertrages und zum Beginn des Beschäftigungsverhältnisses.
Es sei unwahrscheinlich, dass der Kläger, der von den finanziellen Schwierigkeiten des Zeugen gewusst habe und beruflich mit
Restrukturierungsmaßnahmen beschäftigt gewesen sei, sich ohne Aussicht auf Insolvenzgeld auf einen Vertrag eingelassen hätte,
bei dem die Zahlung der vereinbarten Vergütung derart unsicher gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus den Angaben des Zeugen
in der mündlichen Verhandlung. Es frage sich auch, warum der Betrieb, der zum damaligen Zeitpunkt seine bisherigen Mitarbeiter
gerade noch habe bezahlen können, zusätzlich einen kaufmännischen Angestellten hätte anstellen sollen. In Anbetracht dieser
Umstände deute alles darauf hin, dass der Anstellungsvertrag in der Erwartung von zu beziehendem Insolvenzgeld geschlossen
worden sei. An dieser Wertung ändere auch nichts, dass der Kläger tatsächlich für die Firma gearbeitet habe.
Gegen dieses, seinem Bevollmächtigten am 6. Juli 2020 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 3. August
2020, zu deren Begründung er vorträgt, das Sozialgericht hätte auch den ehemaligen Arbeitgeber H vernehmen müssen und hätte
den Insolvenzverwalter B anstatt des Assistenten C vernehmen müssen. Die Aktiva und Umsatzerlöse seien hinreichend gewesen,
um Masseverbindlichkeiten wie Löhne und Gehälter des Klägers zu begleichen. Das Unternehmen sei erfolgreich saniert worden
und bestehe bis heute fort. Die Internetpräsenz habe der Kläger aufsetzen lassen. Die Rechtsnorm des §
138 BGB habe das Sozialgericht falsch angewandt. Es fehle an einem kollusiven Zusammenwirken. Ein Arbeitsvertrag für einen dringend
benötigten Mitarbeiter im Marketing und Vertrieb mit einem Insolvenzschuldner, dessen Geschäftsbetrieb saniert werden solle
und auch saniert worden sei, verstoße nicht gegen die guten Sitten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 2. Juli 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Juni 2015
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 1.
Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014 in Höhe von insgesamt 6.468,54 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den Inhalt der Akte des Amtsgerichts Pinneberg
zum Aktenzeichen 71 IN 128/13 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist fristgerecht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erhoben worden und auch im Übrigen zulässig.
Nicht erheblich für eine Sachentscheidung des Senats ist die Zulässigkeit des klägerischen Widerspruchs. Die könnte im Hinblick
auf die Einlegung des Widerspruchs erst ein Jahr nach Absendung des Bescheids zweifelhaft sein, wobei sich allerdings ein
Zugangsnachweis in der Akte nicht findet. Da die Beklagte aber den Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen hat, sondern
mit dem Widerspruchsbescheid vom 5. September 2016 in der Sache entschieden hat, kann letztendlich offenbleiben, ob der Widerspruch
verfristet war. Ein Zulässigkeitsmangel wäre durch die Sachentscheidung der Beklagten jedenfalls geheilt.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage mit dem angefochtenen
Urteil abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht
in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld infolge eines insolvenzbedingten Verdienstausfalls in den Monaten
Oktober bis Dezember 2014.
Allerdings trägt die von der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid gegebene Begründung die Ablehnung des Antrags
auf Insolvenzgeld nicht.
Die Voraussetzungen von Insolvenzgeld sind in §
165 Abs.
1 SGB III geregelt. Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren
und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt
haben. Als Insolvenzereignisses gilt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung
des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im
Inland, wenn ein Antrag auf Insolvenzeröffnung nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels
Masse nicht in Betracht kommt.
§
166 Abs.
1 SGB III sieht Ausschlussgründe für den Anspruch auf Insolvenzgeld vor. So haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß §
