Verletztengeld nach einem Arbeitsunfall
Vierwöchiger Entgeltabrechnungszeitraum
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Verletztengeld für die Zeit vom 31. März 2012 bis 30. September 2013.
Der 1965 geborene Kläger war aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 10. Juni 2003 Mitarbeiter im Außendienst im Geschäftsbereich
Verkauf und Service/Montage (Versorgung der Kunden des Unternehmens mit Ersatzteilen) einer Tochtergesellschaft eines schwedischen
Herstellers der Sägewerksindustrie. Das Arbeitsverhältnis wurde durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 31. März 2012 beendet.
Im Zeitraum vom 22. November 2011 bis Ende Januar 2012 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er erhielt bis einschließlich
2. Januar 2012 Lohnfortzahlung und anschließend bis Ende Januar 2012 Krankengeld. Ab dem 1. Februar 2012 übte er seine Erwerbstätigkeit
wieder aus. Am 17. Februar 2012 erlitt der Kläger beim Beladen eines Anhängers einen Arbeitsunfall, als er über eine Deichsel
stürzte. Wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalles war der Kläger bis zum 30. September 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem
1. Oktober 2013 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
von 20 v. H ... Nach Auslaufen der Lohnfortzahlung zahlte die T. Krankenkasse entsprechend ihrem Schreiben vom 24. April 2012
im Auftrag der Beklagten entsprechend der Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch
die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes für den Zeitraum 31. März 2012 bis 30. September
2013 ein Verletztengeld in Höhe von kalendertäglich brutto 57,83 EUR (entspricht netto 51,29 EUR) aus.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 4. Juni 2014 bat der Kläger um Erläuterung der Höhe des Verletztengeldes.
Hintergrund hierfür war ein Haftungs- und Nachforderungsbescheid sowie Festsetzungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag
für die Zeit von Januar 2004 bis Dezember 2011 des Finanzamtes F. gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers. Darin stufte das
Finanzamt Zuwendungen an den Kläger als lohnsteuerpflichtige Gehaltsbestandteile ein. Hierbei ging es u. a. um Reisekosten,
private Pkw-Nutzung und die Einstufung eines Arbeitsverhältnisses mit der Ehefrau des Klägers als Scheinarbeitsverhältnis
unter Zurechnung des Arbeitslohns an den Kläger. Auf dieser Grundlage ermittelte das Finanzamt für das Jahr 2011 einen nachzuversteuernden
Betrag in Höhe von 28.709,20 EUR. Unter Berücksichtigung des bislang angegebenen Bruttoarbeitslohns von 37.710 EUR ging das
Finanzamt von einem Bruttolohn in Höhe von 66.419,20 EUR aus. Diesen Betrag habe der Arbeitgeber des Klägers zur Sozialversicherung
nachgemeldet. Das Verletztengeld sei daher unter Zugrundelegung des tatsächlichen monatlichen Bruttoeinkommens auszuzahlen.
Das Monatsbruttoeinkommen betrage 5.500 EUR ausgehend von einem Bruttoarbeitseinkommen von 66.000 EUR. Daraufhin zog die Beklagte
die Lohn- und Gehaltsabrechnung des Klägers für die Monate Februar 2011 bis März 2012 bei. Danach betrug das Bruttoeinkommen
für den Monat Dezember 2011 2.800 EUR und die Entgeltfortzahlung für den 1. bis 2. Januar 2012 186,67 EUR. Für den Monat Februar
2012 wurde ein Bruttoeinkommen von 2.800 EUR ausgewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2014 wurde der Widerspruch des Klägers gegen die Feststellung des Verletztengeldes
für den Zeitraum 31. März 2012 bis 30. September 2013 zurückgewiesen. Nach §
47 Abs.
1 Satz 1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) erhielten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend §
