Anspruch auf Kostenübernahme für sog. heilpädagogisches Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII; Abgrenzung zwischen Leistungen der medizinischen und der sozialen Rehabilitation
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Kostenübernahme für das so genannte heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe
nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).
Der Beklagte erhielt am 29. Januar 2009 eine Meldung der Lebenshilfe S________ gGmbH, wonach diese bei der am 23. März 2005
geborenen Klägerin einen heilpädagogischen Förderbedarf festgestellt hatte und eine Betreuung durch die Hausfrühförderung
für erforderlich hielt. Ein entsprechender Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form von
heilpädagogischen Leistungen für Kinder nach den §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit §§
55 Abs.
2 Nr.
2 und
56 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (
SGB IX), der von der Mutter der Klägerin unter dem 26. November 2008 unterzeichnet worden war, war beigefügt. Das daraufhin mit
einem amtsärztlichen Gutachten zur Frage einer Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII beauftragte Gesundheitsamt diagnostizierte aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung der Klägerin am 17. März 2009 durch
Dr. O________ eine "(allgemeine?) Entwicklungsverzögerung", bei der im Vordergrund eine drohende wesentliche geistige Behinderung
stehe. Als Maßnahme werde aus amtsärztlicher Sicht Frühförderung im Kindergarten Sa_________ (K___________) durch die Lebenshilfe
S________ befürwortet. Die Maßnahme solle bis zum 31. Juli 2009 mit maximal zwei Fördereinheiten pro Woche erfolgen. Die Zuordnung
aus ärztlicher Sicht werde nach dem SGB XII vorgenommen, da eine bestehende oder drohende seelische Behinderung nicht zu erkennen sei. Auf dieser Grundlage erließ der
Beklagte am 23. März 2009 einen entsprechenden Bescheid über die Kostenübernahme für die ambulante heilpädagogische Betreuung
der Klägerin.
Einem weiteren Antrag für die Folgezeit gab der Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Gesundheitsamtes vom 9. September
2009, das nunmehr eine Maßnahme bis zum 31. Juli 2010 mit maximal drei Fördereinheiten pro Woche vorschlug und dabei eine
Zuordnung aus ärztlicher Sicht zum Personenkreis gemäß § 53 SGB XII vornahm, weil eine (drohende) seelische Behinderung nicht zu erkennen sei bzw. nicht im Vordergrund der Behinderung stehe,
durch entsprechenden Bescheid vom 15. September 2009 statt.
In dem von der Lebenshilfe S________ gGmbH erstellten Förderplan vom 11. November 2009 waren als Grobziele genannt: Verbesserung
der Grobmotorik, Verbesserung der Reizselektion, Förderung der kognitiven Leistungen, Erweiterung der aktiven und passiven
Sprache sowie Verbesserung der Körperwahrnehmung. Im Entwicklungsbericht vom 18. März 2010 wurden diese Grobziele auch als
zukünftige Förderschwerpunkte benannt.
Nachdem die Eltern der Klägerin am 16. Juli 2010 einen Änderungsantrag auf Gewährung einer Einzelintegrationsmaßnahme gestellt
hatten, führte Dr. O________ in seinem Gutachten vom 21. Juli 2010 für das Gesundheitsamt aus, bei der nicht nur vorübergehenden
Behinderung stehe eine drohende wesentliche geistige Behinderung im Vordergrund. Eine heilpädagogische Förderung sei weiterhin
erforderlich. Als Maßnahme werde aus amtsärztlicher Sicht eine solche im Kindergarten befürwortet, und zwar in einem Umfang
von drei Fördereinheiten pro Woche. Die Förderstunden pro Woche sollten möglichst auf zwei Tage verteilt werden. Die Maßnahme
solle längstens bis zum 31. Juli 2011 dauern; danach beginne die Schulbesuchspflicht. Eine (drohende) seelische Behinderung
sei nicht zu erkennen bzw. stehe nicht im Vordergrund der Behinderung. Auf dieser Grundlage gewährte der Beklagte der Klägerin
mit Bescheid vom 22. Juli 2010 Eingliederungshilfe für die ambulante heilpädagogische Betreuung im Kindergarten Sa_________
in K___________ durch die Lebenshilfe S________ gGmbH. Dem dagegen eingelegten Widerspruch gab der Beklagte mit Bescheid vom
24. August 2010 statt und erklärte sich bereit, die Kosten der Betreuung einer Einzelintegrationsmaßnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe
nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §
55 Abs.
2 Nr.
2 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (
SGB IX) ab dem 1. August 2010 bis längstens zum 31. Juli 2011 zu übernehmen.
Im Schulempfehlungsbericht der Lebenshilfe S________ gGmbH vom 29. November 2010 hieß es, aufgrund der derzeitigen Entwicklung
seien bei der Klägerin Schwierigkeiten beim Durchhalten der 45-minütigen Schulstunde sowie beim Verfolgen des Unterrichts
zu erwarten. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin eine sonderpädagogische Unterstützung im Schulalltag benötige (im
Bereich der Konzentration, Ausdauer, Sprache und Motorik). Außerdem werde eine Förderung in Form von Ergotherapie für unbedingt
erforderlich gehalten.
Die Eltern der Klägerin stellten am 10. Juni 2011 für diese beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Teilnahme
an einer Reittherapie (Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren) bei der Reittherapeutin Ka___ Sb__ in P_________. Sie reichten
eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Eltern und Frau Ka___ Sb__ vom 7. Juni 2011 ein, wonach die Kosten für eine
Therapieeinheit 62,80 EUR betrügen. Die Therapie umfasse Therapieeinheiten im Heilpädagogischen Voltigieren/Reiten (HPV/R),
Beratungsgespräche mit den Eltern (Hausbesuche), interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie einen Entwicklungsbericht zum Abschluss-
oder zur Weiterbeantragung nach Ablauf eines Jahres. Die Laufzeit der Reittherapie richte sich nach dem Krankheits- bzw. Störungsbild
des jeweiligen Kindes.
Die Klägerin werde zum Schuljahresbeginn 2011/12 in die 1. Klasse der Grundschule eingeschult. Die Eltern legten dem Antrag
befürwortende Berichte von der Sprachtherapeutin Frau Sc________, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus
Lübeck, Sozialpädiatrisches Zentrum, dem Kinderarzt Dr. B______, der Physiotherapeutischen Praxisgemeinschaft W________ und
R____, dem Verein für Gemeindepflege für K___________ und Umgebung, der Klinik A_______, der Heilpädagogin Frau Kb___ G_____,
der HNO-Ärztin Frau Dr. E________ Kc___ sowie der Praxis für Ergotherapie L____ Ga___ bei.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die Teilnahme an einer Reittherapie
ab. Die Klägerin gehöre zwar zum Personenkreis des § 53 SGB XII, es handele sich hier jedoch um eine medizinische Rehabilitationsleistung i.S.v. §
26 SGB IX. Das HPV/R sei aber kein anerkanntes und verordnungsfähiges Heilmittel nach §
32 SGB V. Im Rahmen der Eingliederungshilfe seien keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen als
in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 22. Juni 2011, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ausführte, bei
ihr bestehe ein breitgefächerter Förderbedarf in pädagogischer und therapeutischer Hinsicht in allen Entwicklungsbereichen.
