Vergütung von Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung; Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung bei
Trichterbrust
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch der Anspruch der Klägerin auf Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung in Höhe
von 8.051,04 Euro nebst Zinsen für die Zeit ab 19. März 2003 streitig.
Der bei der Beklagten versicherte B. S. (Versicherter) war in der Zeit vom 5. bis zum 16. Februar 2003 in einem von der Klägerin
betriebenen und in den Krankenhausplan des Freistaats Thüringen aufgenommenen Krankenhaus vollstationär untergebracht. Die
Aufnahme erfolgte am 5. Februar 2003 auf Grund einer Verordnung der Dr. S. zur operativen Korrektur der angeborenen Trichterbrust,
nachdem sich der Versicherte deswegen bereits zuvor am 19. Dezember 2002 (Röntgen) und am 9. Januar 2003 (Lungenfunktionstest
und Oxyergometrie im Liegen und Stehen) in der Thoraxchirurgischen Ambulanz des Krankenhauses der Klägerin vorgestellt hatte.
Am 6. Februar 2003 erfolgte ein erneuter Lungenfunktionstest und am 7. Februar 2003 die Operation durch partielle Sternotomie,
partielle Sternumresektion und Stabilisatorimplantation. Am 11. Februar 2003 teilte die Klägerin der Beklagten die stationäre
Aufnahme des Versicherten mit. Am 16. Februar 2003 wurde der Versicherte entlassen. Laut Entlassungsbericht der Klägerin vom
26. Februar 2002 erfolgte die stationäre Aufnahme zur Korrektur der Trichterbrust. Blutgasanalyse und Lungenfunktionsprüfung
seien unauffällig. Die Röntgenthoraxuntersuchung zeige ein schmales Mediastinum, die Herzgrenzen lägen im Normbereich und
die Lunge sei frei. Der Befund sei unverändert zu Dezember 2002. Somit habe die Indikation zur Operation bestanden.
Bereits zuvor, nämlich mit Datum vom 6. Januar 2003 hatte die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf deren Kostenübernahmeantrag
um Übersendung der Befunde zur Beeinträchtigung von Herz- und Lungenfunktion gebeten.
Die Klägerin stellte der Beklagten sodann mit Datum vom 27. Februar 2003, bei der Beklagten am 4. März 2003 eingegangen, einen
Betrag in Höhe von 8.288,71 EUR in Rechnung.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK e.V. mit der Überprüfung der medizinischen
Notwendigkeit der stationären Behandlung. In dem Gutachten vom 28. Mai 2003 führte dieser aus, die funktionellen Störungen,
die für die Notwendigkeit der Operation der Trichterbrust genannt worden seien, könnten den medizinischen Unterlagen nicht
entnommen werden, so dass davon auszugehen sei, dass die Korrektur des äußeren Erscheinungsbildes die Indikation zur Operation
bestimmt habe. Für einen derartigen Eingriff sei eine mehr als eintägige präoperative Verweildauer im Krankenhaus nicht erforderlich.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Kostenübernahme sei nicht möglich.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 11. Juni 2003. Die operative Korrektur einer Trichterbrust habe neben
medizinischen Indikationen immer kosmetische Aspekte. Die Reduzierung des operativen Eingriffs auf rein medizinische Gesichtspunkte
sei aus thoraxchirurgischer Sicht unvertretbar. Röntgenmorphometisch seien Reduzierungen des Retrosternalraumes nachweisbar.
Die präoperative Verweildauer sei aufgrund des umfangreichen operativen Eingriffs gerechtfertigt gewesen.
Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK ein. Er vertrat im Gutachten vom 2. Oktober 2003 die Ansicht, eine hinreichende
Begründung der medizinischen Notwendigkeit des Eingriffs liege nicht vor, weil keine signifikanten kardio-respiratorischen
Funktionsstörungen, wie z.B. Belastungsdyspnoe, verminderte Vital- oder Totalkapazität, veränderte Druckkurve im rechten Ventrikel
oder verminderte Herzleistung, vorgelegen hätten. Mit Schreiben vom 11. November 2003 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme
erneut ab.