47 Abs.
1,
2 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V). Nach §
47 Abs.
2 Satz 2
SGB V sei der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonats erzielten und um einmaliges
Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt zugrunde zu legen. Entsprechend der Entgeltbescheinigung des
Arbeitsgebers des Klägers sei ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.800 EUR anzusetzen. Ein Monatsbruttoeinkommen von 5.500
EUR könne nicht nachvollzogen werden. Eine nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung und -vergütung liege nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Aus der Meldebescheinigung vom 29. Oktober 2012 ergebe
sich ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt für den Kläger im Jahre 2011 von 66.000 EUR. Hieraus leite sich ein Monatsbetrag
von 5.500 EUR ab. Auf den Monat Januar 2012 könne nicht abgestellt werden, weil der Kläger seit dem 3. Januar 2012 Krankengeld
erhalten habe. §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V sehe einen Bemessungszeitraum von wenigstens vier Wochen vor.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme des Arbeitgebers des Klägers vom 7. Oktober 2015 eingeholt. Dort werden die Angaben
zur Nachversteuerung von bestimmten Zuwendungen an den Kläger bestätigt. Diese besonderen Zuwendungen bzw. Sachleistungen
seien dem Kläger im Jahre 2012 nicht weiter gewährt worden. Ferner wurde eingeholt eine Bescheinigung der T. Krankenkasse,
wonach der Kläger in der Zeit vom 3. bis 31. Januar 2012 Krankengeld in Höhe von brutto 55,17 EUR täglich bezog. Durch Urteil
vom 5. Dezember 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zuletzt sei vor dem streitigen Unfallereignis und der damit
einhergehenden Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigungsmonat Januar 2012 abgerechnet worden. In diesem Monat sei kein vollständiger
Vier-Wochen-Zeitraum abgerechnet worden, weil der Kläger nur bis einschließlich 2. Januar 2012 Entgeltfortzahlung, die dem
Arbeitsentgelt im Sinne von §
14 Abs.
1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) gleichzustellen sei, bezogen habe. Ab 1. Februar 2012 bis zum Unfallereignis am 17. Februar 2012 habe der Kläger wieder
gearbeitet. Für die Berechnung des Verletztengeldes sei der Entgeltmonat Januar 2012 heranzuziehen, auch wenn damit kein Vier-Wochen-Zeitraum
erfasst werde. Ziel der Vorschriften sei es, einen aktuellen Durchschnittsverdienst und im Interesse der Verwaltungsvereinfachung
einen vollständig abgerechneten Entgeltzeitraum zugrunde zu legen. Das Lohnniveau solle möglichst aktuell in die Bestimmung
der Höhe des Verletztengeldes einfließen. Zwar seien die Ergebnisse der steuer- und beitragsrechtlichen Nachveranlagung des
Arbeitgebers durch die Prüfung des Finanzamts im Jahre 2012 zu berücksichtigen, denn es habe lediglich eine Neubewertung der
tatsächlichen Verhältnisse stattgefunden. Tatsächlich hätten sich jedoch die gesamten Umstände der beruflichen Tätigkeit des
Klägers zum Jahreswechsel 2011/2012 drastisch verändert. Ein Rückgriff auf den Abrechnungsmonat Dezember 2011 scheide daher
aus. Die geldwerten Vorteile hätten dem Kläger nur bis zum Ende des Jahres 2011 zur Verfügung gestanden. Eine Berechnung des
Verletztengeldes auf der Basis des Entgelts für den Monat Dezember 2011 sei daher mit dem Prinzip der Aktualität nicht zu
vereinbaren.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Erhöhung des abgerechneten Arbeitsentgeltes aufgrund der Nachprüfung
durch das Finanzamt beruhe auf Reisekosten, Vorteile aus der Nutzung eines Firmenwagens, zusätzlicher Arbeitslohn im Jahre
2011 und der Nutzung einer Wohnung. Alle diese Leistungen seien auch im Dezember 2011 in Anspruch genommen worden. Die erforderliche
Nachmeldung dieser Bezüge an die Sozialkassen sei erfolgt. Das Sozialgericht habe selbst erkannt, dass bei strikter Anwendung
der gesetzlichen Regelung auf die tatsächlich beim Kläger bestehenden Verhältnisse im Dezember 2011 abzustellen wäre. Die
Änderung der Verhältnisse zum Jahreswechsel 2011/2012 führe nach Auffassung des Sozialgerichts aber dazu, dass die Abrechnung
für Dezember 2011 die tatsächliche Einkommenssituation bei Beginn der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht mehr abbilde.
