Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines von
der Beklagten zuerkannten Arbeitsunfalls.
Der 1953 geborene Kläger war im April 2009 als Dreher bei dem Unternehmen H tätig. Am 2. April 2009 erlitt er auf der Rückfahrt
von seiner Arbeitsstelle nach Haus einen Unfall mit seinem PKW.
Das W , in das der Kläger vom Unfallort aus eingeliefert wurde, diagnostizierte bei ihm eine Rippenserienfraktur 1-5 links,
ein Schädelhirntrauma (SHT) mit minimaler Subarachnoidalblutung (SAB), eine Lungenkontusion links sowie einen Harnwegsinfekt
und eine Restharnbildung bei Prostatahyperblasie. Wegen der Einzelheiten wird auf den Entlassungsbericht vom 20. April 2009
und auf die Befunde der computertomografischen (CT-), magnetresonanztomografischen (MRT-), röntgenologischen und sonografischen
Untersuchungen des Klägers Bezug genommen (Blatt 35 ff., Blatt 1219, Blatt 1253 ff. der Akten der Beklagten).
Der Durchgangsarzt B diagnostizierte beidem Kläger am 20. Mai 2009 eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und der Brustwirbelsäule
(BWS), eine Prellung der linken Schulter, ein Thoraxtrauma mit Rippenfrakturen links und ein SHT.
Der Facharzt für Urologie Dr. R fand bei seiner neuro-urologischen Untersuchung des Klägers am 4. August 2009 die Nierenlager
beidseits frei und den rechten Hoden palpatorisch unauffällig bei normaler Größe und Form. Links ließ sich ein lediglich kleinfingerendgliedgroßes
hypotrophes Organ tasten, wobei es sich um einen Zustand nach einer Entzündung als Jugendlicher handelte. Die Prostata zeigte
sich vergrößert (ca. 36 cm³), prominent prallelastisch und nach kranial kaum abgrenzbar. Ihr Gewebe war sonografisch homogen
mit kleinen kalkdichten Einschlüssen. Die Blase war rund, die Blasenwand glatt. Der Blasenhals blieb geschlossen und war deutlich
angehoben bei Verdacht auf Vorliegen einer Prostata-Hyperblasie. Nach der Miktion (Harnlassen) verblieb sonografisch ein Restharn
von ca. 140 ml. Die Harnflusswerte waren erniedrigt; die Harnflusskurve hatte einen deutlich abgeflachten wellenförmigen Verlauf
wie bei Miktion unter geringfügiger Zuhilfenahme der Bauchpresse sowie bei Vorliegen eines subvesikalen Abfluss-Hindernisses.
Nach Dr. R ‘ Beurteilung zeigte sich keine Blasenenthemmung wie bei Störung auf supranucleärer Ebene; er vermutete eine wahrscheinlich
psychogen bedingte Miktionshemmung. Hinweise auf eine neurogen bedingte Blasenentleerungsstörung seien nicht erkennbar. Ursache
der vom Kläger geklagten Blasenentleerungsstörungen sei mit großer Wahrscheinlichkeit die unfallunabhängig bestehende Prostata-Vergrößerung;
der PSA-Wert (prostata-spezifisches Antigen; Tumormarker) sei normal. Zeichen einer unfallbedingten Blasenentleerungsstörung
seien nicht erkennbar.
In der Zeit vom 4. August 2009 bis 11. September 2009 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des Neurotraumatologischen
Zentrums des Ba. Dieses diagnostizierte beim Kläger eine traumatische SAB, eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver
Reaktion, eine Tossy-II-Verletzung links, eine linksseitige Rippenserienfraktur 1-5, eine linksseitige Lungenkontusion und
eine leichte spinale Reizsymptomatik. Ein substanzielles SHT schloss das Ba ebenso aus wie eine spinale Enge auf HWS-Niveau.
Unfallunabhängig seien degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk sowie eine Prostatavergrößerung. Empfohlen werde
eine ambulante psychologische Behandlung aufgrund unfallfremder psychischer Belastungsfaktoren. Wegen der Einzelheiten wird
auf den Entlassungsbericht vom 11. September 2009 sowie auf die neurologischen Befundberichte Bezug genommen, die das Ba anlässlich
späterer Verlaufskontrolluntersuchungen erstellte (Blatt 186 ff., Blatt 308 ff., Blatt 314 ff., Blatt 334 ff., Blatt 375 ff.,
Blatt 409 ff. der Akten der Beklagten).
Zum Unfallzeitpunkt war der Kläger bei der damaligen Berufsgenossenschaft (BG) M unfallversichert. Diese fusionierte am 1.
Januar 2011 mit drei anderen Berufsgenossenschaften zur beklagten BG Holz und Metall.
Zwecks Klärung des Umfangs ihrer Einstandspflicht holte die BGM zahlreiche Behandlungs- und Befundberichte über den Kläger
ein sowie das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N vom 1. Juli 2010 und das neuropsychologische Zusatzgutachten
der Dipl.-Psych. S vom 22. Juni 2010. Der Kläger beklagte bei der Exploration körperliche Beschwerden und Einschränkungen
der geistigen Leistungsfähigkeit, an denen ein Arbeitsversuch zweimal gescheitert sei. Im Vordergrund stünden dabei seine
allgemeine Verlangsamung und die Einschränkung der Merkfähigkeit. Dazu fehle ihm oft der Antrieb, und er müsse auch von seiner
Frau an viele Dinge erinnert werden. Sein Sexualleben sei eingeschränkt mit Erektionsproblemen. Früher sei er nie krank gewesen,
immer pünktlich und pflichtbewusst, jetzt funktioniere das alles nicht mehr. Das Ganze nehme ihn natürlich auch psychisch
mit; die Stimmungslage habe sich deutlich negativ verändert. Als besonders schlimm empfinde er es, dass sich an diesen gespürten
Veränderungen trotz Therapie wenig bewege; er könne nicht optimistisch in die Zukunft schauen.
Dr. N kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger unfallbedingte Beeinträchtigungen vorlägen (leicht bis mittelgradige organisch
bedingte kognitive Leistungsminderung nach SHT mit traumatischer SAB, persistierende sensible Reizerscheinungen an den Beinen
nach unfallbedingter zervikaler Rückenmarkreizung, reaktiv depressive Störung im Rahmen einer verlängerten Anpassungsstörung
bei nicht abgeschlossener Krankheitsverarbeitung, Schulterschmerz nach Schultereckgelenkverletzung Tossy-II links), die zu
einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 40 v. H. ab dem 8. Juni 2010 führten. Eine unfallbedingte
Beeinträchtigung der Blasenfunktion sei ausgeschlossen; die erektile Dysfunktion könne der neuropsychologischen Symptomatik
zugeordnet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gutachten wird auf Blatt 483 ff., Blatt 509 ff. der Akten der Beklagten
Bezug genommen.