166 Abs.
1 Nr.
2 SGB III dann keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie durch eine nach der
Insolvenzordnung angefochtene Rechtshandlung oder eine Rechtshandlung, die im Falle der Öffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar wäre, Ansprüche
auf Arbeitsentgelt erworben haben. Entgegen der von der Beklagten gegebenen Begründung schließt diese Norm einen Anspruch
des Klägers auf Insolvenzgeld aber nicht aus. Zwar ist gemäß §
132 Insolvenzordnung ein Rechtsgeschäft des Schuldners anfechtbar, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, wenn es in den letzten
drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts
der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der andere Teil zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder wenn es nach
dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der andere Teil zur Zeit des Rechtsgeschäftes die Zahlungsunfähigkeit
oder den Eröffnungsantrag kannte. Da der Arbeitsvertrag des Klägers hier nach Insolvenzantragstellung durch eine Gläubigerin
und in zeitlicher Nähe zur tatsächlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen worden ist, der Zeuge C von einer
Zahlungsunfähigkeit bei Abschluss des Arbeitsvertrages ausgegangen ist und der Kläger aufgrund seiner beruflichen Erfahrung
als Turnaround Manager davon wohl Kenntnis hatte, erscheinen diese Voraussetzungen naheliegend. Zu einem Anspruchsausschluss
führt dies aber nicht, weil der Insolvenzverwalter den Abschluss des Arbeitsvertrages im Insolvenzverfahren eben nicht angefochten
hat. Vielmehr hat er ein entsprechendes Hinweisschreiben der Beklagten vom 19. März 2015 augenscheinlich nicht weiter beantwortet.
Zwar sieht §
166 Abs.
1 Nr.
2 SGB III auch einen Anspruchsausschluss vor, wenn ein Rechtsgeschäft im Fall der Insolvenzeröffnung anfechtbar wäre. Diese hypothetische
Anfechtbarkeit reicht aber nur aus, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse oder wegen der vollständigen Einstellung der
betrieblichen Tätigkeit bei Masselosigkeit nicht eröffnet worden ist. Ist ein Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet, so
besteht ein Leistungsausschluss nur bei tatsächlicher Anfechtung des entsprechenden Rechtsgeschäfts (vergleiche Schneider
in juris PK §
166 SGB III Rn. 31,32).
Allerdings ist anerkannt, dass neben dieser speziellen Regelung auch die Unwirk-samkeit einer vertraglichen Vereinbarung nach
§
138 BGB dazu führen kann, dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht bzw. nur in niedrigerer Höhe besteht. Dies hat das BSG mit Urteil vom 18. März 2004 im Verfahren B 11 AL 57/03 R klargestellt und dabei eine Verschiebung einer Jahressonderzahlung in den Insolvenzgeldzeitraum wegen Sittenwidrigkeit für
unwirksam gehalten. Dabei hat es ausgeführt, dass ein Rechtsgeschäft, das nach Inhalt, Zweck und Beweggrund allein darauf
angelegt ist, die Zahlungsverpflichtungen eines Arbeitgebers zulasten der Umlageverpflichteten zu regeln, jedenfalls dann
sittenwidrig ist, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses feststand, dass der versprochene Anspruch nicht durch die Mittel des
Arbeitgebers befriedigt werden kann. Das BSG hat dabei auch auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die zu einer vorhersehbaren
Belastung des Sozialhilfeträgers führen, Bezug genommen. Der BGH hat etwa in einem Urteil vom 17. September 1986 im Verfahren
IVB ZR 59/85 entschieden, dass Vereinbarungen über einen Unterhaltsverzicht zu rückständigen Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit
dann gegen die guten Sitten verstoßen und damit nach §
138 BGB nichtig sind, wenn der Unterhaltsgläubiger im fraglichen Zeitraum Sozialhilfe empfangen hat und der Sozialhilfeträger bei
Wirksamkeit dieser Vereinbarung zwangsläufig die Belastung mit den Kosten zu tragen hätte.
Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Danach ist ein Rechtsgeschäft dann unwirksam, wenn den Beteiligten
bei Abschluss bewusst ist, dass eine vereinbarte Leistung nicht durch den Schuldner finanziert werden kann, und deshalb ein
Sozialleistungsträger wirtschaftlich mit den entsprechenden Kosten belastet wird.
Die von der Beklagten gelebte Praxis, Insolvenzgeldansprüche bei Arbeitnehmern, die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens
eingestellt werden, nur dann anzunehmen, wenn diese im Betrieb eine Schlüsselposition einnehmen oder in analoger Anwendung
des §
165 Abs.
3 SGB III, wenn diese von dem Insolvenzverfahren keine Kenntnis haben, hat in der Rechtsbrechung der Landessozialgerichte keine Zustimmung
gefunden (vergleiche LSG Niedersachsen Bremen, Urteile vom 13. März 2018, L 7 AL 71/16 Rn. 22 und vom 22. November 2016, L 7 AL 2/15 Rn. 27; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Mai 2016, L 13 AL 1503/15 Rn. 21; LSG Sachsen, Urteil vom 18. Dezember 2014, L 3 AL 13/13 Rn. 27, juris). Auch der erkennende Senat sieht für diese Praxis keine rechtliche Grundlage, weil es im Hinblick auf die
Regelungen zur Anfechtbarkeit in §
166 SGB III für eine analoge Anwendung des §
165 Abs.
3 SGB III an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt und die gesetzlichen Regelungen für die Beschränkung eines Insolvenzgeldanspruchs
auf Arbeitnehmer in Schlüsselposition nichts hergeben.