Soweit das Sozialgericht anführe, dass der Kläger seinen Dienstwagen im Dezember 2011 abgegeben habe, werde nicht berücksichtigt,
dass der Arbeitnehmer bei Entziehung der direkten Zuwendung Anspruch auf finanziellen Ersatz habe. Der Wortlaut des §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V sei zudem nicht auslegungsfähig. Dieser schließe die Anwendung eines allein auf zwei Tage verkürzten Abrechnungszeitraums
im Januar 2012 aus. Später eingetretene Entgeltveränderungen blieben nach der gesetzgeberischen Konzeption unberücksichtigt.
Dies könne sich zugunsten oder zuungunsten des Versicherten auswirken. Eine planwidrige Regelungslücke des §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V liege nicht vor. Es stehe ein vollständig abgerechneter Entgeltzeitraum von vier Wochen zur Verfügung. Der Gesetzgeber habe
bewusst in Kauf genommen, dass sich das Arbeitsentgelt nach Eintritt des Leistungsfalles anders entwickeln könne. Die Ansprüche
des Klägers für den Dezember 2011 seien erst später richtig erfasst worden. Unter Zugrundelegung eines tatsächlichen Gesamtbruttoeinkommens
im Jahre 2011 in Höhe von 66.419,20 EUR sei ein Bruttoarbeitsentgelt mit der Meldebescheinigung auf gerundet 66.000 EUR gemeldet
worden. Das tatsächliche monatliche Einkommen des Klägers im Dezember 2011 habe damit bei 5.534,93 EUR gelegen. Das Finanzamt
gehe in seinem Haftungsbescheid davon aus, dass der Kläger die Leistung tatsächlich erhalten habe. Die Vorlage einer Vergütungsabrechnung
für Dezember 2011 sei nicht möglich. Eine entsprechende neue Abrechnung durch den Arbeitgeber existiere nicht. Dies könne
dem Kläger nicht zum Nachteil geraten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides
vom 24. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 zu verpflichten, an ihn Verletztengeld für
den Zeitraum vom 31. März 2012 bis zum 30. September 2013 auf der Grundlage eines Monatsbruttoeinkommens von 5.534,93 EUR
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts. Auch unter Berücksichtigung des Haftungsbescheides des
Finanzamtes F. sei der Monat Dezember 2011 nicht in die Verletztengeldberechnung einzubeziehen. Maßgeblich sei die Vorschrift
des §
47 Abs.
2 SGB V.
Der Senat hat die Akte des arbeitsgerichtlichen Verfahrens Az. 28 Ca 13186/12 des Arbeitsgerichts München beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens des
Arbeitsgerichts München 28 Ca 13186/12 und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143,
151 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG statthaft, weil die erforderliche Berufungssumme von 750 EUR überschritten wird. Nach dieser Vorschrift bedarf die Berufung
der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dieser Beschwerdewert
ist vorliegend überschritten, weil der Kläger für den Zeitraum 31. März 2012 bis 30. September 2013 ein höheres Verletztengeld
begehrt. Erhalten hat er ein Verletztengeld in Höhe von 57 EUR. Bei einem Erfolg seines Begehrens würde er ein Verletztengeld
in Höhe von ca. 110 EUR brutto täglich erhalten. Damit ist die Berufungssumme ersichtlich erreicht. Ob die Berufung auch nach
§
144 Abs.
1 S. 2
SGG zulässig wäre, bedarf daher keiner Entscheidung.
Die danach zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der
Bescheid der Beklagten vom 24. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 ist insofern rechtswidrig,
als der Kläger Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld für den Zeitraum vom 31. März 2012 bis zum 30. September 2013 nach
einem Bruttomonatseinkommen von 5.534,93 EUR hat.
Bei dem Schreiben vom 24. April 2012 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die T. Krankenkasse nach §
189 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) i.V.m. Nr. 3 Satz 1 und Nr. 6 Satz 1 der Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen zur Berechnung
und Auszahlung des Verletztengeldes (abgedruckt etwa bei Bereiter-Hahn/Mehrtens,
SGB VII, Stand Juli 2018, Anhang 5.1) ermächtigt war. Das Schreiben der T. Krankenkasse vom 24. April 2012, mit welchem der Kläger
darüber informiert wurde, dass er ab 31. März 2012 kalendertäglich brutto 57,83 EUR Verletztengeld erhält, ist als zumindest
konkludente Bewilligung von Verletztengeld anzusehen. Zwar wird nach dem Wortlaut der Kläger nur darüber informiert, dass
im Auftrag des Unfallversicherungsträgers Verletztengeld ausgezahlt wird und ihm die Höhe mitgeteilt. Bei verständiger Würdigung
konnte der Kläger dem Schreiben jedoch entsprechend der Auslegungsgrundsätze der §§
133,
157 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) entnehmen, dass die Beklagte seinen Anspruch auf Verletztengeld bejaht hat. Das Verletztengeld wurde in der Folgezeit auch
ausgezahlt. Dem entspricht auch, dass die Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2013 mit Ablauf des 30. September 2013 die
Zahlung von Verletztengeld einstellte.
