Anspruch auf Sozialhilfe; Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Familienpflege als Ausgleich des Bedarfs an Vollzeitpflege
oder Beaufsichtigung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Familienpflege.
Der am --. ---- 1984 geborene Kläger ist seit der Geburt aufgrund pränataler Schädigung wegen Alkoholkonsums der Mutter schwer
mehrfachbehindert. Er ist beidseitig fast blind und geistig und seelisch behindert. Er zeigt massive Verhaltensauffälligkeiten
und autistische Züge. Bei ihm liegt eine Selbstverletzungstendenz vor.
Seit dem 11. März 1985 lebt der Kläger in der Pflegefamilie W-B_____________/B____ in K______, die darüber hinaus neben einer
Adoptivtochter drei weitere behinderte junge Menschen aufgenommen hat. Die Eheleute W-B_____________/B____ wurden am 17. Juni
2002 vom Amtsgericht K______ zu Betreuern des Klägers bestellt. Zwischenzeitlich ist der Pflegevater, Herr B_____, verstorben,
so dass nunmehr Frau W-B_____________ die Betreuung alleine vornimmt. Bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres erhielt der
Kläger Jugendhilfeleistungen nach § 41 i.V.m. § 33 Sozialgesetzbuch, Achtes Buch (SGB VIII). Auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres lebt er weiterhin in seiner Pflegefamilie. Seit September 2004 arbeitet er in
den "S---------- Werkstätten". Diese Maßnahme wird von der Bundesagentur für Arbeit gefördert.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2004, eingegangen bei der Stadt K______ am 14. Dezember 2004, beantragte die Betreuerin des
Klägers Familienpflege für die Zeit nach dem 21. Geburtstag, mithin ab 10. März 2005, zu gewähren, um den Verbleib des Klägers
in der Pflegefamilie auf Dauer zu gewährleisten. Am 24. März 2005 reichte die Betreuerin des Klägers ein entsprechendes Antragsformular
ein.
Mit Bescheid vom 13. April 2005 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme der Betreuung wegen fehlender Mitwirkung
des Antragstellers bzw. dessen Vertreterin ab. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren wurde die Möglichkeit
eröffnet, die fehlende Mitwirkung, insbesondere die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung, nachzuholen. Diese fand am
22. Juni 2005 statt.
Am 23. Juni 2005 gab der Fachdienst Gesundheit des Beklagten eine Stellungnahme zu Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach
dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), ab. Danach wurde die Betreuung bei den Pflegeeltern für ausreichend erachtet
und eine vollstationäre Unterbringung für nicht erforderlich gehalten. Im Einzelnen heißt es darin zur beantragten Maßnahme,
deren Zielen und Umfang: "Herr S______ braucht aufgrund o.g. Verhaltensproblematiken dauerhaft intensive Betreuung und Förderung,
z.T. sogar Einzelbetreuung. Eine Wohnheimunterbringung ist unter diesen Bedingungen nur in einer kleinen Einrichtung mit besonderem
Betreuungsschlüssel möglich. Er selbst möchte nicht in einem Heim wohnen, sondern bei seinen Pflegeeltern, die für ihn seine
Eltern sind. Die Betreuung dort ist zugewandt, sehr auf ihn abgestellt und umfassend. Der Wechsel in ein Heim wäre für ihn
ein Abbruch der vertrauten Beziehungen und würde nach unserer Einschätzung mit großer Sicherheit zu einer Verschlechterung
seiner Befindlichkeit und Symptome führen."