Am 5. Januar 2005 hat die Klägerin beim Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Lungenfunktionsprüfung habe bei guter Mitarbeit des Versicherten eine deutliche
Einschränkung der Vitalkapazität auf 78 vom Hundert des Alterssolls ergeben. Das Residualvolumen sei über das Doppelte erhöht
und mit 3,8 deutlich über dem Normwert gewesen. Des Weiteren habe ein reduzierter Atemausstoßwert (FEV-Wert) von 88 vom Hundert
des Solls vorgelegen. Der Thorax sei erheblich deformiert gewesen, das Sternum um 20 vom Hundert eingesunken. Es habe eine
Einschränkung des kardialen Systems mit der Gefahr von Folgeerkrankungen des Herzens und der Lunge aufgrund der eingeengten
Platzverhältnisse bestanden. Schließlich gebe es keine Leitlinien oder vergleichbare Empfehlungen der zuständigen wissenschaftlichen
Fachgesellschaften.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat ausgeführt, nach der Veröffentlichung von Prof. Dr. W. von der Klinik und Poliklinik
für Kinder- und Neugeborenenchirurgie der W.-W.-U. M. bestehe eine Indikation für eine operative Versorgung der Trichterbrust
bei einer Einsenkung oder Vorwölbung des Sternums von über 25 vom Hundert der normalen Thoraxtiefe, was durch eine Thoraxvermessung
festgestellt werden müsse. Des Weiteren müsse danach ein Trichterbrust-EKG, eine Mediastinalanalyse mit Hilfe des Ultraschalls,
einschließlich der farbkodierten Dopplersonografie zur Beurteilung der Lage des Herzens, eine Lungenfunktions- und Blutgasanalyse,
ggf. eine Endoskopie von Trachea und Oesophagus sowie eine Beurteilung der Wirbelsäule durch Videorasterstereographie erfolgen.
Der MDK habe festgestellt, dass keinerlei funktionelle Störungen vorgelegen hätten, insbesondere die Blutgasanalyse und die
Lungenfunktionsprüfung seien präoperativ jeweils unauffällig gewesen, die Lunge sei frei gewesen und die Herzgrenzen hätten
im Normbereich gelegen. Ein regelwidriger Körperzustand i.S. einer Krankheit habe bei dem Versicherten nicht vorgelegen. Die
Trichterbrust sei vielmehr in den Bereich der "natürlichen Schönheitsfehler" einzuordnen. Diese seien allerdings erst dann
eine Krankheit i.S. der gesetzlichen Krankenversicherung, mit dem entsprechenden Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn mit
dem Schönheitsfehler eine Regelwidrigkeit körperlicher oder seelischer Art verbunden sei und eine wesentliche Funktion nicht
mehr in befriedigendem Umfang erfüllt werden könne. Sie hat außerdem ein weiteres MDK-Gutachten des Prof. Dr. H. vom 10. Mai
2005 übersandt, wonach im Schrifttum allgemein anerkannt werde, dass eine schwere Deformität des Brustkorbes mit Einsinken
des Trichters über 25 vom Hundert zum Normaldurchmesser durchaus eine Operationsindikation darstelle. In einem Großteil der
Fälle liege dann auch eine sog. Sekundärpathologie mit u.a. Lungenfunktions- und -perfusionsstörungen, Herzbelastungen, erhöhter
Lungeninfektanfälligkeit, Skoliosen und Schulterschiefständen vor.
Das SG hat ein Gutachten des Prof. Dr. P. vom 9. August 2006 eingeholt. Zusammenfassend hat dieser ausgeführt, dass bei dem Versicherten
offensichtlich eine leicht asymmetrische Trichterbrust vorgelegen habe, die zu den typischen, wenn auch leichtgradigen Veränderungen
der Lungenfunktion beigetragen und in der Belastungsuntersuchung ebenfalls typische Veränderungen gezeigt habe. Es gebe keinen
Hinweis dafür, dass hier rein kosmetische Gründe die Operationsindikation getragen haben könnten, wenngleich die messbaren
Veränderungen häufig nur gering seien.
Auf die von der Beklagten übersandte Stellungnahme des Prof. Dr. H. für den MDK vom 29. September 2006, hat das SG eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. P. vom 13. Dezember 2006 eingeholt. Hierauf hat die Beklagte
eine weitere Stellungnahme des MDK - Prof. Dr. H. - vom 5. Februar 2007 vorgelegt.