In den zuvor genannten Entscheidungen haben die Landessozialgerichte jeweils auch eine Sittenwidrigkeit des nach Eröffnung
des vorläufigen Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Arbeitsvertrages verneint und dies mit der Notwendigkeit der Einstellung
in Hinblick auf Eigenkündigungen anderer Arbeitnehmer oder zu erwartende Mehrarbeit in Hinblick auf die jeweilige Auftragslage
begründet.
Auch der erkennende Senat hält die Einstellung eines Arbeitnehmers im vorläufigen Insolvenzverfahren oder nach Eröffnungsantrag
nicht per se für sittenwidrig und damit unwirksam. Vorliegend hat sich der Senat aufgrund der Gesamtumstände aber die Überzeugung
gebildet, dass der Arbeitsvertrag zwischen der Firma H und dem Kläger in dem Bewusstsein abgeschlossen worden ist, dass der
Arbeitgeber die Gehaltszahlungsverpflichtungen aus diesem Arbeitsvertrag aufgrund der drohenden Insolvenz nicht erfüllen kann
und der Arbeitsvertrag nur abgeschlossen worden ist, um die Vergütung des Klägers letztendlich der umlagefinanzierten Insolvenzgeldversicherung
aufzubürden.
Dafür spricht sehr deutlich, dass es sich bezogen auf den Kläger bei dem hier streitigen Arbeitsvertrag nicht um einen Einzelfall
gehandelt hat, sondern er in den Jahren 2013 und 2014 mindestens insgesamt fünfmal (inkl. S) mit von Insolvenz bedrohten Betrieben
einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgeld gegenüber der Beklagten beantragt
hat. Dies spricht dafür, dass es das Geschäftsmodell des Klägers ist bzw. war, von Insolvenz bedrohten Betrieben seine Arbeitskraft
als Arbeitnehmer anzubieten und die Finanzierung seiner Tätigkeit auf die Sozialversicherung zu verlagern.
Dass der Kläger dabei im Betrieb des Arbeitgebers tatsächlich tätig war, wie auch der Zeuge C, bestätigt hat, hat insofern
keine Auswirkungen. Der Kläger ist bemüht zu betonen, dass der Betrieb letztendlich auch mit seiner Hilfe saniert werden konnte.
Richtig ist natürlich auch, dass die Beratung von Betrieben in finanzieller Schieflage keine sozial schädliche Tätigkeit,
sondern per se durchaus positiv zu bewerten ist. Die Rechtsordnung sieht mit der
Insolvenzordnung aber für die Sanierung zahlungsunfähiger Betriebe die Einschaltung eines Insolvenzverwalters vor, dessen Tätigkeit aus der
Insolvenzmasse, also letztendlich durch den betroffenen Betrieb finanziert wird. Demgegenüber wird durch das Geschäftsmodell
des Klägers das Finanzierungsrisiko auf die Allgemeinheit bzw. die umlagefinanzierte Insolvenzgeldversicherung verlagert.
Dies führt zu einer Umgehung der gesetzlichen Kostenverteilung zu Lasten einer Solidargemeinschaft. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn wie hier eine Vergütung des Klägers durch den Arbeitgeber nicht erfolgt.
Zudem erschließt sich die betriebliche Notwendigkeit der Einstellung des Klägers nicht. Anders als in den von den Landessozialgerichten
Niedersachsen Bremen, Baden-Württemberg und Sachsen entschiedenen Fällen bestand ein Bedarf an der Einstellung des Klägers
nicht infolge von Kündigungen anderer Arbeitnehmer oder einer besonderen Auftragslage. Die Beschäftigung diente auch nach
den Angaben des Klägers allein der wirtschaftlichen Neustrukturierung des angeschlagenen Betriebes. Zutreffend hat indessen
der Zeuge C ausgeführt, dass die Restrukturierung des Unternehmens ab dem 26. September 2014 dem - vor-läufigen- Insolvenzverwalter
oblag, sodass ein nachvollziehbares wirtschaftliches Bedürfnis zur Einstellung des Klägers bei gleichzeitiger erheblicher
finanzieller Schieflage des Betriebes nicht zu erkennen ist.