Ihr Rückstand sei größer als ein Jahr. Die durchlaufenen Fördereinheiten zur Probe bei der Reittherapeutin hätten gezeigt,
was die individuelle und ganzheitliche Förderung für ihre Entwicklung bringe. Sie ermögliche ihr die Teilhabe am Leben in
der Gesellschaft. Die Klägerin beschrieb die Wirkungen sowie die Art der Durchführung der Therapie näher, woraus sich ergebe,
dass das heilpädagogische Reiten keine medizinische Rehabilitationsleistung, sondern eine besondere Form der Eingliederungshilfe
sei, die in den Bereich der Pädagogik gehöre. Bundesweit werde das HPV/R durch Jugend- und Sozialämter in der Regel übernommen.
Die Klägerin reichte eine Broschüre vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten e. V. ein und zitierte daraus; insbesondere
sei die Therapie für Kinder im Vorschulalter geeignet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte näher aus, dass und warum
nach seiner Ansicht das begehrte HPV/R von der Zielsetzung her der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen sei. Er legte dabei
die eingereichten Stellungnahmen von Ärzten und Therapeuten zugrunde und wies auf die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII hin, wonach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation denjenigen der Krankenkassen entsprächen. Es handele sich jedoch
nicht um ein verordnungsfähiges Heilmittel nach §
32 SGB V, da keine Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vorliege. HPV/R sei keine Leistung zur Teilhabe am
Leben in der Gemeinschaft, es habe allenfalls indirekten Einfluss darauf. Die Klägerin könne keinen Rechtsanspruch daraus
herleiten, dass in anderen Kreisen Leistungen gewährt würden; denn es handele sich um eine Einzelfallentscheidung.
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage gewandt und zur Begründung
ausgeführt, sie habe einen Anspruch auf eine wöchentliche Therapieeinheit des HPV/R. Ziel sei die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung
und eine größtmögliche gesellschaftliche Integration durch die Stärkung der sozialen Kompetenzen sowie eine Motivationssteigerung.
Diese Ziele lägen vorrangig im Bereich der sozialen Rehabilitation, der Schwerpunkt liege bei der Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft. Die Entwicklung der drohenden seelischen Behinderung könne durch das HPV/R verlangsamt werden. Die bisherigen
Therapieformen seien nicht ausreichend gewesen. Aufgrund der bisher durchgeführten Therapieeinheiten sei ihre Kommunikationsfähigkeit
- die der Klägerin - gestiegen ebenso wie ihr Selbstvertrauen und die Konzentrationsfähigkeit. Auch ihre Rechenkünste und
das Sprachvermögen seien verbessert worden.
Die Klägerin hat zum Beleg dessen Stellungnahmen zum Entwicklungsstand von der Reittherapeutin Ka___ Sb__ vom 12. August 2012
sowie 11. Januar 2013 eingereicht. Außerdem hat sie einen Bericht vom Sozialpädiatrischen Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
des UKSH, Campus Lübeck, vom 30. Juli 2012 übersandt.
Die Klägerin hat zudem geltend gemacht, die begehrte Leistung sei nunmehr nicht aufgrund der Vorschrift des §
55 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX ausgeschlossen, nach der heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult seien, erbracht würden. Anders
als heute sei sie - die Klägerin - bei der Beantragung der Leistung noch nicht eingeschult gewesen. Dazu verwies sie auch
auf Rechtsprechung von verschiedenen Oberverwaltungsgerichten, nach der §
55 Abs.
2 SGB IX keinen abschließenden Leistungskatalog enthalte.
Ein Anspruch ergebe sich aus § 35a Sozialgesetzbuch, Achtes Buch (SGB VIII), da eine seelische Behinderung drohe bzw. bestehe, jedoch würde bei ihr - der Kläge-
rin - das Jugendhilferecht nicht zur Anwendung kommen, weil eine seelische Behinderung derzeit noch nicht vorliege.
Die Klägerin hat eine Bestätigung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e. V. vom 26. Juli 2013 eingereicht,
wonach es sich dabei um eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation handele. Außerdem hat sie zur Frage der Vorrangigkeit der
Sozialhilfe vor der Jugendhilfe ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 19. März 2009 (3 A 63/08) übersandt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011 aufzuheben und
den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für das heilpädagogische Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen,
wobei als Grundlage die bisher seit 7. Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten gelten sollten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen nach den
§§ 53 ff. SGB XII. Bei dem HPV/R handele es sich um medizinische Rehabilitationsleistungen, da der Förderschwerpunkt im Bereich der Wahrnehmung
und der Grobmotorik liege, somit die Herstellung körperlicher Grundfunktionen im Vordergrund stehe. Peripher würden auch die
Feinmotorik, das Lernen, die geistige Entwicklung, das emotionale und soziale Verhalten sowie die Sprachentwicklung beeinflusst.
Leistungen der medizinischen Rehabilitation könnten aufgrund der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII jedoch nicht übernommen werden, da die Leistungsgewährung nicht über diejenige der Gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen
dürfte, dass HPV/R gehöre jedoch nicht zum Leistungskatalog der Krankenversicherung.
Anderes ergebe sich auch nicht aus der vorgelegten Broschüre sowie der Stellungnahme der Reittherapeutin. Die Klägerin gehe
davon aus, dass die durch das heilpädagogische Reiten bedingten Fortschritte zwar teils auch in den medizinischen Bereich
fallen würden, dort jedoch nicht der Schwerpunkt der Förderung anzusiedeln sei. Dabei verkenne sie im Wesentlichen, dass die
medizinische Rehabilitation nicht nur Bereiche wie die Koordination, die Körperspannung und den Einsatz der Hände umfasse,
sondern auch die von ihr geschilderten Erfolge im Bereich Kommunikation, Wahrnehmung, Konzentration u. ä.. Dementsprechend liege der Schwerpunkt des heilpädagogischen Reitens im Bereich der medizinischen Rehabilitation. Es bestehe
bei der Klägerin auch keine schwerpunktmäßige Orientierung an der drohenden seelischen Behinderung. In diesem Falle wäre ohnehin
der Jugendhilfeträger leistungspflichtig. Dann wäre auch §
55 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX zu beachten, wonach Leistungen nur an noch nicht eingeschulte Kinder erbracht werden könnten. Der Rechtsstreit sei an das
Verwaltungsgericht zu verweisen wegen der drohenden seelischen Behinderung, aus der sich eine Zuständigkeit der Jugendhilfe
ergebe. Die Einschätzung des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e. V. bezüglich der sozialen Rehabilitation
überzeuge nicht, da sie keine nähere Begründung enthalte.
Das Sozialgericht Itzehoe hat den Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.
Dezember 2011 durch Urteil vom 16. September 2013 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, "die Kosten für das Heilpädagogische
Reiten aus Mitteln der Eingliederungshilfe zu übernehmen, wobei als Grundlage die bisher seit Juni 2011 in Anspruch genommenen
Therapieeinheiten gelten". Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Übernahme der streitigen
Kosten für das HPV/R auf der Grundlage der Vorschriften der §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §
55 Abs.
1 SGB IX. Eine Kostenübernahme sei nicht aufgrund einer vorrangigen Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers oder aufgrund von fehlenden
Leistungsvoraussetzungen nach den vorgenannten Vorschriften ausgeschlossen. Aufgrund der Schilderungen der Ärzte, Therapeuten
und Pfleger stelle die Kammer fest, dass das begehrte HPV/R weit über die Ziele einer medizinischen Rehabilitation hinausgehe,
indem nicht nur beispielsweise die Motorik der Klägerin verbessert werden solle, sondern darüber hinaus die Übertragung der
erworbenen Kompetenzen in den Alltag im Vordergrund stehe, somit im Sinne des §
55 Abs.
1 SGB IX die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht werde.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. Oktober 2013 zugestellte Urteil am 13. November 2013 Berufung eingelegt.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags macht er im Wesentlichen geltend, aus den von der Klägerin
aufgeführten Therapiezielen und -erfolgen werde deutlich, dass die Kernelemente der Entwicklungen, die mit dem heilpädagogischen
Reiten gefördert werden sollten bzw. bereits gefördert worden seien, in den Bereich der körpereigenen Grundfunktionen falle.
