LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.11.2016 - 3 AL 29/14
Existenzgründungszuschuss
Übernahme eines Speditionsbetriebes
Keine Unternehmensneubegründung
Schranken der Ermessensausübung
1. Die "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" setzt nicht eine Unternehmensneubegründung voraus, ein Betriebsübergang ist
ausreichend.
2. Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung
auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten.
3. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung,
Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen
Fallgruppen zum Teil nicht einheitlich sind.
4. Wenn der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen Ermessens nicht oder Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig ist,
darf das Gericht nur den Verwaltungsakt aufheben und den Träger zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts verurteilen, nicht aber eigene Ermessenserwägungen anstellen und sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers
setzen.
Vorinstanzen: SG Lübeck 14.05.2014 S 36 AL 33/12
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Mai 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 57 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch ( SGB III).
Der am. 1981 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss seiner Allgemeinschulbildung eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker
im Bereich der Nutzfahrzeugtechnik mit Abschluss (August 1998 bis Juli 2002). Vom 1. Oktober 2003 bis Oktober 2009 war der
Kläger als Berufskraftfahrer tätig, wie auch in der Zeit von Februar 2010 bis 30. September 2011. Zuletzt war der Kläger beschäftigt
bei der K Speditions GmbH (Betrieb des Großvaters). Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses und persönlicher Arbeitslosmeldung
am 26. September 2011 beantragte der Kläger am 4. Oktober 2011 zum 1. Oktober 2011 Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom
21. Oktober 2011 bewilligte die Beklagte Alg ab dem 1. Oktober 2011 für 360 Tage. Ab dem 17. Oktober bis zum 28. Oktober 2011
durchlief der Kläger eine Trainingsmaßnahme zur Existenzgründungsvorbereitung (Start EX) in Vollzeit. Die Kosten dieser Maßnahme
übernahm die Beklagte im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung vom 11. Oktober 2011. Am 5. Dezember 2011 beantragte der
Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum 1. Januar 2012 als selbstständiger
Spediteur mit einer geplanten Wochenarbeitszeit von 50 Stunden. Geplant sei die Übernahme des großelterlichen Speditionsbetriebes.
Der Kläger überreichte die angeforderte Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung. Weiter
wurden von ihm das Konzept und weitere Unterlagen vorgelegt. Mit Bescheid vom 9. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag
im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass auch ohne Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung eine dauerhafte Eingliederung
des Klägers in den Arbeitsmarkt möglich sei. Die Beklagte verwies auf die Berufspraxis des Klägers als Berufskraftfahrer sowie
darauf, dass eine hinreichende Anzahl von 28 offenen Stellen im Tagespendelbereich angeboten würde. Hiergegen legte der Kläger
Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er seit dem 1. Oktober 2011 arbeitslos und es der Beklagten
nicht gelungen sei, ihn bis zum 1. Januar 2012 auf dem Arbeitsmarkt einzugliedern. Nach seiner Recherche stünden 50 Gesuchen
28 Angebote gegenüber. Durch die Übernahme der großelterlichen Spedition sichere er zudem fünf sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze. Auch stehe die Ablehnung des Gründungszuschusses im Gegensatz zur vorangegangenen Förderung der Selbstständigkeit
durch die Beklagte. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem Gründungszuschuss um eine Ermessensleistung der
aktiven Arbeitsmarktförderung handele, die nur dann gewährt werden dürfe, wenn sie notwendig sei, um den Antragsteller dauerhaft
in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Im Rahmen der Ermessensentscheidung habe die Beklagte neben § 7 SGB III auch zu beachten, dass die Vermittlung in Arbeit grundsätzlich Vorrang vor den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung habe,
§ 4 Abs. 2 SGB III. Im Falle des Klägers bestehe jedoch keine Notwendigkeit, seine Existenzgründung mit finanziellen Mitteln zu fördern, da