Am 21. Juli 2010 stellte sich der Kläger erstmals bei der klinischen Neuropsychologin GNP G vor. Diese untersuchte den Kläger
in den Folgejahren regelmäßig. Wegen der Einzelheiten ihrer Behandlungs- und Befundberichte wird auf Blatt 575 ff., Blatt
659 ff., Blatt 692 f., Blatt 722 ff., Blatt 729 f., Blatt 854 f., Blatt 856 ff., Blatt 917 ff., Blatt 984 f., Blatt 1115 ff.
der Akten der Beklagten sowie Blatt 44 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen. Frau G wies unter anderem darauf hin, dass sich
beim Kläger Leistungsminderungen unter anderem bei den Gedächtnisleistungen und bei der Planung- und Handlungskompetenz zeigten;
wie auch der Kläger wiesen viele Patienten mit einer erektile Dysfunktion Probleme im abstrakten Denken, Planungsstörungen,
Probleme mit der zeitlichen Ordnung und gestörte Entscheidungsfähigkeit auf. Zur antidepressiven Therapie nahm der Kläger
Mirtazapin® bis zur schrittweisen Absetzung ab Mai 2011. Im Dezember 2011 gab der Kläger gegenüber Frau G an, dass er sich
psychisch verändert habe; er nehme sich Geschichten aus dem Fernsehen oder aus der Zeitung sehr zu Herzen und fange leicht
an zu weinen.
Mit Bescheid vom 26. August 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 2. April 2009 eine
Rente als vorläufige Entscheidung nach einer MdE in Höhe von 40 v. H. für die Zeit ab dem 30. September 2010 bis auf weiteres.
Dabei berücksichtigte die Beklagte als Gesundheitsstörungen eine leichte bis mittelgradige organisch bedingte kognitive Leistungsminderung
in der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung sowie bei den räumlich konstruktiven Fähigkeiten und in der Exekutive nach
SHT mit traumatischer SAB, eine reaktiv depressive Störung im Rahmen einer verlängerten Anpassungsstörung bei nicht abgeschlossener
Krankheitsverarbeitung, einen Reizzustand nach Schultereckgelenksverletzung links Typ Tossy II sowie sensible Reizerscheinungen
an den Beinen nach zervikaler Rückenmarkreizung. Als unfallunabhängig lehnte die Beklagte die Anerkennung einer beginnenden
Schultereckgelenksarthrose ("AC-Gelenksarthrose") beidseits sowie eine Blasenentleerungsstörung ab.
Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 24. September 2010 Widerspruch erhoben. Seine Blasenentleerungsstörung sei - trotz
vor dem Unfall bekannter vergrößerter Prostata - Folge des Arbeitsunfalls; Beschwerden beim Wasserlassen habe er seit der
Entfernung des Blasenkatheders, der ihm im W gelegt worden sei. Die bei ihm bestehenden Unfallfolgen rechtfertigten eine MdE
von mindestens 60 v. H.
Daraufhin holte die Beklagte Berichte und Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Ärzte ein sowie das Zusammenhangsgutachten
auf urologischem Fachgebiet von Dr. D vom 14. September 2011, das unfallchirurgische Gutachten von Dr. S vom 2. November 2011,
das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Herrn M vom 20. November 2011, zwei ergänzende Stellungnahmen von Herrn M vom
26. Dezember 2011 und 17. Februar 2012 sowie das weitere Zusammenhangsgutachten auf urologischem Fachgebiet von Dr. D vom
8. März 2012.
Dr. D erklärte zusammenfassend, die Nierenfunktion des Klägers sei unauffällig. Bei der aktuellen Untersuchung habe sich eine
normosensible, normotone, dezent hypokapazitäre Harnblase bei deutlich erhöhtem Miktionsdruck und abgeschwächtem Harnstrahl
wie bei vergrößerter Prostata gezeigt ohne Anhalt für motorische Detrusorhyperaktivität oder für eine neurogene Harnblasenentleerungsstörung
nach SHT und Halsmarkreizung. Im Vergleich zur urologischen Voruntersuchung vom 17. August 2009 im Ba habe sich eine zunehmende
Prostatagröße (45 cm³) bei stabilen Resturinmengen gezeigt. Dr. D diagnostizierte eine obstruktive Prostatavergrößerung und
Erektionsstörung aufgrund Libidoverminderung nach SHT; die Harnblasenentleerungsstörung sei jedoch unfallunabhängig. Die Prostatavergrößerung
habe vermutlich schon vor dem Unfall bestanden; auch ohne Unfall wäre es zu einer zunehmenden Blasenentleerungsstörung gekommen.
Die Sexualfunktionsstörung lasse sich auf die deutliche Libidoverminderung zurückführen und diese wiederum auf die Folgen
des SHT mit SAB. Bei normalen Hormonwerten sei die Libidoverminderung Folge der reaktiv-depressiven Störung im Rahmen einer
verlängerten Anpassungsstörung bei nicht abgeschlossener Krankheitsverarbeitung. Auf urologischem Fachgebiet betrage die MdE
0 v. H.
Dr. S bewertete die MdE aufgrund der beim Kläger noch bestehenden Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet (leichtgradige
Beweglichkeitseinschränkung der linken Schulter in allen Bewegungsebenen, Umfangsminderung des linken Armes mit einhergehender
leichtgradiger Kraftminderung, radiologisch feststellbare Dehiszenz im AC-Gelenk links) mit unter 10 v. H.
Auch Herr M bewertete die Prostatavergrößerung des Klägers mit dadurch bedingter Blasenentleerungsstörung als unfallunabhängige
Erkrankung. Allerdings bestehe praktisch unverändert eine leicht- bis mittelgradige organisch bedingte kognitive Leistungsminderung;
darüber hinaus sei es zu einer Wesensänderung mit Neigung zu depressiven Verstimmungen, vermehrter Reizbarkeit und Affektlabilität
gekommen. Subjektiv werde über schmerzhafte Missempfindungen an den unteren Extremitäten geklagt. Es bestünden eine verminderte
Libido sowie eine Erektionsstörung nach erlittenem SHT. Herr M schätzte die Gesamt-MdE zunächst wegen der Unfallfolgen auf
nervenärztlichem und chirurgischem Fachgebiet auf 40 v. H. ein. Später korrigierte er seine Einschätzung auf unter 10 v. H.
mit der Begründung, er sei offensichtlich der Suggestivwirkung der Diagnosen früherer Untersucher bzw. Gutachter erlegen.