Die Betreuerin des Klägers spezifizierte in der Folgezeit die Höhe der für die Familienpflege begehrten Leistungen. Diese
müssten sich der Höhe nach an den bislang nach dem SGB VIII bewilligten Leistungen ausrichten. Im Einzelnen beantragte sie folgende Leistungen: 526,27 EUR als Hilfe zum Lebensunterhalt
(276,00 EUR Regelbedarf plus 46,92 EUR Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit plus 220,00 EUR Kosten der Unterkunft abzüglich
16,65 EUR Einkünfte) zuzüglich 350,00 EUR Betreuungsleistungen der Pflegeeltern plus 318,93 EUR zur Finanzierung einer zusätzlichen
Betreuungsperson für die Betreuung des Klägers während Abwesenheitszeiten der Pflegeeltern (wöchentlich acht Stunden à 9,20
EUR), mithin insgesamt 1.195,20 EUR monatlich. Ferner begehrte sie die Übernahme der Kosten für die Unterbringung des Klägers
in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung oder der Betreuungskosten in ihrem - der Pflegeeltern - Haushalt während ihrer Wochenendurlaube.
Ihnen stünden sechs freie Wochenenden pro Jahr zu. Die Kosten beliefen sich auf 441,60 EUR (zwei Tage = 48 Stunden à 9,20
EUR pro Wochenende). Ferner beanspruchte sie die Erstattung von Fahrtkosten für angemessene Fahrten mit dem Kläger zum Zweck
der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zu ärztlichen und therapeutischen Behandlungen in Höhe von 0,30 EUR pro Kilometer
und schließlich die Finanzierung von therapeutischem Beschäftigungsmaterial.
Am 15. August 2005 fand eine Hilfeplankonferenz statt und am 19. August 2005 ein weiteres Gespräch der Betreuer des Klägers
mit Mitarbeitern des Beklagten aus dem Bereich des Fachdienstes für Eingliederungshilfe.
Der Beklagte führte weitere Ermittlungen durch und trug Informationen darüber zusammen, wie in anderen Bundesländern Vollzeitpflege
erwachsener behinderter Menschen organisiert wird.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 erklärte der Beklagte sich bereit, die Kosten der Betreuung des Klägers in der Familie
W-B_____________ ab dem 10. März bis zunächst 31. Dezember 2006 im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 SGB
XII in Verbindung mit §
55 Abs.
2 Nr.
6 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (
SGB IX), zu übernehmen. Die Gewährung ab 1. Januar 2006 erfolgte unter der Bedingung, dass innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten
nach Bekanntgabe des Bescheides der Abschluss einer Einzelfallvereinbarung gemäß § 75 Abs. 4 SGB XII in Verbindung mit § 76
SGB XII erfolge. Ferner wurde eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 350,00 EUR bewilligt. Es handele sich um eine
pauschalierte Aufwandsentschädigung, die die vollumfängliche Betreuung während des gesamten Tages umfasse. Dabei sei die familiäre
Situation mit insgesamt fünf zu betreuenden Personen berücksichtigt worden sowie, dass ein Teil des Betreuungsbedarfs während
des Besuchs der Werkstatt für behinderte Menschen gedeckt sei. Ein weiterer Bedarf, um kurzzeitige Abwesenheitszeiten der
Pflegeeltern zu kompensieren, bestehe nicht. Dieser sei entweder anteilig von der Aufwandsentschädigung, dem Pflegegeld oder
dem Regelsatz der Grundsicherungsleistungen zu decken. Bei längeren Abwesenheitszeiten bleibe die Möglichkeit, einen gesonderten
Antrag auf Verhinderungspflege zu stellen. Die Übernahme von 50,00 EUR an Fahrtkosten komme nicht in Betracht, weil Fahrten
zu Ärzten und Therapien durch die Krankenkasse zu erbringen seien. Fahrten zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse seien
mit dem Regelsatz der Grundsicherung abgegolten. Dem Kläger stehe frei, jederzeit gesonderte Anträge auf Kostenübernahme für
einzelne Therapiemittel zu stellen, eine pauschalierte Kostenübernahme hingegen komme nicht in Betracht. Die Kosten des Regelbedarfs
und der Unterkunft würden zuständigkeitshalber im Rahmen der Grundsicherung durch die Stadt K______ gedeckt, so dass diesbezüglich
keine weitergehenden Leistungen in Betracht kämen.