Das SG hat die Klage sodann mit Urteil vom 14. August 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Versicherte sei nicht krankenhausbedürftig
gewesen. Bei dessen Trichterbrust habe es sich um keine behandlungsbedürftige Krankheit gehandelt. Weder aus dem Entlassungsbericht
der Klägerin vom 26. Februar 2003 noch aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. P. vom 9. August 2006 ergebe sich das
Vorliegen erheblicher Beeinträchtigungen der Körperfunktionen. Die beim Versicherten gemessenen Werte hätten ausweislich der
Ausführungen des Prof. Dr. H. den Normalwerten entsprochen, was letztlich auch die Klägerin im erwähnten Entlassungsbericht
so gesehen habe. Eine weitergehende Beeinträchtigung des Versicherten, die über die typischen leichten Beeinträchtigungen
bei einer Trichterbrust hinausgingen, liege danach nicht vor. Anhaltspunkte für eine Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten
wegen äußerlicher Entstellung lägen ebenfalls nicht vor.
Gegen das ihr am 12. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. November 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung
vertritt sie Auffassung, dass die beim Versicherten vorliegende Trichterbrust bereits für sich genommen einen regelwidrigen
Körperzustand darstelle. Zudem habe die Deformität des Brustkorbs zu einer deutlichen Einschränkung des Lungenvolumens geführt.
Es sei auch bereits eine Progredienz der Trichterbrust zu verzeichnen gewesen, so dass einer Verschlimmerung nur durch eine
Operation habe begegnet werden können. Auf eine Vergütung des zweiten präoperativen Behandlungstages werde verzichtet. Schließlich
hat sie eine Studie in englischer Sprache aus dem Jahr 2004 (Michael J. Goretsky; MD, Robert E. Kelly, Jr, MD, Daniel Croitoru,
MD, Donald Nuss, MD - Chest wall anomalies: pectus excavatum and pectus carinatum) vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 14. August 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.051,04 Euro nebst
Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 19. März 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass keine Befunderhebungen außer den offensichtlich routinemäßigen Messungen der Klägerin vorgelegen hätten,
aus denen sich konkrete Beschwerden oder Gesundheitsgefahren des Versicherten ergeben würden. Ohne relevante Einschränkungen
der Vitalparameter komme der Trichterbrust an sich kein Krankheitswert zu. Eine entsprechend aussagekräftige Verlaufsdokumentation,
Differentialdiagnostik und Entscheidungsfindung könne die Klägerin jedoch nicht vorlegen. Auch sei nicht erkennbar, inwieweit
der Grundsatz "ambulant vor stationär" Berücksichtigung gefunden habe. Unter Umständen hätten etwa bestehende vitale Beschwerden
des Versicherten vorrangig mit konservativen Maßnahmen gebessert werden können. Eine Prüfung der Höhe der verlangten Vergütung
habe unter Abzug des jedenfalls nicht erforderlichen zweiten präoperativen Tages einen Betrag in Höhe von 8.051,04 Euro ergeben.
Der Senat hat im Laufe des Berufungsverfahrens medizinische Unterlagen der Dr. S. beigezogen und ein chirurgisches Gutachten
bei Dr. L. eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 30. April 2009 ausgeführt, die vom MDK zur Bewertung herangezogene Arbeit
von Prof. Dr. W. sei nur eine Arbeit unter vielen, die zudem ein historisches Operationsverfahren würdige. Bei dem Versicherten
habe eine leicht asymmetrische, mittelgradige Trichterbrust mit deutlicher Abflachung der ventralen Brustwand vorgelegen.
Nach Auswertung der Röntgenaufnahmen errechne sich ein Haller-Index von 3,8, was eine Operationsbedürftigkeit indiziere. Auch
die Lungenfunktionswerte der funktionellen Vitalkapazität, der Atemstoßtest sowie die Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid
hätten beim Versicherten die Operationskriterien erfüllt. Daneben sprächen auch die mit der Deformität einhergehenden psychosozialen
Probleme für eine Operationsbedürftigkeit. Durch konservative Maßnahmen sei keine Befundverbesserung zu erzielen, ein gezieltes
Krafttraining bewirke vielmehr das Gegenteil. Die erhobenen Befunde belegten eindeutig die Indikation, es habe keine kosmetische
Operation vorgelegen. Die Krankenhausverweildauer entspreche mit 12 Tagen insgesamt der Norm einer offenen Trichterbrustkorrektur,
wenn auch im oberen Bereich. Ein präoperativer Aufenthaltstag sei Standard, die Notwendigkeit der präoperativen Verlängerung
um einen Tag, nämlich dem 6. Februar 2003, sei anhand der Akten "nicht sachlich ersichtlich".