die Eingliederungsaussichten aufgrund der konkret nachgewiesenen Arbeitsmarktlage als positiv zu bewerten sei. Es gebe 30
Stellenangebote für Kraftfahrer im Tagespendelbereich, weshalb eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit möglich
sei. Auch die Unterstützung des Klägers durch die Beklagte in der Vorbereitung seiner Selbstständigkeit stehe hierzu nicht
im Widerspruch, da er in jedem Falle bei der Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit hiervon profitiere. Denn es sei vorrangiges
Ziel des Klägers von Beginn an gewesen, sich selbstständig zu machen. Bereits im Erstgespräch am 12. Oktober 2011 sei die
Existenzgründung zum 1. Januar 2012 geplant gewesen. Vor diesem Hintergrund sei dem Kläger auch nur ein Vermittlungsvorschlag
am 25. November 2011 unterbreitet worden. Wegen der geplanten Selbstständigkeit sei ein Arbeitsverhältnis jedoch nicht zu
Stande gekommen. Auch in der Eingliederungsvereinbarung vom 11. Oktober 2011 habe die Beklagte keine Förderung mit Gründungszuschuss
zugesagt. Insofern wiege der Vermittlungsvorrang stärker als die Argumente des Klägers für eine Förderung. Eine Härteregelung
existiere nicht.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Februar 2012 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben. Zur Begründung hat der Kläger im
Wesentlichen ausgeführt, dass er während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit von Oktober bis Dezember 2011 gezielt durch die
Finanzierung von Fortbildungsmaßnahmen gefördert worden sei (Maßnahme Start EX sowie in Form der Beratung durch das Gründer
Camp des Landes Schleswig-Holstein). Diese Förderung sei erfolgt mit dem erklärten Ziel der Ertüchtigung des Klägers für die
Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab Januar 2012 in Form der Übernahme eines Teils der Spedition K Transporte. Zum
1. Januar 2012 habe der Kläger den Betrieb tatsächlich übernommen. Der Gesamtkaufpreis habe 150.000,00 EUR betragen, wovon
(fremdfinanzierte) 100.000,00 EUR mit Übernahme des Betriebes fällig gewesen und 50.000,00 EUR in Raten abzuzahlen seien.
Aus diesem Grunde sei der Kläger während der ersten Zeit seiner selbstständigen Tätigkeit auch nicht in der Lage, nennenswerte
Privatentnahmen aus dem Unternehmen zu tätigen und deshalb auf den Gründungszuschuss zur Absicherung seines Lebensunterhalts
angewiesen. Es komme auch nicht darauf an, ob die Eingliederungsaussichten beim Kläger positiv zu bewerten wären oder nicht,
denn mit ihrer Entscheidung, die Fortbildung des Klägers zur Befähigung zur Existenzgründung zu finanzieren, habe die Beklagte
ihre Entscheidung bereits getroffen. Aus diesem Grunde habe die Beklagte mit Fördermitteln die Weiterbildung des Klägers finanziert,
so dass die Argumentation seiner Vermittelbarkeit auf dem freien Arbeitsmarkt und deshalb die Existenzgründung nicht erforderlich
wäre, widersinnig sei. Zudem sei die Entscheidung der Beklagten, den Kläger durch Finanzierung von Fortbildungsmaßnahmen zu
unterstützen, auch sinnvoll, denn durch die Übernahme des Betriebes K Transporte durch den Kläger würden fünf Vollzeitarbeitsplätze
erhalten werden. Diese Widersprüchlichkeit sei losgelöst von der Frage zu sehen, ob die Beklagte in der Eingliederungsvereinbarung
vom 11. Oktober 2011 einen Gründungszuschuss suggeriert habe oder nicht. Insofern komme es auch nicht auf die Einschlägigkeit
des § 34 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) an. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sei die Frage, ob ein Gründungszuschuss zugesagt worden sei oder nicht,
kein ermessensleitendes Kriterium. Die Beklagte könne sich deshalb nicht alleine darauf zurückziehen, dass man nach neuer
Rechtslage an eine etwa gegebene frühere Zusage nicht mehr gebunden sei. Wollte sie das, läge ein Ermessensausfall vor.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Gewährung
eines Gründungszuschusses neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen, insbesondere auch dazu, ob in
der Förderung des Existenzgründerseminars eine Art Zusage gesehen werden könne. Jedenfalls sei aber, da sich der Kläger in
jedem Falle zum 1. Dezember 2012 (gemeint offensichtlich 1. Januar 2012) habe selbstständig machen wollen, die Teilnahme am
Existenzgründerseminar sinnvoll, unabhängig davon, ob der Gründungszuschuss gefördert würde oder nicht. Selbst wenn eine Zusage
