Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenübernahme für stationäre Krankenhausbehandlungen
hat. Dabei geht es um Behandlungsfälle aus den Jahren 2003 bis 2006 und hier um die Vergütung für den letzten (21.) Behandlungstag
von alkoholabhängigen Patienten in der Motivationstherapie.
Die Klägerin betreibt u. a. das U. SH in L.. In der dortigen Klinik für Psychiatrie wurden Patienten nach einer stationären
körperlichen Entgiftung (Entzug I) im Rahmen einer Motivationsbehandlung (Entzug II) vollstationär behandelt. Aufnahmediagnose
war in allen Fällen ein Alkoholabhängigkeits-Syndrom (F10.2) bzw. ein Entzugs-Syndrom (F10.3). Die Dauer der Unterbringung
war unterschiedlich und lag teilweise deutlich über 21 Tagen, weil die Dauer der Entgiftung unterschiedlich lang ausfiel.
Vor dem Sozialgericht hat die Beklagte in allen Fällen die Klageansprüche insoweit anerkannt, als die Kosten für die Entgiftung
in vollem Umfang und die Kosten für die Motivationstherapie für die Dauer von 20 Tagen, gerechnet ab Aufnahme auf die Station
IV - auf der die Motivationstherapie ausschließlich durchgeführt wurde - übernommen worden sind.
Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für den 21. Behandlungstag (Entlassung am 22. Tag) mit der Begründung abgelehnt,
es handele sich bei dem 21. Tag um den Tag der Entlassung, der nicht abgerechnet werden könne. Zur Begründung hat sie sich
auf ein Konzept für die Durchführung stationärer Entzugsbehandlung bei Alkoholikern von Prof. Dr. D. (M. U. a.. zu L., Klinik
für Psychiatrie) von Juli 1992 bezogen. Dieses Konzept habe einen Behandlungsablauf von 21 Tagen beschrieben. Die Beklagte
hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem 21. Behandlungstag um den Entlassungstag handele.
Die Klägerin ist dem damit entgegengetreten, dass in dem Konzept von Prof. Dr. D. 21 Behandlungstage aufgeführt seien und
der Patient am 22. Tag entlassen werde, so dass 21 Tage abgerechnet werden könnten.
Im Einzelnen sind danach für die folgenden Behandlungsfälle von Versicherten der Beklagten noch folgende Behandlungstage bzw.
Beträge streitig:
Klage vom 27. Juni 2008 (S 1 KR 315/08 - A. B.):
12. Juni 2006: 201,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag
seit dem 20. Juni 2008
Klage vom 4. Juli 2007 (S 1 KR 443/08 - R. Ba.):
27. Oktober 2003: 232,65 EUR zuzüglich 526,59 EUR Zinsen = 759,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 9. Februar 2009
Klage vom 29. Juni 2007 (S 1 KR 446/08 - T. Ma.):
16. Juni 2003: 232,65 EUR zuzüglich 526,59 EUR Zinsen = 759,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 9. Februar 2009
Klage vom 28. Juni 2007 (S 1 KR 448/08 - H. Da.):
28. April 2003: 232,65 EUR zuzüglich 525,30 EUR Zinsen = 757,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 4. Februar 2009
Klage vom 3. Juli 2007 (S 1 KR 451/08 - N. K.):
1. September 2003: 232,65 EUR zuzüglich 526,59 EUR Zinsen = 759,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 9. Februar 2009
Klage vom 12. Juni 2007 (S 1 KR 482/08 - C. Mb.):
Zinsen in Höhe von 988,40 EUR
Klage vom 4. Juli 2007 (S 1 KR 503/08 - Ua. Na.):
13. Oktober 2003: 232,65 EUR zuzüglich 861,71 EUR Zinsen = 1.094,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 9. Februar 2009
Klage vom 12. Juni 2007 (S 1 KR 504/08 - Tb. J.):
3. Februar 2003: 232,65 EUR zuzüglich 525,30 EUR Zinsen = 757,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 4. Februar 2009
Klage vom 14. Juni 2007 (S 1 KR 505/08 - Aa. K.):
31. März 2003: 232,65 EUR zuzüglich 525,30 EUR Zinsen = 757,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz auf den Betrag von 232,65 EUR seit dem 4. Februar 2009
Klage vom 25. November 2008 (S 1 KR 875/08 - Ba. Tc.):
31. Oktober 2005: 328,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag
von 201,11 EUR seit dem 18. September 2009
Klage vom 25. November 2008 (S 1 KR 885/08 - Ja. Dd.):
28. März 2005: Zinsen in Höhe von 220,90 EUR.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.385,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
auf den Betrag von 930,60 EUR seit dem 9. Februar 2009 zu zahlen,
auf weitere 697,95 EUR seit dem 4. Februar 2009 zu zahlen,
auf weitere 201,67 EUR seit dem 20. Juni 2006 zu zahlen
sowie auf weitere 201,11 EUR seit dem 18. September 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Sozialgericht haben vorgelegen eine Vereinbarung vom 2. August 1999 zwischen dem U. L. und den Krankenkassen zur Kostenübernahme
der Entzugstherapie, eine Stellungnahme der Klägerin zu dem Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung der Beklagten (2. Januar
2001) sowie ein Konzept der (damaligen) M. U. a. zu L., Klinik für Psychiatrie, Prof. Dr. D. "Stationäre Entzugsbehandlung
für alkoholabhängige Patienten" Stand 1992.