Der Kläger hat nach §
47 Abs.
1 SGB VII i. V. m. §
47 Abs.
1 und
2 SGB V Anspruch auf Zahlung eines Verletztengeldes unter Zugrundelegung eines monatlichen Bruttoarbeitslohnes in Höhe von 5.534,93
EUR. Die Berechnung des Verletztengeldes richtet sich vorliegend nach §
47 Abs.
1 SGB VII. Danach erhalten Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, Verletztengeld entsprechend §
47 Abs.
1 und
2 SGB V mit der Maßgabe, dass das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu
berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist. Das Verletztengeld
beträgt 80 v. H. des Regelentgelts und darf in Anwendung von §
47 Abs.
1 und
2 SGB V das berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen (§
47 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VII). Das Regelentgelt wird u. a. nach §
47 Abs.
2 SGB V berechnet (§
47 Abs.
1 Satz 5
SGB V). Gemäß §
47 Abs.
2 Satz 1 und
2 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten
Entgeltzeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig
gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Ist das
Arbeitsentgelt - wie im vorliegenden Fall - nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen
1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat
erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt (Satz 3). Entsprechend dem
eindeutigen und insoweit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V geht das Gericht - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.201 - B 1 KR 26/11 R; BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 5/06 R) - davon aus, dass für die Verletzten/Krankengeldberechnung nur der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegende und
abgerechnete, mindestens vier Wochen umfassende Entgeltabrechnungszeitraum maßgeblich ist. Der zugrunde zu legende Bemessungszeitraum
im Sinne des §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V muss somit vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegen. Hierbei kommt es nicht auf den Tag der Entgeltzahlung für den Bemessungszeitraum
bzw. den Tag der Abrechnung an, sondern auf das tatsächliche Ende des Bemessungszeitraums. Maßgeblich ist somit der letzte
abgerechnete und abgelaufene Bemessungszeitraum von mindestens vier Wochen vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, d. h. im vorliegenden
Fall der Monat Dezember 2011, der von der Beklagten als Entgeltabrechnungszeitraum für die Verletztengeldberechnung heranzuziehen
ist. Vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 17. Februar 2012 umfasste der Entgeltabrechnungszeitraum für den Januar
2012 nicht mindestens vier Wochen, sondern nur zwei Tage. Somit war der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgelaufene
und abgerechnete Kalendermonat, d. h. der Monat Dezember 2011, als der letzte abgerechnete Entgeltzeitraum zugrunde zu legen.
Die von der Beklagten angestrebte erweiternde Auslegung des §
47 Abs.
2 SGB V im Wege einer Analogie aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke in dem Sinne, dass auch in den Fällen von der Regelung
des §
47 Abs.
2 SGB V abgewichen und auf einen geringeren Entgeltzeitraum abgestellt werden könne, in denen zwar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
Arbeitsentgelt abgerechnet wurde, der direkt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgerechnete Entgeltzeitraum jedoch nicht
mindestens vier Wochen umfasst und sich in diesem Zeitraum das Entgelt verändert hat, ist nicht zulässig. Ein aus Art.
3 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) ableitbarer Wertungswiderspruch, der eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Fallkonstellationen erfordert, ist nicht
zu erkennen. Vielmehr ist die Tatbestandsvoraussetzung "mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum)
erzielte und abgerechnete Entgelt" weder willkürlich noch sachfremd. Mit dieser Tatbestandsvoraussetzung wird nämlich die
gesetzgeberische Intention normiert, dass der Bezugszeitraum den Lebensstandard des Versicherten hinreichend repräsentiert
und Zufallsergebnisse vermieden werden sollen (vgl. BSGE 36, 55 = SozR Nr. 59 zu § 182
RVO). Später eingetretene Entgeltveränderungen bleiben, unabhängig davon, worauf sie beruhen, unberücksichtigt. Dies gilt sowohl
zu Gunsten des Versicherten als auch zu seinen Ungunsten (vgl. Knittel in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung,