im Sinne des § 34 SGB X gemacht worden sein sollte, wäre die Beklagte nach Änderung der Rechtslage hieran nicht gebunden.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2014 hat das Sozialgericht der Klage mit Urteil vom gleichen Tag
stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die form-
und fristgerecht erhobene Klage sei zulässig und auch begründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines
Gründungszuschusses nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB III seien erfüllt. Der Kläger habe durch die hauptberufliche Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit seine zuvor bestehende
Arbeitslosigkeit beendet und habe zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit zum 2. Januar 2012 über einen
Alg-Restanspruch von weit über 150 Tagen verfügt. Die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung habe er durch Vorlage einer Stellungnahme
einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nachgewiesen. Seine Kenntnisse zur Ausübung seiner selbstständigen
Tätigkeit als Spediteur seien durch die Stellungnahme "neue impulse" vom 21. Dezember 2011 nachgewiesen. Die Beklagte habe
die Gewährung des Gründungszuschusses nicht auf dem Ermessenswege ablehnen dürfen. Der Beklagten werde durch die gesetzliche
Regelung des § 93 SGB III kein freies Ermessen eingeräumt, sondern ein pflichtgemäßes, d. h., ein rechtlich gebundenes Ermessen. Missachte ein Leistungsträger
bei seiner Entscheidung die rechtlichen Bindungen, liege ein der Kontrolle der Sozialgerichte unterliegender Ermessensfehler
vor. Bei einer Ermessensreduzierung könne das Ermessen der Verwaltung im Einzelfall derart eingeschränkt sein, dass nur eine
einzige Entscheidung ermessensfehlerfrei sei (Ermessensreduzierung auf Null). Die Entscheidung der Beklagten über den Antrag
des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses leide an Ermessensfehlern; eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht
vor. Die Beklagte, deren Prognoseentscheidung nur eingeschränkt überprüfbar sei, habe andere in Betracht kommende Eingliederungsmöglichkeiten,
insbesondere eine nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließenden Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung
aufgezeigt. Im vorliegenden Fall erlange die am 11. Oktober 2011 abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung aber eine besondere
Bedeutung. Denn als Eingliederungsziel werde ausschließlich die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit genannt. Vereinbare
die Arbeitsagentur mit dem Arbeitslosen in einer Eingliederungsvereinbarung als Eingliederungsziel die Aufnahme einer selbstständigen
Tätigkeit und weiche sie nach Stellung des Antrages auf Gründungszuschuss hiervon bei im Wesentlichen unveränderter Sachlage
ohne nähere Begründung oder unter ausschließlicher Berufung auf den Vermittlungsvorgang ab, so setze sie sich in willkürlicher
Weise zu ihrer eigenen Eingliederungsstrategie in Widerspruch. Vorliegend habe sich die Beklagte ermessensfehlerhaft auf den
Vermittlungsvorrang gemäß § 4 Abs. 2 SGB III berufen, denn sie habe den Vorgang der Beratung nicht hinreichend dokumentiert. Hinzu komme, dass die Beklagte die Selbstständigkeit
des Klägers durch die Teilnahme am Existenzgründerseminar im Oktober 2011 gefördert und dem Kläger die Hilfe der "neuen impulse"
habe zukommen lassen. Soweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Eigenleistungsfähigkeit des Klägers hingewiesen
worden sei, handele es sich um einen weiteren Ermessensfehler. Grundsätzlich sei es möglich, unter bestimmten Voraussetzungen
im Rahmen des Ermessens eine vorhandene Eigenleistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Allerdings nur dann, wenn aus der selbstständigen
Tätigkeit von Anfang an voraussichtlich derartige Gewinne erwirtschaftet würden, sodass eine Förderung nicht notwendig sei,
um die Gründungsphase finanziell zu überbrücken. Der Kläger habe zwar den Betrieb seines Großvaters übernommen, allerdings
habe die Betriebsübernahme nicht dazu geführt, dass Schwierigkeiten in der Startphase der selbstständigen Tätigkeit nicht
mehr gegeben seien. Zumindest fehle es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dem Kläger den Gründungszuschuss wegen ausreichender
Eigenleistungsfähigkeit zu versagen. Es bestehe daher ein Anspruch auf erneute Bescheidung des Antrages des Klägers auf einen
Gründungszuschuss, da die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung nicht alle Ermessensgesichtspunkte zutreffend berücksichtigt
und gewichtet habe.