In der hierauf von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK vom 15. Juli 2009 hat Prof. Dr. H.
ausgeführt, dass selbst wenn man aus den Bestimmungen des Vertebral- und Frontosagitalindex eine stärkere Brustkorbdeformierung
annehmen würde, könne hieraus ohne den Nachweis kardiopulmonaler funktioneller Störungen lediglich eine Normabweichung des
äußeren Erscheinungsbildes und keine Operationsindikation gefolgert werden. Die vom Sachverständigen aus dem von ihm errechneten
erhöhten Haller-Index geschlossenen pathologischen Herz- und Lungenfunktionsparameter seien nicht nachweisbar. Vielmehr lägen
bei dem Versicherten die gemessenen Werte innerhalb des Normbereichs, wenn auch im "unteren Level". Auch eine Progredienz
sei anhand der vorliegenden spärlichen Daten nicht nachvollziehbar und sei letztendlich bei dem mit 20 Jahren als ausgewachsen
geltenden Versicherten kaum begründbar. Der Einschätzung zur Verweildauer könne gefolgt werden.
In einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK vom 3. November 2009 hat Prof. Dr. H. nochmals die Erforderlichkeit
einer Echokardiographie betont, mittels der eine kardiale Pathologie nachgewiesen oder ausgeschlossen werden könne.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Januar 2010 hat der Sachverständige Dr. L. seine Auffassung bekräftigt und ausgeführt,
dass die Analyse der bestehenden Indikationskriterien durch den MDK unvollständig und auf den CT-Index fixiert sei. Ausdruck
der ausgedehnten flächenhaften Konfiguration des Befundes beim Versicherten sei der Umstand, dass das Metallimplantat in den
3. Interkostalraum platziert worden sei, um die Korrektur auszuführen. Wenn nunmehr vom MDK ein CT gefordert werde, so sei
dem entgegen zu halten, dass hierfür vor der Operation des Versicherten genügend Zeit gewesen sei, zumal die Beklagte die
Klägerin mit ihrem Schreiben vom 6. Januar 2003 bereits um Übersendung eines Leistungstests gebeten habe. Zudem könne der
Schweregradindex auch anhand des Röntgenbildes hinreichend genau bestimmt werden. Der wahre Wert werde dabei sogar eher unterbewertet.
Beim Versicherten liege der Wert im Röntgenthorax jedenfalls deutlich über dem Grenzwert zur Operation und unter Einbeziehung
aller bekannten Umstände müsse von einer Verdrängung des Herzens ausgegangen werden. Die flächenhafte Ausdehnung des Befundes
mit spezieller Form und Asymmetrie könne kein noch so genau bestimmter CT-Index wiedergeben. Diesen Befund sehe der Operateur
allein bei der klinischen Untersuchung am Patienten. Eine 3D-Rekonstruktion des CT sei zwar hilfreich, jedoch nicht erforderlich.
Die Argumentation der MDK-Gutachter sei in Kenntnis der aktuellen Forschungsergebnisse und Literatur abzulehnen und als veraltet
einzuschätzen. Beim Versicherten liege jedenfalls keine kosmetische Operationsindikation vor.
In einer abschließenden sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK vom 19. Februar 2010 hat Prof. Dr. H. darauf hingewiesen,
dass durch die Beklagte erst am 4. März 2003, "also deutlich post operationem", ein Begutachtungsauftrag an den MDK erteilt
worden sei. Anhand der Angaben zu Anamnese und Behandlungsverlauf des Versicherten sei eine Sekundärpathologie der Trichterbrust,
welche die Operation medizinisch begründen würde, nicht erkennbar.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der
Patientenakte des Versicherten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, denn die noch anhängige Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.051,04 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. März 2003. Die Voraussetzungen des zulässig eingeklagten Vergütungsanspruchs
sind insoweit erfüllt, als Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten für den Zeitraum 5. sowie 7. bis 16. Februar
2003 erweislich ist und die Einwendungen der Beklagten diesbezüglich nicht durchgreifen. Unerheblich ist, dass die Klägerin
auch am 6. Februar 2003 Krankenhausbehandlung tatsächlich geleistet hat.