In dem beigezogenen Verfahren S 1 KR 735/07 hat das Sozialgericht zu der medizinischen Notwendigkeit der Entzug I- und Entzug II-Behandlungen Beweis erhoben durch Einholung
eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. aus Ha. vom 18. Dezember 2008
mit Ergänzung vom 2. März 2009.
Mit Urteil vom 24. November 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.385,06 EUR nebst Zinsen
in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz auf den Betrag von 930,60 EUR seit dem 9. Februar 2009, auf
weitere 697,95 EUR seit dem 4. Februar 2009, auf weitere 201,67 EUR seit dem 7. Juli 2006 und auf weitere 201,11 EUR seit
dem 18. September 2009 zu zahlen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung
am 21. Behandlungstag von der Beklagten nicht bestritten worden sei. Sie habe lediglich geltend gemacht, nach dem Konzept
von Prof. Dr. D. aus dem Jahr 1992 handele es sich bei dem 21. Behandlungstag um den - nicht zu vergütenden - Entlassungstag.
Worauf sich diese Rechtsauffassung gründe, sei nicht deutlich geworden. Denn aus dem Konzept von Prof. Dr. D. ergebe sich
nicht, dass es sich bei dem 21. Tag um den Entlassungstag handele. Zu dem Tag der Entlassung würden vielmehr keine Ausführungen
gemacht. Lediglich im auf der Seite 12 des Konzepts vorgestellten Behandlungsablauf seien Tage erwähnt, und zwar Tag 01 bis
Tag 21. An letzter Stelle der Behandlungsschwerpunkte sei das Entlassungsgespräch aufgeführt. Es sei daher zum einen aus dem
Kontext des Gutachtens und zum anderen aus den weiteren Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zu untersuchen, ob der 21.
Behandlungstag der Entlassungstag sei. Dagegen spreche zunächst, dass Entlassungen in einem Krankenhaus regelmäßig am Vormittag
stattfänden und eine Entlassung am 21. Tag mithin keine 21 (volle) Behandlungstage beinhalten könne. Seien jedoch nach dem
Konzept 21 (volle) Behandlungstage vorgesehen, so könne eine Entlassung erst am 22. Tag erfolgen und es seien mithin 21 Tage
zu vergüten. Gegen eine Entlassung am 21. Tag spreche auch die Tatsache, dass in den weiteren Vereinbarungen ebenso von 21
Tagen die Rede sei. So laute etwa der Entwurf einer Vereinbarung zur Verwaltungsvereinfachung der Klägerin vom 2. Januar 2001
unter 1.a: "Die Behandlung des Alkoholabhängigkeits-Syndroms F10.2 erfolgt im Rahmen der Motivationsbehandlung, die mit den
regionalen Krankenkassen als Entzug II mit einer Behandlungspauschale von 21 Tagen vereinbart wurden". Auch die Beklagte habe
in einer E-Mail vom 4. November 2008 grundsätzlich 21 Behandlungstage akzeptiert. Schließlich sei auch von dem medizinischen
Sachverständigen Dr. F. die Richtigkeit des auf 21 Behandlungstage veranschlagten Konzepts bestätigt worden. Die Auffassung
der Beklagten, bei dem 21. Behandlungstag handele es sich um den nicht zu vergütenden Entlassungstag, lasse sich mithin nach
den vorliegenden Unterlagen nicht begründen. Da die Beklagte die medizinische Notwendigkeit des 21. Tages der Motivationstherapie
nicht bezweifelt habe, habe insoweit kein Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme bestanden.