So bestünden die aufgelisteten Ziele allesamt darin, Fähigkeiten bzw. Funktionen des menschlichen Körpers, die in der Regel
von Geburt an (in einer gewissen Ausprägung) vorhanden seien, wiederherzustellen. Der Mensch habe beispielsweise von Geburt
an ein so genanntes Urvertrauen, dessen ungestörte Entwicklung ihn im Laufe seines Lebens dazu befähige, auch ein entsprechendes
Selbst- und Fremdvertrauen zu entwickeln. Diese Entwicklung sei im Falle der Klägerin gestört und solle durch das heilpädagogische
Reiten wieder in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Selbstverständlich resultierten aus einer solchen Förderung der Entwicklung
von Selbst- und Fremdvertrauen auch Fortschritte wie die Teilnahme der Klägerin am Gesprächskreis, die Abnahme des Einnässens
oder die Abnahme der selbstverletzenden Handlungen (früher: Oberarme zerkratzt, Nagelhaut an den Fingern verletzt). Diese
Fortschritte führten auch dazu, dass die Klägerin besser in die Gemeinschaft der Kinder integriert sei und sich traue, auf
diese zuzugehen, um beispielsweise Verabredungen zu treffen. Nichts desto trotz bleibe festzustellen, dass das heilpädagogische
Reiten selbst an den körperlichen Grundfunktionen ansetze und deren Entwicklung fördere und nicht schwerpunktmäßig gezielt
auf die Folgen des mangelnden Selbst- und Fremdvertrauens eingehe. Diese werde durch die Stellungnahme der Reittherapeutin
der Klägerin vom 12. August 2012 bestätigt, in der sie ausführe, dass das heilpädagogische Reiten seinen Schwerpunkt auf der
Ebene der geistigen Entwicklung, der Wahrnehmung und des Lernens setze und außerdem ein psychomotorisches Konzept darstelle,
das sich mit der ganzheitlichen Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen durch Bewegungserfahrungen beschäftige.
Psyche und Motorik seien nach den Ausführungen der Reittherapeutin untrennbar miteinander verbunden und hätten starken gegenseitigen
Einfluss aufeinander. Das Pferd vermittele eine Ganzheitserfahrung, weil es den Menschen über alle Sinne ansprechen könne
und weil seine Bewegung einen Bewegungsdialog mit dem auf seinem Rücken Sitzenden eingehe. Durch eine verbesserte sensomotorische
Integration führe das heilpädagogische Reiten zur Verbesserung der geistigen Fähigkeiten und bringe positive Effekte im sozialen
Verhalten durch den pädagogisch-therapeutisch begleiteten Umgang mit dem Pferd mit sich. Es erleichtere den Umfang mit Ängsten
und Frustrationen und baue Vertrauen auf, das zur Erfahrung von Selbstwertgefühl und angemessener Selbsteinschätzung führe.
Die Reittherapeutin sehe die weitere Teilnahme zur individuellen Entwicklungsförderung und zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
für die Klägerin als notwendig an, um den fortschreitenden Verlauf der drohenden seelischen Behinderung abzuwenden, zu verlangsamen
oder die Folgen der Behinderung zu beseitigen oder zu mildern sowie die Psyche zu stärken und in gewisser Weise Hilfe zur
Erziehung zu leisten. Das heilpädagogische Reiten setze damit schwerpunktmäßig konkret an den körpereigenen Grundfunktionen
und nicht an den Folgen der Beeinträchtigung dieser Funktionen an. So zähle die Reittherapeutin gerade Bereiche wie geistige
Entwicklung, Wahrnehmung, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegungserfahrungen explizit als Schwerpunkte des heilpädagogischen
Reitens auf.
Aus den zahlreichen Gutachten und Stellungnahmen gehe hervor, dass die drohende seelische Behinderung aus der körperlichen
und geistigen Behinderung der Klägerin resultiere. Kernpunkt der seelischen Behinderung sei dabei das bei der Klägerin zunehmende
Störungsbewusstsein, das dazu führe, dass seelische bzw. emotionale Störungen aufträten.
Folgende Aspekte fielen in den Bereich der (Wieder-)Herstellung der körpereigenen Funktionen:
- Verbesserung der Motorik,
- Stärkung der Muskulatur,
- Überkreuzen der Körpermitte,
- Ausübung von Arbeiten mit beiden Händen gleichzeitig,
- Stärkung der Ausdauer und Konzentration,
- bessere Orientierung, Ausgeglichenheit, mehr Ruhe,
- Angstabbau,
- Stärkung des Eigenvertrauens und des Selbstwertgefühls.
Durch die durch das heilpädagogische Reiten erzielte (Wieder-)Herstellung körpereigener Funktionen würden folgende Erfolge
bei der Klägerin erzielt:
- eigenständiges Treffen von Verabredungen,
- Halten des Blickkontaktes,
- mehr Akzeptanz durch andere Kinder,
- bessere Durchsetzungsfähigkeit in der Gruppe,
- Abnahme der Selbstverletzungen,
- Teilnahme am Gesprächskreis,
- Abnahme des Einnässens.
Diese Auflistung zeige, dass das Heilpädagogische Reiten zuvorderst die o. g. körpereigenen Funktionen (wieder-)herstellen
solle. Dieses habe zwar eindeutig positive Auswirkungen auf die soziale Teilhabe der Klägerin, es seien aber nur mittelbare
und keine direkten Folgen des heilpädagogischen Reitens. Unmittelbare Erfolge des heilpädagogischen Reitens seien die Erfolge,
die im Rahmen der körpereigenen Funktionen eingetreten seien und direkt durch das Reiten herbeigeführt würden. Mittelbare
Erfolge seien diejenigen, die lediglich aus den unmittelbaren Erfolgen resultierten. So führe das Reiten selbst z. B. nicht
zur Teilnahme am Gesprächskreis, sondern diese werde durch das gestärkte Selbstvertrauen begünstigt. Die positiven Auswirkungen
des heilpädagogischen Reitens auf die soziale Teilhabe seien damit nur mittelbare Folgen der Reittherapie und resultierten
aus den unmittelbaren Erfolgen im Rahmen der medizinischen Rehabilitation.