Der Kläger hat dagegen am 30. Januar 2006 Widerspruch mit der Begründung erhoben, er habe eine soziale Eingliederungshilfe
und kein Persönliches Budget beantragt. Ein solches sei ihm jedoch mit dem angegriffenen Bescheid gewährt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der
Kläger unstreitig zum Personenkreis gehöre, dem nach Beendigung der Jugendhilfemaßnahme Eingliederungshilfe dem Grunde nach
zu gewähren sei. Ein Anspruch über die in Höhe von 350,00 EUR pro Monat bewilligte Aufwandsentschädigung bestehe jedoch nicht.
Die zu gewährenden Eingliederungshilfeleistungen richteten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach
Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe
zum Lebensunterhalt. Die beantragte Familienpflege sei nicht ausdrücklich vom Gesetz vorgesehen. Es bestehe aber Einigkeit
darüber, dass sie im Einzelfall als eine geeignete und angemessene Form der Eingliederungshilfe gefördert werden könne. In
Anlehnung an eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie an die Richtlinien des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
sei der bewilligte Betrag angemessen. Eine Kürzung wegen Ersparnis von Aufwendungen während der Tätigkeit in den Werkstätten
für Behinderte und aufgrund der Leistungen der Pflegekasse werde nicht vorgenommen. Selbst bei Abwesenheit der Gastfamilie
werde die Aufwandsentschädigung weiter gezahlt. Anders als die Jugendhilfe bzw. Vollzeitpflege nach dem SGB VIII bezwecke die nunmehr einschlägige Sozialhilfe lediglich die Gewährleistung des Existenzminimums. Der Kläger erhalte neben
der Aufwandsentschädigung Grundsicherungsleistungen des Sozialzentrums K______, das Pflegegeld der Pflegekasse in Höhe von
655,00 EUR, Landesblindengeld in Höhe von 117,50 EUR und Blindenhilfe in Höhe von 262,50 EUR zur Deckung seines Bedarfs zum
Lebensunterhalt und des behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Zudem stehe es seinen Pflegeeltern frei, Kindergeld in Höhe von
154,00 EUR geltend zu machen.
Am 3. April 2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und geltend gemacht, der bewilligte Betrag in Höhe
von 350,00 EUR monatlich reiche nicht aus, seinen - des Klägers - individuellen Bedarf zu decken; dieser Betrag sei zu beanstanden,
weil er nicht einzelfallbezogen ermittelt, sondern lediglich Richtlinien entnommen worden sei. Unter Zugrundelegung seiner
Bedarfsaufstellung ergebe sich im Jahresmittel ein monatlicher Betrag in Höhe von 1.466,00 EUR. Ihm gehe es um die Vergütung
der Pflegeeltern, die mit einer Einrichtung vergleichbar seien. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales
in Berlin halte in ihrem Rundschreiben vom 17. Februar 2009 den Betrag von 959,00 EUR zur Abgeltung der Betreuungsleistungen
für Pflegefamilien in Anlehnung an die derzeit gültigen Ausführungsvorschriften über die Hilfen zur Erziehung in Vollzeitpflege
und teilstationären Familienpflege vom 21. Juni 2004 für angemessen, so dass der bewilligte Betrag zu niedrig sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 20. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006 aufzuheben und den Beklagten
zu verpflichten, ihm, dem Kläger, Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß Antragstellung am 2. Dezember 2004 zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er seine Auffassung aus dem Vorverfahren wiederholt und vertieft.