Der Kläger habe bei dem Unfall kein substantielles SHT erlitten; unfallbedingte Hirnsubstanzläsionen seien nicht nachgewiesen.
Aus diesem Grund könnten die im Verlauf sehr unterschiedlichen Ergebnisse in den neuropsychologischen Tests nicht ursächlich
auf den erlittenen Unfall zurückgeführt werden. Zwar sei es beim Kläger infolge des Unfalls zu einer Anpassungsstörung mittlerer
depressiver Reaktion gekommen, allerdings komme diesbezüglich eine MdE nur bis längstens zwei Jahre nach dem Ereignis in Betracht.
Es müsse davon ausgegangen werden, dass es angesichts der immer noch vehement beklagten subjektiven Symptomatik zu einer Verschiebung
der Wesensgrundlage gekommen sei.
Wegen der Einzelheiten der Gutachten und Stellungnahmen wird auf Blatt 812 ff., Blatt 866 ff., Blatt 881 ff., Blatt 903 f.,
Blatt 937 ff. und Blatt 943 ff. der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 28. März 2012 entzog die Beklagte dem Kläger (nach entsprechender Anhörung vom 9. März 2012) die ihm mit
Bescheid vom 26. April 2010 gewährte Rente mit Wirkung ab dem 1. April 2012 und lehnte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte
Zeit ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls bestehe eine leichtgradige Bewegungseinschränkung der Schulter in allen Ebenen und
Kraftminderung des Arms nach Schultereckgelenksverletzung links Typ Tossy II. Dagegen bestehe die zuvor festgestellte leichte
bis mittelgradige organisch bedingte kognitive Leistungsminderung in der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung sowie bei
den räumlich konstruktiven Fähigkeiten nicht mehr; die kognitive Leistungsfähigkeit sei laut der behandelnden Psychologin
G in deren Beurteilung vom 26. Oktober 2011 unbeeinträchtigt. Für die anerkannte reaktive depressive Störung im Rahmen einer
verlängerten Anpassungsstörung liege nach dem Gutachten Herrn M s und dessen ergänzender Stellungnahme vom 17. Februar 2012
eine MdE nicht mehr vor.
Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 4. April 2012 Widerspruch erhoben. Bei Vorliegen widersprüchlicher Angaben der Gutachter
sei die Beklagte gehalten, weitere Ermittlungen in die Wege zu leiten.
Zuvor war beim Kläger bereits am 15. März 2012 eine transurethrale Resektion (TUR) der Prostata vorgenommen worden. Im Verlauf
des postoperativen stationären Aufenthalts des Klägers waren die Restharnmengen deutlich rückläufig. Wegen der Einzelheiten
des Entlassungsberichts des Klinikums I wird auf Blatt 1007 f. der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Auf den Widerspruch des Klägers hin holte die Beklagte das neuropsychologische Zusatzgutachten von Herrn Ma vom 29. Oktober
2012 sowie das neuropsychiatrische (Haupt-) Gutachten von Dr. C vom 12. Oktober 2012 und dessen ergänzende Stellungnahme vom
16. Januar 2013 ein. Dr. C führte dabei zusammenfassend aus, dass eine leicht- bis mittelgradige hirnorganisch bedingte kognitive
Leistungsminderung und Wesensänderung nach SHT mit traumatischer SAB und anzunehmender substantieller Hirnschädigung sowie
eine damit einhergehende Verminderung der Libido als wesentliche Unfallfolgen noch vorlägen, dass hingegen das Unfallgeschehen
nicht wesentlich ursächlich für die degenerativen Veränderungen im Schultergelenk und eine operativ sanierte Prostatavergrößerung
sei; es habe sich kein Anhalt für eine neurogene Blasenentleerungsstörung oder endokrin bedingte Erektionsstörung gefunden.
Die MdE schätzte Dr. C auch zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit (RuZ) auf 40 v. H. ein. Wegen der Einzelheiten
der Gutachten bzw. Stellungnahme wird auf Blatt 1123 ff., Blatt 1144 ff. und Blatt 1161 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen.
Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. W ein. Diese kam nach einer Auswertung der MRT-Befunde
des Klägers aus den Jahren 2009 bis 2012 zu dem Ergebnis, dass eine SAB zwar belegt, ein substantieller Defekt durch eine
Einblutung in das Hirn oder durch eine Schwellung jedoch in den Befunden nicht beschrieben sei. Nachdem die Narbenbildung
im Hirn liege und diese bereits vier Tage nach dem Unfall als solche beschrieben werde, sei von einer vorbestehenden Läsion
auszugehen. Die kleinen beschriebenen Subarachnoidalblutungen sprächen für eine erhebliche Traumatisierung des Kopfes und
könnten als Argumente für eine Hirnschädigung herangezogen werden, es fehle aber an einem dokumentierenden Verletzungskorrelat.
Die bereits am Tage nach dem Unfallereignis als diskret beschriebene rückläufige Blutung spreche gegen eine wesentliche Hirnschädigung.
Nachdem die Beklagte infolge der Stellungnahme Dr. W s eine weitere Begutachtung des Klägers veranlassen wollte, der Kläger
dies jedoch ablehnte, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide vom 26. August 2010 und 28. März mit
Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 zurück. Die Unfallfolgen rechtfertigten eine MdE in rentenberechtigender Höhe nur im
Zeitraum vom 30. September 2010 bis 31. März 2012 und auch nur in Höhe von 40 v. H. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen
hätten beständen in diesem Zeitraum noch die im Bescheid vom 26. August 2010 detailliert beschriebene kognitive Leistungsminderung,
die ebenfalls beschriebene Anpassungsstörung, Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk, eine Kraftminderung des linken
Arms sowie sensible Reizerscheinungen an den Beinen bestanden. Diese Unfallfolgen seien in Übereinstimmung mit den in langjähriger
Entwicklung von der Rechtsprechung und dem unfallversicherungsmedizinischen Schrifttum herausgebildeten Erfahrungswerten und
den gutachterlichen Empfehlungen folgend zutreffend mit einer MdE in Höhe von 40 v. H. bewertet. Mittlerweile seien sowohl
die kognitive Leistungsminderung als auch die Anpassungsstörung abgeklungen; die fortbestehenden Beschwerden im linken Schultergelenk
und linken Arm rechtfertigten mangels Schwere des Verletzungsbefundes keine rentenberechtigende MdE mehr. Entgegen der gutachterlichen
Auffassung seien die Blasenbeschwerden, die gestörte Sexualfunktion und die anhaltenden psychischen Beschwerden nicht mit
der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit rechtlich-wesentlich auf den Arbeitsunfall oder dessen Folgen zurückzuführen
und deshalb auch zu keinem Zeitpunkt bei der MdE-Bewertung zu berücksichtigen. Gegen einen entsprechenden Zusammenhang spreche
insbesondere, dass beim Kläger unfallbedingt kein substantieller Hirnschaden habe festgestellt werden können, der die Beschwerden
erklären könnte.