Die Aussagen des Zeugen C sprechen auch dafür, dass der Kläger bereits vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Oktober
2014 in dem Betrieb tätig war, da dieser angegeben hat, der Kläger sei für sie Ansprechpartner gewesen. Der Kläger konnte
sich in der Berufungsverhandlung zwar nicht mehr an den Ablauf erinnern, hat aber erstinstanzlich angegeben, im Insolvenzverfahren
sowie im dazugehörigen Vorverfahren mitgewirkt zu haben. Aus dieser Tätigkeit im Betrieb bereits vor Oktober 2014 und der
Expertise des Klägers als sogenannter Turnaround Manager kann geschlossen werden, dass er um die schwierige wirtschaftliche
Situation des Betriebes wusste und auch erkennen konnte, dass Herr H nicht in der Lage war, sein Gehalt aus eigenen Mitteln
aufzubringen.
Der Vortrag des Klägers, dass weder ihm noch dem Arbeitgeber die drohende Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Einstellung
des Klägers bekannt gewesen sei und sich der Insolvenzantrag einer Krankenkasse vom April 2014 durch Zahlung erledigt hätte,
ist nicht glaubhaft. Einer zeugenschaftlichen Vernehmung des Herrn H, wie vom Kläger gewünscht, bedurfte es für diese Überzeugungsbildung
nicht. Herr H hatte nämlich bereits schriftlich im Vorverfahren mit Schreiben vom 25. März 2015 gegenüber der Beklagten angegeben,
den Kläger für die Aufgaben Rechnungsstellung, Forderungseinzug, Kundenakquisition und Wareneinkauf benötigt zu haben und
eine drohende Zahlungsunfähigkeit am 14. September 2014 nicht gekannt zu haben, sondern davon ausgegangen zu sein, das Bruttoarbeitsentgelt
von 3500,- € aufbringen zu können. Auch hat Herr H die säumigen Sozialversicherungsbeiträge, die Grundlage für den Insolvenzantrag
der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See vom April 2014 gewesen sind, im Sommer 2014 ausgeglichen. Gleichwohl
ist die Behauptung des Arbeitgebers, davon ausgegangen zu sein, das Gehalt des Klägers aufbringen zu können, keinesfalls glaubhaft.
Denn zum einen sind auch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See nach Zahlung der rückständigen Beiträge
neue Beitragsschulden aufgelaufen und der Eröffnungsantrag ist dann auch nicht zurückgenommen worden, zum anderen ergibt sich
aus der von dem Zeugen C eingereichten Aufstellung , dass der Arbeitgeber zum damaligen Zeitpunkt auch gegenüber anderen Einzugsstellen,
nämlich der IKK Nord, der BKK Mobil Oil sowie der Barmer GEK Zahlungsrückstände in Höhe von etwa 11.000,- € hatte. Da der
Arbeitgeber somit die Bruttolöhne der bereits vorhandenen Arbeitnehmer in den zurückliegenden Monaten nicht mehr vollständig,
jedenfalls nicht inklusive der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge, zahlen konnte, ist die Annahme, ein zusätzliches
Bruttogehalt in Höhe von 3500,- € monatlich finanzieren zu können, absolut fernliegend. Dafür spricht auch, dass eine Gehaltszahlung
vollständig unterblieben ist und auch nicht nur Teilbeträge an den Kläger ausgekehrt worden sind.
Dass der Kläger sich gleichwohl auf einen Arbeitsvertrag eingelassen hat und daran auch nach Ausbleiben der ersten Gehaltszahlung
Ende Oktober 2014 zunächst festgehalten hat, spricht unter Berücksichtigung aller Umstände dafür, dass es dem Kläger als auch
dem Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages darum gegangen ist, eine Vergütung des Klägers für seine Tätigkeit zulasten der
Insolvenzgeldversicherung und damit der Umlageverpflichteten zu regeln. Damit ist der Arbeitsvertrag unter Anlegung der Maßstäbe,
die das BSG im Urteil vom 18. März 2004 aufgezeigt hat, wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Mangels wirksamer Ansprüche des Klägers auf
Arbeitsgehalt in den Monaten Oktober bis Dezember 2014 besteht somit auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld wegen des Ausfalls
dieser Zahlungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1, Abs.
4 SGG und folgt der Sach-entscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.2
SGG liegen nicht vor.