Stand März 2017, §
47 Rn. 10). Die mit der Regelung des §
47 Abs.
2 Satz 1
SGB V verbundene Typisierung und dadurch im Einzelfall evtl. eintretende Nachteile für den Versicherten durch eine später eingetretene
Entgelterhöhung begründen keine erweiternde Auslegung der Vorschrift im Sinne einer Analogie, denn die Regelung beruht nach
der gesetzgeberischen Intention nicht auf sachfremden Erwägungen. Hiergegen spricht auch, dass dem Krankengeld zwar eine Lohnersatzfunktion
zukommt. Maßgeblich ist aber nicht das Lohnausfallprinzip (d. h. das krankheitsbedingt tatsächlich ausgefallene Arbeitsentgelt),
sondern eine Berechnung durch die gesetzlich angeordnete Bezugs- bzw. Referenzmethode, die sich aus dem zuvor (vor Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit) bezogenen Arbeitsentgelt ergibt. Mit der Anknüpfung an das im - mindestens vier Wochen dauernden -
Bemessungszeitraum erzielte und abgerechnete Entgelt unterstellt das Gesetz zwingend, dass dieses das während der Arbeitsunfähigkeit
entgangene Arbeitsentgelt verlässlich wiedergibt.
Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Fälle, in denen dieses ausnahmsweise
einen Rückgriff auf kürzere Bemessungszeiträume als vier Wochen gestattet hat, betreffen Fallgestaltungen, in denen Arbeitsunfähigkeit
eingetreten ist, bevor in dem zugrunde zu legenden Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen abgerechnet worden sind bzw. zum
Beispiel bei einem erst im laufenden Monat aufgenommenen Arbeitsverhältnis abgerechnet werden konnten oder das Arbeitsverhältnis
von vornherein auf weniger als vier Wochen angelegt war (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2013 - B 2 U 46/02 R; Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 16/98 R - BSGE 84, 41-48, jeweils zitiert nach Juris; Schur in Hauck/Noftz, §
47 SGB VII Rn.17). Eine solche Konstellation lag auch dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Mai 2006 - B 1 KR 19/05 R = BSGE 96, 246-247 zugrunde. Dort wird ausdrücklich ausgeführt, dass das
SGB V keine ausdrückliche Regelung darüber enthält, ob bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit zehn Tage nach Beginn eines neuen entgeltlichen
Beschäftigungsverhältnisses Krankengeld zu zahlen und ggf. wie dessen Höhe zu berechnen ist. Insoweit ist das Gesetz lückenhaft.
Davon kann aber vorliegend nicht die Rede sein, denn der Kläger befand sich seit dem Jahre 2003 bis zum 31. März 2012 in einem
Beschäftigungsverhältnis. Soweit das Sozialgericht und die Beklagte darauf abstellen, dass sich zum Jahresbeginn 2012 die
Einkommensverhältnisse des Klägers wesentlich geändert haben, wird verkannt, dass Sinn und Zweck des Gesetzes darin besteht,
durch die Wahl eines entsprechend hinreichend langen Referenzzeitraumes Zufallsergebnisse zu vermeiden. Daher knüpft das Gesetz
an im Bemessungszeitraum erzielte und abgerechnete Entgelte an und unterstellt für diese zwingend, dass das während der Arbeitsunfähigkeit
entgangene Entgelt dadurch verlässlich wiedergegeben wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 2006 - B 1 KR 19/05 R = BSGE 96, 246-257). Das Abstellen auf diesen Zeitraum kann sich sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Versicherten auswirken. Abweichende
Regelungen sieht das Gesetz nicht vor. Auch wenn nach dem Ende des maßgeblichen Entgeltabrechnungszeitraumes gravierende Änderungen
wie zum Beispiel eine erhebliche Reduzierung oder Erhöhung der Arbeitszeit eintreten, bleiben diese unberücksichtigt (Gerlach
in Hauck/Noftz, §
47 SGB V Rn. 86). Die vom Gesetz gewählte Anknüpfung an das mindestens während der letzten abgerechneten vier Wochen erzielte und
abgerechnete Entgelt dient gerade dazu, dass das dem Lohnersatz dienende Krankengeld allen Veränderungen in den Lohnverhältnissen
des Versicherten so dicht wie möglich folgt und mithin das jeweils aktuelle Lohnniveau widergespiegelt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 8. Dezember 2015 - L 11 KR 2575/15, zitiert nach Juris). Das Gesetz sieht keine wie auch immer geartete Härtefallregelung für besondere Fälle vor. Zudem ist
zu berücksichtigen, dass diese allein auf eine vor der Arbeitsunfähigkeit abgelaufene Lohnperiode abstellende Methode vor
allem auch das Ziel verfolgt, dem Versicherungsträger eine schnelle Entscheidung hinsichtlich der Höhe des Verletztengeldes
zu ermöglichen. Zukünftige durch die Arbeitsunfähigkeit verhinderte Entwicklungen des Arbeitsentgelts sind häufig nur hypothetisch
festzustellen, was einen unangemessenen Verwaltungsaufwand erfordern würde (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 16/98 R = BSGE 84, 41-48).