Das Urteil ist der Beklagten am 1. August 2014 zugestellt worden, wogegen sich die am 12. August 2014 beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingegangene Berufung richtet. Bei der Vereinbarung des Eingliederungsziels einerseits und den Leistungen
der aktiven Arbeitsförderung andererseits handele es sich um verschiedene Sachverhalte, die nicht zwingend voneinander abhängig
seien, was in § 37 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB III seinen Niederschlag gefunden habe. Entsprechend seien von der Beklagten die Vereinbarungen zu diesen Sachverhalten in der
Eingliederungsvereinbarung deutlich voneinander getrennt worden. Schon deshalb könne der Ansicht nicht gefolgt werden, dass
aus der Vereinbarung eines bestimmten Eingliederungsziels auf die Bewilligung bestimmter Leistungen der aktiven Arbeitsförderung
geschlossen werden könne. Voraussetzung für den Anspruch auf Alg sei, dass sich der Arbeitslose bemühe, die eigene Beschäftigungslosigkeit
zu beenden, wozu insbesondere auch die Wahrnehmung der Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung gehöre, § 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB III. Mit seinem Antrag auf Alg erkläre der Kläger, alle Möglichkeiten zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit zu nutzen bei
gleichzeitiger Verpflichtung, Änderungen zu seinem Antrag unverzüglich anzuzeigen. Der Kläger habe vorliegend zu keiner Zeit
der Beklagten mitgeteilt, dass er nicht mehr alle Möglichkeiten zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit habe nutzen wollen.
Die Beklagte habe vorliegend auch zu keiner Zeit erklärt, dem Kläger die Sozialleistung Vermittlung nicht mehr anbieten zu
wollen. Auch die Eingliederungsvereinbarung könne nicht als (rechtswidrige) Einstellung der Vermittlung durch die Beklagte
oder einen Verzicht der Beklagten auf Eigenbemühungen des Klägers ausgelegt werden, wodurch das Ermessen der Beklagten bei
der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss eingeschränkt wäre. Insofern könne die Beklagte nicht der
Vorinstanz folgen, dass sich die Beklagte mit der Ablehnung des Antrags auf Gründungszuschuss in Widerspruch zu dem mit der
Eingliederungsvereinbarung vereinbarten Eingliederungsziel gesetzt hätte. Der Beklagten wäre es deshalb auch möglich gewesen,
bei Feststellung unzureichender Eigenbemühungen oder bei Arbeitsablehnung den Eintritt einer Sperrzeit festzustellen. Nur
positiv formulierte Inhalte der Eingliederungsvereinbarung würden die Beteiligten binden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger tritt der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen und wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Auch
nach den Ausführungen der Beklagten sehe er nach wie vor die Widersprüchlichkeit des Verhaltens der Beklagten, denn klar definiertes
Eingliederungsziel sei die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gewesen. Vorliegend habe die Fortbildung die Ermöglichung
und Finanzierung der selbstständigen Tätigkeit im Rahmen eines so genannten Businessplans als Ziel gehabt. Auch sei der Kläger
bereit gewesen, im Rahmen der eigenen Bemühungen alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Der Kläger habe
konsequent den Weg beschritten, den er mit der Beklagten von Anfang besprochen habe. Er habe hierbei auch davon ausgehen dürfen,
dass die Beklagte ihn dann auch bei der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in der Form eines Gründungszuschusses unterstützen
würde, wie ihm das von Anfang an signalisiert worden sei. Durch die im vorliegenden Fall vorangegangenen Entscheidungen der
Beklagten in Bezug auf den Kläger und dessen konkrete Form der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben sei das Ermessen der
Beklagten jedoch erheblich reduziert, nach Auffassung des Klägers sogar auf Null.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft und auch ansonsten zulässig. Der Kläger begehrt die Gewährung eines Gründungszuschusses zwar nur