Insofern sei das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe rechtswidrig; denn es berücksichtige bei der Beurteilung der Leistungsziele
und -erfolge nicht, dass die Folgen der körperlichen und geistigen Behinderung gleichzeitig Ursachen der drohenden seelischen
Behinderung der Klägerin seien. Dass sich aus dieser Tatsache die Zuordnung des heilpädagogischen Reitens zu den Leistungen
der medizinischen Rehabilitation gemäß §
26 SGB IX herleiten lasse, ergebe sich schon daraus, dass die Punkte, an die das heilpädagogische Reiten anknüpfe, schwerpunktmäßig
körperliche Grundfunktionen seien, deren Störung die Ursache der Behinderungen, insbesondere der seelischen Behinderung der
Klägerin seien. Insofern sei festzustellen, dass das heilpädagogische Reiten im vorliegenden Fall den Leistungen der medizinischen
Rehabilitation nach §
26 SGB IX zuzuordnen sei, die nach § 54 SGB XII vorrangig durch die gesetzliche Krankenversicherung zu erbringen seien. Ein Anspruch könnte sich damit allenfalls gegen die
gesetzliche Krankenversicherung richten. Dies sei jedoch für das heilpädagogische Reiten zurzeit auszuschließen, da es nicht
als Heilmittel anerkannt und eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherung damit ausgeschlossen sei. Diese Situation
möge zwar für die Betroffenen unbefriedigend sein, das dürfe aber nicht dazu führen, dass eine solche Leistung durch den nachrangig
verpflichteten Sozialhilfeträger erbracht werden müsse.
Seine bisherigen Ausführungen zur Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers bzw. des Verwaltungsgerichts halte er - der Beklagte
- nicht länger aufrecht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. September 2013 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 5. Februar bzw. 13. Mai 2014,
die Berufung zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, ab Antragstellung die Kosten für das Heilpädagogische Reiten
aus Mitteln der Eingliederungshilfe einmal pro Woche zu übernehmen.
Die Klägerin wiederholt, vertieft und ergänzt sehr ausführlich ihren bereits erstinstanzlich dargelegten Standpunkt. Sie betont,
dass das therapeutische Reiten in drei Unterpunkte aufgeteilt werde, das heilpädagogische Reiten, das heilpädagogische Voltigieren
und die Hippotherapie. Das heilpädagogische Reiten habe Ziele, die sich in einzelnen Bereichen bedingten und sich gegenseitig
ergänzten. Dieses seien Ziele im körperlichen, im sensorischen, im emotionalen, im kognitiven wie auch im sozialen Bereich.
Bei der Unterform des heilpädagogischen Reitens sei die persönliche und soziale Entwicklung des Menschens das Ziel, hingegen
würden bei der Hippotherapie Pferde zur Physiotherapie und Ergotherapie eingesetzt, mithin liege dort der Schwerpunkt auf
Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Wende man diese Ziele auf ihren Fall - den der Klägerin - an, so sei die Behandlung
hauptsächlich auf die Abmilderung der sozialen Folgen der bei ihr bestehenden Entwicklungsstörungen gerichtet.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei Selbstvertrauen keine körpereigene Funktion, die wiederhergestellt werde. Die Stärkung
des Eigenvertrauens und des Selbstwertgefühls ziele darauf ab, sich als eigenständige Persönlichkeit zu entfalten. Der Selbstwert
sei keine körpereigene Grundfunktion, er sei nicht per se in einem Menschen vorhanden. Er werde vielmehr geprägt durch Erfahrungen,
Kommunikation, von der Umwelt, forme den Charakter und sei Voraussetzung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Insoweit
werde Bezug genommen auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 2009, dort Rn. 20 der Entscheidungsgründe.
Sie - die Klägerin - sei weder körperlich noch geistig behindert, bei ihr drohe aber, wie im Bericht des UKSH vom 30. Juli
2012 festgestellt, eine seelische Behinderung.
Der vom Beklagten vorgenommenen Differenzierung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Folgen der Behinderung schließe sie
- die Klägerin - sich weiterhin nicht an, da dafür keine Rechtsgrundlage bestehe. Die Fortschritte, die wesentlich dem heilpädagogischen
Reiten zu verdanken seien, würden auch aus dem Grundschulzeugnis vom 11. Juli 2014 erkennbar, wonach sie einen "zunehmend
unbeschwerten Zugang zu ihren Mitschülern" gefunden habe. Dieses zeige insbesondere, dass es ihr - der Klägerin - mehr und
mehr gelinge, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Demgemäß knüpfe das heilpädagogische Reiten an den sozialen Folgen
der Behinderung an, da eine Abkapselung und Beziehungsarmut verhindert werde.
Ergänzend werde auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2012 - 5 C 15/11 - verwiesen, in dem das Bundesverwaltungsgericht das heilpädagogische Reiten als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
qualifiziert habe, sowie auf die zur Akte gereichte Anmerkung von Aa_____ J_____ im Diskussionsforum Rehabilitations- und
Teilhaberecht.
Wenn generell geistige Behinderungen, die mit Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten und der Sprache sowie einer längerfristigen
Gefährdung der Integration einhergingen, als seelische Behinderungen eingestuft würden, so sei bei ihr - der Klägerin - von
einer seelischen Behinderung auszugehen. Das ergebe sich aus dem zur Akte gereichten sonderpädagogischen Gutachten des Förderzentrums
S________ Nordost vom 14. April 2014, in dem die Anerkennung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Schwerpunkt Lernen
vorgeschlagen werde.
In Anlehnung an die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 32/07 R -, wonach die Eingliederungshilfe
im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bei Bedürftigkeit des Sozialhilfeempfängers auch die Übernahme
der Kosten für Hörgerätebatterien umfasse, müssten auch für sie - die Klägerin - aus Mitteln der Eingliederungshilfe die Kosten
für das so genannte heilpädagogische Reiten übernommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten
des Beklagten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist die Zuständigkeit des Landessozialgerichts gegeben.
Hinsichtlich eines eingliederungshilferechtlichen Anspruchs gestützt auf eine körperliche oder geistige Behinderung sind über
§ 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII die §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §
55 Abs.
1 SGB IX als Anspruchsgrundlagen heranzuziehen, über die vor den Sozialgerichten in erster wie auch in zweiter Instanz zu entscheiden
ist.
Hinsichtlich einer drohenden seelischen Behinderung (nur eine solche liegt nach Ansicht der Klägerin vor, nicht aber eine
körperliche und/oder geistige Behinderung) wäre zwar an sich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. §
51 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -, §
40 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -, § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). In diesem Fall greift aber über §
202 Satz 1
SGG in entsprechender Anwendung die Regelung in §
17a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG), wonach das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der
beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung bzw. Übernahme der gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Kosten für das
sog. heilpädagogische Reiten. Die die Kostenübernahme versagenden Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. September 2013, durch das die angefochtenen
Bescheide aufgehoben worden sind und der Beklagte verurteilt worden ist, die Kosten für das heilpädagogische Reiten aus Mitteln
der Eingliederungshilfe zu übernehmen, wobei als Grundlage die bisher seit Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten
gälten, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Es kann dahinstehen, in welcher Höhe tatsächlich Kosten für die Reittherapie angefallen und in welchem Umfang diese - nachweisbar
- bereits von den Eltern der Klägerin beglichen worden sind und bis wann der zeitlich unbegrenzte Antrag für die seit dem
7. Juni 2011 in Anspruch genommenen Therapieeinheiten gelten soll; denn ein Erstattungsanspruch der Klägerin für die (ggf.)
von ihren Eltern getragenen Kosten der ohne Kostenzusage des Beklagten durchgeführten Reittherapie ist weder auf der Grundlage
von § 3 Abs. 1 SGB XII, §
15 Abs.
1 Satz 4, 2. Alt.
SGB IX, § 53 SGB XII, § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2,
3 bzw. 7 i. V. m. §
58 Nr. 1
SGB IX (im Falle einer körperlichen oder geistigen Behinderung) noch gemäß §§
2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5, 3 Abs. 2, 36a Abs. 3 Satz 1, 35a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 SGB VIII i. V. m. § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr.