Die Klägerin macht den Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die vollstationäre Behandlung des Versicherten gegen die Beklagte
zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers, wie der Klägerin, auf Zahlung der Kosten für die Behandlung eines bzw. einer
Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt
nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember
2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach juris). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch mit zunächst 8.288,71 Euro und
nunmehr noch 8.051,04 Euro beziffert.
Rechtsgrundlage des streitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 8.051,04 Euro ist §
109 Abs.
4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2003 vom 14. Januar 2003. Insoweit wird nach §
153 Abs.
2 SGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt. Nähere vertragliche
Regelungen i.S.v. §
112 Abs.
1 und
2 SGB V (sog. Sicherstellungsverträge) über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, insbesondere der Kostenübernahme
und der Abrechnung der Entgelte, gab es in Thüringen in dem betroffenen Zeitraum (noch) nicht. Deshalb ist hier allein auf
die insoweit maßgebliche Pflegesatzvereinbarung 2003 zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, aaO.).
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem - wie hier - zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird
und im Sinne von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des §
109 Abs.
4 Satz 2
SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert.
Demgemäß müssen beim Versicherten bei seiner Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich alle allgemeinen Voraussetzungen für
die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie speziell von Krankenhausbehandlung, insbesondere
deren Erforderlichkeit vorliegen. Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V) wird nach §
39 Abs.
1 Satz 1
SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre
Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§
108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen
und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V; vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 - Az.: B 1 KR 5/08 R, nach juris).
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin aus den vorstehend dargestellten Regelungen und Grundsätzen für den Zeitraum 5. bis 16.
Februar 2003 besteht mit Ausnahme des 6. Februar 2003, weil Krankenhausbehandlung unter Beachtung des maßgeblichen Rechtsmaßstabs
erweislich erforderlich war.
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses
erforderlich macht. Maßnahmen dürfen daher z.B. nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen;
ebenso unterfallen rein pflegerische Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der Beklagten, vielmehr müssen diese als Teil einer
ärztlichen Behandlung dieser Behandlung untergeordnet sein. Als besondere Mittel des Krankenhauses hat die Rechtsprechung
des BSG eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt
herausgestellt. Dabei fordert sie für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder den Einsatz aller dieser Mittel
noch sieht sie ihn stets als ausreichend an. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht
auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende
Bedeutung zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, aaO., mit zahlreichen Nachweisen).
Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen
(vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 25. September 2007 - Az.: GS 1/06, nach juris). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere
durch ambulante Behandlung zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Aufgabe der GKV ist es, die Gesundheit
der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§
1 Satz 1
SGB V). Es geht hierbei um die Bereitstellung der für diese Zwecke benötigten medizinischen Versorgung. Das lässt sich aus zahlreichen
Einzelvorschriften des Leistungsrechts ersehen, insbesondere aus der Beschreibung der Leistungsziele in § 11 Abs 1 und §
27 Abs
1 Satz 1 sowie aus dem Leistungskatalog in §
27 Abs
1 Satz 2
SGB V.
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit stationärer Krankenhausbehandlung kommt es auf die medizinischen Erfordernisse im
Einzelfall und nicht auf eine abstrakte Betrachtung an. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben im Streitfall uneingeschränkt
zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dabei haben sie von dem im
Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, wenn die Krankenkasse
im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen (vgl. BSG, Großer Senat,
Beschluss vom 25. September 2007, aaO.).
Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der
Krankenhausbehandlung schon deshalb auszugehen wäre, weil der Krankenhausarzt sie bejaht und weil seine Einschätzung fachlich
vertretbar ist, bietet das Gesetz keine Grundlage. Auch Vereinbarungen in den Normsetzungsverträgen auf Landesebene könnten
daher nicht bewirken, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entgegen dem Gesetz nicht nach
objektiven Maßstäben getroffen wird, sondern im Ergebnis der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes überlassen bleibt
(vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 25. September 2007, aaO.).