in Form der Neubescheidung. Da das Begehren aber auf eine Geldleistung gerichtet ist, muss der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) 750,00 EUR übersteigen. Die Höhe eines Zuschusses beträgt nach § 58 Abs. 1 SGB III a. F. für die ersten sechs Monate monatlich den Betrag, den der Arbeitnehmer zuletzt als Alg bezogen hat (hier monatlich
723,00 EUR), zuzüglich monatlicher 300,00 EUR. Der Beschwerdewert ist damit deutlich überschritten. Die Berufung ist auch
ansonsten form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages betreffend
die Gewährung von Gründungszuschuss. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck ist auf die Berufung der Beklagten daher aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Gemäß § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 28. Dezember 2011 bis 31. März 2012 geltenden und hier einschlägigen Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 3 Buchstabe a des
Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]; im Folgenden a. F.) konnten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen,
hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendeten, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in
der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Der Gründungszuschuss konnte nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer
a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hatte oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hatte, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden war,
2. bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs. 3 SGB III [a. F.] beruhte, von mindestens 150 Tagen verfügte, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachwies
und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätig- keit darlegte.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung war die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III a. F.). Fachkundige Stellen waren insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständige Kammern,
Fachverbände und Kreditinstitute (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III a. F.).
Mit Wirkung zum 1. April 2012 ist § 93 SGB III an die Stelle des § 57 SGB III a. F. getreten, woraus sich, da beide Vorschriften wortgleich sind, keine inhaltlichen Änderungen ergeben haben. Nach der
Fassung des § 57 SGB III a. F. bis zum 27. Dezember 2011 war der Gründungszuschuss als Pflichtleistung gewährt worden, allerdings nur für die erste
Förderphase von (damals) neun Monaten (vgl. § 58 Abs. 1 SGB III a. F.). Diese Vorschrift kommt aber auch nach Übergangsrecht nicht zur Anwendung. § 422 Abs. 1 SGB III regelt, ob bei Änderungen des SGB III auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung altes oder neues Recht anzuwenden ist, wenn das jeweilige Änderungsgesetz nichts
Abweichendes bestimmt. Gemäß § 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III sind die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem
Tag die Leistung zuerkannt worden ist. § 422 Abs. 1 Nr. 2 SGB III gilt für Ermessensleistungen (vgl. Bienert in Mutschler/Schmidt Dekaluwe/Koseriu, SGB III, 5. Aufl. 2012, § 422 Rn. 15, Bieback in Gagel, § 422 SGB III, Rn. 2; Brandts in Brand, SGB III, 6. Aufl., § 422 Rn. 3, 4). Um eine solche handelte es sich bei § 57 SGB III in der bis zum 27. Dezember 2011 geltenden Fassung jedoch nicht. Einschlägige Übergangsregelung wäre daher bis zum 27. Dezember
2011 § 422 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, der darauf abstellt, ob der Anspruch entstanden ist. Die Anspruchsentstehung hätte vorliegend aber mindestens vorausgesetzt,
dass der Kläger seine selbstständige Tätigkeit bis zum 27. Dezember 2011 aufgenommen hätte. Die Aufnahme der selbstständigen
Tätigkeit durch den Kläger fand - unstreitig - erst zum 1. Januar 2012 statt.
Die das Ermessen der Beklagten eröffnenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 SGB III a. F. hat der Kläger in Übereinstimmung mit der Vorinstanz erfüllt. Der Kläger verfügte bei Aufnahme der selbstständigen
Tätigkeit ab dem 1. Januar 2012 über einen festgestellten Anspruch auf Alg mit einer Restanspruchsdauer von mehr als 150 Tagen.