Dagegen hat der Kläger am 5. Juni 2010 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben. Er gehe wie Dr. C in seinem Gutachten
vom 12. Oktober 2012 und Dr. M in seinem Gutachten vom 20. November 2011 sowie seinem Schreiben vom 26. Dezember 2011 davon
aus, dass bei ihm weiterhin die Voraussetzungen für eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE in Höhe von mindestens
40 v. H. gegeben seien. Bei der Bewertung der MdE sei auch seine Blasenentleerungsstörung als mittelbar unfallbedingt zu berücksichtigen.
Vor dem Unfall habe er weder Schmerzen noch Beschwerden gehabt, auch nicht beim Wasserlassen, und er leide noch heute unter
den Folgen des Unfalls; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sei ihm nicht möglich. Die Auffassung der Beklagten, dass bei
einer Anpassungsstörung maximal zwei Jahre lang von einer Unfallursächlichkeit auszugehen sei, teile er nicht.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 26. August 2010 und 28. März 2012, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16. Mai 2013, aufzuheben und ihm - dem Kläger - für die Zeit ab 30. September 2010 auf Dauer eine Unfallrente nach einer
höheren MdE als 40 v. H. zu bewilligen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt ihrer Verwaltungsvorgänge und auf die Begründung des Widerspruchsbescheids bezogen.
Mangels Zustimmung des Klägers zu einer Begutachtung hinsichtlich des Vorliegens eines substantiellen Hirnschadens sei die
Überprüfung und Entscheidung nach Aktenlage vorgenommen worden. Da ein substantieller Hirndefekt nicht vorgelegen habe bzw.
nicht objektiviert worden sei, könne eine Blasenentleerungsstörung nicht hierauf zurückgeführt werden. Einen Rechtssatz, nach
dem ein Auftreten von Beschwerden zeitlich nach einem Unfallereignis eine unfallbedingte Kausalität begründe, gebe es nicht.
Es seien andere Faktoren aus dem familiären Umfeld des Klägers hinzugetreten, die allein für sich geeignet seien, eine weiterhin
bestehende Depression zu unterhalten, unter anderem eine Veränderung der finanziellen Verhältnisse des Klägers infolge der
Rentenentziehung.
Das Sozialgericht hat Befundberichte des Klinikums I , Urologie (Blatt 38-43 der Gerichtsakte), und der Dipl.-Psychologin
Gudrun G (Blatt 44-47 der Gerichtsakte) eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie
und Psychiatrie, Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Dr. S. In seinem unter dem 26. Juni 2015 gefertigten
schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige zusammenfassend festgehalten, dass beim Kläger die folgenden mit Wahrscheinlichkeit
durch die Ereignisse vom 2. April 2009 verursachten und/oder verschlimmerten Gesundheitsstörungen vorlagen bzw. -liegen: Restbeschwerden
nach Verletzung des linken Schultereckgelenks (Tossy II), seit dem Unfallgeschehen anhaltend; eine vorübergehende Irritation
des Halsmarkes, mittlerweile abgeklungen; eine leichte Einblutung in die weichen Hirnhäute (SAB) mit rascher Rückbildungstendenz
und ohne Beleg einer darüber hinausgehenden strukturellen Hirnschädigung, ohne anhaltende Folgen; eine depressive Störung
im Sinne einer Anpassungsstörung bei erschwerter Krankheitsverarbeitung, mittlerweile abgeklungen. Als Folge der Schulterverletzung
bestünden beim Kläger gelegentliche belastungsabhängige, gut behandelbare Schmerzen im linken Schultergelenk und eine funktionell
nicht relevante Einschränkung bei der Innendrehung des linken Arms. Mittlerweile abgeklungen seien rechtsseitige Kribbelmissempfindungen
bei der Kopfbewegung nach vorn (als Folge der Halsmarkirritation), mögliche vorübergehende hirnorganische Beeinträchtigungen
(als Folge der SAB) sowie Symptome einer depressiven Verstimmung (als Folge der verzögerten Krankheitsverarbeitung). Für den
Zeitraum seit dem 1. April 2012 lägen auf neurologischem Fachgebiet keine nachweisbaren Unfallfolgen mehr vor. Ein Zusammenhang
zwischen einem SHT und einer gutartigen Prostatavergrößerung - die beim Kläger zu einer entsprechenden operativen Korrektur
geführt habe, seit derer der Kläger über anhaltende Blasenentleerungsstörungen klage - könne ausgeschlossen werden; Hinweise
für eine neurogene Blasenentleerungsstörung hätten sich zu keiner Zeit gefunden. Auch der behauptete Kausalzusammenhang zwischen
dem Unfallereignis und der sexuellen Funktionsstörung des Klägers sei problematisch und nicht unmittelbar überzeugend, da
sexuelle Funktionen in vielerlei Hinsicht störanfällig seien; in diesem Zusammenhang sei beispielhaft auf die depressive Symptomatik
des Klägers und dessen problematische partnerschaftliche Beziehung und Trennung durch die Ehefrau hingewiesen. Auch ein Zusammenhang
der aktuellen Kribbelmissempfindungen des Klägers mit dem Unfallereignis sei nicht plausibel; schon der behandelnde Nervenarzt
Dr. F habe diese auf eine Schädigung der langen Nervenbahnen (Polyneuropathie) zurückgeführt. Schließlich könne eine substantielle
Hirnschädigung als Unfallfolge nicht als belegt gelten; die blande SAB belege zwar eine belangvolle Kopfverletzung und lasse
somit auch das Vorliegen einer substantiellen Hirnschädigung erwägen, nachgewiesen worden sei eine solche Schädigung aber
nicht. Im Zusammenhang mit den kognitiven Störungen und der depressiv getönten Anpassungsstörung könne eine Unfallursächlichkeit
nicht mehr angenommen werden; vielmehr sei auf die Persönlichkeitsstruktur des Klägers hinzuweisen. Es sei im Laufe der Zeit
zu einer zunehmenden Verschiebung der Wesensgrundlage der depressiven Verstimmung hin zu der für den Kläger subjektiv nicht
akzeptablen, nicht einmal nachvollziehbaren Entscheidung der Beklagten - der Rentenentziehung - gekommen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 55 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Während sich die Beklagte durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt gesehen hat, ist der Kläger dem Gutachten entgegengetreten
und hat dabei auf die Stellungnahme seiner behandelnden Dipl.-Psychologin G vom 12. Januar 2015 (Blatt 44 ff. der Gerichtsakte)
verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage - nach entsprechender Anhörung der Beteiligten - mit Gerichtsbescheid vom 18. September 2015
abgewiesen. Der angefochtene Entziehungsbescheid sei rechtmäßig. Der vorläufige Rentenbescheid sei rechtswidrig begünstigend
gewesen; der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Das Gericht treffe seine Feststellungen auf
der Grundlage des Gutachtens Dr. S s. Dessen Feststellungen stünden im Einklang mit den Feststellungen aus dem unfallchirurgischen
Gutachten Dr. S s vom 2. November 2011. Der Wegeunfall sei nicht ursächlich für die vom Kläger geklagten ständig kalten Füße
und das gelegentliche Stechen in den Beinen. Die hirnorganischen Funktionen des Klägers seien nicht alltagsrelevant beeinträchtigt.