2,
3 bzw. 7 i. V. m. §
58 Nr. 1
SGB IX (bei drohender seelischer Behinderung) zu bejahen.
Ungeachtet der vom Beklagten zunächst geltend gemachten Überlegungen, dass hier im Hinblick auf die drohende seelische Behinderung
der Klägerin der Träger der Kinder- und Jugendhilfe zuständig sein könnte und ein möglicher Anspruch in einem verwaltungsgerichtlichen
Verfahren zu klären wäre, ist der Beklagte der zuerst angegangene Rehabilitationsträger und als solcher auch gemäß §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX zuständig, um den Rehabilitationsbedarf festzustellen, da er den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der Zweiwochenfrist
des §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX gemäß §
14 Abs.
1 Satz 2
SGB IX an einen (anderen) nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat.
Die Frage, ob bei der Klägerin eine geistige Behinderung vorliegt (wie vom Sozialgericht im Hinblick auf das vom UKSH am 30.
Juli 2012 festgestellte weit unterdurchschnittliche intellektuelle Begabungsniveau der Klägerin bejaht) oder ob die Klägerin
weder körperlich noch geistig behindert ist, bei ihr aber eine seelische Behinderung droht (wie von Seiten der Klägerin, gestützt
auf eine diesbezügliche Diagnose des UKSH) nachdrücklich vertreten wird), kann letztlich dahinstehen. Insofern bedarf es auch
keiner exakten Abgrenzung etwa anhand der Definitionen, wie sie in der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Eingliederungshilfe-Verordnung) in dem dortigen § 2 für geistig wesentlich behinderte Menschen und in § 3 für seelisch wesentlich behinderte Menschen enthalten sind.
Unstreitig gehört die Klägerin zum berechtigten Personenkreis; denn gemäß §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift sind sie von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten
ist.
Seelisch behinderte Kinder wie auch die von einer seelischen Behinderung bedrohten Kinder haben gemäß § 35a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VIII Anspruch auf Eingliederungshilfe. Gemäß § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1, den §§ 54, 56 und 57 des Zwölften Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden.
Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert
oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, hingegen - wie schon das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - den Leistungen
nach dem Achten Buch vor.
In beiden Fällen ist - unterstellt, die o. g. Bestimmungen des SGB VIII, insbesondere auch die Unaufschiebbarkeit nach § 36a Abs. 3 Satz 1, letzter Halbsatz SGB VIII, wie auch alle sonstigen Voraussetzungen der genannten Regelungen im SGB XII wären tatbestandsmäßig erfüllt - letztlich eine Prüfung des Anspruchs nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs. 1 SGB XII vorzunehmen. Eine solche ergibt, dass es sich in diesem Fall - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - bei dem von der
Klägerin durchgeführten heilpädagogischen Reiten nicht um eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation handelt, für die im Rahmen
der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII die Kostenübernahme/-erstattung erfolgen könnte, sondern um eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation i. S. v. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i. v. m. §
26 Abs.
1 Nr.
1 SGB IX. Nach der letztgenannten Norm werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter oder von Behinderung betroffener
Menschen erbracht, um Behinderungen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten.
Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere Heilmittel einschließlich physikalischer,
Sprach- und Beschäftigungstherapie sowie nach Nr. 6 dieser Bestimmung Hilfsmittel.
Wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind Leistungen der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd, also auch
das hier betroffene HPV/R, nicht vom Katalog der anerkannten Heilmittel nach §
32 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (
SGB V), i. V. m. §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V, wonach der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere Richtlinien über die Verordnung u. a. von Heil- und Hilfsmitteln beschließen
soll, erfasst. Demzufolge können die Kosten für das heilpädagogische Reiten als medizinische Rehabilitationsleistung nicht
zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem
SGB V und wegen der "Sperrwirkung" in § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auch nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werden. Die letztgenannte Norm besagt ausdrücklich, dass die Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
oder der Bundesagentur für Arbeit entsprächen.
Die Abgrenzung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation von Leistungen zur sozialen Rehabilitation erfolgt nach dem
Leistungszweck. Maßgebend ist, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel oder der Maßnahme befriedigt werden sollen, also welchen
Zwecken und Zielen das Hilfsmittel (in diesem Fall: die Maßnahme) dienen soll (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 32/07 R -, [...], Rn. 17). Dabei können sich die Leistungszwecke überschneiden (a. a. O.,
Rn. 23). Um eine soziale Rehabilitation handelt es sich somit immer dann, wenn die begehrten und im Hinblick auf den konkreten
Bedarf erforderlichen Leistungen über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausreichen und über die Zwecke
der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende Ziele, z. B. nach §
55 Abs.
1 SGB IX die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu sichern, Grundlage für das Erfordernis einer Maßnahme sind
(vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2013 - L 9 SO 17/11 -). Dient eine Therapie im
Einzelfall zwar auch der Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, steht dabei aber der medizinische Leistungszweck
im Vordergrund, so ist sie allein der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.
August 2012 - L 20 SO 25/09 -, [...], Rn. 62 ff.).
Bei der Abgrenzung der beiden unterschiedlichen Leistungsarten ist zu berücksichtigen, dass die Leistungen zur Teilhabe am
Leben in der Gemeinschaft nach §
55 Abs.
1 SGB IX an den sozialen Folgen einer Krankheit bzw. Behinderung ansetzen und deren Überwindung dienen (BSG, Urteil vom 31. März 1998 - B 1 KR 12/96 -). Sie sollen die Auswirkungen der Krankheit bzw. Behinderung auf die Lebensgestaltung
auffangen oder abmildern (BSG, a.a.O., Rn. 11). Dagegen knüpfen Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach §
26 SGB IX an der Krankheit selbst und ihren Ursachen an.
Der Senat zweifelt nicht daran, dass eine Reittherapie in Form des heilpädagogischen Reitens - wie von Klägerseite insbesondere
unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Reittherapeutin Sb___ ausführlich dargelegt - im Einzelfall vollständig oder jedenfalls
schwerpunktmäßig eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine ganzheitliche Förderung der persönlichen
Entwicklung sein kann und - wenn motorische Defizite nicht oder nur in geringem Ausmaß vorliegen - nicht zwingend eine Leistung
der medizinischen Rehabilitation sein muss. Das ergibt sich schon aus dem ganzheitlichen Therapieansatz; denn mit der Ressourcen
orientierten ganzheitlichen Förderung sollen über motorische Impulse und die Verbundenheit mit dem Pferd auch Lernprozesse
hinsichtlich von Selbstwahrnehmungen und Stärkung des Selbstvertrauens angestoßen werden.
Die Abgrenzung zwischen Leistungen der medizinischen gegenüber solchen der sozialen Rehabilitation hat aber gerade danach
zu erfolgen, wo der Schwerpunkt des Bedarfs zu sehen ist, nicht danach, welche positiven Auswirkungen eine Maßnahme (hier:
heilpädagogisches Reiten) generell haben kann und/oder im konkreten Fall auch hat. Entscheidend ist also, wo der Schwerpunkt
des individuell-konkreten Bedarfs liegt. Sollte sich kein eindeutiger Schwerpunkt bzw. jedenfalls kein Überwiegen eines Komplexes
gegenüber einem anderen ermitteln lassen, dürfte das zu Lasten der den Anspruch geltend machenden Person gehen; denn dann
wäre die gemäß §
4 Abs.
1 SGB IX, §
10 Nr.
1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (
SGB I), erforderliche "Notwendigkeit" für gerade diese Maßnahme (hier: heilpädagogisches Reiten) nicht zu begründen.