Der Kläger erfüllt auch die sonstigen Voraussetzungen. Es handelt sich bei der Übernahme der selbstständigen Tätigkeit als
Transportunternehmer um eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit. Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass der Kläger
ab dem 1. Januar 2012 kein neues Unternehmen begründet hat, sondern ein bereits bestehendes, nämlich das seines Großvaters
übernommen hat. Denn die "Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" setzt nicht eine Unternehmensneubegründung voraus, ein Betriebsübergang
ist ausreichend (vgl. Kuhnke in jurisPK SGB III, 1. Aufl. 2014, Stand 15. Dezember 2014, § 93 Rn. 16; Brandt, SGB III, 7. Aufl., § 93 Rn. 8; SG Duisburg, Urteil vom 1. Februar 2000 - S 12 AL 38/99 -; vgl. auch BT Drs. 16/1696 S. 30). Des Weiteren sind die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, insbesondere hat
der Kläger seinen Antrag vor dem leistungsbegründenden Ereignis gestellt und die erforderlichen Nachweise der Selbstständigkeit
erbracht (z. B. Gewerbeanmeldung). Er hat insbesondere auch die Tragfähigkeit der Existenzgründung belegt durch eine fachkundige
Stellungnahme der "Neue Impulse Gründer-Camp Lübeck GmbH & Co. KG". Darüber hinaus hat der Kläger auch seine Kenntnisse und
Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit dargelegt und hierzu entsprechende Leistungsnachweise erbracht. Des
Weiteren sind Ausschlusstatbestände (vgl. § 57 Abs. 3, 4 SGB III a. F.) nach Aktenlage nicht gegeben. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger entsprechend § 57 Abs. 1 SGB III a. F. durch die Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit seine Arbeitslosigkeit auch beendet hat. Denn es ist - auch nach
dem eigenen Vorbringen des Klägers - davon auszugehen, dass der Kläger ab Arbeitslosmeldung am 1. Oktober 2011 bis 31. Dezember
2011 auch bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter
den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben. Dem steht auch nicht entgegen,
dass es Ziel des Klägers war, sich zum 1. Januar 2012 selbstständig zu machen, denn mit dem Zeitraum von drei Monaten bestand
eine hinreichend realistische Zeit für die Aufnahme einer Beschäftigung. Insofern kann auch nicht davon ausgegangen werden,
dass es dem Kläger, trotz von ihm erklärter Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme, lediglich darum ging, formal die Voraussetzungen
für die Bewilligung von Alg und die anschließende Gewährung eines Gründungszuschusses zu schaffen. Zweifel werden von Seiten
der Beklagten diesbezüglich auch nicht geäußert.
Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung eines Gründungszuschusses bestehen nach alledem keine
Zweifel - sie sind zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten erweist sich aber
deshalb als rechtmäßig, weil sie das ihr nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. (in der Fassung ab 28. Dezember 2011) zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat. Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ( SGB I) und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung
auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene
Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch)
entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen zum Teil nicht einheitlich sind. Wenn
der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen Ermessensnicht oder Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig ist, darf das
Gericht nur den Verwaltungsakt aufheben und den Träger zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
verurteilen, nicht aber eigene Ermessenserwägungen anstellen und sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers
setzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. März 2008 - B 2 U 1/07 R - Rn. 14 ff.).
Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall ist vorliegend nicht auszugehen. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich
der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Ebenso
wenig liegt eine Ermessensunter oder überschreitung vor. Die Beklagte hat auch keine Rechtsfolge eingesetzt, die im Gesetz
nicht vorgesehen ist. Die Beklagte war sich auch dessen bewusst, dass die Bewilligung des Gründungszuschusses in ihrem Ermessen
stand und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt. Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch
vorgeworfen werden (s. hierzu zusammenfassend auch BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 2 U 10/10 R - Rn. 15, [...]). Die Beklagte hat sowohl im Ablehnungsbescheid vom 9. Januar 2012 als auch im Widerspruchsbescheid vom 7.