Die bestätigten kognitiven Leistungseinschränkungen seien nicht auf den Wegeunfall zurückzuführen. Dasselbe gelte für die
depressiv getönte Anpassungsstörung, die Ohrgeräusche, die geltend gemachte Blasenentleerungsstörung sowie den beklagten Libidoverlust
und die Ehescheidung des Klägers. Der Einwand des Klägers, Dr. S vertrete eine andere Auffassung als die Psychologin G , ohne
dies näher zu begründen, sei unzutreffend; Dr. S habe sich mit dem Gutachten Dr. C s - dem sich Frau G angeschlossen habe
- beschäftigt und nicht ohne Grund etwas anderes vertreten.
Der Kläger hat dagegen am 14. Oktober 2015 Berufung eingelegt, mit der er weiterhin begehrt, von der Beklagten auch ab dem
1. April 2012 eine Rente zu erhalten, nach Möglichkeit nach einer MdE in Höhe von zumindest 40 v. H.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, das Sozialgericht sei von falschen Voraussetzungen und unzureichenden
Bewertungen ausgegangen. Hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang bei dem Unfallgeschehen eine substantielle Hirnschädigung
aufgetreten sei, und der Frage, ob und welche Folgeerscheinungen (insbesondere kognitive Störungen und eine Wesensänderung)
hierauf zurückzuführen seien, lägen unterschiedliche Begutachtungsergebnisse vor. Bereits durch seine Schädelverletzung seien
Veränderungen eingetreten, bevor sich eine depressive Verstimmung aufgrund anderer Umstände habe entwickeln können und diese
dann auch Einfluss auf seine Persönlichkeitsstruktur genommen hätten. Später hinzugetretene Umstände (finanzielle Sorgen im
Zusammenhang mit der Ehescheidung und die Ehescheidung selbst) hätten insoweit auf die Entwicklung seit dem Unfallgeschehen
keine Auswirkung genommen haben können. Darüber hinaus habe sich das Sozialgericht auch mit seinem Zustand vor dem Unfallgeschehen
nicht auseinandergesetzt. Soweit das Sozialgericht auf Verhaltensweisen im Rahmen der Begutachtung hinweise, die auf eine
Aggravation seinerseits - des Klägers - hindeuteten, sei dies nicht überzeugend, zumal der Gutachter diesen Umstand nicht
zum Anlass genommen habe, auf eine Neigung zur Aggravation hinzuweisen. Seine Blasenentleerungsstörung stehe nicht im Zusammenhang
mit der operativen Versorgung seiner Prostatavergrößerung, sondern sei darauf zurückzuführen, dass er nach dem Unfallgeschehen
über einen längeren Zeitraum mit einem Blasenkatheter versorgt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. September 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 28. März 2012 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - wegen
der Folgen des Arbeitsunfalls vom 2. April 2009 eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 40 v. H. ab dem 1. April 2012
auf unbestimmte Zeit zu gewähren,
hilfsweise, nach einer MdE in Höhe von 20 v. H.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Die Beschwerden im linken Schultergelenk und Arm des Klägers rechtfertigten
keine MdE im rentenberechtigenden Grade mehr. Der Vermutung, die vorhandene Blasenentleerungsstörung sei unfallbedingt entstanden,
stünden bereits die Einschätzungen der Dres. R vom 17. August 2009 und D vom 14. September 2011 entgegen. Der Annahme des
Klägers, dass durch seine Schädelverletzung unfallbedingte Änderungen entstanden sein könnten, bevor sich eine depressive
Verstimmung aufgrund anderer Umstände habe entwickeln können, stehe entgegen, dass keine substantielle Hirnschädigung vorgelegen
habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten (7 Bände, Blatt 1 bis 1397) Bezug genommen; diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids
vom 16. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat ab dem 1. April 2012 keinen Anspruch
mehr auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 2. April 2009, denn die Beklagte hat mit
dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 2012 den Vomhundertsatz der MdE zu Recht abweichend vom ursprünglichen - vorläufigen
- Bescheid vom 26. April 2010 festgesetzt und darüber hinaus zu Recht entschieden, dass der Kläger ab dem 1. April 2012 keinen
Rentenanspruch auf Dauer hat.
Rechtsgrundlage des Bescheids vom 28. März 2012 ist §
62 Abs.
2 Satz 2
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII). Danach kann bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend
von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit Bescheid vom 26. April 2010, der nicht mehr vom Antrag im Berufungsverfahren umfasst
ist, sondern zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist, hatte die Beklagte die Rente des Klägers gemäß §
62 Abs.
1 Satz 1
SGB VII als vorläufige Entschädigung mit einer MdE in Höhe von 40 v. H. festgesetzt. Mit dem - weiterhin - angefochtenen Bescheid
vom 28. März 2012 setzte sie die Rente nach der vorläufigen Entschädigung erstmalig fest. Infolgedessen war sie formal dazu
berechtigt, dabei den Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festzustellen.