In Anwendung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall der Nachweis der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung
für den streitgegenständlichen Zeitraum, mit Ausnahme des 6. Februar 2003, zur Überzeugung des Gerichts erbracht.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Senat, insbesondere nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme,
der Überzeugung, dass die im Krankenhaus der Klägerin durchgeführte stationäre Behandlung des Versicherten überhaupt, das
heißt ohne Berücksichtigung der Krankenhausverweildauer, notwendig im oben dargestellten Sinne war.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. lagen beim Versicherten die Kriterien, die eine Operationsindikation nach
dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung belegten, vor. So hatte der Versicherte eine leicht asymmetrische, mittelgradige
Trichterbrust mit deutlicher Abflachung der ventralen Brustwand. Ausdruck der ausgedehnten flächenhaften Konfiguration des
Befundes beim Versicherten ist die Erforderlichkeit der Platzierung des Metallimplantats in den 3. Interkostalraum. Zum einen
erfüllten die Lungenfunktionswerte der funktionellen Vitalkapazität, des Atemstoßtests sowie der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid
die in den einschlägigen Studien ermittelten Operationskriterien und zeigten ein erheblich verändertes Residualvolumen. Zum
anderen lag auch der beim Versicherten aus dem Verhältnis der Werte des Brustkorbdurchmessers errechnete sogenannte Haller-Index
mit 3,8 im pathologischen Bereich, der bei einem Wert ab etwa 3,25 und mehr beginnt. Letzteres konnte auch ohne Zugrundelegung
eines CT allein anhand der vorliegenden Röntgenaufnahmen festgestellt werden, wobei der wahre Wert dabei sogar eher unterbewertet
wird. Beim Versicherten lag der Wert im Röntgenthorax jedenfalls deutlich über dem Grenzwert zur Operationsindikation und
unter Einbeziehung aller bekannten Umstände musste von einer Verdrängung des Herzens ausgegangen werden. Diesen Ausführungen,
die der Sachverständige für den Senat nachvollziehbar und überzeugend anhand des aktuellen medizinischen Forschungsstandes
begründet, folgt der Senat.
Gestützt wird dies durch das Ergebnis des im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens vom 9. August
2006. Dort hat Prof. Dr. P. ausgeführt, dass die beim Versicherten festgestellte Trichterbrust zu den typischen, wenn auch
leichtgradigen Veränderungen der Lungenfunktion beigetragen und in der Belastungsuntersuchung ebenfalls typische Veränderungen
gezeigt hat. Das Charakteristische bei Trichterbrustpatienten sei, dass sich die geklagten Beschwerden im Sinne der körperlichen
Beeinträchtigungen nicht immer in den apparativen Untersuchungen quantifizieren ließen. Auch seien die messbaren Veränderungen
durch die Operation häufig nur gering. Im Falle des Versicherten zeigten sich jedoch die typischen Einschränkungen der Vitalkapazität
in der Lungenfunktion sowie in der Oxyergometrie vom 6. Februar 2003 die typischen Einschränkungen in der differenzierten
Belastungsuntersuchung im Liegen und Stehen.
Anders als das SG und die Beklagte ist der Senat in der Zusammenschau der gutachterlichen Ausführungen davon überzeugt, dass nicht (nur) kosmetische
Gründe die OP-Indikation bestimmt haben, sondern vielmehr maßgeblich medizinische Gründe hierfür ausschlaggebend waren.
Soweit das SG und auch die Beklagte unter Berufung auf die Ausführungen des MDK darauf abstellen, dass die beim Versicherten im Rahmen
der Lungenfunktionsanalyse erhobenen Werte im Normalbereich lagen, spricht das nicht gegen eine Operationsindikation. Hierzu
hat Dr. L. in seinem Gutachten ausgeführt, dass trotz der im Normalbereich liegenden Werte eine körperliche Behinderung und
reduzierte Leistungsfähigkeit aufgrund einer behinderten kardiovaskulären Leistung sowie durch eine Einschränkung der Beatmung
vorhanden war. Zudem hat er eine Verdrängung des Herzens festgestellt. Schließlich haben nach den Angaben des Dr. L. sämtliche
Lungenfunktionswerte des Versicherten sowie auch der Haller-Index die nach den einschlägigen medizinischen Studien geltenden
Grenzwerte überschritten. Es kann daher gerade nicht davon ausgegangen werden, dass - wie das SG im angefochtenen Urteil ausgeführt hat - keine weitergehenden Beeinträchtigungen des Versicherten, die über die typischen
leichten Beeinträchtigungen bei einer Trichterbrust hinausgingen, vorlagen.