Gegen dieses der Beklagten am 22. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 21. Januar 2010 bei
dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass im Gegensatz
zur Auffassung des Sozialgerichts aus der Vereinbarung bzw. den vorliegenden Konzepten hervorgehe, dass die Behandlung im
Rahmen der so genannten Motivationstherapie an 21 Tagen erfolge, wobei der 21. Tag der Entlassungstag sei. Grundlage für die
Vereinbarung sei das Konzept "stationäre Entzugsbehandlung für alkoholabhängige Patienten" gewesen, das unter Punkt 6.3. auf
Seite 13 den Behandlungsablauf mit 21 Tagen darstelle. Unter III. der Vereinbarung sei daher eine durchschnittliche Verweildauer
von 20,5 Tagen vereinbart worden, die über die gesamte Laufzeit der Vereinbarung nicht geändert worden sei. Auch in der Stellungnahme
von Prof. Dr. D. vom 10. März 1992 werde auf Seite 2 unter 2. Entzugsbehandlung 2 die Dauer der Behandlungsphase mit 21 Tagen
benannt. Eine Entlassung am 22. Tag ergebe sich aus keiner Vereinbarung bzw. keinem Konzept.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. November 2009 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihr bisheriges Vorbringen. In einer E-Mail des Beklagten-Vertreters vom 4. November 2008 sei
ausdrücklich von einer Kostenerstattung für die "vereinbarte Zeit (21 Behandlungstage)" die Rede. Die mit dem Berufungsschriftsatz
vorgelegte Vereinbarung beanspruche keine Geltung für den gegenständlichen Behandlungszeitraum. Mit dem Behandlungskonzept
aus dem Jahre 1992 habe sich das Sozialgericht ausführlich auseinandergesetzt. Daraus ergebe sich gerade nicht, dass es sich
bei dem 21. Tag um den Entlassungstag handele. Zum Tag der Entlassung enthalte das Konzept keinerlei Angaben. Maßgeblich sei
vielmehr, dass in den weiteren Vereinbarungen von 21 Behandlungstagen die Rede sei. Hierauf habe das Sozialgericht zutreffend
hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten
der Beklagten sowie auf die Akten des beigezogenen Verfahrens S 1 KR 735/07 SG Lübeck und der Akten der verbundenen Verfahren, wie sie im Tatbestand genannt wurden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene
Urteil ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.385,06 EUR nebst
Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die im Urteilstenor genannten Beträge und Zeiträume
zu zahlen.
Das war hier jedoch nicht der Fall. Jedenfalls hat die Beklagte keine entsprechenden Vereinbarungen vorlegen können. Hierauf
ist das Sozialgericht schon im Einzelnen eingegangen. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung allerdings auf
III. der vorgelegten Vereinbarung bezieht, ist anzumerken, dass diese am 31. Dezember 1995 endete und hier Fälle aus dem Jahre
2003 und später strittig sind. Außerdem beruft sich die Beklagte darauf, dass ein Behandlungskonzept zwischen ihr und dem
UKSH vereinbart gewesen sei, wonach die Patienten am 21. Tag hätten entlassen werden müssen. Es gibt tatsächlich jedoch kein
Dokument, dem dies entnommen werden kann. Dies hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt. Zu ergänzen ist noch, dass Gegenstand
des Konzepts war, dass eine Aufnahme der Patienten zur Motivationstherapie jeweils an einem Dienstag erfolgte und die Entlassung
ebenfalls an einem Dienstag. In der Abschlussbesprechung wurden dann die Patienten den jeweils neu beginnenden Patienten vorgestellt,
um auch denen einen Anreiz für die dreiwöchige Therapie zu geben und ihnen das erzielbare Ergebnis vor Augen zu führen. Also
fanden diese Gruppentherapiegespräche jeweils am 1. und am 22. Tag statt. Anschließend wurden die Patienten entlassen.
Mithin war der 21. Behandlungstag tatsächlich nicht identisch mit dem - nicht zu vergütenden - Entlassungstag. Es hat sich
dem Senat - wie auch schon dem Sozialgericht - nicht erschlossen, worauf die Beklagte ihre Rechtsauffassung stützt. Möglicherweise
liegt ihr auch einfach ein "Rechenfehler" zugrunde. Wenn sich ein Versicherter (unstrittig) 22 Tage einschließlich Aufnahme-
und Entlassungstag (also 21 Nächte) im Krankenhaus befunden hat, (unstrittig) eine Krankenhausbehandlung in diesem Zeitraum
tatsächlich stattgefunden und (unstrittig) eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestanden hat, ist ein Vergütungsanspruch
des Krankenhauses für 21 Tage gegeben. Die Höhe des Vergütungsanspruchs und des Zinsanspruchs hat das Sozialgericht aus den
einzelnen Behandlungsfällen zutreffend ermittelt. Dies wird von der Beklagten ebenfalls nicht bestritten, so dass sich weitere
Ausführungen hierzu erübrigen.