Das Sozialgericht Schleswig hat die Klage mit Urteil vom 15. Juli 2009 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
ein Anspruch auf höhere als die vom Beklagten in Höhe von 350,00 EUR monatlich gewährten Leistungen bestehe nicht. Es existiere
weder eine gesetzliche Grundlage, noch hätten die Beteiligten sich auf Grundlage einer Einzelfallvereinbarung auf eine höhere
Leistung geeinigt. Da der Beklagte sich auf freiwilliger Grundlage zur Erbringung von Leistungen verpflichtet habe, sei die
gerichtliche Überprüfung der Verwaltungsentscheidung auf die Prüfung beschränkt, ob bei der Ausgestaltung der Leistung ein
nachvollziehbares Konzept zugrunde gelegen habe und bei dessen Umsetzung der Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) gewahrt werde. Dies sei hier der Fall. Der Beklagte habe sich in nicht zu beanstandender Weise an die Verwaltungspraxis
in anderen Bundesländern angelehnt. Einen Anspruch darauf, dass wie in Berlin verfahren werde, habe der Kläger nicht. Eine
Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könne nur geltend gemacht werden, wenn eine Ungleichbehandlung durch denselben Hoheitsträger
vorliege. Das sei hier nicht der Fall.
Gegen das am 25. August 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. September 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung
vorgetragen, in der Entscheidung des Sozialgerichts werde unterstellt, dass die Pflegefamilie die Leistungen, die er, der
Kläger, neben dem Bedarf für das tägliche Leben habe, kostenlos erbringen müsste. Ferner habe sich das Gericht nicht mit der
Frage der Familienpflege von behinderten Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, auseinandergesetzt. Auch sei es
unbeeindruckt von der politischen Entscheidung geblieben, die das Land Berlin im Rahmen der Senatsverwaltung für die Familienpflege
bezüglich der Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten aufgestellt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 15. Juli 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 20. Dezember 2005
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006 dahingehend zu ändern, ihm - dem Kläger - weitere Leistungen für
die Finanzierung der Betreuungsperson für die Abwesenheit, Fahrtkosten und Therapiemittel pauschal sowie für die Unterbringung
in Kurzzeitpflege sowie Wochenendbetreuung alle zwei Monate gemäß Antragsschreiben vom 10. Dezember 2004 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die im Rahmen der Eingliederungshilfe bewilligte Familienpflege für ausreichend bemessen. Er vertritt die Auffassung,
dass bei der Verfahrensweise der Berliner Senatsverwaltung nicht ausreichend berücksichtigt werde, wenn andere Leistungen
zur Sicherstellung einer Betreuung des Leistungsbeziehers erbracht würden, wie etwa hier durch Gewährung von Blindengeld und
Pflegegeld von der Pflegeversicherung.
Mit Beschluss vom 21. Januar 2010 hat der Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin E-B_____________,
P_____, beigeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 20. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen der Eingliederungshilfe in der von ihm mit Antragsschreiben vom 10.
Dezember 2004 begehrten Form, weil sein sozialhilferechtlich maßgeblicher Bedarf - sowohl hinsichtlich des Lebensunterhalts
als auch des Eingliederungshilfebedarfs - im streitgegenständlichen Zeitraum vom 10. März 2005 bis 31. Dezember 2006 bereits
gedeckt war. Der Kläger, der an seinem 21. Geburtstag, dem --. ---- 2005, dem Anwendungsbereich des § 41 in Verbindung mit § 33 SGB VIII, mithin der Vollzeitpflege für junge Volljährige, "entwachsen" war, hat nun Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII, und
zwar neben dem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel. Gemäß
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches
wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach
Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist. Unstreitig gehört der Kläger zu diesem Personenkreis und damit zum anspruchsberechtigten Personenkreis
nach § 53 Abs. 1 SGB XII. Absatz 3 dieser Vorschrift normiert, dass besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist, eine drohende
Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen
in die Gesellschaft einzugliedern. Der Leistungskatalog der Sozialhilfe für Leistungen der Eingliederungshilfe ist in §§ 54
ff. SGB XII geregelt. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verweist auf §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches und zählt daneben in
den Nrn. 1 bis 5 weitere Leistungen auf. Familienpflege von behinderten Menschen ist darin nicht ausdrücklich genannt. Die
vom Kläger begehrten Betreuungsleistungen sind dennoch der Sache nach Eingliederungshilfeleistungen, weil sie vergleichbar
sind mit den in §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX vorgesehenen Leistungen im Sinne von Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Hinsichtlich des Umfangs
der Betreuung ist die begehrte Leistung darüber hinaus vergleichbar mit der Gewährung von Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse
und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der
Gemeinschaft zu ermöglichen (§
55 Abs.
2 Nr.
3 SGB IX).
Der Beklagte hat sich vor dem Hintergrund der Gewährleistung einer einzelfallbezogenen Betreuungsmöglichkeit des Klägers entschieden,
ohne dass er - der Beklagte - durch Gesetz dazu verpflichtet gewesen wäre, 350,00 EUR monatlich an Aufwandsentschädigung als
freiwillige Leistung zu zahlen. Demnach kann unterstellt werden, dass der Beklagte davon ausgeht, dass die Familienpflege
des Klägers grundsätzlich geeignet ist, dem Zweck der Eingliederungshilfe - trotz der Schwere der Behinderung des Klägers
-, ein selbstbestimmtes Leben des Klägers innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen, zu dienen (vgl. § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB
XII). Eine Anspruchsgrundlage für einen höheren Leistungsanspruch ist jedoch nicht gegeben. Insbesondere haben die Beteiligten
keine Leistungsvereinbarung im Sinne von § 75 Abs. 3 SGB XII bzw. Einzelfallvereinbarung im Sinne von § 75 Abs. 4 i.V.m. §
76 SGB XII geschlossen, aus der sich eine höhere Vergütung der Betreuerin des Klägers ergeben könnte.
Aus Art.
3 Abs.
1 GG kann der Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf eine über 350,00 EUR hinausgehende Leistung ableiten, da nicht bekannt und
auch nicht vorgetragen worden ist, dass der Beklagte in anderen - vergleichbaren - Fällen höhere Leistungen erbracht hätte.
Vielmehr beruft der Beklagte sich darauf, in ähnlicher Weise zu verfahren wie andere Länder. Er bezieht sich insbesondere
auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) vom 13. April 2005 - 12 B 01.2064 - (zitiert nach Juris).
Danach werden 350,00 EUR als Aufwandsentschädigung für den Betreuungsaufwand der Gastfamilie bei einem ähnlichen Sachverhalt
für angemessen angesehen. Im dortigen wie im vorliegenden Fall werden darüber hinaus laufende Leistungen für die Unterkunft
in der Gastfamilie und zum Lebensunterhalt gewährt.
Zudem hat der Beklagte die Richtlinien des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe für die Familienpflege erwachsener behinderter
Menschen in der Fassung vom 20. April 2005 bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Im Ergebnis ist der vom Beklagten pauschal
gezahlte Betrag höher als der nach der Richtlinie zustehende. Danach wäre neben der Hilfe zum Lebensunterhalt eine Entschädigung
für Betreuungsaufwand in Höhe von 175 % des Pflegegeldes nach §
37 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1 SGB XI vorgesehen (vgl. Nr.
6.2.1b der Richtlinie). Der auf dieser Grundlage berechnete Betrag beläuft sich auf 358,75 EUR. Allerdings sieht die Richtlinie
in Nr. 6.4.1 vor, dass der Betrag um 25 % des Pflegegeldes gemäß §
37 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1 SGB XI gekürzt wird, wenn die Klientin oder der Klient Geldleistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz erhält. Auch bei regelmäßiger
Beschäftigung außerhalb der Familie, z. B. in der Werkstatt für behinderte Menschen, wird das Betreuungsgeld entsprechend
gekürzt (vgl. Nr. 6.2.1 der Richtlinie). Obwohl der Kläger in einer Behindertenwerkstatt arbeitet und Einkommen erzielt und
außerdem Pflegeleistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz erhält, nimmt der Beklagte keine Kürzung des monatlich gewährten
Betrages von 350,00 EUR vor.
Dieser Betrag entspricht auch dem, der in anderen Zuständigkeitsbereichen in Schleswig-Holstein in vergleichbaren Fällen bewilligt
wird. Nach Mitteilung des Beklagten zahle der Kreis Nordfriesland eine Pauschale von 350,00 EUR monatlich, die von der Stadt
Flensburg gewährte Leistung liege geringfügig über diesem Satz.