Die Beklagte war aber auch materiell dazu berechtigt, bei ihrer Entscheidung vom 28. März 2012 den Vomhundertsatz der MdE
abweichend von der vorläufigen Entschädigung festzustellen, ebenso wie sie dabei zu Recht entschieden hat, dass der Kläger
ab dem 1. April 2012 keinen Rentenanspruch auf Dauer hat; denn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente
lagen bei dem Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Seine Erwerbsfähigkeit ist seither nicht infolge des Unfallereignisses
vom 2. April 2009 um wenigstens 20 vom Hundert gemindert. Er hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der von ihm geklagten
Gesundheitsstörungen (Blasenentleerungsstörung, erektile Dysfunktion, Libidoverlust) als Unfallfolgen, denn sie sind nicht
rechtlich wesentlich kausal auf den Arbeitsunfall des Klägers zurückzuführen.
Gemäß §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall
hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ein Anspruch auf Feststellung der benannten Gesundheitsstörungen
als Unfallfolgen kann aus §
102 SGB VII folgen. Jeder Versicherte hat das Recht, danach vom zuständigen Unfallversicherungsträger die Feststellung aller Erstschäden
(Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls im Sinne von §
8 Abs.
1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris Rn. 21 m. w. N.).
Versicherungsfälle sind nach §
7 Abs.
1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind gemäß §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Dabei sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges
nach und von dem Ort der Tätigkeit (§
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII - sog. Wegeunfall).
Der Kläger ist zwar Versicherter i. S. d. §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII, denn er war im Zeitpunkt des Ereignisses am 2. April 2009 versichert gegen die Folgen von Arbeitsunfällen (§ 3 Abs. 1 der
Satzung der BGM in der Fassung vom 29. März 2007). Er hat auch einen - durch den Bescheid vom 26. August 2010 inzident - anerkannten
Wegeunfall erlitten, als er am 2. April 2009 nach Beendigung der Spätschicht auf seinem Heimweg einen Auffahrunfall mit dem
PKW erlitt (Versicherungsfall).
Jedoch hat die Beklagte die bei dem Kläger ab dem 1. April 2012 noch bestehenden unfallbedingten Gesundheitsstörungen zu Recht
mit einer MdE in Höhe von unter 20 v. H. bewertet. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen bestehen bei dem Kläger
seither nur noch unfallchirurgische Restbeschwerden im Sinne von gelegentlichen belastungsabhängigen, gut behandelbaren Schmerzen
im linken Schultergelenk und einer funktionell nicht relevanten Einschränkung bei der Innendrehung des linken Arms. Diese
Feststellungen trifft der Senat auf der Grundlage des unfallchirurgischen Gutachtens Dr. S s vom 2. November 2011 und des
neurologisch-psychiatrischem Gutachten Dr. S s vom 26. Juni 2015, deren überzeugende Ausführungen sich der Senat vollständig
zu Eigen macht.
Die vom Kläger geklagten weiteren Gesundheitsstörungen (Blasenentleerungsstörung, erektile Dysfunktion, Libidoverlust) sind
hingegen weder unmittelbare (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII) noch mittelbare (§
11 SGB VII) Folgen des Versicherungsfalls.
Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer
oder sachlicher Zusammenhang), die zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis
- geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv
und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; st. Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R - juris Rn. 12 m. w. N.). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende
Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (st. Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 2 U 25/12 R - juris Rn. 28).
Während die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden"
erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R - juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 - juris Rn. 24 f.), genügt für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden)
Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit. Die für die Beurteilung
des ursächlichen Zusammenhangs maßgebliche Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen
Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolgs, das nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen
Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen
solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird,
und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 13). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die
Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.
Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche
oder seelische Störung hervorzurufen. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen
hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 - juris Rn. 25).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich
war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder
"annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende
Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben).
Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder
sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die
zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit
als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen
als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung
mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die
Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer,
in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis etwa
zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 - juris m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R -, BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 22 - juris m. w. N.).
Zur Überzeugung des Senats sind jedoch die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Blasenentleerungsstörung, erektile
Dysfunktion, Libidoverlust) nicht als Unfallfolgen anzuerkennen, weil sie nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch
den Arbeitsunfall vom 2. April 2009 im Sinne der Lehre von der wesentlichen Bedingung rechtlich wesentlich verursacht worden
sind. Dabei kann eine randscharfe Trennung zwischen Gesundheitserstschäden und Sekundärschäden unterbleiben, weil die begrifflichen
Unterscheidungen zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität keine unterschiedlichen Rechtsfolgen haben.
Die Wertmaßstäbe sind dieselben, ebenfalls die Beweisanforderungen (Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 1. Dezember 2017, §
8 SGB VII Rn, 7a ff.).
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids,
denen das Berufungsgericht folgt, wird daher gemäß §
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen. Der Senat macht sich überdies die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S in dessen Gutachten
vom 23. Juni 2015 vollständig zu Eigen. Dieser hat den Kläger am 3. Juni 2015 persönlich untersucht und bei der Abfassung
seines Gutachtens die aktenkundigen Gutachten, Befundberichte und sonstigen medizinischen Unterlagen über den Kläger erkennbar
sorgfältig ausgewertet.
In der Untersuchungssituation gab der Kläger gegenüber Dr. S einen diffusen Druckschmerz im oberen Bereich des linken Schulterblatts
an. Bei seitengleich freier Beweglichkeit der Schultergelenke bestand links eine endgradig eingeschränkte Innenrotation. Dem
Kläger gelang der Scheitel- und Nackengriff beidseits problemlos, der Schürzengriff links nicht ganz vollständig; dabei vollführte
der Kläger mit fast gestrecktem Arm eigentümlich wischende Bewegungen mit der flachen linken Hand. Beim Be- und Entkleiden
im Rahmen der körperlichen Untersuchung setzte der Kläger beide Arme seitengleich kräftig ohne Trick- oder Ausweichbewegungen
ein; dabei zeigten sich keine Hinweise auf Einschränkungen der Feinmotorik. Der Armhalteversuch gab keinen Anhaltspunkt für
latente Paresen. Nach eigenen Angaben bemerkte der Kläger eine Bewegungseinschränkung in der Schulter nicht mehr, nur bei
einer Aufwärtsbewegung des Armes komme es ab einer bestimmten Höhe zu Schmerzen; die drei- bis viermal wöchentlich auftretenden
belastungsabhängigen linksseitigen Schulterschmerzen sprächen auf ein Schmerzmittel gut an. Bei dieser Befundlage überzeugt
die Einschätzung Dr. S s, die sich auch mit den Ergebnissen der Vorgutachter deckt, dass ein Zustand nach Schultereckgelenksverletzung
vom Typ Tossy II vorliege, wobei aktuell lediglich eine Einschränkung der Innenrotation ohne funktionelle Relevanz nachweisbar
sei. Diese Gesundheitsstörung auf unfallchirurgischen Fachgebiet ist mit einer MdE in Höhe von 10 v. H. zu bewerten.
Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob die von Dr. S beschriebenen Wischbewegungen des Klägers mit der flachen linken
Hand - wie es das Sozialgericht gesehen hat und vom Kläger in Abrede gestellt wird - Anhaltspunkte für eine Aggravation sind
oder nicht.
Die vom Kläger beklagten ständig kalten Füße und das gelegentliche, vor allem nächtliches Stechen in den Beinen sind nicht
kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen. Unmittelbar nach diesem gab der Kläger Kribbelmissempfindungen der rechten Körperhälfte
beim Vorwärtsneigen des Kopfes an. Diese wurden auf eine Irritation des Halsmarks zurückgeführt, klangen aber schon während
der ersten stationären Behandlung im H vollständig ab. Mittlerweile ist es zu einem Symptomwandel gekommen. Die aktuelle Symptomatik
ist, wie bereits der Nervenarzt Dr. F erläutert hat, auf eine Schädigung der langen Nervenbahnen (Polyneuropathie) zurückzuführen.
Diese wiederum steht in keinem rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis. Die vom Kläger beim Unfall
erlittenen Verletzungen (Thoraxtrauma mit Rippenserienfraktur 1-5 links, Distorsion der HWS und der BWS, Prellung der linken
Schulter, SHT mit minimaler SAB, Lungenkontusion links) sind unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet, eine Polyneuropathie
auszulösen oder zu verstärken.
Die hirnorganischen Funktionen des Klägers sind nicht alltagsrelevant eingeschränkt; das hat der Sachverständige Dr. S sorgfältig
und überzeugend begründet. Der Kläger habe zwar Konzentrations- und Gedächtnisstörungen beklagt und habe in Dr. S s Untersuchungsbefund
auch im Denken etwas zäh und haftend im Gedankengang gewirkt, im Gespräch über die Intention dieses Rechtsstreits auch erheblich
eingeengt, kurzzeitig auch gereizt. Eine kognitive Leistungseinschränkung wurde - worauf Dr. S zutreffend hinweist - in diversen
neuropsychologische Untersuchungen bestätigt. Jedoch belegen die umfangreichen Unterlagen aus der Zeit unmittelbar nach dem
Unfallgeschehen und auch später keine substantielle Hirnschädigung als Unfallfolge, sodass auch die bestätigte kognitive Leistungseinschränkung
des Klägers nicht auf den erlittenen Wegeunfall zurückzuführen ist. Die seitens des W beim Kläger nach dem Unfall diagnostizierte
minimale SAB belegt zwar eine belangvolle Kopfverletzung, jedoch keine substantielle Hirnschädigung. Zwar wurden beim Kläger
im Rahmen computertomografischer Untersuchungen am 3. April 2009 und einer kernspintomografischen Untersuchung am 6. April
2009 diskrete Blutauflagerungen auf das Gehirn beidseits im Stirnbereich, rechts im Scheitel- und links im Schläfenbereich
nachweisbar, im linken Schläfenlappen auch eine kleine Narbe, hingegen keine strukturellen Hirnverletzungen und keine sicher
nachweisbaren Kontusionsblutungen. Bei einer kernspintomografischen Untersuchung des Kopfes des Klägers war im Sommer 2009
im rechten unteren Kleinhirn ein kleiner Substanzdefekt nachweisbar, der nach Einschätzung des untersuchenden Ba ursächlich
am ehesten auf eine Embolie zurückzuführen ist, weiterhin eine Glianarbe links im Mittelhirn. Die Genese dieser Befunde bleibt
unklar; damit kann das Unfallereignis vom 2. April 2009 nicht als rechtlich wesentlich im Sinne des Unfallversicherungsrechts
angesehen werden.
Daran vermag auch die zusammenfassende Beurteilung des Gutachters Dr. C vom 12. Oktober 2012 nichts zu ändern, nachdem die
Frage offen bleibe, "wie weit diese Befunde nicht doch direkte oder zumindest indirekte Traumafolgen darstellen". Wie ausgeführt,
genügt die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs nicht, um den erforderlichen Kausalzusammenhang einer festgestellten
Gesundheitsstörung mit dem Unfallereignis herzustellen.
Der Senat teilt die Einschätzung der Beratungsärztin Dr. W und macht sich diese zu eigen, dass eine strukturelle Hirnschädigung
nicht bewiesen sei, wenn auch die nachgewiesenen kleinen Subarachnoidalblutungen Argumente für eine solche seien; denn entsprechende
Korrelate wie eine Ödembildung oder eine Einblutung in das Gehirn sind nicht dokumentiert. Bei einer SAB handelt es sich um
eine Blutung im Bereich der Spinnenhaut; dies entspricht nicht einer Blutung in das Gehirn. Lediglich die Narbenbildung -
so zutreffend Dr. W - liege im Hirn, wobei die Läsion bereits vier Tage nach dem Unfall als Narbe beschrieben worden sei,
so dass von einer vorbestehenden Läsion auszugehen sei. Auch spricht, worauf Frau Dr. W zu Recht hinweist, der rasche Rückgang
der als diskret beschriebenen Blutung gegen eine wesentliche Hirnschädigung.
Nicht zuletzt hat Dr. S zutreffend darauf hingewiesen, dass von Seiten der Behandler des Klägers der Zusammenhang zwischen
dem Unfall und den kognitiven Störungen von Beginn an unterstellt worden sei, obwohl eine substantielle Hirnschädigung mehrfach
explizit ausgeschlossen worden sei, und dass auch differenzialdiagnostische Erwägungen nicht erfolgt seien, wobei insbesondere
auf die Bedeutung der depressiven Verstimmung und die beschriebene Persönlichkeitsstruktur des Klägers hinzuweisen sei.
Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger ferner an einer depressiv getönten Anpassungsstörung, die jedoch keine Folge
des Unfallereignisses vom 2. April 2009 ist. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S präsentierte sich der Kläger mürrisch
und missmutig sowie nachvollziehbar unzufrieden mit seiner finanziellen Situation. Auch die den Kläger behandelnde Dipl-Psych.
G hat in ihrer neuropsychologischen Stellungnahme vom 12. Januar 2015 darauf hingewiesen, dass sich der Kläger im Behandlungsverlauf
immer weiter zurückgezogen, soziale Kontakte vermieden und sich fast ausschließlich seinen Büchern gewidmet habe. Sein Antrieb
sei stark vermindert gewesen und das formale Denken sehr eingeengt auf den erlittenen Unfall und die psychosozialen Folgen;
im Kontakt hätten Verzweiflung und der Wunsch nach Alleinsein dominiert. Frau G wies darauf hin, dass der Kläger in psychosozialer
Hinsicht sehr wenig Unterstützung oder Beratung durch seine Ehefrau erhalten habe, von der er im späteren Verlauf geschieden
worden sei. Die zunächst gut rückläufige Anpassungsstörung sei inzwischen wieder stärker zur Geltung gekommen, wobei die Problematik
durch das Einstellen der Rentenzahlung durch die Beklagte massiv verstärkt worden sei. Nach dem Krankenhausaufenthalt habe
sich der Kläger aus der eingenommenen Opferrolle kaum lösen können; der Kläger sei antriebsgemindert und im formalen Denken
auf den erlittenen Unfall und psychosoziale Folgen eingeengt gewesen. Angesichts der Vielzahl der in Betracht kommenden Ursachen
für die depressiv getönte Anpassungsstörung des Klägers kann die erforderliche überragende Bedeutung des Unfallereignisses
nicht angenommen werden. Vielmehr ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass es
im Laufe der Zeit zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage der Verstimmung hin zu der für den Kläger nicht nachvollziehbaren
und nicht akzeptablen Rentenentziehungsentscheidung der Beklagten gekommen ist, die jedoch nicht wesentlich kausal auf das
Unfallereignis zurückzuführen ist.
Die Vorstellung des Klägers, die von ihm beklagte Blasenentleerungsstörung sei auf das Unfallereignis bzw. auf seine Behandlung
nach dem Unfall im W mit einem Harnkatheter zurückzuführen, lässt sich medizinisch nicht belegen. Aus dem Entlassungsbericht
des W s vom 20. April 2009 ergibt sich, dass dort beim Kläger eine Restharnbildung bei Prostatahyperplasie (gutartige Vergrößerung
der Vorsteherdrüse) festgestellt wurde. Angesichts dessen überzeugt die Einschätzung Dr. D aus seinem urologischen Zusammenhangsgutachten
vom 8. März 2012, dass die Blasenentleerungsstörung des Klägers auf eine unfallunabhängige Prostatavergrößerung zurückzuführen
sei. Zu Recht hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen der Prostatavergrößerung und
dem SHT medizinisch ausgeschlossen ist und Hinweise auf einer neurogene Blasenentleerungsstörung nicht bestehen; darauf hatte
auch bereits Dr. D in seinem urologischen Zusammenhangsgutachten vom 14. September 2011 hingewiesen. Zuvor hatte bereits der
Facharzt für Urologie Dr. R in seinem Bericht vom 17. August 2009 die Anlage bedingte Prostatavergrößerung als Ursache der
Blasenentleerungsstörung bezeichnet. Dafür, dass diese darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger nach dem Unfall über einen
längeren Zeitraum mit einem Blasenkatheter versorgt wurde, bestehen demgegenüber keine Anhaltspunkte.
Die Ansicht des Klägers, die von ihm geklagte sexuelle Funktionsstörung bei Libidominderung sei Folge des Unfallereignisses,
überzeugt nicht. Dr. S hat dazu ausgeführt:
"Aus urologischer Sicht wurde eine sexuelle Funktionsstörung bei Libidominderung ursächlich dem Schädelhirntrauma zugeordnet.
( ) Aus sexualtherapeutischer Sicht ist der relativ apodiktisch behauptete kausale Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und der sexuellen Funktionsstörung problematisch und nicht unmittelbar überzeugend. Sexuelle Funktionen sind in vielerlei
Hinsicht störanfällig. In diesem Zusammenhang sei nur beispielhaft auf die bei dem Kläger wiederholt beschriebene depressive
Symptomatik hingewiesen, die ohne Zweifel einen negativen Effekt auf die Libido wie auf die sexuellen Funktionsabläufe haben
kann. Auch die Frage einer problematischen partnerschaftlichen Beziehung, welche letztlich in der Trennung der Ehefrau gipfelte,
wurde bisher nicht berücksichtigt. Aus hiesiger Sicht kann der Zusammenhang zwischen der berichteten sexuellen Funktionsstörung
und dem Unfallereignis deshalb nicht als belegt gelten."
Der Senat teilt diese Einschätzung und macht sie sich vollumfänglich zu Eigen.
Die ursprüngliche Einschätzung Herrn M s, dass sowohl die erektile Dysfunktion des Klägers als auch dessen Libidostörung auf
das erlittene SHT zurückzuführen ist, überzeugt hingegen nicht. Dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten Herrn M s vom 20.
November 2011 lässt sich keine eigene Befunderhebung entnehmen, die eine derartige Schlussfolgerung stützen könnte; Herrn
M greift vielmehr auf die vorangegangene Zusammenhangsbewertung durch Dr. D vom 14. September 2011 zurück. Dabei lässt Herr
M s Schlussfolgerung jede Auseinandersetzung damit vermissen, dass der Kläger zur antidepressiven Therapie über Jahre bis
zur schrittweisen Absetzung ab Mai 2011 das Medikament Mirtazapin® einnahm, dass er Versagensgefühle entwickelt hatte und
seine Ehe negativ verlief. Letztlich hat sich Herr M in seiner nervenärztlichen Stellungnahme vom 17. Februar 2012 dahingehend
korrigiert, dass der Kläger bei seinem Unfall kein substanzielles SHT im engeren Sinne erlitten habe, und hat seine frühere
Einschätzung auch hinsichtlich der seitens des Klägers beklagten erektile Dysfunktion korrigiert und diese als nicht mehr
auf ein diffus-axonales Hirn-Trauma zurückführbar bezeichnet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision nach §
160 Abs.
1 SGG gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG durch den Senat zuzulassen, liegen nicht vor.