Nach diesen Grundsätzen bestand der Bedarf bei der Klägerin für die zurzeit der Antragstellung beim Beklagten bereits begonnene
Therapie jedenfalls nicht vorrangig im Bereich der sozialen Rehabilitation. Die dem Antrag auf Kostenübernahme beigefügten
diversen Stellungnahmen, die einen breit gefächerten Überblick über die gesundheitliche Situation und das Persönlichkeitsbild
der Klägerin abgeben und dadurch eine realistische Einschätzung der Bedarfssituation ermöglichen, sprechen vielmehr dafür,
dass, wenn auch nicht ausschließlich, so doch schwerpunktmäßig, eine motorische Förderung als Anknüpfungspunkt für die Reittherapie
anzunehmen ist.
In ihrer Stellungnahme vom 20. Mai 2011 hat die Sprachtherapeutin Frau Sc________ angegeben, die Teilnahme am heilpädagogischen
Reiten wäre eine wichtige Maßnahme für die positive Entwicklung N_____s. Das heilpädagogische Reiten könne sich besonders
auf das Gleichgewicht, die Koordination, die Konzentration, das Selbstbewusstsein, die sprachliche Pragmatik und damit auch
die Kommunikationsanlässe und Kommunikationsmöglichkeiten positiv auswirken.
Prof. Dr. T____/Frau Dr. Sd______ vom UKSH haben in ihrem Bericht vom 18. Mai 2011 als Diagnosen nach der internationalen
statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme (ICD-10) angegeben:
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen (F83) mit diskrepantem kognitivem Leistungsprofil im leicht unterdurchschnittlichen
Bereich der Altersklasse, Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (F82.9) mit erheblichen Auffälligkeiten in der Handlungsplanung,
expressive Sprachstörung (F80.1).
Textlich wurde dazu ausgeführt:
"Im Rahmen der motorischen Auffälligkeiten erhält N_____ ein umfassendes Förderkonzept bestehend aus neurophysiologischer
Entwicklungsförderung, Einzelintegration im Kindergarten sowie einer spezifischen Ergotherapie. Ergänzend zu diesem Therapieprogramm
profitiert sie für die Verbesserung der Koordination und grobmotorischen Handlungsplanung von einer Hippotherapie. Wir halten
diese zusätzliche Therapie für medizinisch sinnvoll für die Verbesserung der langfristigen Teilhabe von N_____."
In der Stellungnahme des Kinderarztes Dr. B______ vom 17. Mai 2011 heißt es u. a.:
"... N_____ weist viele Defizite auf - u. a.: feinmotorische Störung, Gleichgewichtsstörung, globale Retardierung, Dyspraxie,
AVWS, Sprachentwicklungsrückstand -, die einer speziellen Therapie bedürfen. Deshalb erhält N_____ schon verschiedene Fördermaßnahmen.
Zusätzliche halte ich eine heilpädagogische Reittherapie für dringend erforderlich! ... Aufgrund der massiven Entwicklungsverzögerung
und Wahrnehmungsstörung in allen Entwicklungsbereichen bei N_____ droht eine ausgeprägte Behinderung. Nach meiner fachärztlichen
Kenntnis ist zu erwarten, dass durch das Heilpädagogische Reiten die Folgen der Behinderung gemildert werden können. ..."
Frau Ab___ aus der Physiotherapeutischen Praxisgemeinschaft hat unter dem 7. Mai 2011 ausgeführt:
"N_____ war aufgrund ihrer motorischen und senso-motorischen Defizite über 2 Jahre lang in physiotherapeutischer Behandlung.
Es besteht immer noch ein großer Förderbedarf gerade im Hinblick auf die bevorstehende Einschulung. Die einsetzende Therapiemüdigkeit
bei N_____ macht aber ein Umdenken erforderlich, so dass aus meiner Sicht ein ganzheitlicher Ansatz dringend erforderlich
ist. Für N_____ wäre das Heilpädagogische Reiten unbedingt zu empfehlen. Sie liebt Pferde und ist bei diesem Medium sehr motiviert."
Frau Ea_______ und Frau Kd__ vom Verein für Gemeindepflege haben am 3. Mai 2011 u. a. angegeben:
"... Da Ihre Tochter im Kindergarten weiterhin erhebliche Defizite im motorischen und sozialemotionalen Bereich offenbart,
befürworten wir Ihren Ansatz, eine Förderung Ihrer Tochter N_____ in Form von therapeutischem Reiten zu beantragen. ... Bei
N_____ besteht die Möglichkeit, mit dieser Maßnahme eine Zunahme von Wahrnehmung und Konzentrationsfähigkeit zu erreichen.
Das durch die Schwierigkeiten der Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen entstandene mangelnde Selbstwertgefühl könnte sich ebenfalls
anhand von therapeutischem Reiten deutlich verbessern und somit ergäbe sich die Möglichkeit für N_____, dieses kontinuierlich
aufzubauen. ..."
Im Bericht des Dr. H_______/der Frau Dr. Se________ der Klinik A_______ vom 2. Mai 2011 heißt es:
"... Vorsorgemaßnahme vom 19. Januar 2011 bis zum 23. Februar 2011 stationär in unserer Mutter-Vater-Kind-Klinik ... Diagnosen:
F89 Entwicklungsverzögerung, R47.8 expressive Sprachstörung.
Aufgrund der o. g. Diagnosen und der zusätzlich bestehenden Konzentrationsschwierigkeiten und leichten Ablenkbarkeit von N_____
ist eine weitere Förderung vor Eintritt in die Schule erforderlich. Als unterstützende Maßnahme für diese Beschwerden möchten
wir insbesondere therapeutisches Reiten für N_____ empfehlen. ..."
Die Heilpädagogin Frau G_____ hat in ihrer Stellungnahme vom 29. April 2011 im Wesentlichen ausgeführt:
"... N_____ ist seit dem 19. Mai 2010 bei mir in der neurophysiologischen Entwicklungsförderung. Diese Förderung "INPP" beschäftigt
sich mit der Erfassung neurophysiologischer Ursachen von Lern-, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen.
Dazu gehört ein tägliches Bewegungsübungsprogramm, welches für N_____ aufgrund ihrer erheblichen Dyspraxie sehr schwer umzusetzen
ist. Durch das konsequente Durchführen der Übungen durch die Eltern sind bei N_____ Fortschritte in der Reizaufnahme und -verarbeitung
zu verzeichnen. Dennoch ist es für das Mädchen von großer Wichtigkeit, zusätzlich ihren Muskeltonus, ihr Gleichgewicht, ihre
Aufmerksamkeit und ihre erhebliche Dyspraxie durch das heilpädagogische Reiten zu stärken."