Daher ist auf die Einkommensverhältnisse des Klägers im Dezember 2011 abzustellen. Als Arbeitsentgelt im Monat Dezember 2011
ist im Fall des Klägers ein Betrag von 5.534,93 EUR zu berücksichtigen. Es ist insoweit unerheblich, dass in der Lohnbescheinigung
seines Arbeitgebers nur ein Bruttolohn von 2.800 EUR ausgewiesen ist. Zwar ist der Arbeitgeber nach § 108 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Nach Erhalt des
Haftungs- und Nachforderungsbescheides des Finanzamtes F. hat der Arbeitgeber des Klägers diesem keine geänderte Lohnabrechnung
für Dezember 2011 erteilt. Die nach § 108 Abs. 1 GewO erforderlichen Angaben lassen sich jedoch dem Haftungs- und Nachforderungsbescheid des Finanzamtes F. entnehmen. Dies zeigt
auch die erfolgte Nachmeldung zur Sozialversicherung. Mit abzustellen ist daher auf die Festsetzung des Finanzamts F. im Haftungs-
und Nachforderungsbescheid sowie Festsetzungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit bis Dezember 2011.
Danach hat der Kläger unter Berücksichtigung von nachzuversteuernden Reisekosten, eines Anteils der privaten Pkw-Nutzung und
der Zurechnung des Scheinarbeitsverhältnisses seiner Ehefrau zu seinem Arbeitslohn anstelle eines steuerpflichtigen Arbeitslohns
von 37.710 EUR im Jahr 2011 unter Berücksichtigung des nachzuversteuernden Betrages von 28.709,20 EUR ein Bruttoarbeitslohn
von 66.419,20 EUR erzielt, was einen Bruttolohn von 5.534,93 EUR im Monat ergibt. Abzustellen ist nach §
47 SGB VII auf das in den letzten abgerechneten vier Wochen erzielte Arbeitsentgelt. Dabei gilt das Zuflussprinzip, d. h. es ist auf
die Beträge abzustellen, die dem Arbeitnehmer tatsächlich zugeflossen sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings
dann zu machen, wenn dem Versicherten für den maßgeblichen Abrechnungszeitraum rechtswidrig Arbeitsentgelt vorenthalten wurde,
welches ihm dann später zugeflossen ist. Denn auch bei einer solchen Nachzahlung handelt es sich um Arbeitsentgelt im Sinne
von §
47 Abs.
1 Satz 1
SGB V i.V.m. §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 19/03 R, zitiert nach Juris). Dies muss vorliegend umso mehr gelten, als hier keine nachträgliche Änderung eingetreten ist, sondern
vielmehr nur eine Neubewertung der tatsächlichen Verhältnisse erfolgte. Denn z.B. die Lohnzahlungen an die Ehefrau des Klägers
im Rahmen des Scheinarbeitsverhältnisses sind tatsächlich geflossen bzw. der Kläger hat die nachzuversteuernden Sachleistungen
erhalten.
Die Beklagte wird nunmehr das dem Kläger ab dem 31. März 2012 bis zum 30. September 2013 zustehende Verletztengeld unter Berücksichtigung
eines Bruttolohneinkommens von 5.534,93 EUR neu zu berechnen und eine entsprechende Nachzahlung vorzunehmen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 SGG nicht vorliegen.