Februar 2012 darauf abgestellt, dass der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in
den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre und die Eingliederung aufgrund der konkret nachgewiesenen Arbeitsmarktlage als
positiv zu bewerten sei. Hierzu hat sie sich im Widerspruchsbescheid weiter auf zum 9. Januar 2012 28 offene Stellenangebote
im Tagespendelbereich bezogen, die den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers entsprächen. Die Beklagte hat damit einen
legitimen, der Teleologie des § 57 SGB III a. F. entsprechenden Zweck verfolgt und ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der Gründungszuschuss
dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist der allgemeine Vorrang der
Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungszuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine
dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d. h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. Landessozialgericht
[LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 - L 18 AL 236/13 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015 - L 3 AL 1924/14 - [...]). Die als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare Prognose, dass der Kläger in den Arbeitsmarkt
integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbständigkeit notwendig gewesen wäre, ist nicht zu beanstanden.
Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass die Beklagte dem Kläger während der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2011
kein Vermittlungsangebot unterbreitet hat, das zum Abschluss eines Beschäftigungsverhältnisses geführt hat. Hier ist zum einen
zu berücksichtigen, dass nach den Angaben im Widerspruchsbescheid die Beklagte dem Kläger am 25. November 2011 einen Vermittlungsvorschlag
unterbreitet hat (ein weiterer ist von der Beklagten nach deren Angaben vor dem Senat auch noch im Dezember erfolgt), es aber
wegen der geplanten Selbstständigkeit nicht zu einem Arbeitsverhältnis kam. Zum anderen ist der Zeitraum von vorliegend drei
Monaten nicht derartig lang, um davon ausgehen zu können, dass die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften
Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt. Denn hierzu bedarf es einer belastbaren negativen Vermittlungsprognose, die hier
jedoch nicht gestellt werden kann. Denn gerade auch § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a. F., wonach bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch ein Restanspruch auf Alg für die Dauer von mindestens 150 Tagen
bestehen musste, spricht in Anbetracht der bereits nach zweijähriger Beschäftigung geltenden Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen
(vgl. §§ 127 Abs. 2, 339 Satz 2 SGB III) dafür, dass von einer Erforderlichkeit des Gründungszuschusses erst ausgegangen werden kann, wenn nach Eintritt der Arbeitslosigkeit
während eines längeren Zeitraumes keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Auch
der Vortrag des Klägers, dass den seinerzeit 28 bzw. - nach späteren Angaben der Beklagten - 30 Stellenangeboten 50 Gesuche
gegenüber gestanden hätten, vermag keine ungünstige Prognose zu begründen. Zum einen handelt es sich hierbei um eine statische
Gegenüberstellung von Zahlen, zum anderen ist immer die Qualifikation für eine erfolgreiche Vermittlung ausschlaggebend. Diese
ist aber bezogen auf die Gesuche nicht bekannt.
Ferner liegt auch kein Ermessensfehler im Sinne eines Abwägungsfehlers vor. Ein für die Bewilligung sprechender Gesichtspunkt,
der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen
des Klägers, ist nicht erkennbar. Ein derartig zu Gunsten des Klägers in die Abwägung einzustellender Gesichtspunkt hätte
dann vorgelegen, wenn die Beklagte dem Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses mündlich zugesagt oder sie sich im Wege
einer Eingliederungsvereinbarung auf eine selbstständige Tätigkeit des Klägers als Eingliederungsziel im Sinne eines ermessensleitenden
Gesichtspunktes festgelegt hätte. Von einer solchen Konstellation ist vorliegend nicht auszugehen. Es ist weder vom Kläger
vorgetragen noch nach Aktenlage - anhand der Beratungsvermerke - erkennbar, dass dem Kläger anlässlich von Beratungsgesprächen
eine aufschiebend bedingte mündliche Zusage für den Fall erteilt worden wäre, dass alle geforderten Unterlagen vollständig
vorlägen. Nach dem Beratungsvermerk über das Gespräch am 11.Oktober 2011 ist der Kläger zudem ausführlich über die Förderungsvoraussetzungen
und Verfahren sowie Förderhöhe und -dauer auch nach neuem Recht informiert worden. Dass die Beklagte dem Kläger angesichts
dessen eine Förderung zugesagt haben soll, ist der Akte nicht zu entnehmen und auch nicht plausibel. Auch sind keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beklagte sich in der am 11. Oktober 2011 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung
zur Förderung der geplanten selbstständigen Tätigkeit des Klägers im Wege der Gewährung eines Gründungszuschusses verpflichtet
hätte. Zwar ist in dem "Ziel(e)" die Selbstständigkeit genannt, bei den von der Agentur für Arbeit Lübeck zu erbringenden
Leistungen (s. 1.) wurde zum einen eine Informierung, Beratung und Unterstützung in Fragen der Arbeitsvermittlung aufgenommen
sowie weiter die Kostenübernahme für die Maßnahme Existenzgründung beim Träger WAK in Lübeck vom 17. Oktober 2011 bis 28.