Die HNO-Ärztin Dr. Kc___ hat am 17. September 2010 in ihrer zusammenfassenden Beurteilung und Empfehlung ausgeführt:
"Noch deutliche Sprachentwicklungsstörung im Rahmen der allgemeinen psychomotorischen Retardierung mit zentralmotorischen
Koordinationsstörungen. Die rechtsseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit spielt eine geringere Rolle. Die Hörmerkspannenentwicklung
entspricht einem ca. dreijährigen Kind, das Rhythmusgefühl ist noch nicht gut entwickelt, zumindest werden drei Rhythmusitems
noch nicht nachgeklatscht. M. E. Ergotherapie sinnvoll, noch keine Logopädie, Fortführung der derzeitigen INPP-Therapie. ...
Das geplante Heilpädagogische Reiten halte ich für indiziert zumal das Voltigieren im Winter nie durchführbar ist und die
Gruppengröße für das Kind (braucht Einzelansprache) ungeeignet ist."
Im Arztbrief der Praxis für Ergotherapie L____ Ga___ vom 10. Mai 2011 heißt es:
"... Es zeigen sich vor allem Defizite in ihrer propriozeptiven und vestibulären Wahrnehmungsverarbeitung, wie z. B. der Körpereigenwahrnehmung
und der adäquaten Tonusregulation, wie auch der Grob- und Feinmotorik. Im vestibulären Bereich zeigen sich Defizite in den
Stell- und Stützreaktionen. Im sozioemotionalen Bereich konnte ich beobachten, dass N_____ noch ein geringes Selbstwertgefühl
und eine geringe Frustrationstoleranz zeigt. Im kognitiven Bereich ... noch nicht altersentsprechend entwickelt ... ... Das
Heilpädagogische Reiten wäre für N_____ sinnvoll aufgrund der oben genannten Defizite wie z. B. der Probleme in der Körpereigenwahrnehmung,
der Gleichgewichtsregulation und in den sozioemotionalen Kompetenzen. ..."
Diese Stellungnahmen zeigen, dass die Ausrichtung auf die motorische Förderung der wesentliche Ansatz für die Reittherapie
war. Gerade an den diesbezüglichen Defiziten und damit - wie bereits der Beklagte umfänglich und zutreffend dargelegt hat
- unmittelbar an diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sollte angesetzt werden, um die Gesamtsituation für die Klägerin
zu verbessern. Dass im Rahmen dieser Leistung zur medizinischen Rehabilitation zugleich Erfolge im Bereich der Aktivierung
von Selbsthilfepotentialen, Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz u.a. durch Training
sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen wie auch das Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
wie sie in §
26 Abs.
3 Nr.
2, 5 und 6
SGB IX ausdrücklich als Bestandteil der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit aufgeführt sind, erzielt werden sollten
und nach den ausführlichen Angaben der Klägerin auch erreicht worden sind, führt nicht dazu, dass - losgelöst von den unmittelbaren
Ansätzen und Auswirkungen auf die Motorik durch die Arbeit auf und mit dem Pferd - schwerpunktmäßig auf die o. g. weiteren
positiven Auswirkungen der Therapie als entscheidendes Kriterium abzustellen und deshalb die Leistung insgesamt als eine solche
der sozialen Rehabilitation einzustufen wäre.
Welch gewichtigen Raum die für erforderlich gehaltene Förderung der motorischen Fähigkeiten auch in der Folgezeit eingenommen
hat, zeigt der Bericht des UKSH von Prof. Dr. T____, Frau Dr. Sd______ und der Diplom-Psychologin Dr. Ke____ vom 30. Juli
2012, der nach der ICD-10-Klassifikation folgende Diagnosen ausweist:
"Expressive Sprachstörung (F80.1), zentrale Hörverarbeitungsstörung, umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen(F82.9),
leichte Intelligenzminderung mit diskretem Leistungsprofil (F70), emotionale Störungen des Kindesalters mit drohender seelischer
Behinderung (F93.8), Verdacht auf einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung mit besonderer Problematik in den visuellen
Aufmerksamkeitsleistungen (F90.0)."
Die zusammenfassende Beurteilung und Therapieempfehlung lautet wie folgt:
"Wie bereits in den Voruntersuchungen fiel eine deutliche Dyspraxie bei allen Bewegungsabläufen auf. Es sollten insbesondere
Kompensationsmechanismen mit N_____ erarbeitet werden. Erfreulicherweise ist die motorische Förderung im Freizeitbereich angesiedelt
(heilpädagogisches Reiten, Schwimmen). Diese Förderung sollte dringlich fortgeführt werden. Insbesondere das heilpädagogische
Reiten ist zur Förderung der motorischen Entwicklung aber auch zur Stabilisierung des Selbstbewusstseins geeignet und für
N_____ unbedingt zu empfehlen.
Auf der Grundlage der aktuell erhobenen Ergebnisse ist N_____s intellektuelles Begabungsniveau weit unterdurchschnittlich
und damit im Bereich der geistigen Behinderung gelegen, das Leistungsprofil war heterogen. ...... starkes Störungsbewusstsein,
das sich negativ auf ihr Interaktions- und Kontaktverhalten ...auswirkt ... Es ist weiterhin von einer drohenden seelischen
Behinderung auszugehen.
... Aufgrund der sozio-emotionalen Belastung des Mädchens sind ihre Aufmerksamkeitsprobleme zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher
von einer Überforderungssituation abzugrenzen. ..."
Gerade im Hinblick auf die in den o. g. ärztlichen Befunden und weiteren Stellungnahmen häufig angesprochene Dyspraxie (umschriebene
Koordinations- und Entwicklungsstörung) wie auch der genannten motorischen Defizite insgesamt ist auch auf die Stellungnahmen
der Reittherapeutin Sb__ abzustellen, wonach deutliche Verbesserungen in der Koordination der Bewegungen bei der Klägerin
durch die Therapie mit dem Pferd erzielt werden konnten.
So hat Frau Sb__ in ihrer Stellungnahme vom 12. August 2012 u. a. ausgeführt, in der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd
stehe die Förderung der Entwicklung der Klägerin in folgenden Bereichen im Vordergrund: Zum einen bei der Wahrnehmung (Schulung
des Gleichgewichts, der Körpereigenwahrnehmung, des Berührungsempfindens, der Erfahrung neuer Bewegungsimpulse und der Freude
an der Bewegung...), weiter die Grobmotorik (Schulung der Bewegungsplanung und -koordination, Verbesserung der Haltungskontrolle
und der Stützreaktionen, ... Rhythmusgefühl, ... angemessene Muskelspannung, Geschicklichkeit). Dazu heißt es weiter, die
Förderung der o. g. Bereiche bedeute eine intensive Förderung der sensorischen Integration des kindlichen Gehirns; dieses
bilde die Basis für die positive Weiterentwicklung des Kindes. N_____s Auffälligkeiten in der Sensomotorik beeinflussten die
Qualität der anderen Entwicklungsbereiche immens. Alle Entwicklungsbereiche seien untrennbar miteinander verbunden und bildeten
sich in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander aus. Weiter wurde die Feinmotorik, u. a. Schulung der Fingerdifferenzierung,
der Hand-Auge-Koordination sowie der angemessenen Muskelspannung, das Lernen/die geistige Entwicklung, das emotionale Verhalten
(u. a. Aufbau und Stärkung von Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbsteinschätzung), das soziale Verhalten wie auch
die Sprachentwicklung angeführt. Zu letzterem Bereich hieß es, die Basis für eine gute Sprachentwicklung sei eine gut funktionierende
sensorische Integration. Zusammenfassend war angegeben, die Klägerin profitiere von dieser besonderen tiergestützten Entwicklungsförderung,
da hierüber nicht nur motorische Fertigkeiten und sensorische Wahrnehmung trainiert würden, wodurch sich langfristig die Sprache
entwickele, sondern auch die geistigen Fähigkeiten intensiv gefördert würden und emotionale und soziale Kompetenzen aus dieser
Umgebung erwüchsen.