Die vom MDK zur Begründung seiner Kritik herangezogene medizinische Arbeit des Prof. Dr. W. ist - so Dr. L. - als eine unter
vielen zu bezeichnen, die zudem ein historisches Operationsverfahren würdige. Deshalb muss die Argumentation des MDK in Kenntnis
der aktuellen Forschungsergebnisse und Literatur abgelehnt und als veraltet eingeschätzt werden. Insbesondere, soweit der
MDK statt der Operation die Durchführung konservativer Maßnahmen empfohlen hat, ist dem mit den Ausführungen des Dr. L. entgegen
zu halten, dass durch konservative Maßnahmen keine Befundverbesserung zu erzielen ist, ein gezieltes Krafttraining vielmehr
das Gegenteil bewirkt. Auch die vom MDK in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen verschiedentlich geforderten weiteren
apparativen Untersuchungen für das Stellen einer gesicherten OP-Indikation, sind nach den Ausführungen des Dr. L. zum Teil
vielleicht hilfreich, jedoch nicht unbedingt erforderlich. Zum einen kann der Schweregradindex auch anhand des Röntgenbildes
hinreichend genau bestimmt werden. Zum anderen kann die flächenhafte Ausdehnung des Befundes mit spezieller Form und Asymmetrie
kein noch so genau bestimmter CT-Index wiedergeben, sondern ist durch den Operateur allein bei der klinischen Untersuchung
am Patienten festzustellen.
Der Senat folgt hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit der Krankenhausverweildauer ebenfalls den Ausführungen des Dr L.,
der in seinem Gutachten diese zwar mit 12 Tagen insgesamt als der Norm einer offenen Trichterbrustkorrektur, wenn auch im
oberen Bereich, entsprechend anerkennt und einen präoperativen Aufenthaltstag als Standard bezeichnet, die Notwendigkeit der
präoperativen Verlängerung um einen Tag, nämlich dem 6. Februar 2003, anhand der Akten als "nicht sachlich ersichtlich" erachtet.
Vielmehr hätte die am 6. Februar 2003 durchgeführte erneute Lungenfunktionsprüfung, so man sie überhaupt für erforderlich
erachten will, auch bereits am 5. Februar 2003, dem Aufnahmetag durchgeführt werden können. Die Klägerin erkennt dies letztlich
an, denn sie hat ihren Zahlungsanspruch im Rahmen der mündlichen Verhandlung entsprechend eingeschränkt.
Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung der streitgegenständlichen Forderung gegen die Beklagte mit 2 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 19. März 2003 folgt aus §
69 Satz 3
SGB V i.V.m. §
11 Abs.
1 der Pflegesatzvereinbarung 2003 sowie der §§
286,
288 und
247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB). Danach beträgt die Zahlungsfrist 14 Tage nach Rechnungszugang (Satz 1), im konkreten Fall also bis einschließlich 18. März
2003. Bei - wie hier - verspäteter Zahlung dürfen sodann Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das
Jahr berechnet werden (Satz 2), mithin ab dem 19. Februar 2003. Die Zulässigkeit der Berechnung von Verzugszinsen und die
Verdrängung der gesetzlichen Zinsregelung durch die vorrangige vertragliche Vereinbarung, etwa wie hier der Pflegesatzvereinbarung,
ist in der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 8. September 2009 - Az.: B 1 KR 8/09 R, nach juris und m.w.N.) anerkannt und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht bestritten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG i.V.m. §
155 Abs.
1 Satz 3 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Der Senat hat es als billig erachtet, hier die Kosten ganz der Beklagte aufzuerlegen, da die Klägerin mit dem Verzicht
auf die ursprünglich begehrte Vergütung auch des zweiten präoperativen Behandlungstages nur zu einem geringen Teil, nämlich
zu etwa drei vom Hundert unterlegen ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.