Oktober 2011. Auch unter 2. "Bemühungen von Herrn Christian Borrs" wurde neben der Aufforderung zur Teilnahme an der zweiwöchigen
Maßnahme bei der WAK in Lübeck, der Kontaktaufnahme zum Gründer-Camp und der zuständigen Kammer sowie weiter der Konkretisierung
seines Existenzgründungsvorhabens und der Vorlage eines Business-Plans auch aufgenommen, dass der Kläger verpflichtet sei,
die für die Vermittlung erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und den Abschluss eines Ausbildungs- oder
Arbeitsverhältnisses unter Benennung des Arbeitgebers und seines Sitzes unverzüglich mitzuteilen. Hieraus wird deutlich, dass
es in der Eingliederungsvereinbarung nicht ausschließlich um die Förderung und Unterstützung der selbstständigen Tätigkeit
ging, sondern daneben auch um die Arbeitsvermittlung. Zwar hat das LSG Baden-Württemberg entschieden, dass die Ablehnung eines
Gründungszuschusses mit der Begründung, vorrangig vor der Selbstständigkeit sei die erfolgversprechende Vermittlung in ausreichend
vorhandene abhängige Beschäftigungsverhältnisse gewesen, ermessensfehlerhaft ist, wenn in einer Eingliederungsvereinbarung
als Eingliederungsziel die selbstständige Tätigkeit festgelegt worden ist und die Bundesagentur sich darin ausdrücklich nicht
zur Vermittlung verpflichtet hat sowie bis zur Aufnahme der Selbstständigkeit erkennbar auch so verfahren ist (vgl. Urteil
vom 28. Februar 2014 - L 8 AL 1515/13 -). Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Weder kann eine solche aus dem eindeutigen Text der Eingliederungsvereinbarung
entnommen werden, noch hat die Beklagte hiernach gehandelt. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass die Eingliederungsvereinbarung
vom 11. Oktober 2011 weder ausdrücklich noch mittelbar irgendwelche Aussagen enthält im Hinblick auf die Übernahme eines Gründungszuschusses.
Vor diesem Hintergrund ist es unter keinen Umständen möglich, in dieser Eingliederungsvereinbarung eine Zusicherung zu sehen.
Grundsätzlich kann die Eigenleistungsfähigkeit eines Antragstellers auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter besonderen
Voraussetzungen wohl als Ermessenserwägung herangezogen werden (vgl. Bienert in info also, S. 118 ff.; LSG Hessen, Urteil
vom 18. März 2016 - L 7 AL 99/14 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2015 - L 9 AL 83/14 -). Ob sich die Beklagte auch hier darauf berufen könnte, dass eine Eigenleistungsfähigkeit des Klägers vorgelegen habe,
die im Rahmen der Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden könnte, kann angesichts des vorliegend eingreifenden Vermittlungsvorrangs
offen bleiben, unabhängig davon, dass weder im Verwaltungs- noch im erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsverfahren ein solcher
Vortrag dokumentiert ist. Lediglich im angefochtenen Urteil findet sich ein Hinweis, wonach die Beklagte im Rahmen der mündlichen
Verhandlung auf die Eigenleistungsfähigkeit des Klägers hingewiesen haben soll.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil die Beantwortung der oben aufgeworfenen Fragen dem allgemeinen Interesse an der
Rechtsfortbildung dient und eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu nicht vorliegt.
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