Verstärkt wird diese Darstellung in der weiteren Stellungnahme der Reittherapeutin vom 11. Januar 2013, in der es u. a. heißt,
die Klägerin sei in der Lage, ihre eigene Körpermitte zu überkreuzen und auch mit beiden Händen gleichzeitig Arbeiten auszuüben
(relativ kurz nach dem Therapiestart); diese Fähigkeit steigere sich fortlaufend. Sie könne beide Hände einsetzen, sie lerne,
die zweite Hand sinnvoll bei vielen Tätigkeiten zu nutzen. Sie verwende die zweite Hand als Stütze, damit die Haupthand mehr
Erfolg habe und schaue mit den Augen hin, sei insgesamt aufmerksamer, wodurch sie komplexe Lerninhalte zusammenhängender wahrnehme
und verinnerliche, wodurch ihr der Lernerfolg bewusst werde, ihr Selbstbewusstsein sich steigere und sie mehr Freude am Lernen
habe. Die Klägerin könne seit einigen Monaten nach Beginn des heilpädagogischen Reitens ihre Arme und Beine lateral, d. h.
wechselseitig, bewegen, was in immer wiederkehrenden Übungen mit und auf dem Pferd intensiv gefördert worden sei, beide Gehirnhälften
gleichermaßen anspreche und ebenso wie viele andere Körperwahrnehmungsübungen die Basis für die Eigenwahrnehmung bilde und
die Grundvoraussetzung für ein adäquates Sozialverhalten bedeute. Hier habe zuvor definitiv kein Weg hingeführt und auch die
Links/Rechts-Sicherheit sei in letzter Zeit größtenteils vorhanden.
Der schwerpunktmäßige Aufbau auf dem Komplex der motorischen Förderung wird auch durch die abschließende ausführliche Darlegung
von Frau Sb__ in deren Stellungnahme vom 11. Januar 2013 betont, wenn es dort heißt, da es sich bei der heilpädagogischen
Förderung mit dem Pferd um eine ganzheitliche Förderung handele und die Entwicklung des Menschen von vielen Faktoren abhänge,
dürfe die sensorische Integration bei der Förderung entwicklungsverzögerter und behinderter Kinder keinesfalls außer Acht
gelassen werden; denn sensomotorische Wahrnehmungsstörungen führten zu sozio-emotionalen Auffälligkeiten und diese zu Kommunikationsproblemen;
denn die Wahrnehmung anderer setze eine gute Eigenwahrnehmung voraus, die ihrerseits ein gut ausgebildetes Körperschema voraussetze.
Auf der Grundlage der vorgenannten Unterlagen ist nach alledem kein Schwerpunkt und auch nicht jedenfalls ein eindeutig zu
erkennendes Überwiegen des Bedarfs für eine Leistung der sozialen Rehabilitation festzustellen, sondern es ist von einer Leistung
der medizinischen Rehabilitation aufgrund des Schwerpunkts des Bedarfs im motorischen/sensomotorischen Bereich auszugehen,
die aufgrund der Regelung in § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (wie oben dargelegt) eine Kostentragung zu Lasten des Beklagten nicht ermöglicht. Daher braucht der Senat weiteren rechtlichen
Fragen darüber, ob eine Kostentragung für das heilpädagogische Reiten überhaupt noch ab Beginn der Schulzeit der Klägerin
in Betracht gekommen wäre und inwieweit die Eltern der Klägerin an einer solchen Kostentragung hätten beteiligt werden können
bzw. müssen, nicht im Einzelnen nachzugehen.
Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, das HPV/R sei als Form der heilpädagogischen Förderung der Klägerin nicht
etwa aufgrund der Vorschrift des §
55 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift seien Leistungen nach Abs. 1 (zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) insbesondere
heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult seien. Die Klägerin sei inzwischen eingeschult. Dieses
führe jedoch nicht dazu, dass eine Leistungserbringung über § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. §
55 Abs.
1 SGB IX ausgeschlossen wäre. Dabei hat sich das Sozialgericht auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2012 (5 C 15/11 - [...]) gestützt, in dem entschieden worden ist, dass Kindern oder Jugendlichen ein Anspruch auf Gewährung heilpädagogischer
Leistungen in Form der heilpädagogischen Reittherapie als jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft auch dann zustehen könne, wenn sie eingeschult seien und eine ihrer Behinderung entsprechende Förderschule
besuchten. Die Vorschrift des §
55 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX sei nicht dahin zu verstehen, dass sie die Gewährung heilpädagogischer Leistungen als jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe
zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für eingeschulte Kinder oder Jugendliche ausschließe. Die grammatikalische Auslegung
zwinge nicht zu einem derartigen Normverständnis. Die Entstehungsgeschichte spreche vielmehr dafür, dass auch eingeschulte
Kinder oder Jugendliche einen Anspruch auf Eingliederungshilfe hätten, weil ein anderes Verständnis auch der auf Offenheit
und Lückenlosigkeit gerichteten Zielsetzung der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe zuwiderlaufen würde.
Es ist fraglich, ob dieser Auffassung, nach der die Gesetzeshistorie und der Gesetzeszusammenhang als entscheidend angesehen
werden, zu folgen wäre, oder ob maßgeblich darauf abzustellen wäre, dass der klare Wortlaut eine solche Auslegung nicht zuließe,
weil man berücksichtigen müsste, dass der Gesetzgeber, wenn er heilpädagogische Leistungen auch bereits eingeschulten Kindern
hätte zukommen lassen wollen, in §
55 Abs.
2 Nr.
2 SGB IX den Relativsatz "die noch nicht eingeschult sind" (wie er sich im Übrigen ausdrücklich auch in §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB IX findet) einfach hätte weglassen können (vgl. dazu Sozialgericht Aachen, Urteil vom 5. Juni 2012 - S 20 SO 176/11 -, [...],
Rn. 24).
Die Auslegung von Gesetzesvorschriften hat sich stets an deren Wortlaut zu orientieren. Maßgebend dabei ist der zum Ausdruck
kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang
ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren
beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Lässt sich eine solche objektive, am
Wortlaut orientierte Auslegung feststellen, stellt diese die Grenze für die Auslegung dar (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht,
Beschluss vom 20. Januar 2016 - L 5 KR 238/15 B ER -).
Zu diesen Überlegungen muss der Senat aber ebenso wenig eine Entscheidung treffen wie zu der Frage, ob und ggf. in welchem
Umfang es (im Falle der Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen zugunsten der Klägerin nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII) den Eltern gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII zuzumuten (gewesen) wäre, die Kosten für das heilpädagogische Reiten ihrer minderjährigen und unverheirateten Tochter aufzubringen.
Denn ein Anspruch auf Eingliederungshilfe scheitert - wie oben dargelegt - an § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation den Reha-Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.
Im Rahmen der Eingliederungshilfe sind also keine geringeren, aber auch keine weitergehenden Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation zu erbringen als in der gesetzlichen Krankenversicherung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. August 2009
- L 9 SO 5/08 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision durch den Senat gemäß §
160 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.