Der Kläger kann hingegen nicht für sich beanspruchen, dass das Rundschreiben I Nr. 2/2009 vom 17. Februar 2009 der Senatsverwaltung
für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin, und insbesondere die dortige Nr. 7, für ihn zur Anwendung kommt. Danach
beträgt bei der Unterbringung des behinderten Menschen in Familienpflege die Abgeltung der Betreuungsleistung für die Betreuungsperson/Pflegefamilie
monatlich 959,00 EUR. Da der Beklagte auch in anderen Fällen dieses Rundschreiben nicht angewandt hat, kann der Kläger insoweit
keinen Anspruch auf Gleichbehandlung geltend machen. Darüber hinaus trägt die Berliner Senatsverwaltung mit ihrem Rundschreiben
den Fällen, in denen außer der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII weitere Sozialleistungen bezogen werden, deren Sinn und
Zweck zumindest auch die Sicherstellung einer Betreuung des Leistungsbeziehers sind, nicht ausreichend Rechnung. Der Kläger
bezieht weitere Sozialleistungen mit dieser Zielrichtung, nämlich Blindenhilfe und Pflegegeld von der Pflegeversicherung.
Im Einzelnen stehen ihm zur Verfügung: 468,83 EUR Grundsicherungsleistung, Blindenhilfe in Höhe von 336,46 EUR, Pflegegeld
von der Pflegekasse in Höhe von 655,00 EUR und Landesblindengeld in Höhe von 62,50 EUR, mithin insgesamt 1.522,79 EUR monatlich.
Nicht bekannt ist, ob die Betreuerin für den Kläger mittlerweile Kindergeld beantragt hat. Schließlich verfügt der Kläger
über Einkommen in Höhe von 120,00 EUR monatlich aus seiner Tätigkeit in den S---------- Werkstätten.
Im Übrigen steht es der Betreuerin des Klägers frei - wie vom Beklagten in den angefochtenen Bescheiden aufgezeigt -, in Fällen
ihrer Abwesenheit Verhinderungspflege zu beantragen und sich im Einzelfall nachgewiesene weitere Kosten erstatten zu lassen.
Über Eingliederungshilfe in Form der Familienpflege oder des ambulant betreuten Wohnens kann grundsätzlich nicht der Bedarf
an Vollzeitpflege oder Beaufsichtigung ausgeglichen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 19. Januar 2010 - L 9 B 516/09 SO ER). Dass die für den Kläger insgesamt gewährten Sozialleistungen ihrer Höhe nach hinter den bisher im Rahmen der Vollzeitpflege
nach § 41 i.V.m. § 33 SGB VIII ausgezahlten Beträgen zurückbleiben, ist folgerichtig. Denn Leistungen zum Lebensunterhalt und nach § 33 SGB VIII (und Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 39 SGB VIII) haben eine andere Zweckbestimmung als Hilfe zum Lebensunterhalt in der Sozialhilfe. Erstere müssen dem Kind oder Jugendlichen
einen Lebensstandard ermöglichen, der grundsätzlich dem der Pflegefamilie entspricht; insbesondere soll das Pflegegeld auch
in einer Höhe gewährt werden, damit sich Familien bereitfinden, ein Kind in Vollzeitpflege zu nehmen und zu erziehen. Die
Sozialhilfe dagegen sichert das sozio-kulturelle Existenzminimum. Es wäre systemwidrig, wenn der Betreuerin des Klägers, auch
wenn sich an ihrem Aufwand für die Unterbringung und Betreuung des Klägers nach Vollendung des 21. Lebensjahres nichts geändert
hat, Geldleistungen in gleicher Höhe wie zuvor zur Verfügung gestellt würden (so auch BayVGH, aaO., zitiert nach Juris Rn.
24).
Gründe für eine Revisionszulassung nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG durch den Senat liegen nicht vor.